Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AL 3773/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 301/18 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übernahme der Kosten für seine internatsmäßige Unterbringung in Berufsbildungswerk N. während seiner dortigen Ausbildung zum Verkäufer.
Der 1995 geborene Antragsteller bezieht vom Sozialamt des Landratsamtes R.-N.-Kreis seit 1. November 2016 bis zunächst 31. Mai 2018 (Bescheid vom 7. November 2017) Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für das vollstationäre Wohnen in einem therapeutischen Wohnheim, einer Einrichtung des sozialpsychiatrischen Hilfsvereins R.-N. e.V. (SPHV). In diesem therapeutischen Wohnheim in der A.-Straße xx in xyxyx W. hat der Antragsteller seinen Hauptwohnsitz. Nach einer im Sommer 2017 erfolgreich durchgeführten Arbeitserprobung nimmt der Antragsteller seit 9. Oktober 2017 an einer bis 24. September 2020 vorgesehenen Berufsbildungsmaßnahme (Ausbildung zum Verkäufer) im Berufsbildungswerk der SRH in N. teil. Laut der zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin geschlossenen Eingliederungsvereinbarung vom 5. September 2017 meldete die Antragsgegnerin den Antragsteller für die Ausbildung zum Verkäufer im Berufsbildungswerk N. als Pendler an. Für die Strecke vom therapeutischen Wohnheim in W. zur Ausbildungsstätte in N. dauert die einfache Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln mit mehrmaligem Umsteigen rund 90 Minuten und mit dem Auto etwa 30 Minuten.
Laut Schreiben des SPHV vom 14. September 2017 würde das vollstationäre Wohnen in der therapeutischen Wohngruppe in W. bei Aufnahme des Antragstellers im Berufsbildungswerk beendet. Mit Bescheid vom 21. September 2017 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Übernahme der Kosten für eine internatsmäßige Unterbringung des Antragstellers im Berufsbildungswerk während der geplanten Ausbildung ab. Der hiergegen am 27. September 2017 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2017 als unbegründet zurückgewiesen. Eine Aufnahme des Antragstellers in das Internat hätte zur Folge, dass er keinen Wohnsitz mehr hätte. Aus Sicht aller Beteiligten sei ein therapeutisches Wohnen außerdem weiterhin erforderlich. Die internatsmäßige Unterbringung sei im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben nicht angezeigt und stelle auch keinen Ersatz für einen Hauptwohnsitz dar. Eine Kostenzusage für eine Internatsunterbringung sei daher schon rein objektiv unmöglich. Außerdem könne eine Internatsunterbringung nicht die für den Antragsteller notwendigen intensiven Hilfen gewährleisten. Hiergegen erhob der Antragsteller am 4. Oktober 2017 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) (S 15 AL 3005/17) und beantragte zugleich die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (S 15 AL 3006/17 ER). Mit Beschluss vom 6. Oktober 2010 lehnte das SG den Eilantrag ab und die hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 20. November 2017 (L 3 AL 3886/17 ER-B) mit der Begründung zurück, ein Anordnungsgrund sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht, da der Antragsteller derzeit von Mitarbeitern des SPHV mit dem Auto zur Ausbildungsstätte gebracht und dort wieder abgeholt werde.
Am 13. Dezember 2017 hat der Antragsteller beim SG erneut beantragt, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Übernahme der Kosten für eine internatsmäßige Unterbringung im Berufsbildungswerk zu verpflichten (S 15 AL 3773/17 ER). Zur Begründung hat er vorgetragen, der SPHV habe die Fahrdienste laut Schreiben vom 27. November 2017 zum 11. Dezember 2017 eingestellt. Ein tägliches Pendeln zwischen W. und N. mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei dem Antragsteller nicht zumutbar. Mit Beschluss vom 27. Dezember 2017 hat das SG den Eilantrag abgelehnt, da der Antragsteller laut Schreiben des SPHV vom 27. November 2017 den Weg zur Ausbildung selbstständig bewältigen könne. Dies bestätige, dass der Antragsteller keine Unterstützung im Rahmen der Bewältigung des Arbeitsweges benötige.
