Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 9 KR 1023/97
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 14 KR 406/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 13/02 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Beim Gesamteinkommen, das für den Zugang zur Familienversicherung in der Krankenversicherung maßgebend ist, sind Einkünfte aus Kapitalvermögen unter Abzug des Sparer-Freibetrages zu berücksichtigen (Modifizierung der bisherigen Rechtsprechung, ua BSG vom 20.6.1979 - 5 RKn 7/78 = BSGE 48, 206 = SozR 2200 § 205 Nr 22).
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. Februar 2002 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger und der Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über den Zugang zur Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Ehefrau des Klägers war freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse. Im Dezember 1996 beantragte der Kläger die Familienversicherung von diesem Monat an und legte den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1995 vor. Dieser wies lediglich Einkünfte aus Kapitalvermögen von 11.112 DM aus. Nach Abzug von Werbungskosten (1.856 DM) und eines Sparer-Freibetrages (9.256 DM) ergab sich ein zu versteuerndes Einkommen von Null DM. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab. Der Familienversicherung stehe entgegen, dass sein Gesamteinkommen die Grenze des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Halbsatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) überschreite, die im Jahre 1996 monatlich 590 DM betrug. Bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen könne der Sparer-Freibetrag nicht abgesetzt werden (Bescheid vom 22. Januar 1997, Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 1997).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 4. Februar 1998 abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger die Familienversicherung nur noch von Dezember 1996 bis August 1998 begehrt, weil er anschließend selbst Mitglied geworden war. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 28. Februar 2002 das Urteil des SG und den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben sowie festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, den Kläger für die genannte Zeit als Familienversicherten aufzunehmen. Zu Unrecht habe die Beklagte bei der Berechnung des Gesamteinkommens den Sparer-Freibetrag nach § 20 Abs 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unberücksichtigt gelassen. Das Gesamteinkommen iS des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Halbsatz 1 SGB V sei nach § 16 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) steuerrechtlich zu bestimmen. Soweit früher wegen der Ausnahmeregelung in Satz 2 des § 15 SGB IV steuerliche Vergünstigungen nicht berücksichtigt worden seien, gelte das nach der Änderung dieser Vorschrift seit 1995 nicht mehr.
Die Beklagte hat Revision eingelegt. Der Senat hat die Ehefrau des Klägers als Stammversicherte beigeladen. Die Beklagte rügt sinngemäß eine unzutreffende Anwendung der genannten Vorschriften durch das LSG. Der Sparer-Freibetrag sei auch weiterhin nicht absetzbar. Bei ihm handele es sich um einen aus wirtschafts- und steuerpolitischen Gründen gegriffenen Freibetrag, der - anders als die Werbungskosten - mit der Entstehung der Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht in Zusammenhang stehe. Vereinfachungsgründe, die zur Aufhebung von Satz 2 des § 15 SGB IV geführt hätten, träfen auf den Sparer-Freibetrag nicht zu, weil er den Steuerbescheiden unschwer zu entnehmen sei. Der Gesetzgeber habe entschieden, dass nur ein geringes Einkommen des Angehörigen für die Familienversicherung unschädlich sei. Dieser Gesetzeszweck werde verfehlt, wenn Personen mit Einkünften aus Kapitalvermögen den Sparer-Freibetrag abziehen könnten. Zudem seien andere, alle Einkommensarten übergreifende steuerliche Freibeträge wie Kinderfreibetrag oder Haushaltsfreibetrag nach § 32 EStG allein deshalb bei der Ermittlung des Gesamteinkommens nicht abzugsfähig, weil sie nur für spezielle Personenkreise steuerliche Vergünstigungen einräumten. Für den Sparer-Freibetrag dürfe nichts anderes gelten, nur weil er einer einzelnen Einkommensart zugeordnet sei. Eine übereinstimmende Behandlung des Sparer-Freibetrages im Steuerrecht und im Sozialversicherungsrecht bedeute in dem Bestreben nach Vereinheitlichung (§ 17 Abs 1 Satz 2 SGB IV) nur einen unwesentlichen Fortschritt, der aus Gleichbehandlungsgründen nicht zu rechtfertigen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 28. Februar 2002 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 4. Februar 1998 zurückzuweisen.
Der Kläger und die Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat zutreffend das Urteil des SG und den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben sowie sinngemäß die Pflicht der Beklagten zur Durchführung der Familienversicherung des Klägers festgestellt.
