Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 46/03 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. März 2003 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) wegen eines nicht angezeigten Steuerklassenwechsels für den Zeitraum vom 1. Juni 1999 bis 31. Dezember 1999 sowie eine Erstattungsforderung in Höhe von 9.621,44 DM.
Der im Jahre 1946 geborene Kläger ist verheiratet und hat drei Kinder. Zuletzt war er bis zum 31. März 1999 als Vertriebsleiter mit einem monatlichen Bruttoentgelt von 7.000 DM beschäftigt. Auf seiner Lohnsteuerkarte war zu Beginn des Jahres 1999 die Lohnsteuerklasse III/3 eingetragen. Der Kläger meldete sich zum 1. April 1999 arbeitslos. Er bestätigte dabei durch seine Unterschrift, das "Merkblatt für Arbeitslose" erhalten und dessen Inhalt zur Kenntnis genommen zu haben.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab 1. April 1999 Alg unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe C und des erhöhten Leistungssatzes von 67 vH in Höhe von 729,16 DM wöchentlich. Mit Wirkung zum 1. Juni 1999 wechselte der Kläger die Lohnsteuerklasse. Auf seiner Lohnsteuerkarte wurde die Lohnsteuerklasse V/keine Kinder, auf der Lohnsteuerkarte seiner Ehefrau die Lohnsteuerklasse III/3 eingetragen. Hiervon erhielt die Beklagte zunächst keine Kenntnis. Der Kläger bezog bis 31. März 2000 Alg. Er nahm vom 1. April bis 30. Juni 2000 eine Beschäftigung auf. Erst bei seiner erneuten Arbeitslosmeldung zum 1. Juli 2000 erlangte die Beklagte davon Kenntnis, dass auf der Lohnsteuerkarte des Klägers für das Jahr 2000 die Lohnsteuerklasse V/0 eingetragen war. Die Beklagte hob daher zunächst für den Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis 31. März 2000 die Bewilligung von Alg teilweise auf (Bescheid vom 27. Juli 2000; Widerspruchsbescheid vom 3. August 2000). Diese Bescheide hat der Kläger nicht weiter durch Klage angefochten.
Im Rahmen weiterer Ermittlungen stellte die Beklagte sodann fest, dass der Kläger bereits zum 1. Juni 1999 seine Lohnsteuerklasse von III auf V hatte ändern lassen. Die Beklagte hörte den Kläger hierzu an. Der Kläger erklärte, er habe eine von der Beklagten genehmigte Nebentätigkeit ausgeübt, die er im Mai 1999 auf den Unternehmenszweck "Beratung von Kleinunternehmern, Gewerbetreibenden und Freiberuflern" erweitert habe. Wegen der hieraus zu erwartenden Einkommenszuwächse habe die Festsetzung von Vorauszahlungen zur Einkommenssteuer gedroht. Durch den Steuerklassenwechsel zum 1. Juni 1999 sei er von diesen Steuervorauszahlungen befreit worden. Die Beklagte hob die Alg-Bewilligung für den Zeitraum vom 1. Juni 1999 bis 31. Dezember 1999 teilweise auf, weil dem Kläger Alg ab diesem Zeitpunkt lediglich unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe D (Lohnsteuerklasse V) in Höhe von 414,40 DM wöchentlich zugestanden habe (Bescheid vom 21. November 2000). Gleichzeitig machte sie eine Erstattungsforderung in Höhe von 9.621,44 DM geltend. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2000).
Auf die Klage hat das Sozialgericht Stuttgart durch Urteil vom 31. Oktober 2002 die Bescheide der Beklagten aufgehoben. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat durch Urteil vom 19. März 2003 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, zwar sei mit dem 1. Juni 1999 eine wesentliche Änderung der Verhältnisse gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt hätten auf Grund des Steuerklassenwechsels des Klägers die Voraussetzungen des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) vorgelegen. Nach dieser Vorschrift finde ein Lohnsteuerklassenwechsel bei Ehegatten immer dann Berücksichtigung, wenn sich auf Grund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein geringeres Alg ergebe. Dies wäre auch beim Kläger der Fall gewesen. Es könne aber offen bleiben, ob die Regelung des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III verfassungsgemäß sei, weil der Kläger jedenfalls nicht grob fahrlässig gehandelt habe. Der Senat sei zwar der Überzeugung, dass der Kläger seine Mitteilungspflicht aus § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgerichtsbuch Erstes Buch (SGB I) gegenüber der Beklagten gekannt und verletzt habe.
Der Kläger habe diese Pflicht jedoch nicht grob fahrlässig verletzt. Der Senat folge dem Bundessozialgericht (BSG), das in seiner Entscheidung vom 29. August 2002 (B 11 AL 87/01 R) im Zusammenhang mit den Anforderungen an die grobe Fahrlässigkeit bei der hier streitigen Konstellation des Lohnsteuerklassenwechsels ausgeführt habe, dass insofern ein genereller und kein subjektiver Maßstab anzuwenden sei. Vor dem Hintergrund der Ausführungen des 11. Senats des BSG sei der Senat (des LSG) der Überzeugung, dass auch der von der Beklagten hier angeführte Hinweis, ein Lohnsteuerklassenwechsel könne in der Regel nur einmal jährlich vollzogen werden und deshalb sei vorher Rat einzuholen, den Anforderungen des BSG nicht genüge. Auch zeige der Hinweis nicht unmissverständlich die möglichen negativen Folgen eines Lohnsteuerklassenwechsels im Arbeitsförderungsrecht auf, sondern verweise nur auf den grundsätzlich (nach dem Steuerrecht) einmal jährlich möglichen Lohnsteuerklassenwechsel. Dem Kläger könne auch nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe gewusst oder grob fahrlässig nicht gewusst, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen sei (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X). Gerade in Verbindung mit den vom BSG problematisierten steuerrechtlichen Besonderheiten sei den Hinweisen im Merkblatt nicht ohne weiteres zu entnehmen, dass eine möglicherweise steuerrechtlich vernünftige Kombination im Einzelfall (wie hier beim Kläger um Einkommenssteuervorauszahlungen zu vermeiden) im Recht der Arbeitslosenversicherung unter Umständen eine gravierende Senkung der Leistungshöhe zur Folge haben könne. Dies sei für den Kläger jedenfalls auch unter Berücksichtigung der im Merkblatt dargestellten Beispiele im konkreten, hier zu beurteilenden Fall nicht ohne weiteres bzw schon auf Grund einfachster, ganz nahe liegender Überlegungen erkennbar gewesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 und Nr 4 SGB X. Grundsätzlich sei die Beurteilung, ob grobe Fahrlässigkeit vorliege, eine Tatfrage, deren Beurteilung dem Berufungsgericht als Tatsachengericht obliege. Die Entscheidung über das Vorliegen grober Fahrlässigkeit sei, wie das BSG bereits entschieden habe (Hinweis auf BSGE 47, 180 und BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 42), revisionsrechtlich nur in engen Grenzen überprüfbar. Auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des 11. Senats des BSG vom 29. August 2002 sei hier davon auszugehen, dass der Kläger seine Mitteilungspflichten grob fahrlässig verletzt bzw grob fahrlässig nicht gewusst habe, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes teilweise weggefallen sei. Sie - die Beklagte - habe den Kläger in ausreichendem Maße auf seine Mitwirkungspflicht sowie darauf aufmerksam gemacht, dass er vor einem Lohnsteuerklassenwechsel eine Beratung bei ihr suchen solle. Die vom LSG zutreffend wiedergegebenen Hinweise in dem Merkblatt für Arbeitslose seien eindeutig, klar und verständlich. Die Merkblätter enthielten auch Hinweise zur Bedeutung der Lohnsteuerklasse für die Höhe der Leistung. Somit habe der Kläger bereits auf Grund der Ausführungen im Merkblatt zum Wechsel der Lohnsteuerklasse auch als Laie leicht erkennen können, dass ein Wechsel Auswirkungen auf die Höhe der vom Arbeitsamt bezogenen Leistungen haben würde. Der Kläger habe weder das Beratungsangebot wahrgenommen, noch habe er die Änderung der Lohnsteuerklasse dem Arbeitsamt mitgeteilt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. März 2003 und das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 31. Oktober 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend. Ergänzend verweist er darauf, dass ein Arbeitsloser generell nicht damit rechnen müsse, dass ein Lohnsteuerklassenwechsel negative Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch gegenüber der Beklagten haben würde.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist im Sinne der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 SGG). Auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht abschließend entschieden werden, ob der Kläger im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen ist, als hätte er den Lohnsteuerklassenwechsel zum 1. Juni 1999 nicht vorgenommen. In diesem Falle wäre der auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X iVm § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III gestützte (Teil-)Aufhebungsbescheid der Beklagten rechtswidrig, weil dem Kläger auch ab 1. Juni 1999 Alg unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe C (Lohnsteuerklasse III) zustünde und keine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten wäre. Auf die Frage, ob der Kläger im Übrigen grob fahrlässig gehandelt hat, kommt es dann nicht mehr an.
Die Beklagte kann die Bewilligung von Alg bzw Arbeitslosenhilfe (Alhi) nur dann wegen eines vorangegangenen Steuerklassenwechsels auf Grund von § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III teilweise aufheben, wenn sie den Betroffenen bereits bei der Antragstellung bzw vor der Leistungsbewilligung hinreichend über die Auswirkungen eines Wechsels der Steuerklassen auf die Höhe der Sozialleistung informiert hat. Die Beklagte trifft insoweit eine besondere Beratungspflicht, weil die in § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III angeordnete Rechtsfolge andernfalls nicht zu rechtfertigen wäre. Diese Regelung begegnet ebenso verfassungsrechtlichen Bedenken wie das Gesamtkonzept der Norm des § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III (hierzu unter 1). Der Senat schließt sich insoweit dem 11. Senat des BSG an, der bereits verfassungsrechtliche Zweifel gegen § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III erhoben hat (BSG SozR 3-4300 § 137 Nr 3). Diese Bedenken sind zum einen darin begründet, dass § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III das Eigentumsgrundrecht des Arbeitslosen aus Art 14 Abs 1 Grundgesetz (GG) berührt (vgl 1a). Zum anderen bestehen Bedenken gegenüber der unzureichenden Normenklarheit des Regelungskonzepts des § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III insgesamt. Hier treten auch Wertungswidersprüche zwischen den Rechtsfolgen des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III und denen des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III auf (vgl zum Ganzen 1b). Deshalb müssen dem verheirateten Versicherten die leistungsrechtlichen (arbeitsförderungsrechtlichen) Konsequenzen eines Lohnsteuerklassenwechsels hinreichend klar und deutlich vor Augen geführt werden. Die Beklagte kann den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 137 Abs 4 SGB III dadurch begegnen, dass sie die Betroffenen jeweils bereits bei Arbeitslosmeldung bzw Leistungsbewilligung gesondert und eingehend auf die Gefahren eines steuerrechtlichen Lohnsteuerklassenwechsels für den arbeitsförderungsrechtlichen Anspruch und die Notwendigkeit einer konkreten Beratung durch die Arbeitsämter (jetzt: Agenturen für Arbeit) hinweist (im Einzelnen unter 2). Die von der Beklagten ausgehändigten Merkblätter in ihrer gegenwärtigen Fassung genügen dieser spezifischen Hinweispflicht, die ausschließlich den Lohnsteuerklassenwechsel von Ehegatten betrifft, nicht, weil sie lediglich den Gesetzestext paraphrasieren und wegen ihres Umfangs die für Laien notwendige Warnung vor einem Steuerklassenwechsel nicht sicherstellen können. Ihrer Beratungspflicht kann die Beklagte nur dadurch genügen, dass sie im Einzelnen deutlich und von dem üblichen Merkblatt getrennt einen Hinweis auf die Gefahren des Lohnsteuerklassenwechsels gibt, der auch für die Laiensphäre verständlich macht, welche leistungsrechtlichen Gefahren bei einem Lohnsteuerklassenwechsel drohen können. Aus der Verletzung dieser Hinweis- und Beratungspflicht der Beklagten kann dem Arbeitslosen ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch erwachsen (vgl unter 3). Die bisherige Rechtsprechung des BSG im Rahmen des § 113 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zur "Tatbestandswirkung der eingetragenen Lohnsteuerklasse" steht einem solchen Herstellungsanspruch nicht entgegen.
1. § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken.
a) Das Eigentumsrecht des Art 14 Abs 1 GG ist bereits deshalb berührt, weil die Neuregelung des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III eine deutliche Verschlechterung gegenüber dem bisherigen Rechtszustand unter Geltung des AFG bis 31. Dezember 1997 darstellt. Der Anspruch des Klägers auf Alg ist im vorliegenden Fall am 1. April 1999 entstanden. Die dreijährige Rahmenfrist des § 124 Abs 1 SGB III wurde mithin zum Teil unter Geltung des AFG erfüllt, weshalb bereits die zum 1. Januar 1998 bestehende Anwartschaft durch die Neuregelung tangiert wurde. Wie vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits mehrfach entschieden (vgl BVerfGE 72, 9; 74, 9, 25; 74, 203, 213; 76, 220, 235; 92, 365, 404), fällt der Anspruch auf Alg unter den Schutzbereich des Art 14 Abs 1 GG (vgl Papier in Maunz/Dürig, GG, RdNr 152 ff zu Art 14 GG, 40. Lfg, Juni 2002). Die Neuregelung des § 137 Abs 4 SGB III berührt den Schutzbereich dieses Grundrechts, soweit die unter Geltung des AFG bereits zurückgelegte Anwartschaft mit einer neuen Belastung (§ 137 Abs 4 Satz 1 SGB III) beschwert wird. Dahinstehen kann deshalb, inwieweit auch die Bewilligung von Alg (hier zum 1. April 1999) ebenfalls bereits eine eigentumsgeschützte Position zu Gunsten des Klägers darstellt, in die nachträglich auf Grund der in § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III normierten Rechtsfolge eingegriffen wurde.
Der "Eingriffscharakter" des § 137 Abs 4 SGB III erschließt sich zunächst aus einer rechtsgeschichtlichen Betrachtung der Behandlung des Lohnsteuerklassenwechsels unter Ehegatten im AFG. Zunächst wurde im AFG die Lohnsteuerklasse bei der Höhe des Alg überhaupt nicht berücksichtigt. Nach §§ 111, 112 AFG wurde ab 1969 lediglich ein "Hauptbetrag" (nebst Familienzuschlägen) ermittelt, für dessen Höhe die vorherige Lohnsteuerklasse des Arbeitslosen irrelevant war. Mit dem Haushaltsstrukturgesetz-AFG vom 18. Dezember 1975 (BGBl I, 3113) wurde zum 1. Januar 1976 erstmals die Berechnung des Alg nach Leistungsgruppen (entsprechend der Lohnsteuerklasse) eingeführt. Der neue § 113 AFG sah eine Berücksichtigung des Wechsels von Lohnsteuerklassen nur vor, wenn der Ehegatte des Arbeitslosen nunmehr keine oder nur noch eine Teilzeitbeschäftigung ausübte. § 113 Abs 2 AFG idF des Fünften Gesetzes zur Änderung des AFG (5. AFG-ÄndG) vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189; in Kraft ab 1. August 1979) bestimmte schließlich, dass ein Steuerklassenwechsel zwischen Ehegatten bei der Höhe des Alg nur berücksichtigt wird, wenn der Arbeitslose dies beantragt. Es stand mithin zur Disposition des Arbeitslosen, ob er den Lohnsteuerklassenwechsel arbeitsförderungsrechtlich berücksichtigt haben wollte. Mit Wirkung zum 1. Januar 1981 wurde § 113 Abs 2 AFG durch das Steuerentlastungsgesetz 1981 vom 16. August 1980 (StEntlG 1981, BGBl I 1381) neu gefasst. § 113 Abs 2 AFG lautete nunmehr:
"(2) Haben Ehegatten die Steuerklassen gewechselt, so werden die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen von dem Tage an berücksichtigt, an dem die Änderung wirksam wird. Entsprechen die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen an diesem Tage offensichtlich nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten, so sind die diesem Verhältnis entsprechenden Lohnsteuerklassen für die Höhe des Arbeitslosengeldes maßgebend. Ein Ausfall des Arbeitslohns, der den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung begründet, bleibt bei der Beurteilung des Verhältnisses der monatlichen Arbeitslöhne außer Betracht."
