L 4 SO 42/17

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 52 SO 233/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 SO 42/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe der Kläger einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für den Einbau einer neuen Gastherme in seiner Wohnung hat.

Der 1950 geborene Kläger bewohnt seit 1989 ein sogenanntes Siedlungshaus, das der G. eG gehört. Nach den Regelungen im Dauernutzungsvertrag stellt die Genossenschaft Heizung und Warmwasser nicht zur Verfügung, der Kläger hatte deshalb selbst eine Gastherme einbauen lassen. Der Kläger bezog zunächst eine Rente wegen Erwerbsminderung; mittlerweile bezieht er eine Altersrente. Ergänzend dazu erhielt und erhält er von der Beklagten Leistungen der Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Mit Schreiben vom 1. September 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine neue Gastherme. Die vorhandene Therme sei altersbedingt in einem sehr schlechten Zustand. Bereits im vorangegangenen Winter sei sie notrepariert worden, dennoch habe er nachts mehrmals aufstehen und Wasser auffüllen müssen, um einen Ausfall der Heizung zu verhindern. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26. September 2011 ab. Zur Begründung führte sie aus, die Notwendigkeit einer Neuanschaffung sei nicht nachgewiesen worden, die alte Therme sei derzeit noch funktionstüchtig. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20. Oktober 2011 Widerspruch. Die Therme sei nicht mehr funktionstüchtig, da sie nicht störungsfrei funktioniere. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2012, beim Prozessbevollmächtigten des Klägers eingegangen am 25. April 2012, wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 16. Mai 2012 Klage zum Sozialgericht Hamburg erhoben. Das Sozialgericht hat zunächst in einer mündlichen Verhandlung am 15. April 2013 eine weitere Sachaufklärung durch Inaugenscheinnahme der Therme durch die Beklagte angeregt. Nach erfolgter Prüfung hat die Beklagte sich bereit erklärt, die Kosten für eine neue Therme zu übernehmen und vom Kläger die Vorlage von Kostenvoranschlägen unter Einbeziehung auch gebrauchter Geräte gefordert. Der Kläger hat daraufhin im Mai 2013 drei Kostenvoranschläge unterschiedlicher Anbieter für eine Gasbrennwerttherme des Modells R. vorgelegt; der günstigste dieser Voranschläge lautete auf 3.969,01 Euro. Ferner hat der Kläger ein Angebot für eine gebrauchte, zwei Jahre alte Niedertemperaturtherme des Modells V. vorgelegt, das sich auf 3.567,26 Euro belief. Der Anbieter dieser Therme hat gegenüber der Beklagten telefonisch erklärt, diese Therme sei als Ausstellungsstück eingesetzt und tatsächlich nie in Betrieb genommen worden. Mit Bescheid vom 10. Juni 2013 hat die Beklagte dem Kläger Leistungen für den Einbau der gebrauchten Therme in Höhe von 3.567,26 Euro bewilligt. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2013 zurückgewiesen. Daraufhin hat der Kläger, der im August 2013 eine Therme der Marke R. hatte einbauen lassen, mit Schriftsatz vom 28. September 2013 seine Klage auf den Bescheid vom 10. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. September 2013 erweitert und beantragt, die Beklagte zur Gewährung weiterer Leistungen in Höhe von 431,74 Euro zu verurteilen. Er hat eine Rechnung über die Kosten des Einbaus der R.-Therme in Höhe von 3.999,- Euro vorgelegt.

Das Sozialgericht hat am 10. Oktober 2016 erneut mündlich verhandelt und die Klage mit Urteil vom selben Tag abgewiesen. Das Urteil wurde am 21. März 2017 schriftlich abgefasst. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, zwar könne der Kläger nach § 35 Abs. 1 SGB XII als Unterkunftskosten grundsätzlich auch Aufwendungen für Instandhaltungs- und Reparaturmaßnahmen beanspruchen, doch sei der entsprechende Bedarf bereits durch die Bewilligung von Leistungen in Höhe von 3.567,26 Euro gedeckt worden. Der Kläger könne nur das für die Aufrechterhaltung der Bewohnbarkeit seiner Unterkunft Notwendige verlangen, die von ihm geltend gemachten zusätzlichen Kosten gingen hierüber jedoch hinaus.