1. Die Familienversicherung des Klägers auf Grund der Mitgliedschaft der beigeladenen Ehefrau beruhte auf § 10 Abs 1 Satz 1 SGB V. Sie scheiterte nicht, was allein umstritten ist, am Überschreiten der Gesamteinkommensgrenze in Nr 5 Halbsatz 1 dieser Vorschrift. Das Gesamteinkommen des Klägers überstieg in der Zeit, um die es geht (Dezember 1996 bis August 1998), die Grenze in Höhe von einem Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nicht (1996 = 590 DM; 1997 = 610 DM; 1998 = 620 DM). Das LSG hat unangefochten ausgeführt und festgestellt, dass dieses nur in Betracht kam, weil der letzte vorliegende Einkommensteuerbescheid für 1995 Einkünfte aus Kapitalvermögen von 11.112 DM auswies. Das hätte ein monatliches Einkommen von 926 DM bedeutet und ohne Abzug des Sparer-Freibetrages zu einem Überschreiten der Grenze geführt. War dagegen der Sparer-Freibetrag von 9.256 DM (= rund 771 DM monatlich) abzuziehen, so wurde die Grenze bei weitem nicht mehr übertroffen. Die Behandlung der Werbungskosten von 1.856 DM (= rund 155 DM monatlich), deren Abzugsfähigkeit nicht umstritten ist, hat daher hier für die Grenzüberschreitung keine entscheidende Bedeutung. Den Sparer-Freibetrag hat das LSG zutreffend als abzugsfähig angesehen.
2. Unter dem Gesamteinkommen iS des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Halbsatz 1 SGB V ist das Gesamteinkommen des § 16 SGB IV zu verstehen. Danach ist das Gesamteinkommen die Summe der Einkünfte iS des Einkommensteuerrechts (Halbsatz 1). Es umfasst insbesondere das Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen (Halbsatz 2). Zur Summe der Einkünfte iS des Einkommensteuerrechts zählen die Einkünfte aus Kapitalvermögen, bei deren Ermittlung der Sparer-Freibetrag abzuziehen ist (§ 2 Abs 1 Satz 1 Nr 5, § 20 Abs 4 EStG; vgl schon BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 19 S 78 mit Nachweisen). Das gilt nunmehr auch für den Zugang zur Familienversicherung nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Halbsatz 1 SGB V.
3. Soweit die Rechtsprechung zum Gesamteinkommen früher zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, setzt der Senat sie für die Zeit ab 1995 nicht fort.
a) Das Bundessozialgericht (BSG) hat das Gesamteinkommen iS der Regelung über die Familienhilfe (bis Ende 1988 in § 205 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO)) und iS der Nachfolgeregelung zur Familienversicherung (ab 1989 in § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Halbsatz 1 SGB V) seit der Geltung des § 16 SGB IV (ab Juli 1977) grundsätzlich steuerrechtlich bestimmt (BSGE 48, 206, 207/208 = SozR 2200 § 205 Nr 22 S 42; BSG SozR 2200 § 205 Nr 23 S 46 ff; BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 19 S 76 ff). Ebenso ist es vorgegangen, soweit das Gesamteinkommen nach § 205 Abs 1 Satz 2 RVO (später § 10 Abs 3 Halbsatz 1 SGB V) für den Ausschluss der Kinder von der Familienhilfe (Familienversicherung) bedeutsam war, weil nur ein Elternteil der gesetzlichen Krankenversicherung angehörte (BSG SozR 2200 § 205 Nr 43, 45, 52; BSGE 62, 90 = SozR 2200 § 205 Nr 63). Nach dieser Rechtsprechung zum Gesamteinkommen waren Renten nicht mit dem Zahlbetrag, sondern nur mit dem Ertragsanteil zu berücksichtigen (BSGE 48, 206 = SozR 2200 § 205 Nr 22; BSG SozR 2200 § 205 Nr 23). Auch das Arbeitsentgelt aus abhängiger Beschäftigung wurde für die Bestimmung des Gesamteinkommens nicht als Bruttoarbeitsentgelt iS des § 14 Abs 1 SGB IV, sondern nach § 16 SGB IV in einer steuerlichen Betrachtungsweise zu Grunde gelegt und deshalb der Abzug von Werbungskosten zugelassen (BSGE 48, 206, 208/209 = SozR 2200 § 205 Nr 22 S 43 f; Nr 43 S 113/114; Nr 52 S 143 f; abweichend anscheinend BSG SozR 2200 § 205 Nr 23 S 49).
b) Andererseits minderten nach der Rechtsprechung bei den genannten und anderen Einkunftsarten "steuerliche Vergünstigungen" das Gesamteinkommen nicht (BSG SozR 2200 § 205 Nr 43 - Abschreibungen; BSG SozR 2200 § 205 Nr 45 - Absetzung für Abnutzung; BSG SozR 2200 § 205 Nr 52 - Weihnachts- und Arbeitnehmerfreibetrag; BSGE 62, 90 = SozR 2200 § 205 Nr 63 - Verlustausgleich; BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 19 - Sparer-Freibetrag). Zur Begründung dafür wurde hauptsächlich die dem § 16 SGB IV benachbarte Vorschrift des § 15 SGB IV ursprünglicher Fassung (aF) herangezogen. Nach dessen Satz 1 war das Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Satz 2 bestimmte jedoch, dass bei der Ermittlung des Gewinns steuerliche Vergünstigungen unberücksichtigt zu lassen und Veräußerungsgewinne abzuziehen waren. Nach der genannten Rechtsprechung hatten solche Vergünstigungen "zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung" beim Zugang zur Familienversicherung außer Ansatz zu bleiben. Auch die Ermächtigungsvorschrift für die Arbeitsentgelt-Verordnung (§ 17 Abs 1 SGB IV) lasse aus solchen Gründen Abweichungen des Sozialversicherungsrechts vom Steuerrecht zu. Der 10. Senat des BSG hat jedoch in der genannten Entscheidung (SozR 3-2500 § 10 Nr 19 S 80), welche die Zeit vor 1995 betraf, zum Sparer-Freibetrag bereits die Frage aufgeworfen, ob an dieser Rechtsprechung für die Zeit ab 1995 noch festzuhalten sei. Dieses verneint der erkennende 12. Senat nunmehr.
