Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 31 RA 83/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 265/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 3. November 2002 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 14. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2001 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind dem Kläger nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch auf Witwerrente.
Der 1923 geborene Kläger beantragte am 12.06.2001 Witwerrente nach seiner versicherten Ehefrau I. H. (geboren: 1921, gestorben: 23.05.2001). Mit Bescheid vom 14.09.2001 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zwar hätten die Eheleute am 03.10.1988 eine gemeinsame Erklärung abgegeben, so dass das bis zum 31.12.1985 geltende Hinterbliebenenrecht anwendbar sei. § 303 SGB VI fordere jedoch, dass die Versicherte im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod (hier: 01.05.2000 - 30.04.2001) den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten habe. Bei Gegenüberstellung der Einkünfte (Ehefrau: 2.486,94 DM;/Ehemann: 2.666,35 DM, bestehend aus Unfallrente von 634,17 DM und Altersrente von 2.032,18 DM) sei dies nicht der Fall. Die Haushaltsführung könne nicht mehr bewertet werden, da die Ehefrau dazu nicht mehr in der Lage gewesen sei. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.2001 zurückgewiesen. Auch die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung sei als Einkommen zur Ermittlung des Familienunterhalts zu berücksichtigen. Ein Anspruch nach § 46 SGB VI i.V.m. § 303 SGB VI bestehe nicht.
Mit der zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, die Unfallrente sei Schadensersatzleistung und dürfe nicht als Einkommen angerechnet werden. Die Versicherte habe Pflegegeld nach Stufe I (zuletzt: 400,00 DM, entspricht 204,52 Euro monatlich) von 20.09.1996 bis 31.03.2001 erhalten. Sie habe im Haushalt außer Tisch decken und abräumen nichts mehr machen können. Er selbst habe eingekauft, gekocht, gewaschen und seine Frau zum Arzt gefahren. Die Tochter der Versicherten (G. M.) habe zweimal pro Woche etwa 2-3 Stunden Putz- und Bügelarbeiten gegen Bezahlung (400,00 DM plus 200,00 DM) übernommen.
Durch Gerichtsbescheid vom 03.11.2002 hat das SG die Beklagte verurteilt, anzuerkennen, dass die verstorbene Ehefrau des Klägers I. H. im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor ihrem Tod den Lebensunterhalt des Ehepaares überwiegend bestritten habe und dem Kläger Witwerrente nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren sei. Die Ehefrau habe im letzten wirtschaftlichem Dauerzustand zum Familienunterhalt 2.886,94 DM (2.486,94 DM Versichertenrente plus 400,00 DM Pflegegeld) geleistet. Der Kläger habe seine Versichertenrente (2.032,18 DM) sowie seine Unfallrente (534,17 DM) zum Unterhalt beigetragen. Der zeitliche Aufwand für die Haushaltsführung liege nach den glaubwürdigen Angaben im Erörterungstermin vom 25.10.2002 bei 3,5 Stunden pro Woche. Als wirtschaftlicher Wert sei, ausgehend von Anlage 1 zu § 22 FRG (hauswirtschaftliche Angestellte, Gruppe 5, Jahresverdienst 26.568,00 DM brutto nach Anlage 11 zu § 22 FRG, 13,84 DM pro Stunde, 40-Stunden-Woche, abzüglich 1/6 für die gesetzlichen Abzüge) 11,53 DM pro Stunde, monatlich 161,42 DM anzusetzen. Der gesamte monatliche Unterhaltsbeitrag belaufe sich damit auf 2.827,77 DM. Die Ehefrau des Kläger habe damit im Zeitpunkt ihres Todes und im vorausgehenden Jahr bei einem Eigenanteil vom 2.886,94 DM den Familienunterhalt im Sinne von § 303 Satz 1 SGB VI überwiegend bestritten.
