Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 429/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 13/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 144/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 22.11.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, welcher Jahresarbeitsverdienst (JAV) der Berechnung der Verletztenrente zugrunde zu legen ist.
Der 1952 geborene Kläger erlitt am 24.04.1987 bei einem Arbeitsunfall ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Er war vor dem Unfall als Kfz-Meister und stellvertretender technischer Werkstattleiter bei einem Verkehrsunternehmen (KVG S.) tätig. Vom 05.01.1986 bis 06.05.1986 besuchte er einen Meisterkurs mit dem Ziel, die Kfz-Elektrikermeisterprüfung abzulegen. Das Unternehmen hatte geplant, dass er für den später bei der KVG ausscheidenden Werkstattleiter nachrücken sollte, was für den Kläger mit einem höheren Brutto-Verdienst von monatlich 640,83 DM verbunden gewesen wäre. Diese Stelle konnte der Kläger wegen der Unfallfolgen nicht mehr einnehmen. Seit 1989 bezieht er Erwerbsunfähigkeitsrente.
Der Beklagte gewährte dem Kläger zunächst mit Bescheid vom 26.06.1989 Verletztenrente ab 20.04.1989 nach einer MdE in Höhe von 80 vH, ab 07.09.1992 in Höhe von 100 vH (Bescheid vom 18.05.1994). Der Berechnung der Rente ab 07.09.1992 legte sie einen Jahresarbeitsverdienst (JAV) in Höhe von 48.597,32 DM zugrunde. Auf diese Höhe des JAV hatten sich die Beteiligten im Klageverfahren S 2 U 106/90 vor dem Sozialgericht Würzburg geeinigt (Vergleich vom 23.10.1991).
Mit Schreiben vom 23.08.1998 beantragte der Kläger die Rücknahme des Bescheides vom 18.05.1994 und die Neuberechnung der Verletztenrente unter Zugrundelegung eines höheren JAV. Er machte geltend, der Unfall vom 24.04.1987 sei in einem Zeitraum erfolgt, als er sich in einer Ausbildung zum Kfz-Elektrikermeister befunden habe. Aufgrund des Unfalles habe er nicht die für ihn vorgesehene Tätigkeit als technischer Leiter bei der KFG S. ausüben können, so dass er einen monatlichen Minderverdienst von ca 650,- DM zuzüglich jährlicher tariflicher Gehaltserhöhung gehabt habe.
Mit Bescheid vom 22.09.1999 lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger habe sich zur Zeit des Unfalls nicht in einer Berufsausbildung iS des Berufsbildungsgesetzes befunden. Nur in einem solchen Fall hätte eine Neuberechnung des JAV erfolgen müssen. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, die Ausbildung zum Kfz-Meister, wie er sie vor dem Unfall abgeschlossen habe, stelle eine Ausbildung und nicht eine Fortbildung dar. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30.11.1999).
Mit der beim Sozialgericht Würzburg erhobenen Klage hat der Kläger beantragt, den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22.09.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.11.1999 zu verurteilen, den Bescheid vom 18.05.1994 zurückzunehmen und Verletztenrente ab 01.01.1994 unter Zugrundelegung des JAV des Klägers als Werkstattleiter der Firma KVG zu gewähren. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 22.11.2001 abgewiesen und ausgeführt, der Kläger habe den Meisterkurs nicht in dem Zeitraum besucht, in dem er den Arbeitsunfall erlitten habe, sondern bereits ein Jahr vor dem Arbeitsunfall. Es fehle daher schon am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 573 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO). Zudem habe sich der Kläger bei der Durchführung des Kfz-Elektrikermeister-Kurses nicht in einer Ausbildung iS des § 573 Abs 1 RVO befunden. Eine Berufsausbildung sei dann nicht anzunehmen, wenn eine Person, die bereits einen erlernten Beruf ausübe, sich darin beruflich qualifizieren wolle. Der angenommene JAV sei auch nicht in erheblichem Maße unbillig.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und erklärt, er sehe nicht ein, dass - obwohl er eine entsprechend höher vergütete Stelle in Aussicht gehabt habe - dies bei der Berechnung der Rente völlig unberücksichtigt bleibe. Er habe die (zusätzliche) Ausbildung im Hinblick auf die angestrebte Stellung als Werkstattleiter absolviert. Er vermöge keinen sachlichen Grund dafür zu erkennen, dass er im Vergleich zu einem jüngeren, sich in Ausbildung befindlichen Versicherten ungleich behandelt werden solle.
Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 22.11.2001 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 22.09.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.11.1999 zu verurteilen, den Bescheid vom 18.05.1994 zurückzunehmen und Verletztenrente ab 01.01.1994 unter Zugrundelegung eines JAV als Technischer Leiter bei der Firma KVG zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialge richts Würzburg vom 22.11.2001 zurückzuweisen.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Akten der Beklagten, die Archivakte des Sozialgerichts Würzburg S 2 U 106/90 und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Der Beklagte ist nicht verpflichtet, im Wege des Zugunstenbescheides die dem Kläger gewährte Verletztenrente unter Berücksichtigung eines höheren JAV zu berechnen. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten vom 22.09.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.11.1999 und der Bescheid vom 18.05.1994 entsprechen der Sach- und Rechtslage. Das Sozialgericht Würzburg hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Vorliegend sind die Vorschriften der RVO gemäß § 214 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII), Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG) weiter anzuwenden, da der JAV des Klägers nicht nach Inkrafttreten des SGB VII (01.01.1997) erstmals oder nach § 90 SGB VII neu festzustellen wäre bzw der JAV vorliegend eine Verletztenrente betrifft, auf die der Kläger vor Inkrafttreten des SGB VII schon einen Anspruch hatte (vgl Ricke in Kasseler Kommentar, § 214 SGB VII Nr 5, 11).
Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Der Beklagte hat bei Erlass des Verwaltungsaktes am 18.05.1994 das Recht nicht unrichtig angewendet und ist auch von keinem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweisen würde. Der Feststellung des JAV sind allein die Vorschriften des materiellen Unfallversicherungsrechtes zugrunde zu legen (RVO bzw SGG VII); sind diese richtig angewendet worden, tritt eine Benachteiligung bzw rechtswidrige Schlechterstellung des Klägers nicht ein.
Nach § 571 RVO (ab 01.01.1997 § 82 Abs 1 SGB VII) ist der Berechnung des JAV grundsätzlich das Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen des Versicherten in den 12 Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Arbeitsunfall eingetreten ist, zugrunde zu legen. Als Ausnahme von diesem Grundsatz bestimmt § 573 Abs 1 RVO (ab 01.01.1997 § 90 Abs 1 SGB VII) für den Fall, dass sich der Verletzte zur Zeit des Arbeitsunfalles noch in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, dass der JAV für die Zeit nach der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung neu berechnet wird, wenn es für den Berechtigten günstiger ist. Dadurch sollen Unbilligkeiten bei der Berechnung des zugrunde zu legenden JAV vermieden werden, die dadurch entstehen würden, dass die Entschädigung an Verletzte mit entwicklungsbedingt noch niedrigem Einkommen auf Dauer ausgerichtet würde. Denn während der Schul- oder Berufsausbildung werden keine oder nur niedrige Verdienste erzielt und dementsprechend würde der JAV mit dem Mindest-JAV oder aus den während der Berufsausbildung sehr niedrigen Verdiensten festgestellt. Es wäre aber unbillig, bei der Leistungsberechnung dauerhaft diesen niedrigen JAV zugrunde zu legen. Zum Ausgleich sieht die genannte Norm daher unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der Neufestsetzung vor.
Die Voraussetzungen des § 573 Abs 1 RVO liegen beim Kläger aber nicht vor. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Ablegung der Kfz-Elektrikermeisterprüfung sich im Falle des Klägers als eine "Ausbildung" iS des § 573 Abs 1 Satz 1 RVO darstellt. Denn es liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 573 Abs 1 bereits nicht vor. Der Kläger hat den Arbeitsunfall nämlich nicht während seiner Ausbildung erlitten, sondern bereits ein Jahr vorher.
