L 3 AL 139/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 5 AL 239/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 139/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 133 Abs. 1 SGB III ist auf den Vorbezug von Altersübergangsgeld nicht analog anwendbar.
I. Auf die Berufung wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 04. April 2001 aufgehoben und die Klage abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind für beide Verfahrensinstanzen nicht zu erstatten. III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten nach dem Trennungsbeschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 14. April 1999 (Az.: S 9 AL 716/98) vorliegend über die Höhe des dem Kläger ab 16. August 1998 zustehenden Arbeitslosengeldes (Alg), insbesondere darüber, ob ein Bemessungsentgelt von 1.050,00 DM oder ein solches von 1.660,00 DM - entsprechend demjenigen für das vom Kläger zuvor bezogene Altersübergangsgeld (Alüg) - zugrundezulegen ist.

Der am ... 1936 geborene Kläger bezog - abgesehen von Unterbrechungen durch Arbeitsaufnahme - vom 01. April 1992 bis 30. Juni 1997 Alüg, zuletzt nach einem Bemessungsentgelt von 1.660,00 DM (Leistungsgruppe A, allgemeiner Leistungssatz von 546,60 DM wöchentlich). Vom 01. Juli 1997 bis 15. August 1998 ging er einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach.

Am 26. Juni 1998 beantragte er die Fortzahlung von Alüg ab 16. August 1998. Dabei gab er an, auf seiner Lohnsteuerkarte werde mit Wirkung ab 01. August 1998 die Lohnsteuerklasse V eingetragen. Zum Jahresbeginn sei auf seiner Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse IV eingetragen gewesen. Sein letzter Arbeitgeber hatte für die Zeit von August 1997 bis Juli 1998 ein versicherungspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 54.476,00 DM bestätigt.

Mit Bescheid vom 15. Juli 1998 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab, weil ein Anspruch auf Übergangsgeld nicht mehr geltend gemacht werden könne, wenn nach seiner Entstehung sechs Jahre verstrichen seien. Sein Anspruch auf diese Leistung sei am 01. April 1992 entstanden, folglich am 02. April 1998 verfallen. Die Entscheidung beruhe auf § 249e i. V. m. § 106 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Da er eine neue Anwartschaft auf Alg erfüllt habe, könne ihm jedoch ab 16. August 1998 diese Leistung gewährt werden.

Durch Bescheid vom 20. Juli 1998 bewilligte die Beklagte dem Kläger vorläufig Alg ab 16. August 1998 in Höhe von 268,66 DM wöchentlich unter Zugrundelegung eines wöchentlichen Bemessungsentgelts von 1.050,00 DM (Leistungsgruppe D, allgemeiner Leistungssatz).

Hiergegen legte er am 30. Juli 1998 mit der Begründung Widerspruch ein, für ihn sei die Steuerklasse IV, mithin nicht Leistungsgruppe D (sondern A) maßgeblich.

Die endgültige Festsetzung des Alg ab 16. August 1998 erfolgte mit Bescheid vom 11. August 1998, allerdings - unter Beibehaltung der übrigen Berechnungsmerkmale - nach dem erhöhten Leistungssatz von 300,02 DM wöchentlich.

Dagegen wandte sich der Kläger mit Widerspruchsschreiben vom 06. September 1998. Da auf seiner Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse IV eingetragen sei, gelte für ihn Leistungsgruppe A. Die Höhe des ihm bewilligten Alg könne angesichts des von ihm zuvor bezogenen Alüg nicht stimmen.

Durch Änderungsbescheid vom 11. September 1998 berücksichtigte die Beklagte als für den Kläger zuständige Kranken- und Pflegeversicherung an Stelle der Barmer Ersatzkasse (Ost) nunmehr die Barmer Ersatzkasse (West).

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 21. September 1998 Widerspruch ein.