Gegen den ihm am 2. Januar 2018 zugestellten Beschluss des SG richtet sich die am 23. Januar 2018 eingegangene Beschwerde des Antragstellers. Zur Begründung wird auf den bisherigen Vortrag verwiesen. Vorgelegt wird ein Attest der Fachärztin für Psychiatrie S. vom 22. Januar 2018, nach dem der Antragsteller aufgrund seiner psychischen Beeinträchtigung nicht in der Lage sei, die zusätzliche Wegezeit, die aufgrund der verkehrstechnischen Anbindung zwischen den beiden Orten fast 2 Stunden für eine Fahrstrecke betrage, zu leisten. Um seine Ausbildung absolvieren zu können, müsse er einen achtstündigen Arbeits- bzw. Schultag durchhalten können und weitere Wegezeiten über insgesamt 1 Stunde seien ihm aus Krankheitsgründen nicht zumutbar und würden unweigerlich zu einer gesundheitlichen Gefährdung im Sinne einer Verschlechterung der Grunderkrankung führen.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Dezember 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig, längstens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Übernahme der Kosten für die internatsmäßige Unterbringung zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
Die Beschwerde zurückzuweisen.
Laut Schreiben des SPHV vom 27. November 2017 könne der Antragsteller den Weg zur Ausbildungsstätte selbstständig bewältigen. Deshalb sei der Fahrdienst eingestellt worden. Für die Finanzierung des weiterhin notwendigen therapeutischen Wohnens sei der Landkreis zuständig, der diese Leistungen auch bewilligt habe.
Der Senat hat eine schriftliche Auskunft des SPHV eingeholt. Dieser hat am 7. Februar 2018 mitgeteilt, der Antragsteller nehme weiterhin an der Ausbildung im Berufsbildungswerk in N. teil und bewältige die Wege hin und zurück nach anfänglich intensiver Unterstützung und Anleitung inzwischen in der Regel selbstständig mit dem ÖPNV. Wegen der mangelhaften Verbindungen komme er jedoch täglich 15 Minuten zu spät am Ausbildungsplatz an und komme abends oftmals erst zwischen 19:00 Uhr und 19:30 Uhr wieder in der therapeutischen Wohngruppe an. Eine vollständige Wiederaufnahme des Fahrdienstes sei nicht beabsichtigt, allerdings werde der Antragsteller immer wieder in N. abgeholt. Die Mehrfachbelastung übersteige die Belastungsfähigkeit des psychisch erkrankten Antragstellers. Er zeige zunehmend mehr Instabilität in seiner psychischen Verfassung.
Eine telefonische Nachfrage des Senats beim Berufsbildungswerk SRH hat am 13. Februar 2018 ergeben, dass eine Unterbringung von Auszubildenden im dortigen Internat nur dann möglich ist, wenn ein fester Wohnsitz außerhalb des Internats besteht, an den der Auszubildende jederzeit bei Krankheit, Unterbrechung/Abbruch der Ausbildung, Schließzeiten, Ferien etc. zurückkehren kann. Die Internatsunterbringung kann laut telefonischer Auskunft einen festen Hauptwohnsitz nicht ersetzen und ist ohne einen solchen nicht möglich.
Mit der Beschwerde hat der Antragsteller die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt.
Das Hauptsacheverfahren S 15 AL 3005/17 ist weiterhin beim SG anhängig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten, der beigezogenen Prozessakten S 15 AL 3006/17 ER und L 3 AL 3886/17 ER-B sowie der Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet.
Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrundes (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht. Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweggenommen werden, wobei hiervon nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Ausnahmen zu machen sind, wenn drohende schwere Grundrechtsverletzungen zu verhindern sind (BVerfG 2.12.1994, BvR 1643/92).
Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Grundlage für die Erbringung der hier streitigen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben ist zunächst § 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), nach dem Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen Leistungen nach diesem Gesetzbuch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen erhalten, um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 Nr. 2 SGB IX kann Träger der Leistungen zur Teilhabe die Bundesagentur für Arbeit sein und zwar für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Gemäß § 7 SGB IX richten sich die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen. Maßgeblich für von der Antragsgegnerin zu erbringenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist § 112 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Danach können für behinderte Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern, soweit Art oder Schwere der Behinderung dies erfordern. Ein Anordnungsanspruch gerichtet auf die Übernahme der Kosten für die internatsmäßige Unterbringung im Berufsbildungswerk ist bereits nicht glaubhaft gemacht, weil die Unterbringung im Internat im Fall des Antragstellers gerade nicht "erforderlich" i. S. v. § 112 Abs. 1 SGB III ist. Da der Antragsteller derzeit seinen Wohnsitz in dem für ihn aus gesundheitlichen Gründen benötigten therapeutischen Wohnheim in W. hat und er diesen Wohnsitz bei internatsmäßiger Unterbringung in N. verlieren würde (vergleiche Schreiben des SPHV vom 14. September 2017), ist die beantragte Übernahme der Kosten für die Unterbringung im Internat nicht erforderlich. Bei Verlust des Wohnsitzes (in W.) wäre laut telefonischer Auskunft des Berufsbildungswerks vom 13. Februar 2018 die Aufnahme im Internat gar nicht möglich. Davon abgesehen benötigt der Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen weiterhin die Unterbringung in der therapeutischen Wohngruppe, was auch vom zuständigen Kostenträger, dem Sozialamt beim Landratsamt des R.-N.-Kreises, bestätigt wird (die Kosten für die vollstationäre Unterbringung beim SPHV werden seit November 2016 und weiterhin als Leistungen der Eingliederungshilfe von dort übernommen). Da die hier beantragte Unterbringung im Internat des Berufsbildungswerkes zur Beendigung der Unterbringung in der vom Antragsteller benötigten therapeutischen Wohngruppe führen würde, stellt sie gerade keine im Hinblick auf Art oder Schwere seiner Behinderung "erforderliche" Leistung dar.
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des im Beschwerdeverfahren noch eingereichten Attestes der Fachärztin Schumann vom 22. Januar 2018. Dass es bei Pendelfahrten im ÖPNV - zumal bei mehrmaligem Umsteigen - zu Verzögerungen und dadurch bei dem psychisch erkrankten Antragsteller zu zusätzlichen Belastungen bei Bewältigung von Alltag und Ausbildung kommt, ist nachvollziehbar. Zur Abwendung dieser Belastungen auch im Sinne einer Sicherung der Ausbildung ist jedoch die beantragte internatsmäßige Unterbringung im Berufsbildungswerk aus den oben genannten Gründen gerade nicht geeignet, da sie einerseits objektiv nicht möglich wäre (mangels Hauptwohnsitz) und andererseits zum Verlust des notwendigen therapeutischen Wohnens führen würde. Erforderlich zur Gewährleistung einer erfolgreichen Fortsetzung der Ausbildung ohne zusätzliche Belastungen erscheint vielmehr die Unterbringung in einer therapeutischen Wohngruppe, die näher am Ausbildungsort gelegen ist, denn dadurch würden die Pendelzeiten verkürzt. Dies ist jedoch nicht Streitgegenstand des hier anhängigen Eilverfahrens, mit dem ausdrücklich die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Finanzierung einer Unterbringung im Internat der Ausbildungsstätte beantragt wird. Für diese beantragte Leistung ist ein Anordnungsanspruch nicht gegeben.
Auf die Frage, ob eine Fortführung der Ausbildung gefährdet ist und somit ein Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) vorliegt, kommt es vorliegend mangels Anordnungsanspruchs somit nicht mehr an. Laut schriftlicher Auskunft des SPHV vom 7. Februar 2018 nimmt der Antragsteller jedoch weiterhin an der Ausbildung im Berufsbildungswerk teil und er wird "immer wieder" von Mitarbeitern des SPHV in N. abgeholt. Dass es aufgrund der mit dem Pendeln verbundenen Belastungen zu Fehlzeiten gekommen wäre und dass aus diesem Grund die erfolgreiche Fortsetzung der Ausbildung gefährdet wäre, wurde weder seitens des Antragstellers vorgetragen noch ist es nach Aktenlage ersichtlich. Die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile erscheint daher nicht überwiegend wahrscheinlich.