c) Mit Wirkung vom 1. Januar 1995 hat § 15 SGB IV durch Art 3 Nr 2 des Agrarsozialreformgesetzes (ASRG 1995) vom 29. Juli 1994 (BGBl I 1890) eine neue Fassung erhalten. Abs 1 Satz 1 nF bestimmt zwar wie Satz 1 aF, dass Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit ist. Nach Abs 1 Satz 2 nF ist aber anders als nach Satz 2 aF Einkommen nunmehr als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. Zur Begründung dieser Änderung ist in den Materialien ausgeführt worden (BT-Drucks 12/5700 S 92 zu Art 3 Nr 2): Das Arbeitseinkommen sei insbesondere beim Zusammentreffen mit Hinterbliebenenrenten von Bedeutung. Die Regelung des § 15 Satz 2 SGB IV, dass steuerliche Vergünstigungen bei der Feststellung des Arbeitseinkommens nicht zu berücksichtigen seien, führe in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten. So sei der Begriff der steuerlichen Vergünstigung im Steuerrecht nicht eindeutig bestimmt. Im Übrigen sei der Umfang solcher Vergünstigungen dem Steuerbescheid nicht zu entnehmen. Die Rentenversicherung müsse deshalb das entsprechende Steuerrecht selbst auslegen oder die Finanzämter um Amtshilfe bitten; Fehler bei der Rechtsanwendung und eine lange Bearbeitungsdauer seien die Folgen. Im Interesse der Verfahrensvereinfachung solle deshalb die Regelung des § 15 Satz 2 SGB IV entfallen. Das Arbeitseinkommen entspreche damit dem steuerrechtlichen Gewinn; dieser werde unverändert aus dem Steuerbescheid des Selbstständigen übernommen. Auch für die Bestimmung, welches Einkommen als Arbeitseinkommen zu werten sei, sei nach der neuen Regelung des § 15 Abs 1 Satz 2 SGB IV das Einkommensteuerrecht maßgebend. Damit werde eine volle Parallelität von Einkommensteuerrecht und Sozialversicherungsrecht sowohl bei der Zuordnung zum Arbeitseinkommen, als auch bei der Höhe des Arbeitseinkommens erreicht. Dies führe zu einer Verwaltungserleichterung bei den Sozialversicherungsträgern, sodass eigene Nachprüfungen dieser Träger in diesem Bereich entfielen.
d) Demnach sind beim Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit iS des § 15 Abs 1 SGB IV steuerliche Vergünstigungen nunmehr zu berücksichtigen. Das gilt auch, soweit dieses Arbeitseinkommen zum Gesamteinkommen gehört (§ 16 Halbsatz 2 SGB IV). Darüber hinaus ergibt sich aus der genannten Gesetzesänderung, dass die Unbeachtlichkeit steuerlicher Vergünstigungen auch bei anderen Einkommensarten, beim Gesamteinkommen und beim Zugang zur Familienversicherung nicht mehr mit § 15 Satz 2 SGB IV aF begründet werden kann. Hierfür ist unerheblich, dass die Neufassung dieser Vorschrift von der Rentenversicherung ausgegangen ist, weil sich bei der Anrechnung von Einkommen auf Renten Schwierigkeiten ergeben hatten. Die Neuregelung ist nicht auf die Rentenversicherung beschränkt, sondern in den Gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung vorgenommen worden. Sie gilt daher auch für die Krankenversicherung, in der nichts Abweichendes geregelt ist. Die Revision beruft sich zu Unrecht darauf, dass die Neuregelung mit Erkennungs- und Ermittlungsschwierigkeiten bei den steuerlichen Vergünstigungen begründet worden ist, die beim Sparer-Freibetrag nicht gegeben seien. Der Gesetzgeber hat die Änderung nicht auf Fälle mit den genannten Schwierigkeiten beschränkt, sondern eine allgemeine Verweisung auf das Steuerrecht vorgenommen, die demnach auch für leicht erkennbare steuerliche Vergünstigungen gilt. Der Senat sieht hiernach im Wege der Rechtsanwendung keine Begründung mehr dafür, eine steuerliche Vergünstigung wie den Sparer-Freibetrag für unbeachtlich zu halten. Soweit nach § 17 Abs 1 Satz 1 Nr 2 (ab 1.1.2002: Nr 3) SGB IV zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung abweichende Regelungen vom Steuerrecht getroffen werden können, ist das, falls nach dieser Vorschrift für den vorliegenden Sachverhalt zulässig, bisher nicht geschehen.
