L 15 VS 14/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 VS 20/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VS 14/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23.08.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das zerebrale Anfallsleiden des Klägers als Folge einer Wehrdienstschädigung (WDB) nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) anzuerkennen und Ausgleich zu gewähren ist.

Der 1972 geborene Kläger beantragte am 10.04.1997 die Anerkennung einer WDB-Folge, weil er im November 1996 als Zeitsoldat erstmals einen zerebralen Anfall erlitten habe und am 07.04.1997 - nach Beendigung des Wehrdienstes - einen erneuten Anfall.

Aus den von der Beklagten beigezogenen Gesundheitsunterlagen geht hervor, dass der Kläger bei seiner Musterung im Oktober 1992 angab, 1977 eine Unfallverletzung mit Commotio cerebri erlitten zu haben. Ein Bericht des Bundeswehrkrankenhauses Ulm/ Prof. Dr.K. vom 28.11.1996 über einen Zustand nach Grand-mal-Anfall am 04.11.1996 enthielt als zweite Diagnose "Glianarbe links temporal, vermutlich traumatischer Genese". Der Kläger habe berichtet, er sei als Kind von einem Lkw gestürzt und sei wegen Gehirnerschütterung drei Wochen im Krankenhaus behandelt worden.

Mit Schreiben vom 20.01.1998 begründete der Kläger seinen Anspruch auf Anerkennung des Anfallsleidens als WDB-Folge damit, dass er von Dezember 1993 bis März 1994 in Somalia Dienst leisten musste und in dieser Zeit das Medikament "Resochin" habe einnehmen müssen, das nach der Gebrauchsinformation der Firma Bayer epileptische Anfälle auslösen könne. Auf Anfrage teilte der Kläger am 22.02.1998 mit, er habe am 04.11.1996 (vor dem ersten Anfall) von 3.30 Uhr bis 16.00 Uhr als Kraftfahrer Dienst leisten müssen und zudem von 19.30 Uhr bis 22.00 Uhr beim örtlichen Wasserballverein trainiert. Um ca. 23.00 Uhr sei dann der Anfall eingetreten.

Die Beklagte zog auch einen Bericht des Kreiskrankenhauses N.- vom 11.06.1997 über den zweiten Krampfanfall bei sowie einen Bericht des Allgemeinmediziners Dr.K. vom 02.11.1998. Nach versorgungsärztlicher Stellungnahme durch die Sozialmedizinerin S. vom 18.12.1998 erging am 20.01.1999 ein Bescheid, mit dem der Anspruch auf Ausgleich nach § 85 SVG abgelehnt wurde. Die festgestellte Gesundheitsstörung "zerebrales Anfallsleiden" sei nicht Folge einer WDB, weil nach versorgungsmedizinischer Einschätzung weder ein ursächlicher Zusammenhang mit der Resochinbehandlung noch mit dienstlichen Belastungen wahrscheinlich sei; zwischen Medikamenteneinnahme und dem Auftreten eines ersten zerebralen Krampfgeschehens fehle ein enger zeitlicher Zusammenhang und sonstige geeignete dienstliche Belastungen oder Schädigungen seien nicht feststellbar.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und trug vor, die geforderte Notwendigkeit eines engen zeitlichen Zusammenhangs sei nicht nachvollziehbar. Es werde angeregt, ein pharmakologisches Gutachten einzuholen. Nach nochmaliger versorgungsmedizinischer Stellungnahme durch Dr.S. vom 08.08.1999 erging am 30.09.1999 ein zurückweisender Widerspruchsbescheid. Darin wurde ausgeführt, ein pharmakologisches Gutachten werde nicht für erforderlich gehalten, weil als wahrscheinliche Ursache des Krampfleidens ein "organisches Substrat" im Gehirn per Kernspintomographie festgestellt worden sei. Der enge zeitliche Zusammenhang werde von den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AP) für einen positiven Kausalzusammenhang gefordert. Es widerspreche jeder ärztlichen Erfahrung, dass medikamentöse Nebenwirkungen erst 2 ¾ Jahre nach Verabfolgung eines Medikaments eintreten. Resochin werde nach gut zwei Wochen erfahrungsgemäß aus dem Körper ausgeschieden.