Schließlich war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren mangels Erfolgsaussicht der Beschwerde abzulehnen.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übernahme der Kosten für seine internatsmäßige Unterbringung in Berufsbildungswerk N. während seiner dortigen Ausbildung zum Verkäufer.
Der 1995 geborene Antragsteller bezieht vom Sozialamt des Landratsamtes R.-N.-Kreis seit 1. November 2016 bis zunächst 31. Mai 2018 (Bescheid vom 7. November 2017) Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für das vollstationäre Wohnen in einem therapeutischen Wohnheim, einer Einrichtung des sozialpsychiatrischen Hilfsvereins R.-N. e.V. (SPHV). In diesem therapeutischen Wohnheim in der A.-Straße xx in xyxyx W. hat der Antragsteller seinen Hauptwohnsitz. Nach einer im Sommer 2017 erfolgreich durchgeführten Arbeitserprobung nimmt der Antragsteller seit 9. Oktober 2017 an einer bis 24. September 2020 vorgesehenen Berufsbildungsmaßnahme (Ausbildung zum Verkäufer) im Berufsbildungswerk der SRH in N. teil. Laut der zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin geschlossenen Eingliederungsvereinbarung vom 5. September 2017 meldete die Antragsgegnerin den Antragsteller für die Ausbildung zum Verkäufer im Berufsbildungswerk N. als Pendler an. Für die Strecke vom therapeutischen Wohnheim in W. zur Ausbildungsstätte in N. dauert die einfache Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln mit mehrmaligem Umsteigen rund 90 Minuten und mit dem Auto etwa 30 Minuten.
Laut Schreiben des SPHV vom 14. September 2017 würde das vollstationäre Wohnen in der therapeutischen Wohngruppe in W. bei Aufnahme des Antragstellers im Berufsbildungswerk beendet. Mit Bescheid vom 21. September 2017 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Übernahme der Kosten für eine internatsmäßige Unterbringung des Antragstellers im Berufsbildungswerk während der geplanten Ausbildung ab. Der hiergegen am 27. September 2017 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2017 als unbegründet zurückgewiesen. Eine Aufnahme des Antragstellers in das Internat hätte zur Folge, dass er keinen Wohnsitz mehr hätte. Aus Sicht aller Beteiligten sei ein therapeutisches Wohnen außerdem weiterhin erforderlich. Die internatsmäßige Unterbringung sei im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben nicht angezeigt und stelle auch keinen Ersatz für einen Hauptwohnsitz dar. Eine Kostenzusage für eine Internatsunterbringung sei daher schon rein objektiv unmöglich. Außerdem könne eine Internatsunterbringung nicht die für den Antragsteller notwendigen intensiven Hilfen gewährleisten. Hiergegen erhob der Antragsteller am 4. Oktober 2017 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) (S 15 AL 3005/17) und beantragte zugleich die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (S 15 AL 3006/17 ER). Mit Beschluss vom 6. Oktober 2010 lehnte das SG den Eilantrag ab und die hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 20. November 2017 (L 3 AL 3886/17 ER-B) mit der Begründung zurück, ein Anordnungsgrund sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht, da der Antragsteller derzeit von Mitarbeitern des SPHV mit dem Auto zur Ausbildungsstätte gebracht und dort wieder abgeholt werde.
Am 13. Dezember 2017 hat der Antragsteller beim SG erneut beantragt, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Übernahme der Kosten für eine internatsmäßige Unterbringung im Berufsbildungswerk zu verpflichten (S 15 AL 3773/17 ER). Zur Begründung hat er vorgetragen, der SPHV habe die Fahrdienste laut Schreiben vom 27. November 2017 zum 11. Dezember 2017 eingestellt. Ein tägliches Pendeln zwischen W. und N. mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei dem Antragsteller nicht zumutbar. Mit Beschluss vom 27. Dezember 2017 hat das SG den Eilantrag abgelehnt, da der Antragsteller laut Schreiben des SPHV vom 27. November 2017 den Weg zur Ausbildung selbstständig bewältigen könne. Dies bestätige, dass der Antragsteller keine Unterstützung im Rahmen der Bewältigung des Arbeitsweges benötige.