Diese Fassung des § 113 Abs 2 AFG galt im Wesentlichen unverändert von 1981 bis zum Inkrafttreten des SGB III am 1. Januar 1998. Lediglich Satz 4 des Abs 2 wurde durch das Gesetz zur Änderung von Fördervoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992 (BGBl I, 2044) angefügt.
Zur Begründung der Neufassung des § 113 Abs 2 AFG ist in den Materialien des StEntlG 1981 (BT-Drucks 8/3901, S 77) ausgeführt:
"Ein Steuerklassenwechsel soll künftig immer dann berücksichtigt werden, wenn der Steuerklassenwechsel objektiv geboten war, beispielsweise, wenn sich der Arbeitsverdienst eines Ehegatten nach der Ausstellung der Lohnsteuerkarten erheblich verändert hat. In diesen Fällen sollen die Lohnsteuerklassen maßgebend sein, die dem Verhältnis der Arbeitslöhne beider Ehegatten entsprechen."
Es war also klar erkennbarer Wille des Gesetzgebers, die "objektive Gebotenheit" eines Steuerklassenwechsels zwischen Ehegatten zu überprüfen. Unter Geltung des § 113 Abs 2 AFG hatte sich die Praxis so entwickelt, dass bei jedem Steuerklassenwechsel von Ehegatten eine Zweckmäßigkeitsprüfung seitens der Bundesanstalt (jetzt: Bundesagentur) für Arbeit (BA) zu erfolgen hatte. Bezogen zu dem Zeitpunkt, zu dem der Steuerklassenwechsel wirksam wurde, beide Ehegatten Arbeitsentgelte, so war eine steuerrechtliche Zweckmäßigkeitsprüfung vorzunehmen; bezog ein Ehegatte oder bezogen beide zu diesem Zeitpunkt Entgeltersatzleistungen, so war eine fiktive steuerrechtliche Zweckmäßigkeitsprüfung unter Berücksichtigung des Arbeitsentgelts erforderlich, das vor dem Bezug der Entgeltersatzleistung verdient worden war (arbeitsförderungsrechtliche Tunlichkeitsprüfung). Die von Ehepartnern geänderten Lohnsteuerklassen wurden jeweils arbeitsförderungsrechtlich zu Grunde gelegt, wenn die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen "den geringsten gemeinsamen Lohnsteuerabzug zur Folge haben" (so Urteil des Senats vom 11. Februar 1988, BSG SozR 4100 § 113 Nr 7, S 44; Zusammenfassung der Rspr des BSG zu § 113 Abs 2 AFG in dem Urteil des Senats vom 4. September 2001 - BSGE 88, 299, 302 f). Das Arbeitsamt war unter Geltung des § 113 Abs 2 AFG bei einem Steuerklassenwechsel immer verpflichtet, die materielle Richtigkeit der Steuerklassenwahl im Einzelnen zu überprüfen und auch das Alg nach dem Ergebnis dieser Prüfung zu berechnen (vgl auch BSG SozR 4100 § 113 Nr 11, S 64 f). Im hier zu entscheidenden Fall hätte der Kläger also unter Geltung des § 113 Abs 2 AFG weiterhin Alg nach Leistungsgruppe C beziehen können, weil das LSG die Einkünfte seiner Ehefrau aus abhängiger Beschäftigung als "geringfügig" bezeichnet hat, ohne die Höhe allerdings näher aufzuklären und die Lohnsteuerklassenkombination III (Kläger)/V (Ehefrau) materiell (angesichts der Einkommensverhältnisse: aktuelles Arbeitsentgelt der Ehefrau, Arbeitsentgelt des Klägers vor dem Alg-Bezug) wohl die richtige war. § 113 Abs 2 AFG erlaubte es mithin, dass die Ehefrau des Klägers Steuern nach Lohnsteuerklasse III bezahlt hätte, während der Kläger Alg ebenfalls unter Zugrundelegung von Lohnsteuerklasse III erhalten konnte.
Dieses Ergebnis lässt sich unter Geltung des § 137 Abs 4 SGB III einfachrechtlich nicht mehr rechtfertigen. § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III enthält zwei Alternativen der Berücksichtigung des Lohnsteuerklassenwechsels zwischen Ehegatten, je nach dem, ob sich aus dem Wechsel ein höherer Anspruch auf Alg ergeben könnte.
Hätte der Kläger auf Grund des Wechsels der Lohnsteuerklasse einen Anspruch auf höheres Alg, so prüft die BA, ob die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen (§ 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III).
Hätte der Kläger auf Grund des Wechsels der Lohnsteuerklasse einen Anspruch auf niedrigeres Alg, findet der Wechsel mithin zu Ungunsten des Klägers statt (vgl zur Struktur des § 137 Abs 4 SGB III insbes Pilz in Gagel, § 137 SGB III RdNr 61 ff, Stand Juli 2003), so braucht die BA hingegen arbeitsförderungsrechtliche Tunlichkeitsprüfung mehr vorzunehmen, sie kann ohne jede materielle Prüfung in der Sache von der arbeitsförderungsrechtlich ungünstigeren Kombination zu Lasten der Ehepartner ausgehen (§ 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III). Letzteres ist im vorliegenden Fall geschehen. Der Kläger hat die Lohnsteuerklasse V gewählt, die arbeitsförderungsrechtlich wegen ihrer Untunlichkeit zu einer geringeren Leistung führt, obwohl sie steuerrechtlich offensichtlich zweckmäßig ist. Auf Grund der Norm des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III muss er sich an dieser (arbeitsförderungsrechtlich ungünstigen) Wahl festhalten lassen. § 137 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III entbindet die BA gänzlich von einer materiellen Prüfung der arbeitsförderungsrechtlichen Tunlichkeit der Lohnsteuerklassenwahl.
Mithin stellt § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III eine Verschlechterung des Rechtszustandes im Vergleich zu § 113 Abs 2 AFG dar. Die Neufassung des § 137 Abs 4 SGB III insgesamt wird in den Materialien zum Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom Gesetzgeber mit lediglich einem Satz wie folgt gerechtfertigt:
"Die Vorschrift entspricht in neuem Aufbau im Wesentlichen den §§ 111 Abs 2, 113 AFG. Die Neuregelung zum Steuerklassenwechsel von Ehegatten soll stärker als das geltende Recht (§ 113 Abs 2 AFG) Manipulationen zu Lasten der Arbeitslosenversicherung verhindern" (BT-Drucks 13/4941, S 179).
Die Verfassungsgemäßheit des § 137 Abs 4 SGB III ist auch im Lichte dieser Gesetzesbegründung zu würdigen. Denn der Wechsel des "Regimes" von § 113 Abs 2 AFG zu § 137 Abs 4 SGB III könnte den Kläger in seinem Eigentumsgrundrecht aus Art 14 Abs 1 GG beeinträchtigen. Eine das Eigentumsrecht einschränkende Norm muss den Anforderungen genügen, die an eine Inhalts- und Schrankenbestimmung iS des Art 14 Abs 1 Satz 2 GG zu stellen sind (vgl Spellbrink in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 39 RdNr 40 ff). Regelungen, die zu Eingriffen in eigentumsrechtlich geschützte Positionen führen, sind nur zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind. Dabei müssen die Eingriffe zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sein, insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (beispielhaft BVerfGE 76, 220, 238 f). Das genannte Regelungsziel des Gesetzgebers, Manipulationen zu Lasten der Arbeitslosenversicherung zu verhindern, ist in der vorliegenden Fallkonstellation (Kläger hat bereits Alg nach Lohnsteuerklasse III (Leistungsgruppe C) bewilligt erhalten) nicht zu erreichen (so bereits zutreffend: Urteil des 11. Senats vom 29. August 2002, SozR 3-4300 § 137 Nr 3, S 15 ff). Der Kläger erhielt bereits das für ihn höchstmögliche Alg. Ein Lohnsteuerklassenwechsel in eine Lohnsteuerklasse, aus der sich ein niedrigeres Alg ergibt, stellt keine Manipulation zu Lasten der Arbeitslosenversicherung dar. Von daher stimmt bereits der angegebene Gesetzeszweck nicht mit der tatsächlichen Auswirkung des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III überein.
Diese zu erheblichen Leistungseinschränkungen führende Regelung ist aber auch im Hinblick auf andere denkbare Ziele nicht erforderlich. Eine Regelung ist erforderlich, wenn keine anderen, den Bürger weniger belastenden Maßnahmen zur Verfügung stehen, mit denen das gleiche Ziel erreicht werden kann. Eine solche Regelung lag mit § 113 Abs 2 AFG vor, die auch den (arbeitsförderungsrechtlichen) Schutz von Ehepartnern bei der Wahl von "falschen" Lohnsteuerklassen nach Eintritt von Arbeitslosigkeit bezweckte. Den oben zitierten Vorgängerregelungen des § 137 Abs 4 SGB III kann ein gewisser Schutzzweck zu Gunsten von Ehepaaren nicht abgesprochen werden, den § 137 Abs 4 SGB III weitgehend aufhebt. Zwar war die obligatorische Zweckmäßigkeitsprüfung gemäß § 113 Abs 2 Satz 2 AFG verwaltungsaufwändig, jedoch ist nach dem Gesamtkonzept des § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III die Beklagte keineswegs von jeder Zweckmäßigkeitsprüfung befreit, vielmehr hat sie eine solche in unsystematischer und tendenziell gleichheitswidriger (Art 3 Abs 1 GG) Weise durchzuführen (vgl sogleich 1b), wenn Ehepartner eine Lohnsteuerklassenkombination wählen, die zu einem höheren Alg führt (§ 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III). Hieraus folgt nicht, dass der Gesetzgeber das Regelungskonzept des § 113 Abs 2 Satz 2 AFG (aus verfassungsrechtlichen Gründen) nicht hätte aufgeben dürfen. Vielmehr ist lediglich festzuhalten, dass das neue Konzept des § 137 Abs 4 SGB III nicht erforderlich war in dem Sinne, dass eine den Bürger weniger belastende gesetzliche Regelung nicht denkbar wäre bzw zu demselben Ergebnis führen könnte. Dabei kann auch dahinstehen, ob die ursprüngliche Regelung des AFG ab 1969 vorzugswürdig wäre, nach der die Lohnsteuerklasse sich überhaupt nicht auf die Höhe des Alg auswirkte. Letztlich kann dies dahinstehen, zeigt der Vergleich unterschiedlicher Regelungsmöglichkeiten doch, dass die Regelung des § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III jedenfalls im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht erforderlich war. Im Hinblick auf die ab dem Jahre 2006 bestehende Rechtslage bleibt zu überdenken, ob eine Überprüfung des Lohnsteuerklassenwechsels von Ehegatten unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität ganz aufgegeben werden könnte. Nach den Regelungen des Gesetzes zur Reform am Arbeitsmarkt (vom 24. Dezember 2003, BGBl I 3002) wird der Anspruch auf Alg gemäß § 127 SGB III im Regelfall (für unter 55-jährige) nur noch zwölf Monate betragen. Da durch die Regelungen des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (sog "Hartz IV-Gesetz" vom 24. Dezember 2003, BGBl I 2954) die Anschluss-Alhi ab 1. Januar 2005 gänzlich entfallen wird, dürfte sich bei einem dann im Regelfall einjährigen Bezug von Alg verstärkt die Frage stellen, inwiefern der Gesetzgeber nicht generell bei der Höhe des Alg an die bei Arbeitslosmeldung vorliegende Lohnsteuerklasse anknüpfen könnte, ohne dass spätere Wechsel überhaupt Berücksichtigung finden.
Unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit ergeben sich Bedenken auch aus der Relation von gesetzgeberischem Ziel (Vermeidung von Missbrauch bzw Verwaltungsvereinfachung) und Tragweite des Eingriffs beim Versicherten. Letzterer verliert faktisch - zusammen mit seinem Ehegatten - das Recht, die steuerlich sinnvolle Steuerklasse zu wählen auch dann, wenn vor Eintritt der Arbeitslosigkeit die zweckmäßigen Lohnsteuerklassen gewählt worden waren. Hinzu kommt, dass die Auswirkungen des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III keinesfalls minimal und ohne weiteres hinnehmbar sind. Der Kläger "verliert" hier im konkreten Fall in sieben Monaten Arbeitslosigkeit etwa 9.600 DM (mithin über 1.300 DM monatlich), die er auch nicht später zurückerhält, weil ein "Alg-Jahresausgleich" nicht stattfindet. Durch § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III erleidet er mithin eine substanzielle Einbuße an seinem eigentumsgeschützten Recht auf Alg. Stellt man die Bedürfnisse des Bürgers - die unter Geltung des § 113 Abs 2 AFG noch gewahrt waren - und die Bedürfnisse der Verwaltung gegenüber (insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass nach § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III weiterhin eine intensive Zweckmäßigkeitsprüfung geboten ist), so bestehen erhebliche Bedenken, ob die Neuregelung des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III als dem Arbeitslosen zumutbar betrachtet werden kann.
b) Der Übergang von dem Regelungskonzept des § 113 Abs 2 AFG zu dem des § 137 Abs 4 SGB III kann im Rahmen des Art 3 Abs 1 GG auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt werden. Unter diesem Gesichtspunkt hat das BVerfG typisierende und pauschalierende Regelungen bei der Bestimmung der Höhe des Alg im Regelfall für zulässig erachtet (vgl Osterloh in Sachs, GG, 3. Aufl 2002, RdNr 104 ff zu Art 3 GG; Spellbrink in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 39 RdNr 148 ff, jeweils mwN). Die Gewährung von Alg ist ein Massenphänomen und soll nicht mit aufwändigen Einzelfallprüfungen belastet werden, wobei das BVerfG auch betont hat, dass es im Interesse des Leistungsempfängers liege, die Leistung zeitnah (schnell) zu erhalten (vgl BVerfGE 63, 255, 262). Indessen rechtfertigt die Notwendigkeit der Ordnung und verwaltungspraktikablen Bearbeitung von Massenerscheinungen in Form typisierender Regelungen nicht jede Härte im Einzelfall. Die Grenzen zulässiger Typisierung hat das BVerfG wie folgt umschrieben: Eine Typisierung setze voraus, "dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Wesentlich ist ferner, ob die Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären; hierfür sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht" (vgl BVerfGE 84, 348, 360; vgl auch BVerfGE 87, 234, 255 f; 91, 93, 115).