Am 30. März 2017 wurde das Urteil dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt. Dieser hat am 2. Mai, einem Dienstag, Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, die unter dem Aktenzeichen L 4 SO 29/17 NZB geführt wurde. Mit Beschluss vom 13. Juni 2017 hat der Senat die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht aufgehoben und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat er ausgeführt, die vom Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Beschluss vom 27. April 1993, GmS-OGB 1/92) gezogene Fünfmonatsgrenze für die vollständige Abfassung des Urteils sei überschritten worden. Infolgedessen gelte das Urteil des Sozialgerichts als nicht mit Gründen versehen und leide daher an einem Verfahrensfehler. Das Verfahren ist als Berufungsverfahren fortgesetzt worden.

Der Kläger hat zur Begründung seiner Berufung vorgetragen, nach § 35 SGB XII bestehe ein Anspruch auf Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe, soweit diese nicht unangemessen seien. Bei der Frage der Angemessenheit sei nicht allein der Preis der Therme zu berücksichtigen, sondern auch die mit dieser erzielbaren Energie- und Kosteneinsparungen, sodass hier die beantragten Kosten als angemessen anzusehen seien. Das Sozialgericht habe ferner die Regelung des § 1 SGB XII übersehen, wonach die Beklagte darauf hinwirken müsse, die Menschen möglichst unabhängig von Leistungen der Sozialhilfe zu machen. Durch den Einbau der neuen Brennwerttherme habe er seine Heizkosten um ein Drittel senken können und eine erhebliche Rückerstattung seiner Heizkostenvorauszahlungen erhalten. Dies wiederum habe dazu geführt, dass er mehrere Monate nicht auf Leistungen nach dem SGB XII angewiesen gewesen sei. Ferner habe auch ein Leistungsbezieher einen Anspruch darauf, so zu heizen, dass die Klimaschutzziele der Bundesrepublik Deutschland und der Freien und Hansestadt Hamburg gewahrt würden. Die Beklagte verhalte sich widersprüchlich wenn sie einerseits diverse Klimaschutzvereinbarungen unterzeichnet habe, nun aber ein klimaschonendes Gerät nicht finanzieren wolle. Es handele sich außerdem nicht um eine Modernisierung, sondern um eine vorgezogene Herstellung des gesetzeskonformen Zustands ab September 2015. Ab da müssten Immobilieneigentümer bei der Erneuerung einer Gasheizung die teureren, aber energiesparenden Brennwertgeräte einbauen. Schließlich sei es auch kaufmännisch nicht nachvollziehbar, dass der Kläger gezwungen sein solle, eine veraltete Gastherme einzubauen.

Der Kläger beantragt wörtlich, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. Oktober 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 26. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2012 und des Bescheides vom 19. April 2013 zu verpflichten, ihm weitere 431,74 EUR für den Einbau einer neuen Gasbrennwerttherme in seiner Wohnung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Gründe des angefochtenen Urteils und führt ergänzend aus, maßgeblich sei allein die Sach- und Rechtslage 2013. Sofern später andere rechtliche Maßgaben für Gasthermen relevant geworden sein sollten, seien diese hier unbeachtlich.

Die Beteiligten haben sich am 14. Dezember 2017 bzw. am 2. Januar 2018 mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin (§ 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.

Der in der mündlichen Verhandlung am 15. Februar 2018 formulierte Antrag des Klägers, der wörtlich auf die Abänderung des Bescheids vom 26. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2012 und des Bescheides vom 19. April 2013 gerichtet ist, war dahin gehend auszulegen (§ 123 SGG), dass der Kläger die Abänderung des Bescheids vom 26. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2012, des Bescheides vom 10. Juni 2013 und des Widerspruchsbescheids vom 9. September 2013 begehrt. Dies sind die Bescheide, die die Leistungen für den Einbau der neuen Therme betreffen und deren Abänderung erforderlich wäre, wenn der Kläger mit seinem Begehren Erfolg haben sollte. Der Kläger hat diese Bescheide auch in seinem klageerweiternden Schriftsatz vom 28. September 2013 erwähnt. Die in der mündlichen Verhandlung protokollierte, auf einen Vorschlag der Berichterstatterin zurückgehende Formulierung beruhte daher erkennbar auf einem Irrtum.

Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung weiterer Leistungen für den Einbau einer neuen Gastherme.