Mit ihrer zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Ansicht des SG, die verstorbene Versicherte habe überwiegend den Unterhalt bestritten. Das SG habe zwar richtig das Pflegegeld als Unterhaltsbeitrag der Versicherten zum Familienunterhalt gewertet. Das Pflegegeld diene jedoch dazu, sich die erforderliche Pflege und Hilfe in der Haushaltsführung selbst zu beschaffen. Da eine dritte Person (hier: die Tochter) an der Haushaltsführung beteiligt gewesen sei, sei dem Kläger der Teil des Pflegegeldes anzurechnen, der auf die tatsächliche Grundpflege (mehr als 50 %, vgl. § 15 Abs. 3 SGB XI) entfalle, monatlich also 201,00 DM. Außerdem sei die Haushaltstätigkeit nicht nach den Werten des FRG zu bemessen, sondern ab 01.01.1992 nach den örtlich maßgebenden Tarifverträgen für Hausangestellte individuell zu bewerten. Der regionale Tariflohn betrage unter Berücksichtigung von 125 % des Ecklohns für die Zeit vom 01.05.2000 bis 30.04.2001 38.135,00 DM pro Jahr, der bei einer Haushaltsführung in Rentnerhaushalten um die Hälfte zu kürzen sei. Nach den Angaben des Klägers vor dem SG sei davon auszugehen, dass die Schwiegertochter etwa 70 % (= 13.347,24 DM), der Kläger 25 % (= 4.766,88 DM) und die verstorbene Versicherte 5 % (= 953,38 DM) der Haushaltsführung erbracht hätten, was dem Familienunterhalt zuzurechnen sei. Ein Anspruch auf Witwerrente ergebe sich nicht, da die Versicherte zum gesamten Familienunterhalt in Höhe von 87.494,54 DM nicht die Hälfte (= 43.747,27 DM), sondern nur 34.996,48 DM beigetragen habe.
Zur Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat die Tochter der Versicherten G. M. als Zeugin schriftlich befragt.
Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 03.11.2002 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 14.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2001 abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 03.11.2002 zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der Beklagten. Auf ihren Inhalt wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Witwerrente, da die verstorbene Ehefrau des Klägers (Versicherte) den überwiegenden Unterhalt i.S.v. § 303 Satz 1 SGB VI entgegen der Ansicht des SG nicht bestritten hat.
Die Versicherte hat den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten, wenn ihr Unterhaltsbeitrag unter Einschluss der Hausarbeit mehr als die Hälfte der gesamten Unterhaltsleistungen ausmacht. Bei der Beurteilung, welchen Unterhaltsaufwand die Familie erfordert, welchen Beitrag das einzelne Familienmitglied geleistet hat und ob die Versicherte den Familienunterhalt überwiegend bestritten hat, sind nur die tatsächlichen Verhältnisse zu berücksichtigen (vgl. BSG SozR 2200 § 1266 RVO Nr. 16; BSG, Urteil vom 25.02.1992, 5 RJ 22/91). Beiträge zum Familienunterhalt sind alle Geldleistungen und geldwerten Leistungen insbesondere in Gestalt der Haushaltsführung, die dem Unterhalt der Familie zu dienen bestimmt sind. Sie können sowohl von Familienmitgliedern als auch von Dritten erbracht werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1266 Nr. 7). Zu den Einkünften der Versicherten zählen Einkommensersatzleistungen, so auch die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. BSG SozR 2200 § 1266 RVO Nr. 21), daneben auch die in der Zeit vom 20.09.1996 bis 31.05.2001 durchgehend erbrachten Pflegeleistungen, zuletzt als Pflegegeld nach Stufe I in Höhe von 400,00 DM (vgl. BSGE 31, 90 = SozR Nr. 7 zu § 1266 RVO).
Entgegen der Ansicht des SG ist dieses Pflegegeld nach § 37 Abs. 1 SGB XI zumindest anteilig den Einkünften des Klägers für die vom ihm erbrachte Pflegetätigkeit zuzurechnen.
Das Pflegegeld wird einkommensunabhängig gewährt und ist dazu bestimmt, die auf fremde Hilfe angewiesene Versicherte so zu stellen, dass sie sich sowohl die erforderliche Pflege als auch die Hilfe in der Haushaltsführung selbst beschaffen kann (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB XI). Pflegegeld nach § 15 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI erhält der Pflegebedürftige, der bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Im Anschluss an das BSG (vgl. Urteil vom 01.02.1995, 13 RJ 13/94) erscheint es sachgerecht, als Wert der Pflegeleistung das gezahlte Pflegegeld anzusetzen. Ein vollständiges Anrechnen kommt nicht in Betracht, da die Tochter der Versicherten nach ihren glaubhaften und auch vom Kläger bestätigten Angaben an zwei Tagen in der Woche an der Haushaltsführung mitbeteiligt war. Damit kann nur der Teil des Pflegegeldes für die Bewertung der Pflegetätigkeit angesetzt werden, der auf die tatsächliche Grundpflege entfällt. Die Pflegetätigkeit des Klägers ist daher nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI mit mehr als 50 % des gezahlten Pflegegeldes anzusetzen (hier: 201,00 DM pro Monat).