Der nach § 571 errechnete Arbeitsverdient ist auch nicht in erheblichem Maße unbillig iS des § 577 RVO (jetzt § 87 SGB VII). Danach ist der JAV im Rahmen des § 575 RVO nach billigem Ermessen festzusetzen, wenn der nach den §§ 571 bis 576 berechnete JAV in erheblichem Maße unbillig ist. Es gilt der allgemeine Grundsatz, dass für die Berechnung der Leistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung die Verhältnisse v o r dem Arbeitsunfall maßgeblich sind, auch bei einem Anwendungsfall des § 577 RVO (so BSG SozR 2200 § 571 Nr 1). Abgesehen davon handelt es sich im Rahmen des Katalogs der Vorschriften zur JAV-Ermittlung um eine Ausnahmenorm; schon nach allgemeinen juristischen Auslegungsregeln sind Ausnahmenormen eng auszulegen. Ihre Anwendung darf die Aussagen der im Hintergrund stehenden Grundsatznormen nicht konterkarieren. Demnach ist ein JAV nicht bereits schon dann "unbillig", wenn der JAV nur deshalb niedriger ausfällt, weil - wie vorliegend - die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Berechnungsvorschrift - hier § 573 Abs 1 RVO - nicht erfüllt sind. Bei der Feststellung des JAV nach § 577 RVO muss vielmehr eine außergewöhnliche Ausnahmesituation aufgrund besonderer Umstände vorliegen (Bereiter-Hahn/Mertens, Kommentar zur Gesetzlichen Unfallversicherung § 87 SGB VII Nr 4). Derartige außergewöhnliche Umstände, die ein Abweichen von dem nach § 571 RVO ermittelten JAV nahezu zwingend hätten aufdrängen müssen, sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Insbesondere wurde kein JAV ermittelt, der dem Lebensstandard des Betroffenen vollkommen und offensichtlich widerspricht.
Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass bezüglich der Höhe des JAV vor dem Sozialgericht Würzburg bereits ein gerichtliches Verfahren durchgeführt worden war (S 2 U 106/90), in dem der Kläger ein Vergleichsangebot des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.10.1991 angenommen hat, wonach die Gewährung von Verletztenrente unter Zugrundelegung eines JAV in Höhe von 48.597,32 DM und den gesetzlichen Anpassungen erfolgen sollte. Bereits zu diesem Zeitpunkt waren dem Kläger alle Tatsachen bekannt, die nunmehr zur Begründung seines Klagebegehrens vorgebracht werden. In den Vergleichsverhandlungen am 23.10.1991 hat der Kläger diese Gesichtspunkt jedoch nicht vorgebracht. Es stellt ein widersprüchliches Verhalten iS des venire contra factum proprium dar, wenn der Kläger im Jahr 1991 einen Vergleich abschließt und dann eine Neufestsetzung seines JAV unter dem Gesichtspunkt billigen Ermessens im Jahr 1998 anstrebt und dafür (vermeintliche) Gründe anführt, die ihm bereits zum Zeitpunkt der Vergleichsverhandlungen bekannt waren. Denn ein Vergleich soll einen Streitpunkt beseitigen und den Beteiligten des Vergleiches Rechtssicherheit geben. Daher kann der Beteiligte eines Vergleichsvertrages darauf vertrauen, dass der in dem Vergleich befriedete Streit endgültig und umfassend beigelegt ist und auch insoweit Sachverhaltselemente (hier: Höhe des JAV), die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bekannt waren, nicht erneut aufgeworfen werden. Ein Prozessvergleich (§ 101 Abs 1 SGG) verliert seine das Verfahren beendende Wirkung nicht schon durch spätere Erklärungen der Beteiligten, am Vergleich nicht mehr festhalten zu wollen (BSGE 19, 112).
Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision iS des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, welcher Jahresarbeitsverdienst (JAV) der Berechnung der Verletztenrente zugrunde zu legen ist.
Der 1952 geborene Kläger erlitt am 24.04.1987 bei einem Arbeitsunfall ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Er war vor dem Unfall als Kfz-Meister und stellvertretender technischer Werkstattleiter bei einem Verkehrsunternehmen (KVG S.) tätig. Vom 05.01.1986 bis 06.05.1986 besuchte er einen Meisterkurs mit dem Ziel, die Kfz-Elektrikermeisterprüfung abzulegen. Das Unternehmen hatte geplant, dass er für den später bei der KVG ausscheidenden Werkstattleiter nachrücken sollte, was für den Kläger mit einem höheren Brutto-Verdienst von monatlich 640,83 DM verbunden gewesen wäre. Diese Stelle konnte der Kläger wegen der Unfallfolgen nicht mehr einnehmen. Seit 1989 bezieht er Erwerbsunfähigkeitsrente.
Der Beklagte gewährte dem Kläger zunächst mit Bescheid vom 26.06.1989 Verletztenrente ab 20.04.1989 nach einer MdE in Höhe von 80 vH, ab 07.09.1992 in Höhe von 100 vH (Bescheid vom 18.05.1994). Der Berechnung der Rente ab 07.09.1992 legte sie einen Jahresarbeitsverdienst (JAV) in Höhe von 48.597,32 DM zugrunde. Auf diese Höhe des JAV hatten sich die Beteiligten im Klageverfahren S 2 U 106/90 vor dem Sozialgericht Würzburg geeinigt (Vergleich vom 23.10.1991).
Mit Schreiben vom 23.08.1998 beantragte der Kläger die Rücknahme des Bescheides vom 18.05.1994 und die Neuberechnung der Verletztenrente unter Zugrundelegung eines höheren JAV. Er machte geltend, der Unfall vom 24.04.1987 sei in einem Zeitraum erfolgt, als er sich in einer Ausbildung zum Kfz-Elektrikermeister befunden habe. Aufgrund des Unfalles habe er nicht die für ihn vorgesehene Tätigkeit als technischer Leiter bei der KFG S. ausüben können, so dass er einen monatlichen Minderverdienst von ca 650,- DM zuzüglich jährlicher tariflicher Gehaltserhöhung gehabt habe.
Mit Bescheid vom 22.09.1999 lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger habe sich zur Zeit des Unfalls nicht in einer Berufsausbildung iS des Berufsbildungsgesetzes befunden. Nur in einem solchen Fall hätte eine Neuberechnung des JAV erfolgen müssen. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, die Ausbildung zum Kfz-Meister, wie er sie vor dem Unfall abgeschlossen habe, stelle eine Ausbildung und nicht eine Fortbildung dar. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30.11.1999).
Mit der beim Sozialgericht Würzburg erhobenen Klage hat der Kläger beantragt, den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22.09.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.11.1999 zu verurteilen, den Bescheid vom 18.05.1994 zurückzunehmen und Verletztenrente ab 01.01.1994 unter Zugrundelegung des JAV des Klägers als Werkstattleiter der Firma KVG zu gewähren. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 22.11.2001 abgewiesen und ausgeführt, der Kläger habe den Meisterkurs nicht in dem Zeitraum besucht, in dem er den Arbeitsunfall erlitten habe, sondern bereits ein Jahr vor dem Arbeitsunfall. Es fehle daher schon am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 573 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO). Zudem habe sich der Kläger bei der Durchführung des Kfz-Elektrikermeister-Kurses nicht in einer Ausbildung iS des § 573 Abs 1 RVO befunden. Eine Berufsausbildung sei dann nicht anzunehmen, wenn eine Person, die bereits einen erlernten Beruf ausübe, sich darin beruflich qualifizieren wolle. Der angenommene JAV sei auch nicht in erheblichem Maße unbillig.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und erklärt, er sehe nicht ein, dass - obwohl er eine entsprechend höher vergütete Stelle in Aussicht gehabt habe - dies bei der Berechnung der Rente völlig unberücksichtigt bleibe. Er habe die (zusätzliche) Ausbildung im Hinblick auf die angestrebte Stellung als Werkstattleiter absolviert. Er vermöge keinen sachlichen Grund dafür zu erkennen, dass er im Vergleich zu einem jüngeren, sich in Ausbildung befindlichen Versicherten ungleich behandelt werden solle.
Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 22.11.2001 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 22.09.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.11.1999 zu verurteilen, den Bescheid vom 18.05.1994 zurückzunehmen und Verletztenrente ab 01.01.1994 unter Zugrundelegung eines JAV als Technischer Leiter bei der Firma KVG zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialge richts Würzburg vom 22.11.2001 zurückzuweisen.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Akten der Beklagten, die Archivakte des Sozialgerichts Würzburg S 2 U 106/90 und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Der Beklagte ist nicht verpflichtet, im Wege des Zugunstenbescheides die dem Kläger gewährte Verletztenrente unter Berücksichtigung eines höheren JAV zu berechnen. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten vom 22.09.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.11.1999 und der Bescheid vom 18.05.1994 entsprechen der Sach- und Rechtslage. Das Sozialgericht Würzburg hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Vorliegend sind die Vorschriften der RVO gemäß § 214 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII), Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG) weiter anzuwenden, da der JAV des Klägers nicht nach Inkrafttreten des SGB VII (01.01.1997) erstmals oder nach § 90 SGB VII neu festzustellen wäre bzw der JAV vorliegend eine Verletztenrente betrifft, auf die der Kläger vor Inkrafttreten des SGB VII schon einen Anspruch hatte (vgl Ricke in Kasseler Kommentar, § 214 SGB VII Nr 5, 11).
Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Der Beklagte hat bei Erlass des Verwaltungsaktes am 18.05.1994 das Recht nicht unrichtig angewendet und ist auch von keinem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweisen würde. Der Feststellung des JAV sind allein die Vorschriften des materiellen Unfallversicherungsrechtes zugrunde zu legen (RVO bzw SGG VII); sind diese richtig angewendet worden, tritt eine Benachteiligung bzw rechtswidrige Schlechterstellung des Klägers nicht ein.
Nach § 571 RVO (ab 01.01.1997 § 82 Abs 1 SGB VII) ist der Berechnung des JAV grundsätzlich das Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen des Versicherten in den 12 Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Arbeitsunfall eingetreten ist, zugrunde zu legen. Als Ausnahme von diesem Grundsatz bestimmt § 573 Abs 1 RVO (ab 01.01.1997 § 90 Abs 1 SGB VII) für den Fall, dass sich der Verletzte zur Zeit des Arbeitsunfalles noch in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, dass der JAV für die Zeit nach der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung neu berechnet wird, wenn es für den Berechtigten günstiger ist. Dadurch sollen Unbilligkeiten bei der Berechnung des zugrunde zu legenden JAV vermieden werden, die dadurch entstehen würden, dass die Entschädigung an Verletzte mit entwicklungsbedingt noch niedrigem Einkommen auf Dauer ausgerichtet würde. Denn während der Schul- oder Berufsausbildung werden keine oder nur niedrige Verdienste erzielt und dementsprechend würde der JAV mit dem Mindest-JAV oder aus den während der Berufsausbildung sehr niedrigen Verdiensten festgestellt. Es wäre aber unbillig, bei der Leistungsberechnung dauerhaft diesen niedrigen JAV zugrunde zu legen. Zum Ausgleich sieht die genannte Norm daher unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der Neufestsetzung vor.
Die Voraussetzungen des § 573 Abs 1 RVO liegen beim Kläger aber nicht vor. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Ablegung der Kfz-Elektrikermeisterprüfung sich im Falle des Klägers als eine "Ausbildung" iS des § 573 Abs 1 Satz 1 RVO darstellt. Denn es liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 573 Abs 1 bereits nicht vor. Der Kläger hat den Arbeitsunfall nämlich nicht während seiner Ausbildung erlitten, sondern bereits ein Jahr vorher.