4. Der Senat verkennt nicht, dass durch die Berücksichtigung des Sparer-Freibetrags bei Einkünften aus Kapitalvermögen der Zugang zur Familienversicherung erleichtert wird. Das gilt in abgeschwächter Form auch, seit der Sparer-Freibetrag herabgesetzt worden ist (ab 2000). Die Familienversicherung würde ferner erweitert, wenn die vorliegende Entscheidung auf andere Einkommensarten und steuerliche Vergünstigungen übertragen würde. Sollte dieses, wie die Revision vorbringt, nicht iS des Gesetzgebers liegen, müsste er die Zugangsregelung ändern. Dabei sollte mitbedacht werden, dass die geltende Regelung gewisse Ungereimtheiten enthält und teilweise keine Übereinstimmung zwischen dem Zugang zur Familienversicherung und dem Beitragsrecht der freiwilligen Versicherung besteht. Dieses kann zu Anreizen führen, das Beitrittsrecht zur freiwilligen Versicherung (§ 9 SGB V) entweder nicht auszuüben oder die freiwillige Mitgliedschaft aufzugeben (§ 191 Nr 4 SGB V), um in die beitragsfreie Familienversicherung zu gelangen. Dadurch könnten freiwillig Versicherte gegenüber Pflichtversicherten begünstigt sein, denen dieser Weg verschlossen ist.
a) Bei Renten wird anders als nach § 205 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1, Satz 2 RVO und der dazu ergangenen Rechtsprechung (oben 3.a) seit dem Inkrafttreten des SGB V (1989) nicht mehr der steuerliche Ertragsanteil, sondern nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Halbsatz 2, Abs 3 Halbsatz 2 SGB V der Zahlbetrag, also der Bruttobetrag berücksichtigt. Diese Regelung hat der Senat auch auf Betriebsrenten angewandt (BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 5). Nach den Gesetzesmaterialien wurde bei Renten an den Zahlbetrag angeknüpft, um unbillige Ergebnisse zu vermeiden (BT-Drucks 11/3480 S 49 zu § 10). Worin diese gesehen wurden, wird dort nicht erläutert. Es können jedoch mitgliedschafts- und beitragsrechtliche Zusammenhänge vermutet werden (vgl Peters in Kasseler Komm, § 10 SGB V RdNr 16, Stand März 2001): Bei versicherungspflichtigen Rentnern gehört der Zahlbetrag von Renten und Versorgungsbezügen zu den beitragspflichtigen Einnahmen (§ 237 Satz 1 Nr 1, 2 SGB V). Diese Rentner können wegen des Vorrangs der unkündbaren Pflichtversicherung nicht in die beitragsfreie Familienversicherung wechseln (§ 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 iVm § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V; vgl BSGE 63, 51 = SozR 2200 § 165 Nr 93). Bei Rentnern, die den Zugang zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) hingegen verfehlen, gehören in einer freiwilligen Versicherung Renten zwar ebenfalls mit dem Zahlbetrag zu den beitragspflichtigen Einnahmen (§ 240 Abs 2 Satz 1 iVm § 237 Satz 1 Nr 1, 2 SGB V). Diese Rentner könnten aber, wenn die Renten lediglich mit dem Ertragsanteil zum Gesamteinkommen zählen würden, von einer freiwilligen Versicherung absehen oder aus ihr austreten, um in die Familienversicherung zu gelangen. Ein solches Vorgehen wird durch die Maßgeblichkeit des Rentenzahlbetrages auch beim Zugang zur Familienversicherung verhindert.
b) Beim Arbeitsentgelt aus abhängiger Beschäftigung ist für die Beurteilung der Versicherungspflicht das Bruttoarbeitentgelt iS des § 14 Abs 1 SGB IV maßgebend (Geringfügigkeitsgrenze des § 7 SGB V iVm § 8 SGB IV, Jahresarbeitsentgeltgrenze des § 6 Abs 1 Nr 1 Halbsatz 1 SGB V). Diese Bruttogröße ist sowohl bei versicherungspflichtig Beschäftigten als auch bei freiwillig Versicherten Grundlage der Beitragsbemessung (§ 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1, § 240 Abs 2 Satz 1 SGB V). Dem würde es entsprechen, wenn der Bruttobetrag des Arbeitsentgelts auch für den Zugang zur Familienversicherung maßgebend wäre, wie das bei den Renten der Fall ist (oben a). Auf den Bruttobetrag könnte der mit Wirkung vom 1. April 2003 angefügte Halbsatz 3 des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V hinweisen, wonach bei geringfügig Beschäftigten das zulässige Gesamteinkommen 400 Euro beträgt. Das steht mit dem Eintritt von Versicherungspflicht oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze von 400 Euro nur in Einklang, wenn die 400 Euro der Bruttobetrag sind. Wird demgegenüber beim Zugang zur Familienversicherung die frühere Rechtsprechung zur Berücksichtigung des Steuerrechts (oben 3.a) fortgeführt, können manche freiwillig versicherte Bezieher von Arbeitsentgelt in die Familienversicherung überwechseln.
c) Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit begründet keine Versicherungspflicht. Eine hauptberuflich selbstständige Tätigkeit schließt jede Versicherungspflicht und die Familienversicherung aus (§ 5 Abs 5, § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB V). Sofern Arbeitseinkommen aus nebenberuflich selbstständiger Tätigkeit bei versicherungspflichtigen (§ 226 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB V) oder bei freiwillig Versicherten (nach § 240 Abs 1, 2 SGB V) zu den beitragspflichtigen Einnahmen gehört, ist es wie beim Zugang zur Familienversicherung einheitlich iS des § 15 SGB IV zu verstehen. Deshalb gibt es hier keinen Anreiz, wegen der Anknüpfung an verschiedene Einkommensbegriffe von der freiwilligen Versicherung in die Familienversicherung zu wechseln. Die Maßgeblichkeit des Arbeitseinkommens iS des § 15 SGB IV bei freiwillig versicherten Selbstständigen beruht auf Besonderheiten dieser Tätigkeit gegenüber der abhängigen Beschäftigung (BSGE 79, 133 = SozR 3-2500 § 240 Nr 27; BVerfGE 103, 392 = SozR 3-2500 § 240 Nr 39).
d) Andere Einnahmen wie Einkünfte aus Kapitalvermögen oder aus Vermietung und Verpachtung werden durch die Anknüpfung der Familienversicherung an das Gesamteinkommen begünstigt. Derartige Einkünfte begründen keine Versicherungspflicht und gehören bei Versicherungspflichtigen nicht zu den beitragspflichtigen Einnahmen (vgl bei Beschäftigten § 226 SGB V). Sofern die Bezieher solcher anderen Einkünfte aber freiwillig versichert sind, können sie die freiwillige Mitgliedschaft zugunsten der Familienversicherung aufgeben, wenn die über Werbungskosten (vgl BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 31) hinausgehenden steuerlichen Vergünstigungen bei den beitragspflichtigen Einnahmen iS des § 240 Abs 1 SGB V nicht zu berücksichtigen, beim Gesamteinkommen des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Halbsatz 1, Abs 3 Halbsatz 1 SGB V aber abzugsfähig sind.
e) Eine gewisse Vereinheitlichung bei den verschiedenen Einnahmearten und eine Abstimmung mit dem Beitragsrecht der freiwilligen Versicherung könnte darin bestehen, in § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Halbsatz 1, Abs 3 Halbsatz 1 SGB V statt an das Gesamteinkommen iS des § 16 SGB IV an die beitragspflichtigen Einnahmen freiwillig Versicherter (§ 240 Abs 1, 2 SGB V) anzuknüpfen, zu denen mindestens die beitragspflichtigen Einnahmen der versicherungspflichtig Beschäftigten gehören (Abs 2 Satz 1). Dieser Weg war im Entwurf des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) auch vorgesehen, wo das Gesamteinkommen durch die "Einnahmen zum Lebensunterhalt" ersetzt werden sollte (BT-Drucks 11/2237 S 13), also die früheren beitragspflichtigen Einnahmen (Grundlohn) der freiwilligen Mitglieder nach § 180 Abs 4 Satz 1 RVO. Während des Gesetzgebungsverfahrens zum GRG ist hiervon jedoch wieder Abstand genommen und zum Gesamteinkommen zurückgekehrt worden (BT-Drucks 11/3320 S 9). Dies sollte bewirken, dass insbesondere der Bezug steuerfreier Sozialleistungen nicht zu einem Ausscheiden aus der Familienversicherung führen könne (BT-Drucks 11/3480 S 49 zu § 10). Bei Renten ist letzteres jedoch wiederum der Fall, weil bei ihnen, auch soweit sie steuerfrei sind, auf den Zahlbetrag abgestellt wird. Damit verwendet das Gesetz das "Bruttoprinzip" (beim Rentenzahlbetrag) und das "Nettoprinzip" (beim Gesamteinkommen) nebeneinander. Die sich daraus ergebenden Ungereimtheiten kann die Rechtsprechung nicht auflösen. Möglicherweise sollte mit der erwähnten Rückkehr zum Gesamteinkommen während des Gesetzgebungsverfahrens den Sozialhilfeempfängern die beitragsfreie Familienversicherung erhalten werden. Dieses wäre bei einer Anknüpfung an die beitragspflichtigen Einnahmen iS des § 240 Abs 1, 2 SGB V nicht möglich, weil dazu die Regelleistungen der Sozialhilfe gehören (vgl BSGE 87, 228 = SozR 3-2500 § 240 Nr 34). Diese Frage könnte auch im Rahmen der seit langem notwendigen gesetzlichen Regelung zur Krankenversicherung dieses Personenkreises (vgl das Ende der genannten Entscheidung) mitbedacht werden.