Gegen den ihm am 2. Januar 2018 zugestellten Beschluss des SG richtet sich die am 23. Januar 2018 eingegangene Beschwerde des Antragstellers. Zur Begründung wird auf den bisherigen Vortrag verwiesen. Vorgelegt wird ein Attest der Fachärztin für Psychiatrie S. vom 22. Januar 2018, nach dem der Antragsteller aufgrund seiner psychischen Beeinträchtigung nicht in der Lage sei, die zusätzliche Wegezeit, die aufgrund der verkehrstechnischen Anbindung zwischen den beiden Orten fast 2 Stunden für eine Fahrstrecke betrage, zu leisten. Um seine Ausbildung absolvieren zu können, müsse er einen achtstündigen Arbeits- bzw. Schultag durchhalten können und weitere Wegezeiten über insgesamt 1 Stunde seien ihm aus Krankheitsgründen nicht zumutbar und würden unweigerlich zu einer gesundheitlichen Gefährdung im Sinne einer Verschlechterung der Grunderkrankung führen.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Dezember 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig, längstens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Übernahme der Kosten für die internatsmäßige Unterbringung zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
Die Beschwerde zurückzuweisen.
Laut Schreiben des SPHV vom 27. November 2017 könne der Antragsteller den Weg zur Ausbildungsstätte selbstständig bewältigen. Deshalb sei der Fahrdienst eingestellt worden. Für die Finanzierung des weiterhin notwendigen therapeutischen Wohnens sei der Landkreis zuständig, der diese Leistungen auch bewilligt habe.
Der Senat hat eine schriftliche Auskunft des SPHV eingeholt. Dieser hat am 7. Februar 2018 mitgeteilt, der Antragsteller nehme weiterhin an der Ausbildung im Berufsbildungswerk in N. teil und bewältige die Wege hin und zurück nach anfänglich intensiver Unterstützung und Anleitung inzwischen in der Regel selbstständig mit dem ÖPNV. Wegen der mangelhaften Verbindungen komme er jedoch täglich 15 Minuten zu spät am Ausbildungsplatz an und komme abends oftmals erst zwischen 19:00 Uhr und 19:30 Uhr wieder in der therapeutischen Wohngruppe an. Eine vollständige Wiederaufnahme des Fahrdienstes sei nicht beabsichtigt, allerdings werde der Antragsteller immer wieder in N. abgeholt. Die Mehrfachbelastung übersteige die Belastungsfähigkeit des psychisch erkrankten Antragstellers. Er zeige zunehmend mehr Instabilität in seiner psychischen Verfassung.
Eine telefonische Nachfrage des Senats beim Berufsbildungswerk SRH hat am 13. Februar 2018 ergeben, dass eine Unterbringung von Auszubildenden im dortigen Internat nur dann möglich ist, wenn ein fester Wohnsitz außerhalb des Internats besteht, an den der Auszubildende jederzeit bei Krankheit, Unterbrechung/Abbruch der Ausbildung, Schließzeiten, Ferien etc. zurückkehren kann. Die Internatsunterbringung kann laut telefonischer Auskunft einen festen Hauptwohnsitz nicht ersetzen und ist ohne einen solchen nicht möglich.
Mit der Beschwerde hat der Antragsteller die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt.
Das Hauptsacheverfahren S 15 AL 3005/17 ist weiterhin beim SG anhängig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten, der beigezogenen Prozessakten S 15 AL 3006/17 ER und L 3 AL 3886/17 ER-B sowie der Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet.
Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrundes (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht. Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweggenommen werden, wobei hiervon nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Ausnahmen zu machen sind, wenn drohende schwere Grundrechtsverletzungen zu verhindern sind (BVerfG 2.12.1994, BvR 1643/92).
Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Grundlage für die Erbringung der hier streitigen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben ist zunächst § 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), nach dem Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen Leistungen nach diesem Gesetzbuch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen erhalten, um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 Nr. 2 SGB IX kann Träger der Leistungen zur Teilhabe die Bundesagentur für Arbeit sein und zwar für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Gemäß § 7 SGB IX richten sich die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen. Maßgeblich für von der Antragsgegnerin zu erbringenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist § 112 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Danach können für behinderte Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern, soweit Art oder Schwere der Behinderung dies erfordern. Ein Anordnungsanspruch gerichtet auf die Übernahme der Kosten für die internatsmäßige Unterbringung im Berufsbildungswerk ist bereits nicht glaubhaft gemacht, weil die Unterbringung im Internat im Fall des Antragstellers gerade nicht "erforderlich" i. S. v. § 112 Abs. 1 SGB III ist. Da der Antragsteller derzeit seinen Wohnsitz in dem für ihn aus gesundheitlichen Gründen benötigten therapeutischen Wohnheim in W. hat und er diesen Wohnsitz bei internatsmäßiger Unterbringung in N. verlieren würde (vergleiche Schreiben des SPHV vom 14. September 2017), ist die beantragte Übernahme der Kosten für die Unterbringung im Internat nicht erforderlich. Bei Verlust des Wohnsitzes (in W.) wäre laut telefonischer Auskunft des Berufsbildungswerks vom 13. Februar 2018 die Aufnahme im Internat gar nicht möglich. Davon abgesehen benötigt der Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen weiterhin die Unterbringung in der therapeutischen Wohngruppe, was auch vom zuständigen Kostenträger, dem Sozialamt beim Landratsamt des R.-N.-Kreises, bestätigt wird (die Kosten für die vollstationäre Unterbringung beim SPHV werden seit November 2016 und weiterhin als Leistungen der Eingliederungshilfe von dort übernommen). Da die hier beantragte Unterbringung im Internat des Berufsbildungswerkes zur Beendigung der Unterbringung in der vom Antragsteller benötigten therapeutischen Wohngruppe führen würde, stellt sie gerade keine im Hinblick auf Art oder Schwere seiner Behinderung "erforderliche" Leistung dar.
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des im Beschwerdeverfahren noch eingereichten Attestes der Fachärztin Schumann vom 22. Januar 2018. Dass es bei Pendelfahrten im ÖPNV - zumal bei mehrmaligem Umsteigen - zu Verzögerungen und dadurch bei dem psychisch erkrankten Antragsteller zu zusätzlichen Belastungen bei Bewältigung von Alltag und Ausbildung kommt, ist nachvollziehbar. Zur Abwendung dieser Belastungen auch im Sinne einer Sicherung der Ausbildung ist jedoch die beantragte internatsmäßige Unterbringung im Berufsbildungswerk aus den oben genannten Gründen gerade nicht geeignet, da sie einerseits objektiv nicht möglich wäre (mangels Hauptwohnsitz) und andererseits zum Verlust des notwendigen therapeutischen Wohnens führen würde. Erforderlich zur Gewährleistung einer erfolgreichen Fortsetzung der Ausbildung ohne zusätzliche Belastungen erscheint vielmehr die Unterbringung in einer therapeutischen Wohngruppe, die näher am Ausbildungsort gelegen ist, denn dadurch würden die Pendelzeiten verkürzt. Dies ist jedoch nicht Streitgegenstand des hier anhängigen Eilverfahrens, mit dem ausdrücklich die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Finanzierung einer Unterbringung im Internat der Ausbildungsstätte beantragt wird. Für diese beantragte Leistung ist ein Anordnungsanspruch nicht gegeben.
Auf die Frage, ob eine Fortführung der Ausbildung gefährdet ist und somit ein Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) vorliegt, kommt es vorliegend mangels Anordnungsanspruchs somit nicht mehr an. Laut schriftlicher Auskunft des SPHV vom 7. Februar 2018 nimmt der Antragsteller jedoch weiterhin an der Ausbildung im Berufsbildungswerk teil und er wird "immer wieder" von Mitarbeitern des SPHV in N. abgeholt. Dass es aufgrund der mit dem Pendeln verbundenen Belastungen zu Fehlzeiten gekommen wäre und dass aus diesem Grund die erfolgreiche Fortsetzung der Ausbildung gefährdet wäre, wurde weder seitens des Antragstellers vorgetragen noch ist es nach Aktenlage ersichtlich. Die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile erscheint daher nicht überwiegend wahrscheinlich.
Schließlich war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren mangels Erfolgsaussicht der Beschwerde abzulehnen.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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