Auf einen entsprechenden Antrag des Klägers vom 28.07.1997 erließ der Beigeladene am 11.03.1999 nach versorgungsärztlicher Stellungnahme durch Dr.B. einen Bescheid, mit dem der Antrag auf Beschädigtenversorgung nach § 81 Abs.1 SVG abgelehnt und auf die Bindungswirkung der Entscheidung der Beklagten gemäß § 88 Abs.3 SVG hingewiesen wurde.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 04.11.1999 beim Sozialgericht Augsburg Klage erhoben und beantragt, die Entscheidung der Beklagten aufzuheben und sie zu verurteilen, wegen des zerebralen Anfallsleidens Ausgleich zu gewähren.

Nach Beiziehung von Befundberichten der Ärzte für Allgemeinmedizin Dres.K. und des Nervenarztes Dr.W. vom 27.04.2000 hat das Sozialgericht den Nervenarzt Dr.H. nach Aktenlage gehört. In seinem Gutachten vom 19.01.2001 hat der gerichtliche Sachverständige ebenfalls einen kausalen Zusammenhang insbesondere wegen des langen Zeitraums zwischen Ende der Resochineinnahme und dem ersten zelebralen Krampfanfall verneint. Nach Auswertung einschlägiger Fachliteratur im Bereich der Pharmakologie und der Epileptologie komme es bei Anwendung von Resochin bzw. Chloroquin nur in Einzelfällen zur Auslösung von epileptischen Anfällen, da das Medikament prinzipiell auch bei Patienten mit Epilepsie zur Malariaprophylaxe geeignet sei. Die im MRT des Schädels des Klägers am 08.11.1996 festgestellte temporale Glianarbe links könne als Ursache einer symptomatischen Epilepsie angesehen werden. Diese Narbe sei mit Wahrscheinlichkeit bei einem Sturz des Klägers als Kind von einem Lkw entstanden. Ein zusätzliches pharmakologisches Gutachten sei nicht erforderlich. Am 09.04.2001 hat der gerichtliche Sachverständige ergänzend ausgeführt: Gegen die Verursachung des Anfallsleidens durch die Glianarbe spreche nicht, dass diese bereits vor 19 Jahren unfallbedingt entstanden sei. Vielmehr spreche gegen die Verursachung durch Resochin, dass es sich nicht um einen einmaligen zerebralen Krampfanfall unter Resochineinnahme gehandelt habe, sondern um die Erstmanifestation einer Epilepsie etwa zwei Jahre und sieben Monate nach der letzten Einnahme des Medikaments. Ob der Kläger vor dem ersten Epilepsieanfall entsprechende Anfälle in Schlafphasen gehabt habe, sei spekulativ, da solche Anfälle nicht dokumentiert seien. Eine Auslösung der Epilepsieanfälle durch die Einnahme von Resochin kumulativ verursacht durch die Glianarbe sei völlig ausgeschlossen. Dies könne allenfalls diskutiert werden, wenn ein solcher Anfall unmittelbar während der Einnahme von Resochin aufgetreten wäre. Die Einnahme habe spätestens Ende März 1994 geendet.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 23.08.2001 die Klage abgewiesen und sich zur Begründung auf das seines Erachtens schlüssige und überzeugende Gutachten von Dr.H. gestützt.

Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 24.09.2001 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und sein Begehren weiterverfolgt. Er hat vorgetragen, der gerichtliche Sachverständige Dr.H. habe die herrschende medizinisch wissenschaftliche Lehrmeinung nur unzureichend und pauschal dargestellt. Auch sei die Möglichkeit der sogenannten "Kannversorgung" nach § 81 Abs.5 Satz 2 SVG vom Sozialgericht nicht berücksichtigt worden. Die Anerkennung einer WDB-Folge komme auch dann in Betracht, wenn ein früheres Leiden durch eine WDB verschlimmert werde. Es werde hilfsweise beantragt, nach § 109 SGG Prof. Dr.G. von der Universität U. zu hören.