Insofern bestehen vielmehr Bedenken gegen das Regelungskonzept des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 und Nr 2 SGB III. Wenn einzig die Verwaltungspraktikabilität im Vordergrund der Regelung stehen würde, so ist die unterschiedliche Behandlung von Lohnsteuerklassenwechseln, die zu einem höheren und solchen, die zu einem niedrigeren Alg führen, kaum zu rechtfertigen. Denn nach § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III hat die Beklagte eine (verwaltungsaufwändige) materielle Zweckmäßigkeitsprüfung des Lohnsteuerklassenwechsels vorzunehmen, wenn der Alg-Anspruch des Arbeitslosen auf Grund des Lohnsteuerklassenwechsels höher ausfallen würde. Insoweit ist gegenüber der alten Rechtslage nach § 113 Abs 2 AFG keine Änderung eingetreten. Die Neuregelung kann im Einzelfall aber zu Ergebnissen führen, die im Widerspruch zur pauschalen Berücksichtigung der für das Alg "schlechteren" Lohnsteuerklasse nach § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III stehen.
Lag etwa bei einem arbeitslosen Ehepartner bei Arbeitslosmeldung zunächst die Lohnsteuerklasse V vor und war diese auch der Bewilligung zu Grunde gelegt worden (Leistungsgruppe D), wechselte dieser Arbeitslose aber später in Lohnsteuerklasse III (Leistungsgruppe C), so ist dieser Wechsel im Sinne des Gesetzgebers wohl "manipulativ", da mit ihm eine höhere Leistung bezweckt wird. Dieser "manipulative" Wechsel ist zu Gunsten des Arbeitslosen aber auch dann zu berücksichtigen, wenn sich nach der Zweckmäßigkeitsprüfung ergibt, dass die Kombination der Lohnsteuerklassen IV/IV die zweckmäßigste für das Ehepaar gewesen wäre. Denn im Rahmen der Zweckmäßigkeitsprüfung nach § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III genügt die Wahl einer bloß "zweckmäßigeren" Lohnsteuerklassenkombination (vgl BSGE 88, 299 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1). Die Wahl der zweckmäßigsten Kombination ist hier gerade nicht erforderlich. Insofern bestehen Bedenken, ob diese unterschiedliche Behandlung von Ehepaaren auch im Lichte des Art 3 Abs 1 GG gerechtfertigt werden kann. Während bei dem Ehepaar, dessen Leistungsempfänger in eine arbeitsförderungsrechtlich "schlechtere" Lohnsteuerklasse wechselt, diese gemäß § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III ohne jede Prüfung zu Grunde gelegt wird, wird zu Gunsten des Alg-Empfängers, der eine günstigere (und die Solidargemeinschaft mithin stärker belastende) Lohnsteuerklassenkombination wählt, eine umfangreiche und aufwändige Zweckmäßigkeitsprüfung durchgeführt, an deren Abschluss ihm auch dann das höchstmögliche Alg nach Leistungsgruppe C (Lohnsteuerklasse III) zusteht, wenn die Kombination IV/IV steuerrechtlich die richtige gewesen wäre.
Als völlig "ungereimt" und nicht berechenbar erweist sich das Regelungskonzept des § 137 Abs 4 SGB III schließlich im Fall einer Zweckmäßigkeitsprüfung nach § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III, bei der ebenfalls ein Wechsel des Leistungsempfängers von Lohnsteuerklasse V in Lohnsteuerklasse III erfolgt, die Kombination III/V sich aber noch nicht einmal als die zweckmäßigere erweist, weil etwa das zu berücksichtigende Arbeitsentgelt des Partners leicht über dem der Berechnung des Alg zu Grunde liegenden Arbeitsentgelt des Arbeitslosen liegt. Stellt die Beklagte in diesem Fall nach einer aufwändigen Zweckmäßigkeitsprüfung im Rahmen des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III fest, dass die Lohnsteuerklassenkombination IV/IV die zweckmäßigste wäre, so scheidet eine Berücksichtigung dennoch aus, wenn die bisherige Lohnsteuerklasse V die zweckmäßigere Lohnsteuerklasse und die vom Leistungsempfänger tatsächlich gewählte Klasse III die unzweckmäßigste aller drei möglichen Kombinationen ist. In diesem letzteren Fall wird dem Arbeitslosen dann aber auch die Gewährung von Alg nach der zweckmäßigen Lohnsteuerklasse IV verweigert, weil nach den zu Grunde liegenden Arbeitsentgelten der beiden Ehepartner für den Leistungsempfänger die neu gewählte Lohnsteuerklasse III nicht einmal die zumindest zweckmäßigere gewesen wäre. Die Beklagte müsste hier aber lediglich das mit erheblichem Aufwand gewonnene Ergebnis noch in einem Bescheid "umsetzen", was sie aber auf Grund des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III unterlassen darf.
Hierbei ist auch zu beachten, dass nach § 137 Abs 4 Satz 1 iVm § 137 Abs 4 Satz 2 SGB III hinsichtlich der Ermittlung der jeweils für den steuerrechtlichen Vergleich zu Grunde zu legenden Arbeitsentgelte der Ehegatten auf den Tag abzustellen ist, an dem der Lohnsteuerklassenwechsel wirksam wurde (vgl umfassend BSG SozR 4100 § 113 Nr 7). Damit ist insbesondere für einen Arbeitslosen, der bereits im Bezug einer Lohnersatzleistung ist, auch die Frage, von welchem (insofern fiktiven) Arbeitsentgelt bei ihm die Arbeitsverwaltung gemäß § 137 Abs 4 Satz 2 SGB III jeweils ausgehen wird, nicht einfach zu beantworten, sodass stets von Unwägbarkeiten abhängig ist, von welchem "Arbeitsentgelt" bei dem Vergleich der Ehegatteneinkommen auszugehen ist bzw welche Gestaltung sich als zweckmäßig (oder zweckmäßiger) erweist und ggf im Rahmen des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III noch zu berücksichtigen ist oder nicht. Der Senat tritt nicht zuletzt deshalb den Ausführungen des 11. Senats des BSG bei, der auf den Wertungswiderspruch zwischen den steuerrechtlichen Regelungen und deren arbeitsförderungsrechtlichen Konsequenzen hingewiesen hat (BSG SozR 3-4300 § 137 Nr 3, S 15 f). Die dem Leistungsempfänger bereits durch Bescheid bewilligte grundrechtsgeschützte Rechtsposition (Anspruch auf Alg nach Leistungsgruppe C) wird nachträglich eingeschränkt, nur weil er eine steuerrechtlich zulässige und vielleicht sogar steuerrechtlich erwünschte Handlungsoption wahrgenommen hat. Arbeitsförderungsrechtlich lässt sich diese - zum Teil erhebliche - Einbuße jedenfalls nicht rechtfertigen. Die Beitragshöhe bemisst sich ohnehin nach dem Bruttoentgelt (§ 341 Abs 3 SGB III), ohne dass es hierfür auf die Lohnsteuerklasse ankäme, und durch den Wechsel der Lohnsteuerklasse ändert sich auch am leistungsrechtlichen Status des Arbeitslosen (Verfügbarkeit, Beschäftigungssuche) nichts. Die Gefahr erheblicher Einbußen bei der Höhe des Alg wegen eines Steuerklassenwechsels erschließt sich dem Laien somit nicht unmittelbar, und es kann keinesfalls unterstellt werden, dass die Folgen sich aus der "Natur der Sache" herleiten oder "auf der Hand liegen".
Von daher vermag auch das Argument, der Arbeitslose wähle schließlich "in freier Entscheidung" die für ihn arbeitsförderungsrechtlich schlechtere Lohnsteuerklasse und müsse sich folglich an dieser "freien Wahl" festhalten lassen (ebenso Pawlak in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 11 RdNr 323), wenig zu überzeugen. Dieses Argument könnte nur verfangen, wenn unterstellt werden könnte, dass die Ehegatten unter Berücksichtigung aller Rechtsfolgen (unter Unterstellung der fiktiven Situation einer rationalen Wahl) die Steuerklassenwahl getroffen hätten. Wie dargelegt ist es aber auch für einen Fachmann äußerst schwer einzuschätzen, welche leistungsrechtlichen Folgen ein Lohnsteuerklassenwechsel haben kann. Auch der hier zu entscheidende Fall zeigt, dass die steuerrechtlich aktuell zweckmäßigere Wahl für die Ehegatten (Ehefrau Lohnsteuerklasse III/Kläger Lohnsteuerklasse V) ab 1. Juni 1999 zwar möglicherweise einen geringen Steuervorteil zur Folge hatte, arbeitsförderungsrechtlich aber zu erheblichen Einbußen beim Kläger führte, die auch nicht - im Rahmen eines "Alg-Jahresausgleichs" - wieder reparabel sind. Von einer "freien Wahl" der Lohnsteuerklasse durch den Arbeitslosen kann danach nur ausgegangen werden, wenn ihm zuvor die arbeitsförderungsrechtlichen Konsequenzen eines derartigen Wechsels deutlich vor Augen geführt worden sind (hierzu sogleich unter 2.)
2. Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Regelungskonzept des § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III zwingen nicht zu einer Vorlage gemäß Art 100 Abs 1 GG an das BVerfG, weil die Beklagte ihnen durch Maßnamen im Verwaltungsvollzug begegnen kann. Die aus den Ungereimtheiten des Regelungskonzepts des § 137 Abs 4 SGB III und aus dem Wertungswiderspruch zur steuerrechtlichen Gestaltungsfreiheit sich ergebenden verfassungsrechtlichen Bedenken greifen nicht mehr durch, wenn der Arbeitslose rechtzeitig in die Lage versetzt wird, eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Dies erfordert allerdings einen das übliche Maß erheblich übersteigenden Beratungsbedarf. Auch insoweit stimmt der erkennende Senat mit dem 11. Senat überein (BSG SozR 3-4300 § 137 Nr 3 S 17). Die Beklagte ist zunächst generell gehalten, verheiratete Arbeitslose auf die Rechtsfolgen des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 und Nr 2 SGB III hinzuweisen und sie vor einem Steuerklassenwechsel ohne vorherige Beratung durch die Agenturen für Arbeit zu warnen. Ein solcher Hinweis muss über die übliche Aushändigung eines Merkblattes deutlich hinausgehen, da das Merkblatt sachnotwendig eine solche Vielzahl von Informationen enthält, dass in der Menge die besonderen Gefahren des Lohnsteuerklassenwechsels nicht ausreichend betont werden und damit von einem Laien nicht ausreichend verarbeitet werden können. Hieraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass das Merkblatt der Beklagten generell ein untaugliches Mittel der Aufklärung und Beratung der Versicherten darstellt. Vielmehr ist lediglich und ausschließlich der besonderen Situation im Rahmen des Lohnsteuerklassenwechsels Verheirateter Rechnung zu tragen. Nur die verfassungsrechtlichen Zweifel gegenüber § 137 Abs 4 SGB III begründen eine gesonderte und hervorgehobene Beratungspflicht der Beklagten, die über die übliche Aushändigung eines Merkblattes hinausgeht. Denn erst durch die konkrete, auf die Warnung folgende Beratung, die dem Versicherten als Laien deutlich macht, in welche leistungsrechtlichen Gefahren er sich im Arbeitsförderungsrecht bei einem steuerrechtlich sinnvollen Steuerklassenwechsel mit seinem Ehepartner begibt, wird der Arbeitslose überhaupt in die Lage versetzt, eine rationale Wahl (unter Abschätzung aller Rechtsfolgen) zu treffen. Nur wenn - eine intensivere Beratung durch die Beklagte unterstellt - der Versicherte sich bewusst (in Ansehung der arbeitsförderungsrechtlichen Folgen) für eine bestimmte Lohnsteuerklassenkombination entschieden bzw trotz der vorherigen Warnhinweise, den Wechsel ohne weitere Beratung einzuholen vollzogen hat, kann der Versicherte an eine "freie Wahl" der Steuerklasse gebunden werden und hat die mit dieser Wahl verbundenen arbeitsförderungsrechtlichen Konsequenzen zu tragen.
Nimmt der das Beratungsangebot, das mit der Warnung ausgesprochen wurde, nicht wahr, so geht dies zu Lasten des Arbeitslosen und ggf auch seines Ehegatten.
Die Merkblätter der Beklagten für die Jahre 1998 und später genügen diesen Anforderungen nicht. In dem Merkblatt für 1998, das der Kläger nach den Feststellungen des LSG hier erhalten hat, wird erst auf S 26 (!) im Wesentlichen der Gesetzestext des § 137 Abs 4 SGB III paraphrasiert. Zwar ist - wie auch in späteren Merkblättern - in einem schwarzen Kasten der Hinweis hervorgehoben: "Ein Lohnsteuerklassenwechsel kann in der Regel nur einmal jährlich vorgenommen werden. Bitte holen Sie deshalb vorher Rat ein." Mit diesem gesonderten Hinweis, den die Beklagte in ihrem Revisionsvorbringen ebenfalls hervorhebt, ist aber noch nicht deutlich gemacht, dass überhaupt und welche Gefahren bei einem Steuerklassenwechsel für die Anspruchshöhe drohen. Gerade ein Arbeitsloser, der bereits Alg nach Leistungsgruppe C (Lohnsteuerklasse III) erhält, muss hier einen Hinweis erhalten, der ihm klar aufzeigt, dass jeder Lohnsteuerklassenwechsel eine erhebliche Anspruchseinbuße im Rahmen der Arbeitslosenversicherung zur Folge haben kann. Dieser Hinweis muss außerhalb des üblichen Merkblattes etwa auf einem gesonderten Blatt erfolgen und inhaltlich so gefasst sein, dass für einen Laien verständlich und klar zu erkennen ist, dass das Alg bei einem Lohnsteuerklassenwechsel niedriger ausfallen kann und ein solcher Schritt damit in jedem Falle leistungsrechtlich "gefährlich" ist.
3. Wenn die Beklagte den aufgezeigten Beratungspflichten nicht nachgekommen ist, kann dem Kläger aus der Verletzung dieser Pflichten ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch erwachsen.
Der Anspruch hat zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm auf Grund Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht (a), insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 15, 14 SGB I), verletzt hat (b). Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang (c) besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können (d). Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen (e) (vgl zB Senatsurteil vom 25. Januar 1994, BSG SozR 3-4100 § 249e Nr 4 S 37 mwN).
Einem Herstellungsanspruch des Klägers im Bereich des "Steuerklassenwechsels" steht die bisherige Rechtsprechung des BSG nicht entgegen. Der Kläger wäre - unterstellt, er hätte den Steuerklassenwechsel zum 1. Juni 1999 unterlassen, wenn er hinreichend bei Arbeitslosmeldung von der Beklagten vor den leistungsrechtlichen Konsequenzen eines Steuerklassenwechsels gewarnt oder über diese beraten worden wäre, was das LSG noch festzustellen haben wird - so zu stellen, als hätte er den Wechsel von Lohnsteuerklasse III zur Lohnsteuerklasse V unterlassen. Die Beklagte kann den Kläger auch "so stellen", als hätte er die Lohnsteuerklasse nicht gewechselt. Eine solche Rechtsfolge entspricht der "Funktion" der Norm des § 137 Abs 4 SGB III und liegt damit auch im rechtlich zulässigen Handlungs- und Zuständigkeitsbereich der Beklagten.