Entgegen seinen Angaben im Antrag auf Alüg vom 26. Juni 1998 wechselte der Kläger erst mit Wirkung zum 01. Oktober 1998 von Steuerklasse IV nach Steuerklasse V. Nachdem dies bei der Beklagten bemerkt worden war, bewilligte sie mit Bescheid vom 06. Oktober 1998 Alg ab 16. August 1998 für längstens 46 Kalendertage - unter Beibehaltung des Bemessungsentgelts von 1.050,00 DM - nach Leistungsgruppe A und dem erhöhten Leistungssatz in Höhe von 401,59 DM wöchentlich.

Durch Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 1998 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 20. Juli 1998 und vom 11. August 1998 als unbegründet zurück, soweit sie über die Teilabhilfebescheide vom 11. September 1998 und vom 06. Oktober 1998 hinausgingen. Das für das Alg zugrundegelegte Bemessungsentgelt von 1.050,00 DM sei zutreffend entsprechend den §§ 132, 134 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ermittelt worden (54.476 DM: 52 Wochen = 1.047,62 DM, gerundet auf den nächsten durch 10 teilbaren DM-Betrag: 1.050,00 DM). Die Bestandsschutzregelung zum Bemessungsentgelt in § 133 Abs. 1 SGB III komme nicht zum Tragen, weil der Kläger innerhalb der letzten drei Jahre vor dem 16. August 1998 - dem Zeitpunkt der Entstehung des Arbeitslosengeldanspruchs - weder Arbeitslosengeld noch Arbeitslosenhilfe (Alhi), sondern vielmehr Altersübergangsgeld bezogen habe.

Dagegen hat der Kläger mit im Oktober 1998 eingegangenem Schreiben vom 19. Oktober 1998 Klage beim Sozialgericht Leipzig erhoben. Dieses hat das Verfahren bezüglich der Höhe des Arbeitslosengeldanspruches durch Beschluss vom 14. April 1999 abgetrennt.

Seit 01. April 1999 bezieht der Kläger Altersrente.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 04. April 2001 hat der Kläger mitgeteilt, die Klage bezüglich der von ihm im Zusammenhang mit dem Lohnsteuerklassenwechsel begehrten höheren Leistungen nicht mehr weiterzuverfolgen.

Durch Urteil vom 04. April 2001 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 16. August 1998 Alg auf der Grundlage eines wöchentlichen Bemessungsentgelts in Höhe von 1.660,00 DM zu zahlen. Der Kläger habe einen Anspruch auf Alg ab 16. August 1998 gemäß

§ 117 SGB III. Dessen Höhe richte sich nach den §§ 129 ff. SGB III. Für den Kläger sei der erhöhte Leistungssatz maßgeblich, weil er ein Kind im Sinne von § 32 Einkommensteuergesetz (EStG) habe. Das Bemessungsentgelt sei in §§ 132, 133 SGB III näher geregelt. Gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1 SGB III sei Bemessungsentgelt das im Bemessungszeitraum durchschnittlich auf die Woche entfallende Entgelt. Der Bemessungszeitraum umfasse gemäß § 130 Abs. 1 SGB III die Entgeltabrechnungszeiträume, die in den letzten 52 Wochen vor der Entstehung des Anspruchs, in denen Versicherungspflicht bestanden habe, enthalten seien und beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus diesem Versicherungspflichtverhältnis vor der Entstehung des Anspruchs abgerechnet gewesen seien. Beim Kläger sei dies die Zeit zwischen dem 16. August 1997 und dem 15. August 1998. In dieser Zeit habe er ein Arbeitsentgelt in Höhe von 54.476,00 DM brutto erzielt. Gemäß § 132 Abs. 2 SGB III sei dieser Betrag durch die Zahl der Wochen zu teilen, für die es gezahlt worden sei. Hierbei ergebe sich eine Summe von 1.047,61 DM. Gemäß § 132 Abs. 3 SGB III sei das Bemessungsentgelt auf den nächsten durch 10 teilbaren Deutsche-Mark-Betrag zu runden, das seien vorliegend 1.050,00 DM.