5. Im vorliegenden Verfahren war die Revision der Beklagten zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über den Zugang zur Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Ehefrau des Klägers war freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse. Im Dezember 1996 beantragte der Kläger die Familienversicherung von diesem Monat an und legte den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1995 vor. Dieser wies lediglich Einkünfte aus Kapitalvermögen von 11.112 DM aus. Nach Abzug von Werbungskosten (1.856 DM) und eines Sparer-Freibetrages (9.256 DM) ergab sich ein zu versteuerndes Einkommen von Null DM. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab. Der Familienversicherung stehe entgegen, dass sein Gesamteinkommen die Grenze des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Halbsatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) überschreite, die im Jahre 1996 monatlich 590 DM betrug. Bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen könne der Sparer-Freibetrag nicht abgesetzt werden (Bescheid vom 22. Januar 1997, Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 1997).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 4. Februar 1998 abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger die Familienversicherung nur noch von Dezember 1996 bis August 1998 begehrt, weil er anschließend selbst Mitglied geworden war. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 28. Februar 2002 das Urteil des SG und den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben sowie festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, den Kläger für die genannte Zeit als Familienversicherten aufzunehmen. Zu Unrecht habe die Beklagte bei der Berechnung des Gesamteinkommens den Sparer-Freibetrag nach § 20 Abs 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unberücksichtigt gelassen. Das Gesamteinkommen iS des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Halbsatz 1 SGB V sei nach § 16 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) steuerrechtlich zu bestimmen. Soweit früher wegen der Ausnahmeregelung in Satz 2 des § 15 SGB IV steuerliche Vergünstigungen nicht berücksichtigt worden seien, gelte das nach der Änderung dieser Vorschrift seit 1995 nicht mehr.
Die Beklagte hat Revision eingelegt. Der Senat hat die Ehefrau des Klägers als Stammversicherte beigeladen. Die Beklagte rügt sinngemäß eine unzutreffende Anwendung der genannten Vorschriften durch das LSG. Der Sparer-Freibetrag sei auch weiterhin nicht absetzbar. Bei ihm handele es sich um einen aus wirtschafts- und steuerpolitischen Gründen gegriffenen Freibetrag, der - anders als die Werbungskosten - mit der Entstehung der Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht in Zusammenhang stehe. Vereinfachungsgründe, die zur Aufhebung von Satz 2 des § 15 SGB IV geführt hätten, träfen auf den Sparer-Freibetrag nicht zu, weil er den Steuerbescheiden unschwer zu entnehmen sei. Der Gesetzgeber habe entschieden, dass nur ein geringes Einkommen des Angehörigen für die Familienversicherung unschädlich sei. Dieser Gesetzeszweck werde verfehlt, wenn Personen mit Einkünften aus Kapitalvermögen den Sparer-Freibetrag abziehen könnten. Zudem seien andere, alle Einkommensarten übergreifende steuerliche Freibeträge wie Kinderfreibetrag oder Haushaltsfreibetrag nach § 32 EStG allein deshalb bei der Ermittlung des Gesamteinkommens nicht abzugsfähig, weil sie nur für spezielle Personenkreise steuerliche Vergünstigungen einräumten. Für den Sparer-Freibetrag dürfe nichts anderes gelten, nur weil er einer einzelnen Einkommensart zugeordnet sei. Eine übereinstimmende Behandlung des Sparer-Freibetrages im Steuerrecht und im Sozialversicherungsrecht bedeute in dem Bestreben nach Vereinheitlichung (§ 17 Abs 1 Satz 2 SGB IV) nur einen unwesentlichen Fortschritt, der aus Gleichbehandlungsgründen nicht zu rechtfertigen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 28. Februar 2002 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 4. Februar 1998 zurückzuweisen.
Der Kläger und die Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat zutreffend das Urteil des SG und den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben sowie sinngemäß die Pflicht der Beklagten zur Durchführung der Familienversicherung des Klägers festgestellt.
1. Die Familienversicherung des Klägers auf Grund der Mitgliedschaft der beigeladenen Ehefrau beruhte auf § 10 Abs 1 Satz 1 SGB V. Sie scheiterte nicht, was allein umstritten ist, am Überschreiten der Gesamteinkommensgrenze in Nr 5 Halbsatz 1 dieser Vorschrift. Das Gesamteinkommen des Klägers überstieg in der Zeit, um die es geht (Dezember 1996 bis August 1998), die Grenze in Höhe von einem Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nicht (1996 = 590 DM; 1997 = 610 DM; 1998 = 620 DM). Das LSG hat unangefochten ausgeführt und festgestellt, dass dieses nur in Betracht kam, weil der letzte vorliegende Einkommensteuerbescheid für 1995 Einkünfte aus Kapitalvermögen von 11.112 DM auswies. Das hätte ein monatliches Einkommen von 926 DM bedeutet und ohne Abzug des Sparer-Freibetrages zu einem Überschreiten der Grenze geführt. War dagegen der Sparer-Freibetrag von 9.256 DM (= rund 771 DM monatlich) abzuziehen, so wurde die Grenze bei weitem nicht mehr übertroffen. Die Behandlung der Werbungskosten von 1.856 DM (= rund 155 DM monatlich), deren Abzugsfähigkeit nicht umstritten ist, hat daher hier für die Grenzüberschreitung keine entscheidende Bedeutung. Den Sparer-Freibetrag hat das LSG zutreffend als abzugsfähig angesehen.