Beide für das Arbeitsförderungsrecht zuständigen Senate des BSG haben zwar entschieden, dass im Wege des Herstellungsanspruchs eine in die Lohnsteuerkarte eingetragene Lohnsteuerklasse nicht durch eine günstigere Steuerklasse ersetzt werden könne (7. Senat: Senatsurteil vom 10. Dezember 1980 - 7 RAr 14/78, DBlR Nr 2689a zu § 113 AFG; ebenso Senatsurteil vom 18. März 1982 - 7 RAr 11/81, DBlR Nr 2770a zu § 111 AFG; als obiter dictum im Rahmen einer ausführlichen Darstellung der Differenzierung zwischen "ersetzbaren" und "nicht ersetzbaren" Voraussetzungen wiederholt im Senatsurteil vom 25. Januar 1994, SozR 3-4100 § 249e Nr 4; wiederum tragender Grund im Senatsurteil vom 1. Juni 1994 - 7 RAr 86/93, DBlR Nr 4144a zu § 249b AFG; 11. Senat: Urteil vom 30. Mai 1990 - 11 RAr 95/89, DBlR Nr 3731a zu § 113 AFG). Die Entscheidungen stehen jedoch letztlich der Annahme eines Herstellungsanspruchs im hier zu entscheidenden Fall nicht im Wege.
Die zitierte Rechtsprechung hat der Senat in seinem Urteil vom 10. Dezember 1980 (7 RAr 14/78, DBlR Nr 2689a zu § 113 AFG) so begründet, dass im Wege des Herstellungsanspruchs die Vornahme einer gesetzeswidrigen Amtshandlung nicht begehrt werden könne. Im Falle der damaligen Klägerin hätte die Beklagte entgegen den Vorschriften der §§ 111, 113 AFG von einer Lohnsteuerklasse ausgehen müssen, die nicht auf der Lohnsteuerkarte der Klägerin eingetragen war. Ein solcher Herstellungsanspruch hätte sich - so der Senat - nur dann durchsetzen lassen, wenn die streitige Lohnsteuerklasse auf der Lohnsteuerkarte der Klägerin tatsächlich eingetragen gewesen wäre (§ 111 Abs 2 Nr 1 Buchst a AFG). Dem stehe jedoch entgegen, dass für die Eintragung der Lohnsteuerklasse auf der Lohnsteuerkarte die Gemeinde als örtliche Landesfinanzbehörde zuständig sei (§ 39 Abs 3 und 6 Einkommensteuergesetz). Es handele sich hierbei um eine Tatbestandsvoraussetzung, die außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Beklagten liege und aus diesem Grunde im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht ersetzt werden könne. Die (damalige) Klägerin wurde daher auf den Amtshaftungsanspruch verwiesen (insoweit übereinstimmend auch Senatsurteil vom 18. März 1982, DBlR Nr 2770a zu § 111 AFG; im Ergebnis ebenso unter jeweiliger Bezugnahme auf das Urteil vom 10. Dezember 1980 auch die Urteile BSG SozR 3-4100 § 249e und vom 1. Juni 1994, DBlR Nr 4144a zu § 249b AFG).
Der 11. Senat hat sodann in seinem Urteil vom 30. Mai 1990 (DBlR Nr 3731a zu § 113 AFG) das Vorliegen eines Beratungsfehlers des Arbeitsamts im konkreten Fall dahingestellt sein lassen, da selbst für diesen Fall die Beklagte nicht zu einer anderen Entscheidung verurteilt werden könne, denn die in der Steuerkarte eingetragene Steuerklasse habe für die Berechnung des Alg Tatbestandswirkung. Diese sei der Disposition der Beklagten entzogen. Dementsprechend komme ein so genannte Herstellungsanspruch nicht in Betracht, weil dieser nur dann gegeben sei, wenn ein Lebenssachverhalt vorliege, der den geltend gemachten Anspruch rechtfertige.
In dieser allgemeinen Form stimmte die Argumentation schon mit der damaligen Gesetzeslage nicht überein, wenn sie sich auch in den entschiedenen Einzelfällen als im Ergebnis zutreffend erwies. Bereits seit der oben unter 1) zitierten Änderung des § 113 AFG durch das 5. AFG-ÄndG mit Wirkung ab 1. August 1979 waren unter Umständen auch nicht eingetragene Lohnsteuerklassen der Bemessung des Alg zu Grunde zu legen. Dies war dann der Fall, wenn nach einem Steuerklassenwechsel zwischen Ehegatten dieser auf Antrag berücksichtigt werden sollte und "die zu Beginn des Kalenderjahres eingetragene Lohnsteuerklasse dem für die Wahl der Lohnsteuerklasse maßgebenden Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten zu diesem Zeitpunkt offensichtlich nicht entsprach" (§ 113 Abs 2 Satz 1 Nr 1 AFG). Dann galt nicht die Lohnsteuerklasse, in die gewechselt worden war, sondern diejenige, "die dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten zu Beginn des Kalenderjahres entsprochen hätte" (aaO Satz 3). Im Zeitpunkt des zitierten Urteils war ferner bereits das StEntlG 1981 (vom 16. August 1980, BGBl I 1381) verkündet, nach dem § 113 Abs 2 Satz 1 und 2 AFG die bis zum 31. Dezember 1997 geltende Fassung (siehe oben unter 1) erhalten hat und nach der von der Beklagten - wie ausgeführt - die Zweckmäßigkeit der Wahl der Lohnsteuerklassenkombination von Ehegatten in vollem Umfang und ohne Bindung an die tatsächlich eingetragenen Lohnsteuerklassen zu überprüfen war.
Entgegen den Ausführungen des Senats zum Herstellungsanspruch in den Urteilen vom 10. Dezember 1980 (aaO) und vom 18. März 1982 (aaO) bestand also bereits damals keine ausnahmslose Bindung an die eingetragene Lohnsteuerklasse. Im Ergebnis freilich könnte man diese Bindung aus den jeweils besonderen Umständen der beiden konkret entschiedenen Fälle herleiten. Denn die Änderungen durch das 5. AFG-ÄndG und das StEntlG 1981 waren auch angesichts der Übergangsregelungen in § 113 Abs 3 und 4 AFG jeweils nicht einschlägig, da keine Änderung der Lohnsteuerklassen vorgenommen worden war. Dann aber konnte in der Tat weiterhin nur die eingetragene Steuerklasse berücksichtigt werden.
Jedenfalls war aber die Aussage irreführend, die Beklagte könne nur "entgegen den Vorschriften der §§ 111, 113 AFG" von einer Lohnsteuerklasse ausgehen, die nicht auf der Lohnsteuerkarte eingetragen sei. Diese Ausführungen des Senats in den Urteilen vom 10. Dezember 1980 und vom 18. März 1982 haben dann jedoch augenscheinlich dazu geführt, dass in der Folgezeit das Urteil des 11. Senats vom 30. Mai 1990 sowie die Senatsurteile vom 25. Januar 1994 (insoweit obiter dictum) und vom 1. Juni 1994 - soweit erkennbar, ohne nähere Prüfung - von einem uneingeschränkten Rechtssatz ausgingen, dass im Wege des Herstellungsanspruchs eine in die Lohnsteuerkarte eingetragene Lohnsteuerklasse nicht durch eine andere (günstigere) ersetzt werden könne.
Bei genauerer Prüfung ergibt sich allerdings wiederum, dass auch in den später entschiedenen Fällen kein vorheriger Lohnsteuerklassenwechsel vorgenommen worden war. Mithin fehlten gerade die Grundvoraussetzungen dafür, eine andere als die eingetragene Lohnsteuerklasse der Leistungsberechnung zu Grunde zu legen. Der 11. Senat hatte im Urteil vom 30. Mai 1990 (DBlR Nr 3731a zu § 113 AFG) bei einer (im Dezember 1986 beantragten und am 6. Januar 1987 durchgeführten Änderung der Lohnsteuerkarten - Tausch der Steuerklassen V und III -) keinen Lohnsteuerklassenwechsel iS des § 113 Abs 2 AFG (während des Kalenderjahres; hierzu Senatsurteil vom 25. August 1987, SozR 4100 § 113 Nr 6 S 39f) gesehen. Damit lag aber - wie bei den Urteilen des erkennenden Senats 1980 und 1982 - kein Fall vor, der die Berücksichtigung einer nicht aktuell eingetragenen Steuerklasse ermöglicht hätte. Nichts anderes gilt für das Senatsurteil vom 1. Juni 1994 (DBlR Nr 4144a zu § 249e AFG). Auch hier war nie ein Lohnsteuerklassenwechsel erfolgt. Die dortige Klägerin machte lediglich geltend, sie sei nicht über die Möglichkeit eines derartigen Wechsels mit Folgen für die Leistungshöhe (damals Altersübergangsgeld) beraten worden. Damit schied ebenfalls die Berücksichtigung einer nicht aktuell eingetragenen Steuerklasse aus.
Nach alledem aber ist im Fall des Klägers der Weg frei für die Prüfung eines Herstellungsanspruchs in Abgrenzung zu der bisherigen Rechtsprechung des Senats und ohne Anfrage beim 11. Senat. Es liegt auch keine Divergenz zur bisherigen Senatsrechtsprechung vor, wonach im Grundsatz der zu einem Herstellungsanspruch führende Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung, ausgleichbar zu sein hat, bzw wie im Fall der fehlenden Arbeitslosmeldung eine Ersetzung auf Grund der gesetzlichen Funktion der Arbeitslosmeldung nicht möglich ist (hierzu zB Senatsurteil vom 21. Juni 2001, BSGE 88, 180, 184 = SozR 3-4300 § 150 Nr 1 unter Bezug auf: BSG SozR 3-4100 § 134 Nr 14, S 56 (Arbeitslosmeldung: Ersetzung nicht möglich); BSGE 58, 104, 109 = SozR 4100 § 103 Nr 36 (Verfügbarkeit: Ersetzung nicht möglich); BSGE 51, 89, 94 = SozR 2200 § 381 Nr 44 (Versäumung von Ausschlussfristen: Ersetzung möglich); BSG SozR 3-4100 § 110 Nr 2, S 10 (Verschiebung der Antragstellung auf ein späteres Datum: möglich)).
Die Gewährung von Alg nicht nach der aktuellen, sondern nach der zuvor eingetragenen Lohnsteuerklasse sieht das Gesetz jedenfalls vor. Nach der hier anzuwendenden Neuregelung durch das SGB III kann auch weiterhin - wie bereits nach § 113 Abs 2 AFG - eine nicht eingetragene Lohnsteuerklasse die Höhe des Alg bestimmen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn bei einem Wechsel der Lohnsteuerklassen unter Ehegatten die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten nicht oder zumindest nicht besser (vgl BSGE 88, 299 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1) entsprechen (§ 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III, vgl oben unter 1b). Ebenso besteht von Gesetzes wegen keine Bindung an die tatsächlich eingetragene Lohnsteuerklasse, wenn sich auf Grund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein niedrigeres Alg ergibt (§ 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2), wovon im hier zu entscheidenden Fall die Beklagte auch ausging. Unter Geltung des § 137 Abs 4 SGB III ist somit nach einem Wechsel der Lohnsteuerklassen die Zahlung von Alg entweder auf der Grundlage der neuen Lohnsteuerklasse möglich oder aber derjenigen, die vor dem Wechsel eingetragen war.
Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die Gewährung von Alg an den Kläger nach Lohnsteuerklasse III (Leistungsgruppe C) keine von vornherein "gesetzwidrige Handlung" darstellen würde und auch die Funktion der Anbindung der Leistungshöhe an die Lohnsteuerklasse dem nicht widerspricht. Darüber hinausgehende Forderungen an die "Ersetzbarkeit" einer nicht vorliegenden Leistungsvoraussetzung sind nicht angebracht. Denn der Herstellungsanspruch kommt immer nur dann zum Einsatz, wenn die bestehenden gesetzlichen Regelungen keine Korrektur zulassen. Damit geht es in diesen Fällen um die Gewährung von Sozialleistungen auch dann, wenn nicht sämtliche Leistungsvoraussetzungen vorliegen. Die "ersetzbaren" Handlungen können daher nicht auf die Fälle verspäteter Antragstellung, verspäteter Beitragsentrichtung oder verspäteter Vorlage von Unterlagen beschränkt werden.
Sollte die Beklagte ihre Beratungspflichten verletzt haben, könnte der Kläger von der Beklagten mithin so gestellt werden, als hätte er den Wechsel zur Lohnsteuerklasse V zum 1. Juni 1999 nicht vorgenommen. Es kann dahinstehen, ob die subjektiven Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III vorliegen und ggf im Hinblick auf die unterlassene Meldung des Steuerklassenwechsels - wie der 11. Senat angenommen hat - von einem generellen Maßstab der groben Fahrlässigkeit auszugehen ist (SozR 3-4300 § 137 Nr 3 S 16), zumal er in Fallkonstellationen, in denen keine Erstattungsforderung gemäß §§ 48, 50 SGB X im Raume steht, ohnehin nicht zur Ausräumung der verfassungsrechtlichen Bedenken beitragen kann. Der Senat konnte im vorliegenden Fall auch nicht den im Rahmen des Herstellungsanspruchs für den Kläger möglichen Erfolg der Klage dahinstehen lassen, weil diese schon aus dem Gesichtspunkt der fehlenden groben Fahrlässigkeit des Klägers gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 bzw Satz 2 SGB X ohnehin Erfolg gehabt hätte (§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG). Das LSG hat hierzu nämlich festgestellt, es sei überzeugt, "dass der Kläger die Mitteilungspflicht kannte" (Bl 11 des Urteils). Diese Feststellung spricht dafür, dass das LSG davon ausging, der Kläger habe vorsätzlich gehandelt, weshalb die genannte Rechtsprechung des 11. Senats des BSG ohnehin nicht einschlägig gewesen wäre, da mit dieser Rechtsprechung nur der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ausgeräumt werden könnte. Insofern bestehen Bedenken, ob das LSG auf Grund seiner eigenen Feststellungen (positive Kenntnis des Klägers von der Mitteilungspflicht) nicht von einem fehlerhaften Verständnis der Begriffe Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit ausgegangen ist, sodass auch insoweit eine Zurückverweisung zur Nachholung von Ermittlungen, ob der Kläger ggf vorsätzlich gehandelt hat, in Betracht gekommen und eine endgültige Entscheidung zu Gunsten des Klägers in der Revisionsinstanz ohnehin nicht möglich gewesen wäre. Das LSG wird mithin vorrangig noch Feststellungen zur Kausalität der Pflichtverletzung der Beklagten für das Handeln des Klägers zu treffen haben. Es ist im Einzelnen festzustellen, ob der Kläger den Wechsel in Lohnsteuerklasse V unterlassen hätte, wenn die Beklagte ihn zuvor entsprechend den oben unter 2) aufgezeigten Anforderungen gewarnt bzw beraten hätte. Hierbei kommt es nicht auf die Kenntnis des Klägers von der Anzeigepflicht des Lohnsteuerklassenwechsels an, sondern auf seine Kenntnis hinsichtlich der arbeitsförderungsrechtlichen Rechtsfolgen eines Lohnsteuerklassenwechsels und darauf, ob er ggf in Kenntnis dieser leistungsrechtlichen Folgen auf eine Beratung verzichtet hat.
Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.
Gründe:
I
Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) wegen eines nicht angezeigten Steuerklassenwechsels für den Zeitraum vom 1. Juni 1999 bis 31. Dezember 1999 sowie eine Erstattungsforderung in Höhe von 9.621,44 DM.
Der im Jahre 1946 geborene Kläger ist verheiratet und hat drei Kinder. Zuletzt war er bis zum 31. März 1999 als Vertriebsleiter mit einem monatlichen Bruttoentgelt von 7.000 DM beschäftigt. Auf seiner Lohnsteuerkarte war zu Beginn des Jahres 1999 die Lohnsteuerklasse III/3 eingetragen. Der Kläger meldete sich zum 1. April 1999 arbeitslos. Er bestätigte dabei durch seine Unterschrift, das "Merkblatt für Arbeitslose" erhalten und dessen Inhalt zur Kenntnis genommen zu haben.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab 1. April 1999 Alg unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe C und des erhöhten Leistungssatzes von 67 vH in Höhe von 729,16 DM wöchentlich. Mit Wirkung zum 1. Juni 1999 wechselte der Kläger die Lohnsteuerklasse. Auf seiner Lohnsteuerkarte wurde die Lohnsteuerklasse V/keine Kinder, auf der Lohnsteuerkarte seiner Ehefrau die Lohnsteuerklasse III/3 eingetragen. Hiervon erhielt die Beklagte zunächst keine Kenntnis. Der Kläger bezog bis 31. März 2000 Alg. Er nahm vom 1. April bis 30. Juni 2000 eine Beschäftigung auf. Erst bei seiner erneuten Arbeitslosmeldung zum 1. Juli 2000 erlangte die Beklagte davon Kenntnis, dass auf der Lohnsteuerkarte des Klägers für das Jahr 2000 die Lohnsteuerklasse V/0 eingetragen war. Die Beklagte hob daher zunächst für den Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis 31. März 2000 die Bewilligung von Alg teilweise auf (Bescheid vom 27. Juli 2000; Widerspruchsbescheid vom 3. August 2000). Diese Bescheide hat der Kläger nicht weiter durch Klage angefochten.
Im Rahmen weiterer Ermittlungen stellte die Beklagte sodann fest, dass der Kläger bereits zum 1. Juni 1999 seine Lohnsteuerklasse von III auf V hatte ändern lassen. Die Beklagte hörte den Kläger hierzu an. Der Kläger erklärte, er habe eine von der Beklagten genehmigte Nebentätigkeit ausgeübt, die er im Mai 1999 auf den Unternehmenszweck "Beratung von Kleinunternehmern, Gewerbetreibenden und Freiberuflern" erweitert habe. Wegen der hieraus zu erwartenden Einkommenszuwächse habe die Festsetzung von Vorauszahlungen zur Einkommenssteuer gedroht. Durch den Steuerklassenwechsel zum 1. Juni 1999 sei er von diesen Steuervorauszahlungen befreit worden. Die Beklagte hob die Alg-Bewilligung für den Zeitraum vom 1. Juni 1999 bis 31. Dezember 1999 teilweise auf, weil dem Kläger Alg ab diesem Zeitpunkt lediglich unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe D (Lohnsteuerklasse V) in Höhe von 414,40 DM wöchentlich zugestanden habe (Bescheid vom 21. November 2000). Gleichzeitig machte sie eine Erstattungsforderung in Höhe von 9.621,44 DM geltend. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2000).
Auf die Klage hat das Sozialgericht Stuttgart durch Urteil vom 31. Oktober 2002 die Bescheide der Beklagten aufgehoben. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat durch Urteil vom 19. März 2003 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, zwar sei mit dem 1. Juni 1999 eine wesentliche Änderung der Verhältnisse gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt hätten auf Grund des Steuerklassenwechsels des Klägers die Voraussetzungen des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) vorgelegen. Nach dieser Vorschrift finde ein Lohnsteuerklassenwechsel bei Ehegatten immer dann Berücksichtigung, wenn sich auf Grund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein geringeres Alg ergebe. Dies wäre auch beim Kläger der Fall gewesen. Es könne aber offen bleiben, ob die Regelung des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III verfassungsgemäß sei, weil der Kläger jedenfalls nicht grob fahrlässig gehandelt habe. Der Senat sei zwar der Überzeugung, dass der Kläger seine Mitteilungspflicht aus § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgerichtsbuch Erstes Buch (SGB I) gegenüber der Beklagten gekannt und verletzt habe.
Der Kläger habe diese Pflicht jedoch nicht grob fahrlässig verletzt. Der Senat folge dem Bundessozialgericht (BSG), das in seiner Entscheidung vom 29. August 2002 (B 11 AL 87/01 R) im Zusammenhang mit den Anforderungen an die grobe Fahrlässigkeit bei der hier streitigen Konstellation des Lohnsteuerklassenwechsels ausgeführt habe, dass insofern ein genereller und kein subjektiver Maßstab anzuwenden sei. Vor dem Hintergrund der Ausführungen des 11. Senats des BSG sei der Senat (des LSG) der Überzeugung, dass auch der von der Beklagten hier angeführte Hinweis, ein Lohnsteuerklassenwechsel könne in der Regel nur einmal jährlich vollzogen werden und deshalb sei vorher Rat einzuholen, den Anforderungen des BSG nicht genüge. Auch zeige der Hinweis nicht unmissverständlich die möglichen negativen Folgen eines Lohnsteuerklassenwechsels im Arbeitsförderungsrecht auf, sondern verweise nur auf den grundsätzlich (nach dem Steuerrecht) einmal jährlich möglichen Lohnsteuerklassenwechsel. Dem Kläger könne auch nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe gewusst oder grob fahrlässig nicht gewusst, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen sei (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X). Gerade in Verbindung mit den vom BSG problematisierten steuerrechtlichen Besonderheiten sei den Hinweisen im Merkblatt nicht ohne weiteres zu entnehmen, dass eine möglicherweise steuerrechtlich vernünftige Kombination im Einzelfall (wie hier beim Kläger um Einkommenssteuervorauszahlungen zu vermeiden) im Recht der Arbeitslosenversicherung unter Umständen eine gravierende Senkung der Leistungshöhe zur Folge haben könne. Dies sei für den Kläger jedenfalls auch unter Berücksichtigung der im Merkblatt dargestellten Beispiele im konkreten, hier zu beurteilenden Fall nicht ohne weiteres bzw schon auf Grund einfachster, ganz nahe liegender Überlegungen erkennbar gewesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 und Nr 4 SGB X. Grundsätzlich sei die Beurteilung, ob grobe Fahrlässigkeit vorliege, eine Tatfrage, deren Beurteilung dem Berufungsgericht als Tatsachengericht obliege. Die Entscheidung über das Vorliegen grober Fahrlässigkeit sei, wie das BSG bereits entschieden habe (Hinweis auf BSGE 47, 180 und BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 42), revisionsrechtlich nur in engen Grenzen überprüfbar. Auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des 11. Senats des BSG vom 29. August 2002 sei hier davon auszugehen, dass der Kläger seine Mitteilungspflichten grob fahrlässig verletzt bzw grob fahrlässig nicht gewusst habe, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes teilweise weggefallen sei. Sie - die Beklagte - habe den Kläger in ausreichendem Maße auf seine Mitwirkungspflicht sowie darauf aufmerksam gemacht, dass er vor einem Lohnsteuerklassenwechsel eine Beratung bei ihr suchen solle. Die vom LSG zutreffend wiedergegebenen Hinweise in dem Merkblatt für Arbeitslose seien eindeutig, klar und verständlich. Die Merkblätter enthielten auch Hinweise zur Bedeutung der Lohnsteuerklasse für die Höhe der Leistung. Somit habe der Kläger bereits auf Grund der Ausführungen im Merkblatt zum Wechsel der Lohnsteuerklasse auch als Laie leicht erkennen können, dass ein Wechsel Auswirkungen auf die Höhe der vom Arbeitsamt bezogenen Leistungen haben würde. Der Kläger habe weder das Beratungsangebot wahrgenommen, noch habe er die Änderung der Lohnsteuerklasse dem Arbeitsamt mitgeteilt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. März 2003 und das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 31. Oktober 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend. Ergänzend verweist er darauf, dass ein Arbeitsloser generell nicht damit rechnen müsse, dass ein Lohnsteuerklassenwechsel negative Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch gegenüber der Beklagten haben würde.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist im Sinne der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 SGG). Auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht abschließend entschieden werden, ob der Kläger im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen ist, als hätte er den Lohnsteuerklassenwechsel zum 1. Juni 1999 nicht vorgenommen. In diesem Falle wäre der auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X iVm § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III gestützte (Teil-)Aufhebungsbescheid der Beklagten rechtswidrig, weil dem Kläger auch ab 1. Juni 1999 Alg unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe C (Lohnsteuerklasse III) zustünde und keine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten wäre. Auf die Frage, ob der Kläger im Übrigen grob fahrlässig gehandelt hat, kommt es dann nicht mehr an.
Die Beklagte kann die Bewilligung von Alg bzw Arbeitslosenhilfe (Alhi) nur dann wegen eines vorangegangenen Steuerklassenwechsels auf Grund von § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III teilweise aufheben, wenn sie den Betroffenen bereits bei der Antragstellung bzw vor der Leistungsbewilligung hinreichend über die Auswirkungen eines Wechsels der Steuerklassen auf die Höhe der Sozialleistung informiert hat. Die Beklagte trifft insoweit eine besondere Beratungspflicht, weil die in § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III angeordnete Rechtsfolge andernfalls nicht zu rechtfertigen wäre. Diese Regelung begegnet ebenso verfassungsrechtlichen Bedenken wie das Gesamtkonzept der Norm des § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III (hierzu unter 1). Der Senat schließt sich insoweit dem 11. Senat des BSG an, der bereits verfassungsrechtliche Zweifel gegen § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III erhoben hat (BSG SozR 3-4300 § 137 Nr 3). Diese Bedenken sind zum einen darin begründet, dass § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III das Eigentumsgrundrecht des Arbeitslosen aus Art 14 Abs 1 Grundgesetz (GG) berührt (vgl 1a). Zum anderen bestehen Bedenken gegenüber der unzureichenden Normenklarheit des Regelungskonzepts des § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III insgesamt. Hier treten auch Wertungswidersprüche zwischen den Rechtsfolgen des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III und denen des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III auf (vgl zum Ganzen 1b). Deshalb müssen dem verheirateten Versicherten die leistungsrechtlichen (arbeitsförderungsrechtlichen) Konsequenzen eines Lohnsteuerklassenwechsels hinreichend klar und deutlich vor Augen geführt werden. Die Beklagte kann den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 137 Abs 4 SGB III dadurch begegnen, dass sie die Betroffenen jeweils bereits bei Arbeitslosmeldung bzw Leistungsbewilligung gesondert und eingehend auf die Gefahren eines steuerrechtlichen Lohnsteuerklassenwechsels für den arbeitsförderungsrechtlichen Anspruch und die Notwendigkeit einer konkreten Beratung durch die Arbeitsämter (jetzt: Agenturen für Arbeit) hinweist (im Einzelnen unter 2). Die von der Beklagten ausgehändigten Merkblätter in ihrer gegenwärtigen Fassung genügen dieser spezifischen Hinweispflicht, die ausschließlich den Lohnsteuerklassenwechsel von Ehegatten betrifft, nicht, weil sie lediglich den Gesetzestext paraphrasieren und wegen ihres Umfangs die für Laien notwendige Warnung vor einem Steuerklassenwechsel nicht sicherstellen können. Ihrer Beratungspflicht kann die Beklagte nur dadurch genügen, dass sie im Einzelnen deutlich und von dem üblichen Merkblatt getrennt einen Hinweis auf die Gefahren des Lohnsteuerklassenwechsels gibt, der auch für die Laiensphäre verständlich macht, welche leistungsrechtlichen Gefahren bei einem Lohnsteuerklassenwechsel drohen können. Aus der Verletzung dieser Hinweis- und Beratungspflicht der Beklagten kann dem Arbeitslosen ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch erwachsen (vgl unter 3). Die bisherige Rechtsprechung des BSG im Rahmen des § 113 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zur "Tatbestandswirkung der eingetragenen Lohnsteuerklasse" steht einem solchen Herstellungsanspruch nicht entgegen.
1. § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken.
a) Das Eigentumsrecht des Art 14 Abs 1 GG ist bereits deshalb berührt, weil die Neuregelung des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III eine deutliche Verschlechterung gegenüber dem bisherigen Rechtszustand unter Geltung des AFG bis 31. Dezember 1997 darstellt. Der Anspruch des Klägers auf Alg ist im vorliegenden Fall am 1. April 1999 entstanden. Die dreijährige Rahmenfrist des § 124 Abs 1 SGB III wurde mithin zum Teil unter Geltung des AFG erfüllt, weshalb bereits die zum 1. Januar 1998 bestehende Anwartschaft durch die Neuregelung tangiert wurde. Wie vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits mehrfach entschieden (vgl BVerfGE 72, 9; 74, 9, 25; 74, 203, 213; 76, 220, 235; 92, 365, 404), fällt der Anspruch auf Alg unter den Schutzbereich des Art 14 Abs 1 GG (vgl Papier in Maunz/Dürig, GG, RdNr 152 ff zu Art 14 GG, 40. Lfg, Juni 2002). Die Neuregelung des § 137 Abs 4 SGB III berührt den Schutzbereich dieses Grundrechts, soweit die unter Geltung des AFG bereits zurückgelegte Anwartschaft mit einer neuen Belastung (§ 137 Abs 4 Satz 1 SGB III) beschwert wird. Dahinstehen kann deshalb, inwieweit auch die Bewilligung von Alg (hier zum 1. April 1999) ebenfalls bereits eine eigentumsgeschützte Position zu Gunsten des Klägers darstellt, in die nachträglich auf Grund der in § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III normierten Rechtsfolge eingegriffen wurde.
Der "Eingriffscharakter" des § 137 Abs 4 SGB III erschließt sich zunächst aus einer rechtsgeschichtlichen Betrachtung der Behandlung des Lohnsteuerklassenwechsels unter Ehegatten im AFG. Zunächst wurde im AFG die Lohnsteuerklasse bei der Höhe des Alg überhaupt nicht berücksichtigt. Nach §§ 111, 112 AFG wurde ab 1969 lediglich ein "Hauptbetrag" (nebst Familienzuschlägen) ermittelt, für dessen Höhe die vorherige Lohnsteuerklasse des Arbeitslosen irrelevant war. Mit dem Haushaltsstrukturgesetz-AFG vom 18. Dezember 1975 (BGBl I, 3113) wurde zum 1. Januar 1976 erstmals die Berechnung des Alg nach Leistungsgruppen (entsprechend der Lohnsteuerklasse) eingeführt. Der neue § 113 AFG sah eine Berücksichtigung des Wechsels von Lohnsteuerklassen nur vor, wenn der Ehegatte des Arbeitslosen nunmehr keine oder nur noch eine Teilzeitbeschäftigung ausübte. § 113 Abs 2 AFG idF des Fünften Gesetzes zur Änderung des AFG (5. AFG-ÄndG) vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189; in Kraft ab 1. August 1979) bestimmte schließlich, dass ein Steuerklassenwechsel zwischen Ehegatten bei der Höhe des Alg nur berücksichtigt wird, wenn der Arbeitslose dies beantragt. Es stand mithin zur Disposition des Arbeitslosen, ob er den Lohnsteuerklassenwechsel arbeitsförderungsrechtlich berücksichtigt haben wollte. Mit Wirkung zum 1. Januar 1981 wurde § 113 Abs 2 AFG durch das Steuerentlastungsgesetz 1981 vom 16. August 1980 (StEntlG 1981, BGBl I 1381) neu gefasst. § 113 Abs 2 AFG lautete nunmehr:
"(2) Haben Ehegatten die Steuerklassen gewechselt, so werden die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen von dem Tage an berücksichtigt, an dem die Änderung wirksam wird. Entsprechen die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen an diesem Tage offensichtlich nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten, so sind die diesem Verhältnis entsprechenden Lohnsteuerklassen für die Höhe des Arbeitslosengeldes maßgebend. Ein Ausfall des Arbeitslohns, der den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung begründet, bleibt bei der Beurteilung des Verhältnisses der monatlichen Arbeitslöhne außer Betracht."