Ebenso wenig kann dem SG gefolgt werden, das als Haushaltstätigkeit allein die Arbeit des Klägers bewertet hat.
Der Anteil des einzelnen Ehegatten an der Haushaltsführung ist als Beitrag zum Familienunterhalt nach seinem wirtschaftlichen Wert zu bemessen (vgl. BSGE 28, 96). Neben Art und Umfang der objektiv erforderlichen Arbeiten ist zu ermitteln, ob und welche familienfremden Hilfskräfte für die Arbeit in Betracht kommen und wie sie zu entlohnen gewesen wären (vgl. BSGE 31, 90). Die Rechtsprechung des BSG hat als Bewertungsmaßstab sowohl Tarifverträge als auch die den Leistungsgruppen der Anlage zu § 22 FRG zugeordneten Entgelte für geeignet erachtet. Gegen die Heranziehung von Leistungsgruppen spricht der Gesichtspunkt der Praktikabilität, nachdem seit dem 01.01.1992 eine Mehrzahl von Vorschriften bei der Ermittlung von Entgelten die Anwendung verschiedener Leistungsgruppenkataloge, Tabellenwerte und Umrechnungen von Entgeltpunkten vorsieht (vgl. BSGE 31, 90; BSG, Urteil vom 01.02.1995, 13 RJ 13/94, sowie Müller, DAngVers 1991, 315).
Legt man als Wert der Haushaltsführung aufgrund der Tätigkeitsmerkmale einen Prozentsatz von 125 % des Ecklohnes zugrunde, ergibt sich ein regionaler Tariflohn für den hier maßgeblichen Zeitraum vom 01.05.2000 bis 20.04.2001 in Höhe von 38.135,00 DM. Dieser Betrag ist um 50 % zu kürzen, da bei einem Rentnerhaushalt davon auszugehen ist, dass die Haushaltsführung keine Vollbeschäftigung erfordert (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 13.06.1978, 1 JBf 99/77). Eine Nettoumrechnung, wie vom SG vorgenommen, kann nicht erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 12.09.1990, 5 RJ 67/89). Dass die Haushaltsführung der Tochter über eine reine Gefälligkeit oder familienrechtliche Verpflichtung hinausgegangen ist, belegt auch die Entlohnung. So hat sie regelmäßig für ihre Dienste monatlich den Betrag in Höhe des Pflegegeldes von 400,00 DM sowie zusätzlich 200,00 DM für Fahrtkosten und Einkäufe erhalten. Ob nun der Anteil der Tochter an der Haushaltsführung mit 70 % (so die Beklagte) oder mit zumindest 50 %, die Anteile des Klägers mit 25 % (bzw. 45 %) und der Versicherten mit 5 % zu bewerten sind, kann letztlich dahinstehen. Denn diese Verschiebung der Prozentanteile bezüglich der Haushaltsführung wirkt sich nicht dahingehend aus, dass sich der Anteil der Versicherten erhöht. Die Einstufung von 5 % ist nach den Angaben des Klägers vor dem SG, wonach die Versicherte den Tisch decken und abräumen, sonstige Arbeiten jedoch nicht ausführen konnte, nicht zu beanstanden.
Der Familienunterhalt berechnet sich im maßgeblichen Zeitraum (Mai 2000 - April 2001) danach wie folgt:
Versicherte
29.243,12 DM Bruttorente (GRV)
4.800,00 DM Pflegegeld, Stufe I
34.043,12 DM Zwischensumme
953,38 DM 5 % Haushaltsführung im Rentnerhaushalt
34.966,50 DM Summe
Kläger:
24.361,80 DM Bruttorente (GRV)
7.610,04 DM Unfallrente (GUV)
2.112,00 DM Wert für Pflegetätigkeit
34.083,84 DM Zwischensumme
4.766,88 DM 25 % des Wertes für Haushaltsführung im Rentnerhaushalt
38.850,72 DM Summe
Aufstellung des Familienunterhalts
Anteil der Versicherten 34.996,50 DM Anteil des Klägers 38.850,72 DM Leistung Dritter 13.347,24 DM (= 70 % für Haus- (Tochter) haltsführung)
Gesamtsumme 87.194,46 DM
Damit steht fest, dass der Betrag der Versicherten zum Familienunterhalt (34.996,50 DM) mehr als 50 % der gesamten Familienunterhalts (43.597,23 DM = 87.194,46 DM: 2) nicht erreicht. Ein Anspruch auf Witwerrente nach § 303 SGB VI ist damit nicht gegeben. Die Entscheidung des SG war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind dem Kläger nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch auf Witwerrente.