2. Unter dem Gesamteinkommen iS des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Halbsatz 1 SGB V ist das Gesamteinkommen des § 16 SGB IV zu verstehen. Danach ist das Gesamteinkommen die Summe der Einkünfte iS des Einkommensteuerrechts (Halbsatz 1). Es umfasst insbesondere das Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen (Halbsatz 2). Zur Summe der Einkünfte iS des Einkommensteuerrechts zählen die Einkünfte aus Kapitalvermögen, bei deren Ermittlung der Sparer-Freibetrag abzuziehen ist (§ 2 Abs 1 Satz 1 Nr 5, § 20 Abs 4 EStG; vgl schon BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 19 S 78 mit Nachweisen). Das gilt nunmehr auch für den Zugang zur Familienversicherung nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Halbsatz 1 SGB V.
3. Soweit die Rechtsprechung zum Gesamteinkommen früher zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, setzt der Senat sie für die Zeit ab 1995 nicht fort.
a) Das Bundessozialgericht (BSG) hat das Gesamteinkommen iS der Regelung über die Familienhilfe (bis Ende 1988 in § 205 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO)) und iS der Nachfolgeregelung zur Familienversicherung (ab 1989 in § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Halbsatz 1 SGB V) seit der Geltung des § 16 SGB IV (ab Juli 1977) grundsätzlich steuerrechtlich bestimmt (BSGE 48, 206, 207/208 = SozR 2200 § 205 Nr 22 S 42; BSG SozR 2200 § 205 Nr 23 S 46 ff; BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 19 S 76 ff). Ebenso ist es vorgegangen, soweit das Gesamteinkommen nach § 205 Abs 1 Satz 2 RVO (später § 10 Abs 3 Halbsatz 1 SGB V) für den Ausschluss der Kinder von der Familienhilfe (Familienversicherung) bedeutsam war, weil nur ein Elternteil der gesetzlichen Krankenversicherung angehörte (BSG SozR 2200 § 205 Nr 43, 45, 52; BSGE 62, 90 = SozR 2200 § 205 Nr 63). Nach dieser Rechtsprechung zum Gesamteinkommen waren Renten nicht mit dem Zahlbetrag, sondern nur mit dem Ertragsanteil zu berücksichtigen (BSGE 48, 206 = SozR 2200 § 205 Nr 22; BSG SozR 2200 § 205 Nr 23). Auch das Arbeitsentgelt aus abhängiger Beschäftigung wurde für die Bestimmung des Gesamteinkommens nicht als Bruttoarbeitsentgelt iS des § 14 Abs 1 SGB IV, sondern nach § 16 SGB IV in einer steuerlichen Betrachtungsweise zu Grunde gelegt und deshalb der Abzug von Werbungskosten zugelassen (BSGE 48, 206, 208/209 = SozR 2200 § 205 Nr 22 S 43 f; Nr 43 S 113/114; Nr 52 S 143 f; abweichend anscheinend BSG SozR 2200 § 205 Nr 23 S 49).
b) Andererseits minderten nach der Rechtsprechung bei den genannten und anderen Einkunftsarten "steuerliche Vergünstigungen" das Gesamteinkommen nicht (BSG SozR 2200 § 205 Nr 43 - Abschreibungen; BSG SozR 2200 § 205 Nr 45 - Absetzung für Abnutzung; BSG SozR 2200 § 205 Nr 52 - Weihnachts- und Arbeitnehmerfreibetrag; BSGE 62, 90 = SozR 2200 § 205 Nr 63 - Verlustausgleich; BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 19 - Sparer-Freibetrag). Zur Begründung dafür wurde hauptsächlich die dem § 16 SGB IV benachbarte Vorschrift des § 15 SGB IV ursprünglicher Fassung (aF) herangezogen. Nach dessen Satz 1 war das Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Satz 2 bestimmte jedoch, dass bei der Ermittlung des Gewinns steuerliche Vergünstigungen unberücksichtigt zu lassen und Veräußerungsgewinne abzuziehen waren. Nach der genannten Rechtsprechung hatten solche Vergünstigungen "zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung" beim Zugang zur Familienversicherung außer Ansatz zu bleiben. Auch die Ermächtigungsvorschrift für die Arbeitsentgelt-Verordnung (§ 17 Abs 1 SGB IV) lasse aus solchen Gründen Abweichungen des Sozialversicherungsrechts vom Steuerrecht zu. Der 10. Senat des BSG hat jedoch in der genannten Entscheidung (SozR 3-2500 § 10 Nr 19 S 80), welche die Zeit vor 1995 betraf, zum Sparer-Freibetrag bereits die Frage aufgeworfen, ob an dieser Rechtsprechung für die Zeit ab 1995 noch festzuhalten sei. Dieses verneint der erkennende 12. Senat nunmehr.