Diese Fassung des § 113 Abs 2 AFG galt im Wesentlichen unverändert von 1981 bis zum Inkrafttreten des SGB III am 1. Januar 1998. Lediglich Satz 4 des Abs 2 wurde durch das Gesetz zur Änderung von Fördervoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992 (BGBl I, 2044) angefügt.
Zur Begründung der Neufassung des § 113 Abs 2 AFG ist in den Materialien des StEntlG 1981 (BT-Drucks 8/3901, S 77) ausgeführt:
"Ein Steuerklassenwechsel soll künftig immer dann berücksichtigt werden, wenn der Steuerklassenwechsel objektiv geboten war, beispielsweise, wenn sich der Arbeitsverdienst eines Ehegatten nach der Ausstellung der Lohnsteuerkarten erheblich verändert hat. In diesen Fällen sollen die Lohnsteuerklassen maßgebend sein, die dem Verhältnis der Arbeitslöhne beider Ehegatten entsprechen."
Es war also klar erkennbarer Wille des Gesetzgebers, die "objektive Gebotenheit" eines Steuerklassenwechsels zwischen Ehegatten zu überprüfen. Unter Geltung des § 113 Abs 2 AFG hatte sich die Praxis so entwickelt, dass bei jedem Steuerklassenwechsel von Ehegatten eine Zweckmäßigkeitsprüfung seitens der Bundesanstalt (jetzt: Bundesagentur) für Arbeit (BA) zu erfolgen hatte. Bezogen zu dem Zeitpunkt, zu dem der Steuerklassenwechsel wirksam wurde, beide Ehegatten Arbeitsentgelte, so war eine steuerrechtliche Zweckmäßigkeitsprüfung vorzunehmen; bezog ein Ehegatte oder bezogen beide zu diesem Zeitpunkt Entgeltersatzleistungen, so war eine fiktive steuerrechtliche Zweckmäßigkeitsprüfung unter Berücksichtigung des Arbeitsentgelts erforderlich, das vor dem Bezug der Entgeltersatzleistung verdient worden war (arbeitsförderungsrechtliche Tunlichkeitsprüfung). Die von Ehepartnern geänderten Lohnsteuerklassen wurden jeweils arbeitsförderungsrechtlich zu Grunde gelegt, wenn die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen "den geringsten gemeinsamen Lohnsteuerabzug zur Folge haben" (so Urteil des Senats vom 11. Februar 1988, BSG SozR 4100 § 113 Nr 7, S 44; Zusammenfassung der Rspr des BSG zu § 113 Abs 2 AFG in dem Urteil des Senats vom 4. September 2001 - BSGE 88, 299, 302 f). Das Arbeitsamt war unter Geltung des § 113 Abs 2 AFG bei einem Steuerklassenwechsel immer verpflichtet, die materielle Richtigkeit der Steuerklassenwahl im Einzelnen zu überprüfen und auch das Alg nach dem Ergebnis dieser Prüfung zu berechnen (vgl auch BSG SozR 4100 § 113 Nr 11, S 64 f). Im hier zu entscheidenden Fall hätte der Kläger also unter Geltung des § 113 Abs 2 AFG weiterhin Alg nach Leistungsgruppe C beziehen können, weil das LSG die Einkünfte seiner Ehefrau aus abhängiger Beschäftigung als "geringfügig" bezeichnet hat, ohne die Höhe allerdings näher aufzuklären und die Lohnsteuerklassenkombination III (Kläger)/V (Ehefrau) materiell (angesichts der Einkommensverhältnisse: aktuelles Arbeitsentgelt der Ehefrau, Arbeitsentgelt des Klägers vor dem Alg-Bezug) wohl die richtige war. § 113 Abs 2 AFG erlaubte es mithin, dass die Ehefrau des Klägers Steuern nach Lohnsteuerklasse III bezahlt hätte, während der Kläger Alg ebenfalls unter Zugrundelegung von Lohnsteuerklasse III erhalten konnte.
Dieses Ergebnis lässt sich unter Geltung des § 137 Abs 4 SGB III einfachrechtlich nicht mehr rechtfertigen. § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III enthält zwei Alternativen der Berücksichtigung des Lohnsteuerklassenwechsels zwischen Ehegatten, je nach dem, ob sich aus dem Wechsel ein höherer Anspruch auf Alg ergeben könnte.
Hätte der Kläger auf Grund des Wechsels der Lohnsteuerklasse einen Anspruch auf höheres Alg, so prüft die BA, ob die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen (§ 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III).
Hätte der Kläger auf Grund des Wechsels der Lohnsteuerklasse einen Anspruch auf niedrigeres Alg, findet der Wechsel mithin zu Ungunsten des Klägers statt (vgl zur Struktur des § 137 Abs 4 SGB III insbes Pilz in Gagel, § 137 SGB III RdNr 61 ff, Stand Juli 2003), so braucht die BA hingegen arbeitsförderungsrechtliche Tunlichkeitsprüfung mehr vorzunehmen, sie kann ohne jede materielle Prüfung in der Sache von der arbeitsförderungsrechtlich ungünstigeren Kombination zu Lasten der Ehepartner ausgehen (§ 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III). Letzteres ist im vorliegenden Fall geschehen. Der Kläger hat die Lohnsteuerklasse V gewählt, die arbeitsförderungsrechtlich wegen ihrer Untunlichkeit zu einer geringeren Leistung führt, obwohl sie steuerrechtlich offensichtlich zweckmäßig ist. Auf Grund der Norm des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III muss er sich an dieser (arbeitsförderungsrechtlich ungünstigen) Wahl festhalten lassen. § 137 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III entbindet die BA gänzlich von einer materiellen Prüfung der arbeitsförderungsrechtlichen Tunlichkeit der Lohnsteuerklassenwahl.
Mithin stellt § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III eine Verschlechterung des Rechtszustandes im Vergleich zu § 113 Abs 2 AFG dar. Die Neufassung des § 137 Abs 4 SGB III insgesamt wird in den Materialien zum Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom Gesetzgeber mit lediglich einem Satz wie folgt gerechtfertigt:
"Die Vorschrift entspricht in neuem Aufbau im Wesentlichen den §§ 111 Abs 2, 113 AFG. Die Neuregelung zum Steuerklassenwechsel von Ehegatten soll stärker als das geltende Recht (§ 113 Abs 2 AFG) Manipulationen zu Lasten der Arbeitslosenversicherung verhindern" (BT-Drucks 13/4941, S 179).
Die Verfassungsgemäßheit des § 137 Abs 4 SGB III ist auch im Lichte dieser Gesetzesbegründung zu würdigen. Denn der Wechsel des "Regimes" von § 113 Abs 2 AFG zu § 137 Abs 4 SGB III könnte den Kläger in seinem Eigentumsgrundrecht aus Art 14 Abs 1 GG beeinträchtigen. Eine das Eigentumsrecht einschränkende Norm muss den Anforderungen genügen, die an eine Inhalts- und Schrankenbestimmung iS des Art 14 Abs 1 Satz 2 GG zu stellen sind (vgl Spellbrink in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 39 RdNr 40 ff). Regelungen, die zu Eingriffen in eigentumsrechtlich geschützte Positionen führen, sind nur zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind. Dabei müssen die Eingriffe zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sein, insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (beispielhaft BVerfGE 76, 220, 238 f). Das genannte Regelungsziel des Gesetzgebers, Manipulationen zu Lasten der Arbeitslosenversicherung zu verhindern, ist in der vorliegenden Fallkonstellation (Kläger hat bereits Alg nach Lohnsteuerklasse III (Leistungsgruppe C) bewilligt erhalten) nicht zu erreichen (so bereits zutreffend: Urteil des 11. Senats vom 29. August 2002, SozR 3-4300 § 137 Nr 3, S 15 ff). Der Kläger erhielt bereits das für ihn höchstmögliche Alg. Ein Lohnsteuerklassenwechsel in eine Lohnsteuerklasse, aus der sich ein niedrigeres Alg ergibt, stellt keine Manipulation zu Lasten der Arbeitslosenversicherung dar. Von daher stimmt bereits der angegebene Gesetzeszweck nicht mit der tatsächlichen Auswirkung des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III überein.
Diese zu erheblichen Leistungseinschränkungen führende Regelung ist aber auch im Hinblick auf andere denkbare Ziele nicht erforderlich. Eine Regelung ist erforderlich, wenn keine anderen, den Bürger weniger belastenden Maßnahmen zur Verfügung stehen, mit denen das gleiche Ziel erreicht werden kann. Eine solche Regelung lag mit § 113 Abs 2 AFG vor, die auch den (arbeitsförderungsrechtlichen) Schutz von Ehepartnern bei der Wahl von "falschen" Lohnsteuerklassen nach Eintritt von Arbeitslosigkeit bezweckte. Den oben zitierten Vorgängerregelungen des § 137 Abs 4 SGB III kann ein gewisser Schutzzweck zu Gunsten von Ehepaaren nicht abgesprochen werden, den § 137 Abs 4 SGB III weitgehend aufhebt. Zwar war die obligatorische Zweckmäßigkeitsprüfung gemäß § 113 Abs 2 Satz 2 AFG verwaltungsaufwändig, jedoch ist nach dem Gesamtkonzept des § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III die Beklagte keineswegs von jeder Zweckmäßigkeitsprüfung befreit, vielmehr hat sie eine solche in unsystematischer und tendenziell gleichheitswidriger (Art 3 Abs 1 GG) Weise durchzuführen (vgl sogleich 1b), wenn Ehepartner eine Lohnsteuerklassenkombination wählen, die zu einem höheren Alg führt (§ 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III). Hieraus folgt nicht, dass der Gesetzgeber das Regelungskonzept des § 113 Abs 2 Satz 2 AFG (aus verfassungsrechtlichen Gründen) nicht hätte aufgeben dürfen. Vielmehr ist lediglich festzuhalten, dass das neue Konzept des § 137 Abs 4 SGB III nicht erforderlich war in dem Sinne, dass eine den Bürger weniger belastende gesetzliche Regelung nicht denkbar wäre bzw zu demselben Ergebnis führen könnte. Dabei kann auch dahinstehen, ob die ursprüngliche Regelung des AFG ab 1969 vorzugswürdig wäre, nach der die Lohnsteuerklasse sich überhaupt nicht auf die Höhe des Alg auswirkte. Letztlich kann dies dahinstehen, zeigt der Vergleich unterschiedlicher Regelungsmöglichkeiten doch, dass die Regelung des § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III jedenfalls im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht erforderlich war. Im Hinblick auf die ab dem Jahre 2006 bestehende Rechtslage bleibt zu überdenken, ob eine Überprüfung des Lohnsteuerklassenwechsels von Ehegatten unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität ganz aufgegeben werden könnte. Nach den Regelungen des Gesetzes zur Reform am Arbeitsmarkt (vom 24. Dezember 2003, BGBl I 3002) wird der Anspruch auf Alg gemäß § 127 SGB III im Regelfall (für unter 55-jährige) nur noch zwölf Monate betragen. Da durch die Regelungen des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (sog "Hartz IV-Gesetz" vom 24. Dezember 2003, BGBl I 2954) die Anschluss-Alhi ab 1. Januar 2005 gänzlich entfallen wird, dürfte sich bei einem dann im Regelfall einjährigen Bezug von Alg verstärkt die Frage stellen, inwiefern der Gesetzgeber nicht generell bei der Höhe des Alg an die bei Arbeitslosmeldung vorliegende Lohnsteuerklasse anknüpfen könnte, ohne dass spätere Wechsel überhaupt Berücksichtigung finden.
Unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit ergeben sich Bedenken auch aus der Relation von gesetzgeberischem Ziel (Vermeidung von Missbrauch bzw Verwaltungsvereinfachung) und Tragweite des Eingriffs beim Versicherten. Letzterer verliert faktisch - zusammen mit seinem Ehegatten - das Recht, die steuerlich sinnvolle Steuerklasse zu wählen auch dann, wenn vor Eintritt der Arbeitslosigkeit die zweckmäßigen Lohnsteuerklassen gewählt worden waren. Hinzu kommt, dass die Auswirkungen des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III keinesfalls minimal und ohne weiteres hinnehmbar sind. Der Kläger "verliert" hier im konkreten Fall in sieben Monaten Arbeitslosigkeit etwa 9.600 DM (mithin über 1.300 DM monatlich), die er auch nicht später zurückerhält, weil ein "Alg-Jahresausgleich" nicht stattfindet. Durch § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III erleidet er mithin eine substanzielle Einbuße an seinem eigentumsgeschützten Recht auf Alg. Stellt man die Bedürfnisse des Bürgers - die unter Geltung des § 113 Abs 2 AFG noch gewahrt waren - und die Bedürfnisse der Verwaltung gegenüber (insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass nach § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III weiterhin eine intensive Zweckmäßigkeitsprüfung geboten ist), so bestehen erhebliche Bedenken, ob die Neuregelung des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III als dem Arbeitslosen zumutbar betrachtet werden kann.
b) Der Übergang von dem Regelungskonzept des § 113 Abs 2 AFG zu dem des § 137 Abs 4 SGB III kann im Rahmen des Art 3 Abs 1 GG auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt werden. Unter diesem Gesichtspunkt hat das BVerfG typisierende und pauschalierende Regelungen bei der Bestimmung der Höhe des Alg im Regelfall für zulässig erachtet (vgl Osterloh in Sachs, GG, 3. Aufl 2002, RdNr 104 ff zu Art 3 GG; Spellbrink in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 39 RdNr 148 ff, jeweils mwN). Die Gewährung von Alg ist ein Massenphänomen und soll nicht mit aufwändigen Einzelfallprüfungen belastet werden, wobei das BVerfG auch betont hat, dass es im Interesse des Leistungsempfängers liege, die Leistung zeitnah (schnell) zu erhalten (vgl BVerfGE 63, 255, 262). Indessen rechtfertigt die Notwendigkeit der Ordnung und verwaltungspraktikablen Bearbeitung von Massenerscheinungen in Form typisierender Regelungen nicht jede Härte im Einzelfall. Die Grenzen zulässiger Typisierung hat das BVerfG wie folgt umschrieben: Eine Typisierung setze voraus, "dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Wesentlich ist ferner, ob die Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären; hierfür sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht" (vgl BVerfGE 84, 348, 360; vgl auch BVerfGE 87, 234, 255 f; 91, 93, 115).