Hier sei allerdings ein Sonderfall im Sinne von § 133 Abs. 1 SGB III gegeben, so dass das Bemessungsentgelt sich an dem Bemessungsentgelt des letzten Altersübergangsgeldbezugs orientiere. Nach § 133 Abs. 1 SGB III sei Bemessungsentgelt mindestens das Entgelt, nach dem das Alg oder die Alhi zuletzt bemessen worden sei, wenn der Arbeitslose innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs Alg oder Alhi bezogen habe. Zwar habe der Kläger innerhalb der letzten drei Jahre vor Entstehung seines Anspruchs auf Alg weder Alg noch Alhi bezogen, jedoch sei der Bezug von Alüg insoweit gleichzustellen. Während der Gesetzgeber für Bezieher von Unterhaltsgeld (Uhg) eine entsprechende Regelung in § 158 Abs. 1 SGB III getroffen habe, fehle es an einer ausdrücklichen Regelung für den Vorbezug von Altersübergangsgeld. Den Regelungen von § 133 Abs. 1 SGB III und § 158 Abs. 1 SGB III sei gemein, dass diejenigen, die ihre Arbeitslosigkeit beendet hätten, um eine Beschäftigung aufzunehmen, von der Aufnahme einer etwaigen Beschäftigung nicht abgehalten werden sollten, weil anschließend möglicherweise ihr Bemessungsentgelt abgesenkt würde. Vielmehr solle vordringliches Ziel immer eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sein, von der Arbeitslose nicht wegen einer möglicherweise verhältnismäßig geringen Bezahlung abgehalten werden sollten. Dieser Gedanke müsse auch auf Arbeitslose übertragen werden, die vorher Alüg bezogen hätten. Die Regelungen des Altersübergangsgeldes seien speziell für Leute geschaffen worden, die im Zuge der Umstrukturierung zwischen 1991 und 1992 im Bundesgebiet Ost arbeitslos geworden seien und bereits über 55 Jahre alt gewesen seien. Diese Leistungsempfänger hätten an sich Anspruch auf Alg gehabt, für sie habe man jedoch auf Grund des schwierigen Arbeitsmarktes und ihrer relativen Nähe zum Rentenalter spezielle Regelungen getroffen, um den Arbeitsmarkt möglichst zu entlasten. Für diesen Personenkreis seien die Integration in den Arbeitsmarkt und die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung aber genauso wünschenswert wie für vormalige Bezieher von Alg, Alhi oder Uhg. Die Kammer gehe deshalb davon aus, dass der Gesetzgeber diesen Sonderfall offensichtlich übersehen habe, als er die Regelung der §§ 133 Abs. 1, 158 Abs. 1 SGB III geschaffen habe.

§ 429 SGB III helfe vorliegend nicht weiter, weil hier nur ein Anspruch auf Alüg geregelt werde, auf den die Vorschriften des Alg entsprechend anzuwenden seien. Vorliegend handele es sich aber nicht um einen Anspruch auf Alüg, der zum 16. August 1998 entstanden sei, sondern gerade um einen Anspruch auf Alg.

Im bis zum 31. Dezember 1997 gültigen AFG sei dieses Problem der Neubemessung nach einer Tätigkeit, die ein geringeres Entgelt erbringe als das Entgelt im Bemessungszeitraum, nicht geregelt gewesen. §§ 133 Abs. 1 SGB III und 158 Abs. 1 SGB III seien insofern Neuregelungen. Es sei jedoch nicht ersichtlich, warum ein Altersübergangsgeldempfänger von den Privilegierungen nach § 133 Abs. 1 SGB III ausgenommen werden sollte, sofern sein Anspruch auf Alg nach dem In-Kraft-Treten des SGB III entstehe und der Sachverhalt mit demjenigen des § 133 Abs. 1 SGB III vergleichbar sei. Hinsichtlich der Leistungsgruppe sei für die Zeit vom 16. August 1998 bis 30. September 1998 von Leistungsgruppe A, das heißt Steuerklasse IV, auszugehen, für die Zeit ab 01. Oktober 1998 sei gemäß § 137 Abs. 4 Nr. 2 SGB III Steuerklasse V, das heißt Leistungsgruppe D, für den Leistungsbezug maßgeblich, weil sich danach ein geringeres Alg ergebe. Der wöchentliche Leistungssatz für die Zeit zwischen dem 16. August 1998 und dem 30. September 1998 belaufe sich auf 566,51 DM, für die Zeit ab 01. Oktober 1998 auf 393,61 DM.