Obgleich es im SGB XII an einer dem § 22 Abs. 2 des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch – SGB II – entsprechenden Regelung fehlt, gehören Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur auch im Bereich der Leistungen nach § 35 SGB XII zu den Kosten der Unterkunft (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.7.2017 – L 23 SO 247/17 mwN). Entsprechend der Rechtsprechung zu § 22 Abs. 2 SGB II sind danach Kosten für Erhaltungs- und Instandhaltungsmaßnahmen zu übernehmen, nicht aber wertsteigernde Erneuerungsmaßnahmen. Zwar scheiden damit nicht alle wertsteigernden Maßnahmen aus, jedoch besteht ein Anspruch nur auf Übernahme der zur Sicherung der Substanz und der Aufrechterhaltung der Bewohnbarkeit notwendigen Kosten. Berücksichtigungsfähig sind daher nur die Aufwendungen, die der Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Wohnung in ihrer bisherigen Substanz dienen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.9.2013 – L 7 AS 1121/13 mwN).

Bei Anwendung dieser Maßstäbe hat der Kläger keinen Anspruch auf eine über die ihm mit Bescheid vom 10. Juni 2013 bewilligten Leistungen hinausgehende Übernahme von Kosten. Durch den Einbau der ihm angebotenen, zuvor als Ausstellungsstück genutzten V.-Niedertemperaturtherme hätte der Kläger seinen Instandhaltungs- und Reparaturbedarf decken können. Den Einbau der teureren Gasbrennwerttherme der Marke R. bedurfte es hierfür nicht. Bereits aus diesem Grund sind weitergehende Ansprüche des Klägers ausgeschlossen, denn er kann allein das verlangen, was zur Wiederherstellung der Beheizbarkeit seiner Wohnung erforderlich ist.

Die Ausführungen des Klägers zur größeren Energieeffizienz der R.-Brennwerttherme führen vor diesem Hintergrund zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen lässt sich bereits nicht feststellen, inwieweit die R.-Brennwerttherme diesbezüglich der V.-Niedertemperaturtherme tatsächlich überlegen ist. Zwar gilt die Brennwerttechnik als gegenüber der Niedertemperaturtechnik fortschrittlicher und energieeffizienter, doch ließe sich ein echter Vergleich nur unter Berücksichtigung der Umgebungsfaktoren und des Nutzungsverhaltens des Klägers anstellen. Ein dahingehend belastbarer Test der V.-Therme würde deren Einbau in das Haus des Klägers voraussetzen und ist schon deshalb ausgeschlossen. Unabhängig davon mag ein Einbau der fortschrittlicheren Brennwerttherme zwar möglicherweise aus umweltpolitischen und wirtschaftlichen Erwägungen sinnvoll erscheinen, dies ändert jedoch nichts daran, dass im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs auf Übernahme aus Sozialhilfemitteln allein die Notwendigkeit der Aufwendungen entscheidend ist.

Dass sich die Rechtslage zum 1. Mai 2014 mit der Neufassung der §§ 10, § 13 Abs. 1 Energieeinsparverordnung (EnEV) und zum 26. September 2015 aufgrund der EU-Verordnung Nr. 813/13 zur Durchführung der Richtlinie 2009/125/EG (Amtsbl. EU v. 6.9.2013 Nr. L 239/141) geändert hat und die V.-Therme den in diesen Vorschriften formulierten Anforderungen an eine neu einzubauende Heizungsanlage wohl nicht genügt, führt ebenfalls zu keiner anderen Bewertung. Denn es kommt insoweit allein auf die Rechtslage zum Zeitpunkt des Austauschs der Therme im August 2013 an. In diesem Zeitpunkt hätte ein Einbau der V.-Therme jedenfalls noch im Einklang mit dem geltenden Recht gestanden. Eine Pflicht zum Austausch dieser Therme – hätte der Kläger sie 2013 eingebaut – lässt sich den später in Kraft getretenen oben zitierten Regelungen nicht entnehmen.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung Befürchtungen dahin gehend geäußert hat, die V.-Therme sei wegen der kürzeren Gewährleistungsfrist (2 statt 5 Jahre) und wegen einer möglichen bereits erfolgten Inbetriebnahme – für die es allerdings keinerlei Nachweise gibt und deren Annahme den telefonischen Angaben des Anbieters gegenüber der Beklagten widerspricht – weniger gut geeignet, da sie ein erhöhtes Ausfallrisiko habe und reparaturanfälliger sei, handelt es sich um bloße Spekulation.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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