Insofern bestehen vielmehr Bedenken gegen das Regelungskonzept des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 und Nr 2 SGB III. Wenn einzig die Verwaltungspraktikabilität im Vordergrund der Regelung stehen würde, so ist die unterschiedliche Behandlung von Lohnsteuerklassenwechseln, die zu einem höheren und solchen, die zu einem niedrigeren Alg führen, kaum zu rechtfertigen. Denn nach § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III hat die Beklagte eine (verwaltungsaufwändige) materielle Zweckmäßigkeitsprüfung des Lohnsteuerklassenwechsels vorzunehmen, wenn der Alg-Anspruch des Arbeitslosen auf Grund des Lohnsteuerklassenwechsels höher ausfallen würde. Insoweit ist gegenüber der alten Rechtslage nach § 113 Abs 2 AFG keine Änderung eingetreten. Die Neuregelung kann im Einzelfall aber zu Ergebnissen führen, die im Widerspruch zur pauschalen Berücksichtigung der für das Alg "schlechteren" Lohnsteuerklasse nach § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III stehen.
Lag etwa bei einem arbeitslosen Ehepartner bei Arbeitslosmeldung zunächst die Lohnsteuerklasse V vor und war diese auch der Bewilligung zu Grunde gelegt worden (Leistungsgruppe D), wechselte dieser Arbeitslose aber später in Lohnsteuerklasse III (Leistungsgruppe C), so ist dieser Wechsel im Sinne des Gesetzgebers wohl "manipulativ", da mit ihm eine höhere Leistung bezweckt wird. Dieser "manipulative" Wechsel ist zu Gunsten des Arbeitslosen aber auch dann zu berücksichtigen, wenn sich nach der Zweckmäßigkeitsprüfung ergibt, dass die Kombination der Lohnsteuerklassen IV/IV die zweckmäßigste für das Ehepaar gewesen wäre. Denn im Rahmen der Zweckmäßigkeitsprüfung nach § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III genügt die Wahl einer bloß "zweckmäßigeren" Lohnsteuerklassenkombination (vgl BSGE 88, 299 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1). Die Wahl der zweckmäßigsten Kombination ist hier gerade nicht erforderlich. Insofern bestehen Bedenken, ob diese unterschiedliche Behandlung von Ehepaaren auch im Lichte des Art 3 Abs 1 GG gerechtfertigt werden kann. Während bei dem Ehepaar, dessen Leistungsempfänger in eine arbeitsförderungsrechtlich "schlechtere" Lohnsteuerklasse wechselt, diese gemäß § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III ohne jede Prüfung zu Grunde gelegt wird, wird zu Gunsten des Alg-Empfängers, der eine günstigere (und die Solidargemeinschaft mithin stärker belastende) Lohnsteuerklassenkombination wählt, eine umfangreiche und aufwändige Zweckmäßigkeitsprüfung durchgeführt, an deren Abschluss ihm auch dann das höchstmögliche Alg nach Leistungsgruppe C (Lohnsteuerklasse III) zusteht, wenn die Kombination IV/IV steuerrechtlich die richtige gewesen wäre.
Als völlig "ungereimt" und nicht berechenbar erweist sich das Regelungskonzept des § 137 Abs 4 SGB III schließlich im Fall einer Zweckmäßigkeitsprüfung nach § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III, bei der ebenfalls ein Wechsel des Leistungsempfängers von Lohnsteuerklasse V in Lohnsteuerklasse III erfolgt, die Kombination III/V sich aber noch nicht einmal als die zweckmäßigere erweist, weil etwa das zu berücksichtigende Arbeitsentgelt des Partners leicht über dem der Berechnung des Alg zu Grunde liegenden Arbeitsentgelt des Arbeitslosen liegt. Stellt die Beklagte in diesem Fall nach einer aufwändigen Zweckmäßigkeitsprüfung im Rahmen des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III fest, dass die Lohnsteuerklassenkombination IV/IV die zweckmäßigste wäre, so scheidet eine Berücksichtigung dennoch aus, wenn die bisherige Lohnsteuerklasse V die zweckmäßigere Lohnsteuerklasse und die vom Leistungsempfänger tatsächlich gewählte Klasse III die unzweckmäßigste aller drei möglichen Kombinationen ist. In diesem letzteren Fall wird dem Arbeitslosen dann aber auch die Gewährung von Alg nach der zweckmäßigen Lohnsteuerklasse IV verweigert, weil nach den zu Grunde liegenden Arbeitsentgelten der beiden Ehepartner für den Leistungsempfänger die neu gewählte Lohnsteuerklasse III nicht einmal die zumindest zweckmäßigere gewesen wäre. Die Beklagte müsste hier aber lediglich das mit erheblichem Aufwand gewonnene Ergebnis noch in einem Bescheid "umsetzen", was sie aber auf Grund des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III unterlassen darf.
Hierbei ist auch zu beachten, dass nach § 137 Abs 4 Satz 1 iVm § 137 Abs 4 Satz 2 SGB III hinsichtlich der Ermittlung der jeweils für den steuerrechtlichen Vergleich zu Grunde zu legenden Arbeitsentgelte der Ehegatten auf den Tag abzustellen ist, an dem der Lohnsteuerklassenwechsel wirksam wurde (vgl umfassend BSG SozR 4100 § 113 Nr 7). Damit ist insbesondere für einen Arbeitslosen, der bereits im Bezug einer Lohnersatzleistung ist, auch die Frage, von welchem (insofern fiktiven) Arbeitsentgelt bei ihm die Arbeitsverwaltung gemäß § 137 Abs 4 Satz 2 SGB III jeweils ausgehen wird, nicht einfach zu beantworten, sodass stets von Unwägbarkeiten abhängig ist, von welchem "Arbeitsentgelt" bei dem Vergleich der Ehegatteneinkommen auszugehen ist bzw welche Gestaltung sich als zweckmäßig (oder zweckmäßiger) erweist und ggf im Rahmen des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III noch zu berücksichtigen ist oder nicht. Der Senat tritt nicht zuletzt deshalb den Ausführungen des 11. Senats des BSG bei, der auf den Wertungswiderspruch zwischen den steuerrechtlichen Regelungen und deren arbeitsförderungsrechtlichen Konsequenzen hingewiesen hat (BSG SozR 3-4300 § 137 Nr 3, S 15 f). Die dem Leistungsempfänger bereits durch Bescheid bewilligte grundrechtsgeschützte Rechtsposition (Anspruch auf Alg nach Leistungsgruppe C) wird nachträglich eingeschränkt, nur weil er eine steuerrechtlich zulässige und vielleicht sogar steuerrechtlich erwünschte Handlungsoption wahrgenommen hat. Arbeitsförderungsrechtlich lässt sich diese - zum Teil erhebliche - Einbuße jedenfalls nicht rechtfertigen. Die Beitragshöhe bemisst sich ohnehin nach dem Bruttoentgelt (§ 341 Abs 3 SGB III), ohne dass es hierfür auf die Lohnsteuerklasse ankäme, und durch den Wechsel der Lohnsteuerklasse ändert sich auch am leistungsrechtlichen Status des Arbeitslosen (Verfügbarkeit, Beschäftigungssuche) nichts. Die Gefahr erheblicher Einbußen bei der Höhe des Alg wegen eines Steuerklassenwechsels erschließt sich dem Laien somit nicht unmittelbar, und es kann keinesfalls unterstellt werden, dass die Folgen sich aus der "Natur der Sache" herleiten oder "auf der Hand liegen".
Von daher vermag auch das Argument, der Arbeitslose wähle schließlich "in freier Entscheidung" die für ihn arbeitsförderungsrechtlich schlechtere Lohnsteuerklasse und müsse sich folglich an dieser "freien Wahl" festhalten lassen (ebenso Pawlak in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 11 RdNr 323), wenig zu überzeugen. Dieses Argument könnte nur verfangen, wenn unterstellt werden könnte, dass die Ehegatten unter Berücksichtigung aller Rechtsfolgen (unter Unterstellung der fiktiven Situation einer rationalen Wahl) die Steuerklassenwahl getroffen hätten. Wie dargelegt ist es aber auch für einen Fachmann äußerst schwer einzuschätzen, welche leistungsrechtlichen Folgen ein Lohnsteuerklassenwechsel haben kann. Auch der hier zu entscheidende Fall zeigt, dass die steuerrechtlich aktuell zweckmäßigere Wahl für die Ehegatten (Ehefrau Lohnsteuerklasse III/Kläger Lohnsteuerklasse V) ab 1. Juni 1999 zwar möglicherweise einen geringen Steuervorteil zur Folge hatte, arbeitsförderungsrechtlich aber zu erheblichen Einbußen beim Kläger führte, die auch nicht - im Rahmen eines "Alg-Jahresausgleichs" - wieder reparabel sind. Von einer "freien Wahl" der Lohnsteuerklasse durch den Arbeitslosen kann danach nur ausgegangen werden, wenn ihm zuvor die arbeitsförderungsrechtlichen Konsequenzen eines derartigen Wechsels deutlich vor Augen geführt worden sind (hierzu sogleich unter 2.)
2. Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Regelungskonzept des § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III zwingen nicht zu einer Vorlage gemäß Art 100 Abs 1 GG an das BVerfG, weil die Beklagte ihnen durch Maßnamen im Verwaltungsvollzug begegnen kann. Die aus den Ungereimtheiten des Regelungskonzepts des § 137 Abs 4 SGB III und aus dem Wertungswiderspruch zur steuerrechtlichen Gestaltungsfreiheit sich ergebenden verfassungsrechtlichen Bedenken greifen nicht mehr durch, wenn der Arbeitslose rechtzeitig in die Lage versetzt wird, eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Dies erfordert allerdings einen das übliche Maß erheblich übersteigenden Beratungsbedarf. Auch insoweit stimmt der erkennende Senat mit dem 11. Senat überein (BSG SozR 3-4300 § 137 Nr 3 S 17). Die Beklagte ist zunächst generell gehalten, verheiratete Arbeitslose auf die Rechtsfolgen des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 und Nr 2 SGB III hinzuweisen und sie vor einem Steuerklassenwechsel ohne vorherige Beratung durch die Agenturen für Arbeit zu warnen. Ein solcher Hinweis muss über die übliche Aushändigung eines Merkblattes deutlich hinausgehen, da das Merkblatt sachnotwendig eine solche Vielzahl von Informationen enthält, dass in der Menge die besonderen Gefahren des Lohnsteuerklassenwechsels nicht ausreichend betont werden und damit von einem Laien nicht ausreichend verarbeitet werden können. Hieraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass das Merkblatt der Beklagten generell ein untaugliches Mittel der Aufklärung und Beratung der Versicherten darstellt. Vielmehr ist lediglich und ausschließlich der besonderen Situation im Rahmen des Lohnsteuerklassenwechsels Verheirateter Rechnung zu tragen. Nur die verfassungsrechtlichen Zweifel gegenüber § 137 Abs 4 SGB III begründen eine gesonderte und hervorgehobene Beratungspflicht der Beklagten, die über die übliche Aushändigung eines Merkblattes hinausgeht. Denn erst durch die konkrete, auf die Warnung folgende Beratung, die dem Versicherten als Laien deutlich macht, in welche leistungsrechtlichen Gefahren er sich im Arbeitsförderungsrecht bei einem steuerrechtlich sinnvollen Steuerklassenwechsel mit seinem Ehepartner begibt, wird der Arbeitslose überhaupt in die Lage versetzt, eine rationale Wahl (unter Abschätzung aller Rechtsfolgen) zu treffen. Nur wenn - eine intensivere Beratung durch die Beklagte unterstellt - der Versicherte sich bewusst (in Ansehung der arbeitsförderungsrechtlichen Folgen) für eine bestimmte Lohnsteuerklassenkombination entschieden bzw trotz der vorherigen Warnhinweise, den Wechsel ohne weitere Beratung einzuholen vollzogen hat, kann der Versicherte an eine "freie Wahl" der Steuerklasse gebunden werden und hat die mit dieser Wahl verbundenen arbeitsförderungsrechtlichen Konsequenzen zu tragen.
Nimmt der das Beratungsangebot, das mit der Warnung ausgesprochen wurde, nicht wahr, so geht dies zu Lasten des Arbeitslosen und ggf auch seines Ehegatten.
Die Merkblätter der Beklagten für die Jahre 1998 und später genügen diesen Anforderungen nicht. In dem Merkblatt für 1998, das der Kläger nach den Feststellungen des LSG hier erhalten hat, wird erst auf S 26 (!) im Wesentlichen der Gesetzestext des § 137 Abs 4 SGB III paraphrasiert. Zwar ist - wie auch in späteren Merkblättern - in einem schwarzen Kasten der Hinweis hervorgehoben: "Ein Lohnsteuerklassenwechsel kann in der Regel nur einmal jährlich vorgenommen werden. Bitte holen Sie deshalb vorher Rat ein." Mit diesem gesonderten Hinweis, den die Beklagte in ihrem Revisionsvorbringen ebenfalls hervorhebt, ist aber noch nicht deutlich gemacht, dass überhaupt und welche Gefahren bei einem Steuerklassenwechsel für die Anspruchshöhe drohen. Gerade ein Arbeitsloser, der bereits Alg nach Leistungsgruppe C (Lohnsteuerklasse III) erhält, muss hier einen Hinweis erhalten, der ihm klar aufzeigt, dass jeder Lohnsteuerklassenwechsel eine erhebliche Anspruchseinbuße im Rahmen der Arbeitslosenversicherung zur Folge haben kann. Dieser Hinweis muss außerhalb des üblichen Merkblattes etwa auf einem gesonderten Blatt erfolgen und inhaltlich so gefasst sein, dass für einen Laien verständlich und klar zu erkennen ist, dass das Alg bei einem Lohnsteuerklassenwechsel niedriger ausfallen kann und ein solcher Schritt damit in jedem Falle leistungsrechtlich "gefährlich" ist.
3. Wenn die Beklagte den aufgezeigten Beratungspflichten nicht nachgekommen ist, kann dem Kläger aus der Verletzung dieser Pflichten ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch erwachsen.
Der Anspruch hat zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm auf Grund Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht (a), insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 15, 14 SGB I), verletzt hat (b). Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang (c) besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können (d). Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen (e) (vgl zB Senatsurteil vom 25. Januar 1994, BSG SozR 3-4100 § 249e Nr 4 S 37 mwN).
Einem Herstellungsanspruch des Klägers im Bereich des "Steuerklassenwechsels" steht die bisherige Rechtsprechung des BSG nicht entgegen. Der Kläger wäre - unterstellt, er hätte den Steuerklassenwechsel zum 1. Juni 1999 unterlassen, wenn er hinreichend bei Arbeitslosmeldung von der Beklagten vor den leistungsrechtlichen Konsequenzen eines Steuerklassenwechsels gewarnt oder über diese beraten worden wäre, was das LSG noch festzustellen haben wird - so zu stellen, als hätte er den Wechsel von Lohnsteuerklasse III zur Lohnsteuerklasse V unterlassen. Die Beklagte kann den Kläger auch "so stellen", als hätte er die Lohnsteuerklasse nicht gewechselt. Eine solche Rechtsfolge entspricht der "Funktion" der Norm des § 137 Abs 4 SGB III und liegt damit auch im rechtlich zulässigen Handlungs- und Zuständigkeitsbereich der Beklagten.