Gegen das der Beklagten am 22. Mai 2001 zugestellte Urteil vom 04. April 2001 hat diese am 21. Juni 2001 Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegt.

Sie trägt vor, der Bezug von Alüg werde nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift von der Bestandsschutzregelung des § 133 Abs. 1 SGB III nicht erfasst. Somit könne eine Bemessung des Alg nach dem Bemessungsentgelt, welches dem Alüg zugrunde gelegen habe, nicht in Betracht kommen. § 158 Abs. 1 SGB III erstrecke sich nur auf Bezieher von Uhg. Für das Alüg habe der Gesetzgeber keine entsprechende Regelung geschaffen. Es fehle somit an einer Anspruchsgrundlage für die vom Kläger begehrte Leistungsbewilligung nach einem Bemessungsentgelt von 1.660,00 DM. Dem Kläger sei es möglich gewesen, ab 01. April 1992 entweder Alg oder Alüg zu beziehen. Der Kläger habe sich für die Inanspruchnahme von Alüg entschieden. Dabei handele es sich um eine ausschließlich für Arbeitnehmer in den neuen Ländern der Bundesrepublik Deutschland und im Ostteil Berlins geschaffene Leistung der Arbeitslosenversicherung. Die Regelungen zum Alüg hätten sich an ältere Arbeitnehmer gewandt, die nach der Herstellung der deutschen Einheit in der ersten Phase des Überganges von der Planwirtschaft zur sozialen Marktwirtschaft ihren Arbeitsplatz verloren hätten. Alüg habe nur erhalten, wer bereit gewesen sei, zum frühestmöglichen Zeitpunkt Altersruhegeld in Anspruch zu nehmen. Hauptintention des Gesetzgebers für die Regelung des Alüg sei es gewesen, für ältere Arbeitnehmer die Zeit bis zum Eintritt in die Altersrente zu überbrücken. Die höchstmögliche Bezugsdauer des Alüg sei über die höchste Anspruchsdauer von Arbeitslosengeldbeziehern hinausgegangen und so gestaltet gewesen, dass ein nahtloser Übergang zum Rentenbezug für jeden einzelnen Altersübergangsgeldempfänger tatsächlich gegeben gewesen sei. Zu den Privilegierungen eines Beziehers von Alüg habe es auch gehört, dass er nicht subjektiv verfügbar habe sein müssen. Die Bereitschaft, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben könne und dürfe, sowie die Teilnahme an zumutbaren beruflichen Bildungsmaßnahmen hätten nicht zu den Anspruchsvoraussetzungen gehört. Letztlich lasse die - im Vergleich zum Arbeitslosengeldbezug insgesamt deutlich günstigere - Regelung des Bezugs von Alüg eine besondere staatliche Fürsorge und einen speziellen Schutz für den Personenkreis der älteren Arbeitnehmer erkennen, der weit überdurchschnittlich von den Härten des Übergangs zur sozialen Marktwirtschaft auf dem Arbeitsmarkt betroffen gewesen sei. Der Intention zur Schaffung eines besonderen Schutzes der älteren Arbeitnehmer in der ersten Phase des Übergangs zur sozialen Marktwirtschaft entspreche es, dass der vom Regelfall des Arbeitslosengeldbezuges abweichende Anspruch auf Alüg längstens bis zu einem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis am 31. Dezember 1992 neu habe entstehen können. Da es sich bei den Altersübergangsgeldempfängern - anders als bei Arbeitslosengeld- oder Arbeitslosenhilfebeziehern - um einen Personenkreis gehandelt habe, der dauerhaft aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sei, erscheine ein Verzicht auf spezielle Regelungen für die seinerzeit übergangsweise arbeitsförderungsrechtlich privilegierten Altersübergangsgeldempfänger in dem ab 01. Januar 1998 geltenden SGB III als sachgerecht. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Grundgesetz (GG) werde durch die differenzierten Regelungen des Gesetzgebers zum Bestandsschutz bei Altersübergangsgeldbeziehern und Empfängern von Alg, Alhi bzw. Uhg nicht gesehen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 04. April 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Leipzig für zutreffend.

Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten (Bände I und II) sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft, da Leistungen von mehr als 1.000,00 DM (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG- in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung) betroffen sind. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beläuft sich auf mehr als 3.000,00 DM: Dem Kläger stand (ohne Berücksichtigung von Anpassungen und ohne Berücksichtigung des Umstands, dass der Steuerklassenwechsel erst mit Wirkung zum 01. Oktober 1998 erfolgte) für die Zeit vom 16. August 1998 bis 31. März 1999 unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von 1.050,00 DM Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von (zunächst) 300,02 DM wöchentlich (von vornherein [nur] Leistungsgruppe D, erhöhter Leistungssatz) zu, unter Berücksichtigung eines Bemessungsentgelts von 1.660,00 DM jedoch ein solches in Höhe von (zunächst) 393,61 DM. Die Differenz von 93,59 DM wöchentlich (x 4,33) ergibt für 7,5 Monate bereits 3.039,34 DM. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 SGG).

Die Berufung ist auch begründet. Die erstinstanzliche Entscheidung ist aufzuheben. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.

Die einschlägigen Rechtsgrundlagen sind in der erstinstanzlichen Entscheidung zutreffend benannt. Allerdings ist für eine analoge Anwendung von § 133 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) kein Raum. Voraussetzungen für eine Analogie sind zum einen das Vorliegen einer planwidrigen Lücke im Gesetz und zum anderen die Gleichheit der Interessenlage bei dem geregelten und bei dem vom Gesetzgeber vergessenen Fall.