Der nach § 571 errechnete Arbeitsverdient ist auch nicht in erheblichem Maße unbillig iS des § 577 RVO (jetzt § 87 SGB VII). Danach ist der JAV im Rahmen des § 575 RVO nach billigem Ermessen festzusetzen, wenn der nach den §§ 571 bis 576 berechnete JAV in erheblichem Maße unbillig ist. Es gilt der allgemeine Grundsatz, dass für die Berechnung der Leistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung die Verhältnisse v o r dem Arbeitsunfall maßgeblich sind, auch bei einem Anwendungsfall des § 577 RVO (so BSG SozR 2200 § 571 Nr 1). Abgesehen davon handelt es sich im Rahmen des Katalogs der Vorschriften zur JAV-Ermittlung um eine Ausnahmenorm; schon nach allgemeinen juristischen Auslegungsregeln sind Ausnahmenormen eng auszulegen. Ihre Anwendung darf die Aussagen der im Hintergrund stehenden Grundsatznormen nicht konterkarieren. Demnach ist ein JAV nicht bereits schon dann "unbillig", wenn der JAV nur deshalb niedriger ausfällt, weil - wie vorliegend - die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Berechnungsvorschrift - hier § 573 Abs 1 RVO - nicht erfüllt sind. Bei der Feststellung des JAV nach § 577 RVO muss vielmehr eine außergewöhnliche Ausnahmesituation aufgrund besonderer Umstände vorliegen (Bereiter-Hahn/Mertens, Kommentar zur Gesetzlichen Unfallversicherung § 87 SGB VII Nr 4). Derartige außergewöhnliche Umstände, die ein Abweichen von dem nach § 571 RVO ermittelten JAV nahezu zwingend hätten aufdrängen müssen, sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Insbesondere wurde kein JAV ermittelt, der dem Lebensstandard des Betroffenen vollkommen und offensichtlich widerspricht.
Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass bezüglich der Höhe des JAV vor dem Sozialgericht Würzburg bereits ein gerichtliches Verfahren durchgeführt worden war (S 2 U 106/90), in dem der Kläger ein Vergleichsangebot des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.10.1991 angenommen hat, wonach die Gewährung von Verletztenrente unter Zugrundelegung eines JAV in Höhe von 48.597,32 DM und den gesetzlichen Anpassungen erfolgen sollte. Bereits zu diesem Zeitpunkt waren dem Kläger alle Tatsachen bekannt, die nunmehr zur Begründung seines Klagebegehrens vorgebracht werden. In den Vergleichsverhandlungen am 23.10.1991 hat der Kläger diese Gesichtspunkt jedoch nicht vorgebracht. Es stellt ein widersprüchliches Verhalten iS des venire contra factum proprium dar, wenn der Kläger im Jahr 1991 einen Vergleich abschließt und dann eine Neufestsetzung seines JAV unter dem Gesichtspunkt billigen Ermessens im Jahr 1998 anstrebt und dafür (vermeintliche) Gründe anführt, die ihm bereits zum Zeitpunkt der Vergleichsverhandlungen bekannt waren. Denn ein Vergleich soll einen Streitpunkt beseitigen und den Beteiligten des Vergleiches Rechtssicherheit geben. Daher kann der Beteiligte eines Vergleichsvertrages darauf vertrauen, dass der in dem Vergleich befriedete Streit endgültig und umfassend beigelegt ist und auch insoweit Sachverhaltselemente (hier: Höhe des JAV), die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bekannt waren, nicht erneut aufgeworfen werden. Ein Prozessvergleich (§ 101 Abs 1 SGG) verliert seine das Verfahren beendende Wirkung nicht schon durch spätere Erklärungen der Beteiligten, am Vergleich nicht mehr festhalten zu wollen (BSGE 19, 112).
Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision iS des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
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