Beide für das Arbeitsförderungsrecht zuständigen Senate des BSG haben zwar entschieden, dass im Wege des Herstellungsanspruchs eine in die Lohnsteuerkarte eingetragene Lohnsteuerklasse nicht durch eine günstigere Steuerklasse ersetzt werden könne (7. Senat: Senatsurteil vom 10. Dezember 1980 - 7 RAr 14/78, DBlR Nr 2689a zu § 113 AFG; ebenso Senatsurteil vom 18. März 1982 - 7 RAr 11/81, DBlR Nr 2770a zu § 111 AFG; als obiter dictum im Rahmen einer ausführlichen Darstellung der Differenzierung zwischen "ersetzbaren" und "nicht ersetzbaren" Voraussetzungen wiederholt im Senatsurteil vom 25. Januar 1994, SozR 3-4100 § 249e Nr 4; wiederum tragender Grund im Senatsurteil vom 1. Juni 1994 - 7 RAr 86/93, DBlR Nr 4144a zu § 249b AFG; 11. Senat: Urteil vom 30. Mai 1990 - 11 RAr 95/89, DBlR Nr 3731a zu § 113 AFG). Die Entscheidungen stehen jedoch letztlich der Annahme eines Herstellungsanspruchs im hier zu entscheidenden Fall nicht im Wege.
Die zitierte Rechtsprechung hat der Senat in seinem Urteil vom 10. Dezember 1980 (7 RAr 14/78, DBlR Nr 2689a zu § 113 AFG) so begründet, dass im Wege des Herstellungsanspruchs die Vornahme einer gesetzeswidrigen Amtshandlung nicht begehrt werden könne. Im Falle der damaligen Klägerin hätte die Beklagte entgegen den Vorschriften der §§ 111, 113 AFG von einer Lohnsteuerklasse ausgehen müssen, die nicht auf der Lohnsteuerkarte der Klägerin eingetragen war. Ein solcher Herstellungsanspruch hätte sich - so der Senat - nur dann durchsetzen lassen, wenn die streitige Lohnsteuerklasse auf der Lohnsteuerkarte der Klägerin tatsächlich eingetragen gewesen wäre (§ 111 Abs 2 Nr 1 Buchst a AFG). Dem stehe jedoch entgegen, dass für die Eintragung der Lohnsteuerklasse auf der Lohnsteuerkarte die Gemeinde als örtliche Landesfinanzbehörde zuständig sei (§ 39 Abs 3 und 6 Einkommensteuergesetz). Es handele sich hierbei um eine Tatbestandsvoraussetzung, die außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Beklagten liege und aus diesem Grunde im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht ersetzt werden könne. Die (damalige) Klägerin wurde daher auf den Amtshaftungsanspruch verwiesen (insoweit übereinstimmend auch Senatsurteil vom 18. März 1982, DBlR Nr 2770a zu § 111 AFG; im Ergebnis ebenso unter jeweiliger Bezugnahme auf das Urteil vom 10. Dezember 1980 auch die Urteile BSG SozR 3-4100 § 249e und vom 1. Juni 1994, DBlR Nr 4144a zu § 249b AFG).
Der 11. Senat hat sodann in seinem Urteil vom 30. Mai 1990 (DBlR Nr 3731a zu § 113 AFG) das Vorliegen eines Beratungsfehlers des Arbeitsamts im konkreten Fall dahingestellt sein lassen, da selbst für diesen Fall die Beklagte nicht zu einer anderen Entscheidung verurteilt werden könne, denn die in der Steuerkarte eingetragene Steuerklasse habe für die Berechnung des Alg Tatbestandswirkung. Diese sei der Disposition der Beklagten entzogen. Dementsprechend komme ein so genannte Herstellungsanspruch nicht in Betracht, weil dieser nur dann gegeben sei, wenn ein Lebenssachverhalt vorliege, der den geltend gemachten Anspruch rechtfertige.
In dieser allgemeinen Form stimmte die Argumentation schon mit der damaligen Gesetzeslage nicht überein, wenn sie sich auch in den entschiedenen Einzelfällen als im Ergebnis zutreffend erwies. Bereits seit der oben unter 1) zitierten Änderung des § 113 AFG durch das 5. AFG-ÄndG mit Wirkung ab 1. August 1979 waren unter Umständen auch nicht eingetragene Lohnsteuerklassen der Bemessung des Alg zu Grunde zu legen. Dies war dann der Fall, wenn nach einem Steuerklassenwechsel zwischen Ehegatten dieser auf Antrag berücksichtigt werden sollte und "die zu Beginn des Kalenderjahres eingetragene Lohnsteuerklasse dem für die Wahl der Lohnsteuerklasse maßgebenden Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten zu diesem Zeitpunkt offensichtlich nicht entsprach" (§ 113 Abs 2 Satz 1 Nr 1 AFG). Dann galt nicht die Lohnsteuerklasse, in die gewechselt worden war, sondern diejenige, "die dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten zu Beginn des Kalenderjahres entsprochen hätte" (aaO Satz 3). Im Zeitpunkt des zitierten Urteils war ferner bereits das StEntlG 1981 (vom 16. August 1980, BGBl I 1381) verkündet, nach dem § 113 Abs 2 Satz 1 und 2 AFG die bis zum 31. Dezember 1997 geltende Fassung (siehe oben unter 1) erhalten hat und nach der von der Beklagten - wie ausgeführt - die Zweckmäßigkeit der Wahl der Lohnsteuerklassenkombination von Ehegatten in vollem Umfang und ohne Bindung an die tatsächlich eingetragenen Lohnsteuerklassen zu überprüfen war.
Entgegen den Ausführungen des Senats zum Herstellungsanspruch in den Urteilen vom 10. Dezember 1980 (aaO) und vom 18. März 1982 (aaO) bestand also bereits damals keine ausnahmslose Bindung an die eingetragene Lohnsteuerklasse. Im Ergebnis freilich könnte man diese Bindung aus den jeweils besonderen Umständen der beiden konkret entschiedenen Fälle herleiten. Denn die Änderungen durch das 5. AFG-ÄndG und das StEntlG 1981 waren auch angesichts der Übergangsregelungen in § 113 Abs 3 und 4 AFG jeweils nicht einschlägig, da keine Änderung der Lohnsteuerklassen vorgenommen worden war. Dann aber konnte in der Tat weiterhin nur die eingetragene Steuerklasse berücksichtigt werden.
Jedenfalls war aber die Aussage irreführend, die Beklagte könne nur "entgegen den Vorschriften der §§ 111, 113 AFG" von einer Lohnsteuerklasse ausgehen, die nicht auf der Lohnsteuerkarte eingetragen sei. Diese Ausführungen des Senats in den Urteilen vom 10. Dezember 1980 und vom 18. März 1982 haben dann jedoch augenscheinlich dazu geführt, dass in der Folgezeit das Urteil des 11. Senats vom 30. Mai 1990 sowie die Senatsurteile vom 25. Januar 1994 (insoweit obiter dictum) und vom 1. Juni 1994 - soweit erkennbar, ohne nähere Prüfung - von einem uneingeschränkten Rechtssatz ausgingen, dass im Wege des Herstellungsanspruchs eine in die Lohnsteuerkarte eingetragene Lohnsteuerklasse nicht durch eine andere (günstigere) ersetzt werden könne.
Bei genauerer Prüfung ergibt sich allerdings wiederum, dass auch in den später entschiedenen Fällen kein vorheriger Lohnsteuerklassenwechsel vorgenommen worden war. Mithin fehlten gerade die Grundvoraussetzungen dafür, eine andere als die eingetragene Lohnsteuerklasse der Leistungsberechnung zu Grunde zu legen. Der 11. Senat hatte im Urteil vom 30. Mai 1990 (DBlR Nr 3731a zu § 113 AFG) bei einer (im Dezember 1986 beantragten und am 6. Januar 1987 durchgeführten Änderung der Lohnsteuerkarten - Tausch der Steuerklassen V und III -) keinen Lohnsteuerklassenwechsel iS des § 113 Abs 2 AFG (während des Kalenderjahres; hierzu Senatsurteil vom 25. August 1987, SozR 4100 § 113 Nr 6 S 39f) gesehen. Damit lag aber - wie bei den Urteilen des erkennenden Senats 1980 und 1982 - kein Fall vor, der die Berücksichtigung einer nicht aktuell eingetragenen Steuerklasse ermöglicht hätte. Nichts anderes gilt für das Senatsurteil vom 1. Juni 1994 (DBlR Nr 4144a zu § 249e AFG). Auch hier war nie ein Lohnsteuerklassenwechsel erfolgt. Die dortige Klägerin machte lediglich geltend, sie sei nicht über die Möglichkeit eines derartigen Wechsels mit Folgen für die Leistungshöhe (damals Altersübergangsgeld) beraten worden. Damit schied ebenfalls die Berücksichtigung einer nicht aktuell eingetragenen Steuerklasse aus.
Nach alledem aber ist im Fall des Klägers der Weg frei für die Prüfung eines Herstellungsanspruchs in Abgrenzung zu der bisherigen Rechtsprechung des Senats und ohne Anfrage beim 11. Senat. Es liegt auch keine Divergenz zur bisherigen Senatsrechtsprechung vor, wonach im Grundsatz der zu einem Herstellungsanspruch führende Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung, ausgleichbar zu sein hat, bzw wie im Fall der fehlenden Arbeitslosmeldung eine Ersetzung auf Grund der gesetzlichen Funktion der Arbeitslosmeldung nicht möglich ist (hierzu zB Senatsurteil vom 21. Juni 2001, BSGE 88, 180, 184 = SozR 3-4300 § 150 Nr 1 unter Bezug auf: BSG SozR 3-4100 § 134 Nr 14, S 56 (Arbeitslosmeldung: Ersetzung nicht möglich); BSGE 58, 104, 109 = SozR 4100 § 103 Nr 36 (Verfügbarkeit: Ersetzung nicht möglich); BSGE 51, 89, 94 = SozR 2200 § 381 Nr 44 (Versäumung von Ausschlussfristen: Ersetzung möglich); BSG SozR 3-4100 § 110 Nr 2, S 10 (Verschiebung der Antragstellung auf ein späteres Datum: möglich)).
Die Gewährung von Alg nicht nach der aktuellen, sondern nach der zuvor eingetragenen Lohnsteuerklasse sieht das Gesetz jedenfalls vor. Nach der hier anzuwendenden Neuregelung durch das SGB III kann auch weiterhin - wie bereits nach § 113 Abs 2 AFG - eine nicht eingetragene Lohnsteuerklasse die Höhe des Alg bestimmen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn bei einem Wechsel der Lohnsteuerklassen unter Ehegatten die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten nicht oder zumindest nicht besser (vgl BSGE 88, 299 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1) entsprechen (§ 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III, vgl oben unter 1b). Ebenso besteht von Gesetzes wegen keine Bindung an die tatsächlich eingetragene Lohnsteuerklasse, wenn sich auf Grund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein niedrigeres Alg ergibt (§ 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2), wovon im hier zu entscheidenden Fall die Beklagte auch ausging. Unter Geltung des § 137 Abs 4 SGB III ist somit nach einem Wechsel der Lohnsteuerklassen die Zahlung von Alg entweder auf der Grundlage der neuen Lohnsteuerklasse möglich oder aber derjenigen, die vor dem Wechsel eingetragen war.
Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die Gewährung von Alg an den Kläger nach Lohnsteuerklasse III (Leistungsgruppe C) keine von vornherein "gesetzwidrige Handlung" darstellen würde und auch die Funktion der Anbindung der Leistungshöhe an die Lohnsteuerklasse dem nicht widerspricht. Darüber hinausgehende Forderungen an die "Ersetzbarkeit" einer nicht vorliegenden Leistungsvoraussetzung sind nicht angebracht. Denn der Herstellungsanspruch kommt immer nur dann zum Einsatz, wenn die bestehenden gesetzlichen Regelungen keine Korrektur zulassen. Damit geht es in diesen Fällen um die Gewährung von Sozialleistungen auch dann, wenn nicht sämtliche Leistungsvoraussetzungen vorliegen. Die "ersetzbaren" Handlungen können daher nicht auf die Fälle verspäteter Antragstellung, verspäteter Beitragsentrichtung oder verspäteter Vorlage von Unterlagen beschränkt werden.
Sollte die Beklagte ihre Beratungspflichten verletzt haben, könnte der Kläger von der Beklagten mithin so gestellt werden, als hätte er den Wechsel zur Lohnsteuerklasse V zum 1. Juni 1999 nicht vorgenommen. Es kann dahinstehen, ob die subjektiven Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III vorliegen und ggf im Hinblick auf die unterlassene Meldung des Steuerklassenwechsels - wie der 11. Senat angenommen hat - von einem generellen Maßstab der groben Fahrlässigkeit auszugehen ist (SozR 3-4300 § 137 Nr 3 S 16), zumal er in Fallkonstellationen, in denen keine Erstattungsforderung gemäß §§ 48, 50 SGB X im Raume steht, ohnehin nicht zur Ausräumung der verfassungsrechtlichen Bedenken beitragen kann. Der Senat konnte im vorliegenden Fall auch nicht den im Rahmen des Herstellungsanspruchs für den Kläger möglichen Erfolg der Klage dahinstehen lassen, weil diese schon aus dem Gesichtspunkt der fehlenden groben Fahrlässigkeit des Klägers gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 bzw Satz 2 SGB X ohnehin Erfolg gehabt hätte (§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG). Das LSG hat hierzu nämlich festgestellt, es sei überzeugt, "dass der Kläger die Mitteilungspflicht kannte" (Bl 11 des Urteils). Diese Feststellung spricht dafür, dass das LSG davon ausging, der Kläger habe vorsätzlich gehandelt, weshalb die genannte Rechtsprechung des 11. Senats des BSG ohnehin nicht einschlägig gewesen wäre, da mit dieser Rechtsprechung nur der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ausgeräumt werden könnte. Insofern bestehen Bedenken, ob das LSG auf Grund seiner eigenen Feststellungen (positive Kenntnis des Klägers von der Mitteilungspflicht) nicht von einem fehlerhaften Verständnis der Begriffe Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit ausgegangen ist, sodass auch insoweit eine Zurückverweisung zur Nachholung von Ermittlungen, ob der Kläger ggf vorsätzlich gehandelt hat, in Betracht gekommen und eine endgültige Entscheidung zu Gunsten des Klägers in der Revisionsinstanz ohnehin nicht möglich gewesen wäre. Das LSG wird mithin vorrangig noch Feststellungen zur Kausalität der Pflichtverletzung der Beklagten für das Handeln des Klägers zu treffen haben. Es ist im Einzelnen festzustellen, ob der Kläger den Wechsel in Lohnsteuerklasse V unterlassen hätte, wenn die Beklagte ihn zuvor entsprechend den oben unter 2) aufgezeigten Anforderungen gewarnt bzw beraten hätte. Hierbei kommt es nicht auf die Kenntnis des Klägers von der Anzeigepflicht des Lohnsteuerklassenwechsels an, sondern auf seine Kenntnis hinsichtlich der arbeitsförderungsrechtlichen Rechtsfolgen eines Lohnsteuerklassenwechsels und darauf, ob er ggf in Kenntnis dieser leistungsrechtlichen Folgen auf eine Beratung verzichtet hat.
Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.
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