Der Senat ist diesem Antrag gefolgt und hat von dem benannten Facharzt für Pharmakologie und Toxikologie ein Gutachten nach Aktenlage eingeholt. In diesem Gutachten vom 26.09.2002 ist Prof.Dr.G. zu dem Ergebnis gekommen, dass eine ursächliche Beteiligung der Verabreichung von Chloroquin an der Auslösung des zerebralen Anfallsleidens beim Kläger selbst nach der langen Latenz zwischen letzter Einnahme des Pharmakons und dem ersten Anfall nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Dennoch sprächen weder die in der Literatur vorhandenen Studien noch die Fallberichte mit ähnlicher Konstellation dafür, dass der Kausalzusammenhang wahrscheinlich sei, da es ein hohes Spontanrisiko und eine multifaktorielle Verursachung bei Epilepsieerkrankungen gebe. Epileptische Anfallsleiden würden auf Störungen der normalen Balance zwischen Erregung und Hemmung im zentralen Nervensystem beruhen. Auslöser könnten endogene Faktoren (z.B. genetisch), epileptogene Faktoren (Verletzungen, Durchblutungsstörungen, Tumore, Infektionen) und präzipitierende Faktoren (z.B. Stress, körperliche Belastung, Schlafentzug, hormonelle Veränderungen, Einnahme von toxischen Substanzen) sein. Die derzeitigen Kenntnisse über die genauen Ursachen seien sehr begrenzt; bei etwa 70 % der Patienten mit Epilepsie könne keine Ursache gefunden werden. Der Anteil der Personen an der Bevölkerung, die zu einem bestimmten Zeitpunkt an Epilepsie erkrankt seien, liege bei 5,5 pro 1000. Nach einer Studie von Steffen et al. sei unter 40726 Studienteilnehmern, die Chloroquin zur Malariaprophylaxe eingenommen hatten, bei einem Studienteilnehmer ein epileptischer Anfall als Nebenwirkung aufgetreten. Bei ihm sei kein Anfallsleiden bekannt gewesen. Die Untersuchung zeige, dass das Risiko, im Rahmen einer Chemoprophylaxe mit Chloroquin einen epileptischen Anfall zu erleiden, in etwa dem der Normalbevölkerung entspreche. Der Sachverständige hat außerdem dem Vorgutachter Dr.H. hinsichtlich der Halbwertszeit des Medikaments widersprochen. Sie betrage ein bis zwei Monate bezogen auf die Blutplasmakonzentration. Im Urin sei sie nach über einem Jahr noch nachweisbar, ebenfalls in den Fingernägeln. Wie lang der Wirkstoff im zentralen Nervensystem verbleibe, sei noch wenig bekannt. Das Gehirn gehöre zu den Geweben mit der niedrigsten Chloroquinkonzentration, die höchste liege in der Netzhaut des Auges. Ob sich Chloroquin in einer Glianarbe anreichere, sei unbekannt, könne aber nicht ausgeschlossen werden. In einem Fall sei es im Anschluss an eine Malariaprophylaxe bei einer Patientin mit bekanntem Anfallsleiden nach 14-jähriger Anfallsfreiheit vor der Prophylaxe zu einem ersten Anfall bei Beendigung der Prophylaxe und einer über vier Jahre zunehmenden Anfallsfrequenz gekommen.

Mit Schriftsatz vom 12.11.2001 hat der Kläger geltend gemacht, aus dem Gutachten gehe hervor, dass die Voraussetzungen für die sogenannte Kannversorgung gegeben seien. Die Beklagte hat dies mit Schriftsatz vom 05.12.2002 auf Grund einer Stellungnahme von Dr.J. verneint. Danach seien die Kausalzusammenhänge zwischen Chloroquin und der Auslösung zerebraler Symptome hinreichend erforscht und bekannt. Eine Kannversorgung komme nicht in Betracht, da sich der ursächliche Zusammenhang mit Wahrscheinlichkeit beurteilen lasse. Der Beigeladene hat sich mit versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Nervenarztes Dr.K. vom 06.12.2002 und 08.01.2003 - auch zu zusätzlichen Fragen der Berichterstatterin - geäußert. Danach sei der wahrscheinlichste Grund für das Anfallsleiden des Klägers die Glianarbe. Absolute Gewissheit sei allerdings nur nach einer epilepsie-chirurgischen Operation mit nachfolgender Anfallsfreiheit möglich. Die Epilepsie sei grundsätzlich gut erforscht, es könne lediglich im Einzelfall Ungewissheit über Ätiologie und Pathogenese geben. Der Einfluss von Chloroquin auf das Entstehen einer Epilepsie sei wissenschaftlich nicht umstritten, da Widersprüche in den von Prof. Dr.G. zitierten Studien nicht vorlägen.