Es fehlt bereits am Vorliegen einer planwidrigen Lücke im Gesetz. Für den Kläger bestand ursprünglich ein Wahlrecht zwischen Altersübergangsgeld (Alüg) und Alg (arg. e § 249e Abs. 5 Nr. 3 AFG; s. hierzu Schlegel, in: Hennig: AFG, Kommentar, Stand: Juli 1998, § 249 e, Rdnr. 29). Der Kläger entschied sich für die Inanspruchnahme von Alüg. Diese Leistung war für Arbeitslose im Alter des Klägers regelmäßig günstiger. Zum einen war die Anspruchsdauer länger (§ 249e Abs. 3 Nr. 1 AFG), zum anderen die Höhe gemessen am Lebensalter der Leistungsempfänger in der Regel attraktiver (65 v. H. ohne Kinderfreibetrag, § 249e Abs. 3 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz -AFG-). Vor allem bestand für Arbeitslose, die Alüg beziehen wollten, der Vorteil, nicht subjektiv verfügbar sein zu müssen (§ 249e Abs. 2 Nr. 2 AFG). Bezieher von Alüg kamen nach dem Willen des Gesetzgebers des AFG somit in den Genuss erheblicher Vorteile, die Empfängern von Alg, Arbeitslosenhilfe (Alhi) und Unterhaltsgeld (Uhg) nicht zustanden. Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgerecht, wenn der Gesetzgeber des SGB III in § 133 Abs. 1 SGB III (diese Vorschrift ist neu, das AFG kannte keine entsprechende Regelung, s. Gagel, in: Gagel, SGB III, Kommentar, Stand: 1. Juli 2003, § 133, Rdnr. 7) Beziehern von Alüg nicht zusätzlich noch dieselben Vorteile wie Beziehern von Alg, Alhi und Uhg eingeräumt hat. Bei der zuletzt genannten Gruppe ist ein erneuter Eintritt in den Arbeitsmarkt nicht nur erwünscht, sondern auch relativ wahrscheinlich. Demgegenüber durfte der Gesetzgeber des AFG bei Beziehern von Alüg gerade unter Berücksichtigung der historischen Umstände und der dadurch geprägten Zweckbestimmung dieser Leistung durchaus davon ausgehen, dass eine erneute Integration in den Arbeitsmarkt regelmäßig relativ unwahrscheinlich, wenn nicht sogar ausgeschlossen ist, und sein Regelungswerk auf diese Einschätzung stützen, zumal er auch beim Arbeitslosen selbst auf die subjektive Verfügbarkeit verzichtete. Dem steht nicht entgegen, dass der Bezug von Altersübergangsgeld grundsätzlich die Möglichkeit und die Bereitschaft des Anspruchsberechtigten voraussetzt, in das Erwerbsleben zurückzukehren (s. hierzu BSG, Beschluss vom 24. März 2003, Az.: B 11 AL 5/03 B, amtlicher Umdruck, S. 1, und Urteil vom 28. November 1996, Az.: 7 RAr 30/95, amtlicher Umdruck, S. 6). Weder der Gesetzgeber des AFG noch derjenige des SGB III war demnach gehalten, gesonderte Regelungen für Einzelfälle im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Alüg zu treffen. Dies gilt umso mehr, als es sich beim Alüg um eine besondere Begünstigung derjenigen älteren Arbeitnehmer handelte, die nach der Herstellung der Deutschen Einheit in der ersten Phase des Übergangs von der Planwirtschaft zur Sozialen Marktwirtschaft ihre Arbeitsplätze verloren (s. BSG, Urteil vom 8. Juli 1993, Az.: 7 RAr 92/92, JURIS, S. 3). Das Alüg verfolgte den Zweck, die Zeit bis zum frühestmöglichen Bezug einer Altersrente zu überbrücken (Schlegel, in: Hennig: AFG, Kommentar, Stand: Juli 1998, § 249e, Rdnr. 10), betraf also Arbeitslose, die sich - mangels realistischer Beschäftigungsperspektive - vom Arbeitsmarkt zurückziehen wollten (vgl. Düe, in: Niesel, AFG, Kommentar, 1995, § 249e, Rdnr. 10). Für den Gesetzgeber war es deshalb fernliegend, das Altersübergangsgeld in § 133 Abs. 1 SGB III aufzunehmen oder an anderer Stelle insoweit eine gesonderte Regelung zu treffen.

Gegen eine analoge Anwendung von § 133 Abs. 1 SGB III spricht insbesondere auch der Umstand, dass Sondervorschriften wie diejenigen zum Alüg grundsätzlich eng auszulegen sind (so zum Uhg eingehend begründet in BSG, Urteil vom 21. Oktober 2003, Az.: B 7 AL 84/02 R, amtlicher Umdruck, S. 6, und Urteil vom 21. Oktober 2003, Az.: B 7 AL 102/02 R, amtlicher Umdruck, S. 6). Die Heranziehung von § 158 Abs. 1 SGB III zur Begründung einer analogen Anwendung von § 133 Abs. 1 SGB III auf das Alüg verfängt vorliegend schon deshalb nicht, weil in jener Vorschrift vorausgesetzt wird, dass keine neue Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg erworben wurde. Demgegenüber hatte der Kläger aber die Voraussetzungen für den Bezug von Alg gerade erfüllt. Zudem knüpft § 158 Abs. 1 SGB III hinsichtlich der Höhe des Unterhaltsgeldes an den Vorbezug von Alg oder Alhi an, nicht an den Vorbezug einer anderen Lohnersatzleistung, betrifft also den umgekehrten Fall.