Der 1923 geborene Kläger beantragte am 12.06.2001 Witwerrente nach seiner versicherten Ehefrau I. H. (geboren: 1921, gestorben: 23.05.2001). Mit Bescheid vom 14.09.2001 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zwar hätten die Eheleute am 03.10.1988 eine gemeinsame Erklärung abgegeben, so dass das bis zum 31.12.1985 geltende Hinterbliebenenrecht anwendbar sei. § 303 SGB VI fordere jedoch, dass die Versicherte im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod (hier: 01.05.2000 - 30.04.2001) den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten habe. Bei Gegenüberstellung der Einkünfte (Ehefrau: 2.486,94 DM;/Ehemann: 2.666,35 DM, bestehend aus Unfallrente von 634,17 DM und Altersrente von 2.032,18 DM) sei dies nicht der Fall. Die Haushaltsführung könne nicht mehr bewertet werden, da die Ehefrau dazu nicht mehr in der Lage gewesen sei. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.2001 zurückgewiesen. Auch die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung sei als Einkommen zur Ermittlung des Familienunterhalts zu berücksichtigen. Ein Anspruch nach § 46 SGB VI i.V.m. § 303 SGB VI bestehe nicht.
Mit der zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, die Unfallrente sei Schadensersatzleistung und dürfe nicht als Einkommen angerechnet werden. Die Versicherte habe Pflegegeld nach Stufe I (zuletzt: 400,00 DM, entspricht 204,52 Euro monatlich) von 20.09.1996 bis 31.03.2001 erhalten. Sie habe im Haushalt außer Tisch decken und abräumen nichts mehr machen können. Er selbst habe eingekauft, gekocht, gewaschen und seine Frau zum Arzt gefahren. Die Tochter der Versicherten (G. M.) habe zweimal pro Woche etwa 2-3 Stunden Putz- und Bügelarbeiten gegen Bezahlung (400,00 DM plus 200,00 DM) übernommen.
Durch Gerichtsbescheid vom 03.11.2002 hat das SG die Beklagte verurteilt, anzuerkennen, dass die verstorbene Ehefrau des Klägers I. H. im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor ihrem Tod den Lebensunterhalt des Ehepaares überwiegend bestritten habe und dem Kläger Witwerrente nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren sei. Die Ehefrau habe im letzten wirtschaftlichem Dauerzustand zum Familienunterhalt 2.886,94 DM (2.486,94 DM Versichertenrente plus 400,00 DM Pflegegeld) geleistet. Der Kläger habe seine Versichertenrente (2.032,18 DM) sowie seine Unfallrente (534,17 DM) zum Unterhalt beigetragen. Der zeitliche Aufwand für die Haushaltsführung liege nach den glaubwürdigen Angaben im Erörterungstermin vom 25.10.2002 bei 3,5 Stunden pro Woche. Als wirtschaftlicher Wert sei, ausgehend von Anlage 1 zu § 22 FRG (hauswirtschaftliche Angestellte, Gruppe 5, Jahresverdienst 26.568,00 DM brutto nach Anlage 11 zu § 22 FRG, 13,84 DM pro Stunde, 40-Stunden-Woche, abzüglich 1/6 für die gesetzlichen Abzüge) 11,53 DM pro Stunde, monatlich 161,42 DM anzusetzen. Der gesamte monatliche Unterhaltsbeitrag belaufe sich damit auf 2.827,77 DM. Die Ehefrau des Kläger habe damit im Zeitpunkt ihres Todes und im vorausgehenden Jahr bei einem Eigenanteil vom 2.886,94 DM den Familienunterhalt im Sinne von § 303 Satz 1 SGB VI überwiegend bestritten.