Im Erörterungstermin am 03.04.2003 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt, ein medizinisches Gutachten zum Kausalzusammenhang zwischen Glianarbe und Anfallsleiden einzuholen. Nach Beiziehung eines Befundberichts von Dr.W. vom 09.04.2003, der über eine Anfallsfrequenz des Klägers durchschnittlich zweimal pro Monat, zum Teil zweimal am Tage berichtet hat, sowie Befundberichten von den Nervenärzten Dr.A. und Dr.S. , ferner von Unterlagen des Instituts für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen in Andernach hat der Senat dementsprechend von Prof.Dr.A. von der Neurologischen Klinik und Poliklinik der Universität M. am 28.10.2003 ein neurologisches Gutachten nach Untersuchung des Klägers eingeholt. Der Kläger hat bei der Untersuchung angegeben, sein Vater wisse nicht mehr genau, ob wirklich er 1977 vom Lkw gestürzt sei oder sein Bruder. Er selbst erinnere sich nicht. Anamnese, Verlauf der Erkrankung, EEG- sowie Kernspintomographiebefunde sprechen nach Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen für das Vorliegen einer chronischen fokalen Epilepsie und gegen das Vorliegen von Gelegenheitsanfällen durch einen Auslöser wie z.B. ein Medikament. Es sei zwar möglich, dass die Anfallssituation bei Patienten mit Epilepsie durch Resochin verschlechtert werde. Es sei allerdings ungewöhnlich, dass unter abnehmender Konzentration des Medikaments die Frequenz der Anfälle eher zunehme. Dies wäre nur möglich, wenn ein durch Chloroquin ausgelöster epileptischer Gelegenheitsanfall zur Entwicklung eines epileptogenen Fokus in der Glianarbe geführt habe. Im Tierversuch sei es zwar gelungen, dass Nervenzellen durch wiederholte Elektrostimulation im Bereich von Gehirnstrukturen mit niedriger Krampfschwelle ein epileptogenes Verhalten entwickeln (sogenanntes Kindling). Es sei jedoch bisher nicht gelungen, dieses Modell auf das menschliche Gehirn zu übertragen. Ob es auch bei Menschen ein solches Phänomen gebe, sei in der medizinischen Wissenschaft umstritten. Es sei daher beim Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Schläfenlappenepilepsie links auszugehen auf dem Boden einer Glianarbe. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten keine Erstmanifestation einer chronischen Epilepsie im 32. Monat nach der beendeten Einnahme von Resochin belegt. Die Voraussetzungen einer "Kannversorgung" seien nicht erfüllt, da grundsätzlich weder über Ursache und Entstehung einer Schläfenlappenepilepsie noch über den Einfluss von Resochin auf die Entwicklung epileptischer Anfälle in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit bestehe.

Mit Schriftsatz vom 15.12.2003 hat der Kläger mitgeteilt, er halte die Berufung aufrecht und sei mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 23.08.2001 und des Bescheids vom 20.01.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30.09.1999 zu verurteilen, bei ihm ab 01.11.1996 ein zerebrales Anfallsleiden als WDB-Folge anzuerkennen und Ausgleich zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23.08.2001 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und des Beigeladenen sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nach § 88 Abs.7 SVG i.V.m. § 143 SGG statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG) und damit zulässig. Sie erweist sich jedoch als unbegründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht die ablehnende Entscheidung der Beklagten bestätigt, wonach das zerebrale Anfallsleiden des Klägers nicht als WDB-Folge anzuerkennen ist und dementsprechend kein Ausgleich nach § 85 SVG zusteht.

Nach dieser Bestimmung erhält ein Soldat wegen der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung während seiner Dienstzeit einen Ausgleich in Höhe der Leistungen nach § 30 Abs.1 und § 31 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Eine WDB ist nach § 81 Abs.1 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer WDB genügt nach § 81 Abs.6 SVG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung die Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden (§ 81 Abs.6 SVG). Nähere Einzelheiten dieser "Kannversorgung" sind in Nr.39 der AP 1996 geregelt.

Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer WDB sind beim Kläger nicht erfüllt. Der Kläger hat zwar im Rahmen der truppenärztlichen Behandlung als Malariaprophylaxe für seinen Somaliaeinsatz von Dezember 1993 bis März 1994 das Medikament Resochin bzw. Chloroquin einnehmen müssen. Alle gehörten gerichtlichen Sachverständigen, Dr.H. , Prof. Dr.G. und zuletzt Prof. Dr.A. , haben sich gegen einen wahrscheinlichen Kausalzusammenhang zwischen Medikamenteneinnahme und Ausbruch des Anfallsleidens ausgesprochen. Vor allem der zuletzt genannte Sachverständige Prof. Dr.A. hat deutlich gemacht, dass lediglich bekannt ist, dass durch die Einnahme von Resochin epileptische Gelegenheitsanfälle ausgelöst werden können. Nach den in der einschlägigen Fachliteratur veröffentlichten Studien sind in drei Fällen bei Patienten mit bekannter Epilepsie nach jahrelanger Anfallsfreiheit kurz, d.h. zwischen 10 Minuten und fünf Tagen nach Einnahme der letzten Dosis des Medikaments, wieder epileptische Anfälle aufgetreten. In der wissenschaftlichen Literatur ist nirgends belegt, dass die Einnahme von Resochin im 32. Monat nach der beendeten Einnahme die Erstmanifestation einer chronischen Epilepsie verursachen kann. Dem gegenüber spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Schläfenlappenepilepsie des Klägers, verursacht durch eine Glianarbe am linken Schläfenlappen. Es ist auch nicht wahrscheinlich, dass die Einnahme von Resochin zur Entwicklung eines epileptogenen Fokus in der Glianarbe geführt und 32 Monate nach Absetzen des Medikaments eine sekundäre Schläfenlappenepilepsie hervorgerufen hat. Dies gilt um so mehr, als die Möglichkeit der Entwicklung epileptogenen Verhaltens durch Elektrostimulation von Gehirnstrukturen wie im Tierversuch beim Menschen bisher noch nicht nachgewiesen ist. Der ursächliche Zusammenhang zwischen Schädigungstatbestand und geltend gemachter Gesundheitsstörung ist somit nicht wahrscheinlich. Die umfangreichen Ermittlungen haben ergeben, dass mehr gegen als für den ursächlichen Einfluss der Resochineinnahme auf die Entstehung des Anfallsleidens des Klägers spricht. Somit ist es unwahrscheinlich, dass die truppenärztliche Behandlung die Erkrankung des Klägers hervorgerufen hat. Nach den Ausführungen von Prof.Dr.A. und Dr.H. muss der Glianarbe vorrangige Bedeutung gegenüber der Resochineinnahme beigemessen werden.

Der Kläger kann außerdem keine sogenannte "Kannversorgung" beanspruchen, weil trotz diagnostischer Unklarheiten im Einzelfall Ätiologie und Pathogenese der Epilepsie in der medizinischen Wissenschaft nicht umstritten sind. Auch besteht über den Einfluss von Resochin auf die Entwicklung epileptischer Anfälle in der medizinischen Literatur grundsätzlich kein Streit. Nach Nr.39 Abs.1 bis 4 der AP 1996 sind daher die Voraussetzungen einer Kannversorgung nicht gegeben.

Eine Anerkennung des Anfallsleidens i.S. der Verschlimmerung kommt ebenfalls nicht in Betracht, da weder im Zeitraum der geltend gemachten schädigenden Einwirkung (d.h. der Resochineinnahme) ein zu dem Anfallsleiden gehöriges pathologisches Geschehen nachweisbar vorhanden war noch ein solcher Vorschadendurch die truppenärztliche Behandlung mit Resochin verschlimmert worden ist (vgl. AP Nr.42).

Aus diesen Gründen hatte die Berufung des Klägers keinen Erfolg. Sie war mit der Kostenfolge der §§ 183, 193 SGG zurückzuweisen.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs.2 SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision i.S. von § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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