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) liegt bei dieser Sachlage nicht vor. Vielmehr ist dem Gesetzgeber auf dem Gebiet des Sozialrechts ein besonders weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Vom Gesetzgeber getroffene sozialpolitische Entscheidungen sind hinzunehmen, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlerhaft noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1962, Az.: 1 BvL 22/57, E 14, 288 [301]). Dabei kann er Massenerscheinungen auch ordnen, indem er Typisierungen vornimmt (BVerfG, Beschluss vom 01. Juni 1989, Az.: 2 BvR 239/88 und 2 BvR 1205, 1533, 1095/87, E 80, 109 [118]). Zu deren Wesen gehört es freilich, dass Härten in Einzelfällen nicht ausgeschlossen sind, gleichwohl aber hingenommen werden müssen (BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 1987, Az.: 1 BvR 563, 582/85, 974/86 und 1 BvL 3/86, E 77, 308 [338]). Für die Beurteilung einer Differenzierung kommt es nicht darauf an, ob der Gesetzgeber jeweils die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen hat, sondern darauf, ob sachlich einleuchtende Gründe für die Differenzierung vorliegen (BVerfG, Beschluss vom 17. März 1959, Az.: 1 BvL 39, 44/56, E 9, 201 [206], BVerfG, Beschluss vom 14. April 1964, Az.: 2 BvR 69/62, E 17, 319 [330]). Ein solcher sachlich einleuchtender Grund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung zwischen Alg, Alhi und Uhg einerseits und Alüg andererseits ist die für die Leistungsempfänger in der Regel besonders günstige Ausgestaltung gerade dieser für eine geschichtliche Übergangsphase geschaffenen Leistung. Diese - zumal hinsichtlich des Personenkreises und der zeitlichen Dauer begrenzte - Privilegierung kann konsequenterweise nicht dazu führen, dass Empfänger von Alüg zusätzlich in den Genuss aller Vorteile von Alg, Alhi und Uhg kommen. Vielmehr wollte der Gesetzgeber eine für einen überschaubaren Zeitraum wirksame Privilegierung arbeitsloser Arbeitnehmer im Beitrittsgebiet, deren Finanzierbarkeit mit einer begrenzten zeitlichen Dauer verknüpft war. Die abschließende Aufzählung in § 133 Abs. 1 SGB III, ergänzt durch § 158 Abs. 1 SGB III durch den Gesetzgeber des SGB III, ist somit als der Sache nach gerechtfertigt zu werten.

Ebenso wenig liegt ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG vor. Selbst wenn man davon ausgeht, dass Altersübergangsgeldansprüche der Eigentumsgarantie von Art. 14 Abs. 1 GG unterfallen (s. zu Arbeitslosengeldansprüchen nur BSG, Urteil vom 29. August 2002, Az.: B 11 AL 87/01 R, JURIS, S. 3), werden jedenfalls deren Inhalt und Schranken durch die Gesetze bestimmt (so genannte Eigentumsbindung). Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Gerade im Sozialversicherungsrecht hat der Gesetzgeber aber hinsichtlich der Geeignetheit und der Erforderlichkeit einer Eigentumsbindung einen erheblichen Beurteilungs- und Prognosespielraum. Dieser ist durch die differenzierten Regelungen zum Alüg aus den oben genannten Gründen noch nicht überschritten. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Ausgestaltung des Alüg rechtfertigt nach Auffassung des Senats etwaige Beschränkungen des Eigentumsrechts.

Im Übrigen kann auf die zutreffenden Ausführungen insbesondere auch auf die Berechnungen zur Anspruchshöhe im Widerspruchsbescheid der Beklagten (§ 153 Abs. 1 i. V. m. § 136 Abs. 3 SGG) und in der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG) verwiesen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Da bislang nur die oben zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen zur Frage der analogen Anwendbarkeit von § 133 Abs. 1 SGB III auf das Uhg ergangen sind, es aber noch keine solche Entscheidung zur Frage der analogen Anwendbarkeit von § 133 Abs. 1 SGB III auf das Alüg gibt, war die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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