Mit ihrer zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Ansicht des SG, die verstorbene Versicherte habe überwiegend den Unterhalt bestritten. Das SG habe zwar richtig das Pflegegeld als Unterhaltsbeitrag der Versicherten zum Familienunterhalt gewertet. Das Pflegegeld diene jedoch dazu, sich die erforderliche Pflege und Hilfe in der Haushaltsführung selbst zu beschaffen. Da eine dritte Person (hier: die Tochter) an der Haushaltsführung beteiligt gewesen sei, sei dem Kläger der Teil des Pflegegeldes anzurechnen, der auf die tatsächliche Grundpflege (mehr als 50 %, vgl. § 15 Abs. 3 SGB XI) entfalle, monatlich also 201,00 DM. Außerdem sei die Haushaltstätigkeit nicht nach den Werten des FRG zu bemessen, sondern ab 01.01.1992 nach den örtlich maßgebenden Tarifverträgen für Hausangestellte individuell zu bewerten. Der regionale Tariflohn betrage unter Berücksichtigung von 125 % des Ecklohns für die Zeit vom 01.05.2000 bis 30.04.2001 38.135,00 DM pro Jahr, der bei einer Haushaltsführung in Rentnerhaushalten um die Hälfte zu kürzen sei. Nach den Angaben des Klägers vor dem SG sei davon auszugehen, dass die Schwiegertochter etwa 70 % (= 13.347,24 DM), der Kläger 25 % (= 4.766,88 DM) und die verstorbene Versicherte 5 % (= 953,38 DM) der Haushaltsführung erbracht hätten, was dem Familienunterhalt zuzurechnen sei. Ein Anspruch auf Witwerrente ergebe sich nicht, da die Versicherte zum gesamten Familienunterhalt in Höhe von 87.494,54 DM nicht die Hälfte (= 43.747,27 DM), sondern nur 34.996,48 DM beigetragen habe.
Zur Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat die Tochter der Versicherten G. M. als Zeugin schriftlich befragt.
Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 03.11.2002 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 14.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2001 abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 03.11.2002 zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der Beklagten. Auf ihren Inhalt wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Witwerrente, da die verstorbene Ehefrau des Klägers (Versicherte) den überwiegenden Unterhalt i.S.v. § 303 Satz 1 SGB VI entgegen der Ansicht des SG nicht bestritten hat.
Die Versicherte hat den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten, wenn ihr Unterhaltsbeitrag unter Einschluss der Hausarbeit mehr als die Hälfte der gesamten Unterhaltsleistungen ausmacht. Bei der Beurteilung, welchen Unterhaltsaufwand die Familie erfordert, welchen Beitrag das einzelne Familienmitglied geleistet hat und ob die Versicherte den Familienunterhalt überwiegend bestritten hat, sind nur die tatsächlichen Verhältnisse zu berücksichtigen (vgl. BSG SozR 2200 § 1266 RVO Nr. 16; BSG, Urteil vom 25.02.1992, 5 RJ 22/91). Beiträge zum Familienunterhalt sind alle Geldleistungen und geldwerten Leistungen insbesondere in Gestalt der Haushaltsführung, die dem Unterhalt der Familie zu dienen bestimmt sind. Sie können sowohl von Familienmitgliedern als auch von Dritten erbracht werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1266 Nr. 7). Zu den Einkünften der Versicherten zählen Einkommensersatzleistungen, so auch die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. BSG SozR 2200 § 1266 RVO Nr. 21), daneben auch die in der Zeit vom 20.09.1996 bis 31.05.2001 durchgehend erbrachten Pflegeleistungen, zuletzt als Pflegegeld nach Stufe I in Höhe von 400,00 DM (vgl. BSGE 31, 90 = SozR Nr. 7 zu § 1266 RVO).
Entgegen der Ansicht des SG ist dieses Pflegegeld nach § 37 Abs. 1 SGB XI zumindest anteilig den Einkünften des Klägers für die vom ihm erbrachte Pflegetätigkeit zuzurechnen.
Das Pflegegeld wird einkommensunabhängig gewährt und ist dazu bestimmt, die auf fremde Hilfe angewiesene Versicherte so zu stellen, dass sie sich sowohl die erforderliche Pflege als auch die Hilfe in der Haushaltsführung selbst beschaffen kann (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB XI). Pflegegeld nach § 15 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI erhält der Pflegebedürftige, der bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Im Anschluss an das BSG (vgl. Urteil vom 01.02.1995, 13 RJ 13/94) erscheint es sachgerecht, als Wert der Pflegeleistung das gezahlte Pflegegeld anzusetzen. Ein vollständiges Anrechnen kommt nicht in Betracht, da die Tochter der Versicherten nach ihren glaubhaften und auch vom Kläger bestätigten Angaben an zwei Tagen in der Woche an der Haushaltsführung mitbeteiligt war. Damit kann nur der Teil des Pflegegeldes für die Bewertung der Pflegetätigkeit angesetzt werden, der auf die tatsächliche Grundpflege entfällt. Die Pflegetätigkeit des Klägers ist daher nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI mit mehr als 50 % des gezahlten Pflegegeldes anzusetzen (hier: 201,00 DM pro Monat).
Ebenso wenig kann dem SG gefolgt werden, das als Haushaltstätigkeit allein die Arbeit des Klägers bewertet hat.
Der Anteil des einzelnen Ehegatten an der Haushaltsführung ist als Beitrag zum Familienunterhalt nach seinem wirtschaftlichen Wert zu bemessen (vgl. BSGE 28, 96). Neben Art und Umfang der objektiv erforderlichen Arbeiten ist zu ermitteln, ob und welche familienfremden Hilfskräfte für die Arbeit in Betracht kommen und wie sie zu entlohnen gewesen wären (vgl. BSGE 31, 90). Die Rechtsprechung des BSG hat als Bewertungsmaßstab sowohl Tarifverträge als auch die den Leistungsgruppen der Anlage zu § 22 FRG zugeordneten Entgelte für geeignet erachtet. Gegen die Heranziehung von Leistungsgruppen spricht der Gesichtspunkt der Praktikabilität, nachdem seit dem 01.01.1992 eine Mehrzahl von Vorschriften bei der Ermittlung von Entgelten die Anwendung verschiedener Leistungsgruppenkataloge, Tabellenwerte und Umrechnungen von Entgeltpunkten vorsieht (vgl. BSGE 31, 90; BSG, Urteil vom 01.02.1995, 13 RJ 13/94, sowie Müller, DAngVers 1991, 315).
Legt man als Wert der Haushaltsführung aufgrund der Tätigkeitsmerkmale einen Prozentsatz von 125 % des Ecklohnes zugrunde, ergibt sich ein regionaler Tariflohn für den hier maßgeblichen Zeitraum vom 01.05.2000 bis 20.04.2001 in Höhe von 38.135,00 DM. Dieser Betrag ist um 50 % zu kürzen, da bei einem Rentnerhaushalt davon auszugehen ist, dass die Haushaltsführung keine Vollbeschäftigung erfordert (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 13.06.1978, 1 JBf 99/77). Eine Nettoumrechnung, wie vom SG vorgenommen, kann nicht erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 12.09.1990, 5 RJ 67/89). Dass die Haushaltsführung der Tochter über eine reine Gefälligkeit oder familienrechtliche Verpflichtung hinausgegangen ist, belegt auch die Entlohnung. So hat sie regelmäßig für ihre Dienste monatlich den Betrag in Höhe des Pflegegeldes von 400,00 DM sowie zusätzlich 200,00 DM für Fahrtkosten und Einkäufe erhalten. Ob nun der Anteil der Tochter an der Haushaltsführung mit 70 % (so die Beklagte) oder mit zumindest 50 %, die Anteile des Klägers mit 25 % (bzw. 45 %) und der Versicherten mit 5 % zu bewerten sind, kann letztlich dahinstehen. Denn diese Verschiebung der Prozentanteile bezüglich der Haushaltsführung wirkt sich nicht dahingehend aus, dass sich der Anteil der Versicherten erhöht. Die Einstufung von 5 % ist nach den Angaben des Klägers vor dem SG, wonach die Versicherte den Tisch decken und abräumen, sonstige Arbeiten jedoch nicht ausführen konnte, nicht zu beanstanden.
Der Familienunterhalt berechnet sich im maßgeblichen Zeitraum (Mai 2000 - April 2001) danach wie folgt:
Versicherte
29.243,12 DM Bruttorente (GRV)
4.800,00 DM Pflegegeld, Stufe I
34.043,12 DM Zwischensumme
953,38 DM 5 % Haushaltsführung im Rentnerhaushalt
34.966,50 DM Summe
Kläger:
24.361,80 DM Bruttorente (GRV)
7.610,04 DM Unfallrente (GUV)
2.112,00 DM Wert für Pflegetätigkeit
34.083,84 DM Zwischensumme
4.766,88 DM 25 % des Wertes für Haushaltsführung im Rentnerhaushalt
38.850,72 DM Summe
Aufstellung des Familienunterhalts
Anteil der Versicherten 34.996,50 DM Anteil des Klägers 38.850,72 DM Leistung Dritter 13.347,24 DM (= 70 % für Haus- (Tochter) haltsführung)
Gesamtsumme 87.194,46 DM
Damit steht fest, dass der Betrag der Versicherten zum Familienunterhalt (34.996,50 DM) mehr als 50 % der gesamten Familienunterhalts (43.597,23 DM = 87.194,46 DM: 2) nicht erreicht. Ein Anspruch auf Witwerrente nach § 303 SGB VI ist damit nicht gegeben. Die Entscheidung des SG war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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