c) Mit Wirkung vom 1. Januar 1995 hat § 15 SGB IV durch Art 3 Nr 2 des Agrarsozialreformgesetzes (ASRG 1995) vom 29. Juli 1994 (BGBl I 1890) eine neue Fassung erhalten. Abs 1 Satz 1 nF bestimmt zwar wie Satz 1 aF, dass Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit ist. Nach Abs 1 Satz 2 nF ist aber anders als nach Satz 2 aF Einkommen nunmehr als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. Zur Begründung dieser Änderung ist in den Materialien ausgeführt worden (BT-Drucks 12/5700 S 92 zu Art 3 Nr 2): Das Arbeitseinkommen sei insbesondere beim Zusammentreffen mit Hinterbliebenenrenten von Bedeutung. Die Regelung des § 15 Satz 2 SGB IV, dass steuerliche Vergünstigungen bei der Feststellung des Arbeitseinkommens nicht zu berücksichtigen seien, führe in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten. So sei der Begriff der steuerlichen Vergünstigung im Steuerrecht nicht eindeutig bestimmt. Im Übrigen sei der Umfang solcher Vergünstigungen dem Steuerbescheid nicht zu entnehmen. Die Rentenversicherung müsse deshalb das entsprechende Steuerrecht selbst auslegen oder die Finanzämter um Amtshilfe bitten; Fehler bei der Rechtsanwendung und eine lange Bearbeitungsdauer seien die Folgen. Im Interesse der Verfahrensvereinfachung solle deshalb die Regelung des § 15 Satz 2 SGB IV entfallen. Das Arbeitseinkommen entspreche damit dem steuerrechtlichen Gewinn; dieser werde unverändert aus dem Steuerbescheid des Selbstständigen übernommen. Auch für die Bestimmung, welches Einkommen als Arbeitseinkommen zu werten sei, sei nach der neuen Regelung des § 15 Abs 1 Satz 2 SGB IV das Einkommensteuerrecht maßgebend. Damit werde eine volle Parallelität von Einkommensteuerrecht und Sozialversicherungsrecht sowohl bei der Zuordnung zum Arbeitseinkommen, als auch bei der Höhe des Arbeitseinkommens erreicht. Dies führe zu einer Verwaltungserleichterung bei den Sozialversicherungsträgern, sodass eigene Nachprüfungen dieser Träger in diesem Bereich entfielen.
d) Demnach sind beim Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit iS des § 15 Abs 1 SGB IV steuerliche Vergünstigungen nunmehr zu berücksichtigen. Das gilt auch, soweit dieses Arbeitseinkommen zum Gesamteinkommen gehört (§ 16 Halbsatz 2 SGB IV). Darüber hinaus ergibt sich aus der genannten Gesetzesänderung, dass die Unbeachtlichkeit steuerlicher Vergünstigungen auch bei anderen Einkommensarten, beim Gesamteinkommen und beim Zugang zur Familienversicherung nicht mehr mit § 15 Satz 2 SGB IV aF begründet werden kann. Hierfür ist unerheblich, dass die Neufassung dieser Vorschrift von der Rentenversicherung ausgegangen ist, weil sich bei der Anrechnung von Einkommen auf Renten Schwierigkeiten ergeben hatten. Die Neuregelung ist nicht auf die Rentenversicherung beschränkt, sondern in den Gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung vorgenommen worden. Sie gilt daher auch für die Krankenversicherung, in der nichts Abweichendes geregelt ist. Die Revision beruft sich zu Unrecht darauf, dass die Neuregelung mit Erkennungs- und Ermittlungsschwierigkeiten bei den steuerlichen Vergünstigungen begründet worden ist, die beim Sparer-Freibetrag nicht gegeben seien. Der Gesetzgeber hat die Änderung nicht auf Fälle mit den genannten Schwierigkeiten beschränkt, sondern eine allgemeine Verweisung auf das Steuerrecht vorgenommen, die demnach auch für leicht erkennbare steuerliche Vergünstigungen gilt. Der Senat sieht hiernach im Wege der Rechtsanwendung keine Begründung mehr dafür, eine steuerliche Vergünstigung wie den Sparer-Freibetrag für unbeachtlich zu halten. Soweit nach § 17 Abs 1 Satz 1 Nr 2 (ab 1.1.2002: Nr 3) SGB IV zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung abweichende Regelungen vom Steuerrecht getroffen werden können, ist das, falls nach dieser Vorschrift für den vorliegenden Sachverhalt zulässig, bisher nicht geschehen.
4. Der Senat verkennt nicht, dass durch die Berücksichtigung des Sparer-Freibetrags bei Einkünften aus Kapitalvermögen der Zugang zur Familienversicherung erleichtert wird. Das gilt in abgeschwächter Form auch, seit der Sparer-Freibetrag herabgesetzt worden ist (ab 2000). Die Familienversicherung würde ferner erweitert, wenn die vorliegende Entscheidung auf andere Einkommensarten und steuerliche Vergünstigungen übertragen würde. Sollte dieses, wie die Revision vorbringt, nicht iS des Gesetzgebers liegen, müsste er die Zugangsregelung ändern. Dabei sollte mitbedacht werden, dass die geltende Regelung gewisse Ungereimtheiten enthält und teilweise keine Übereinstimmung zwischen dem Zugang zur Familienversicherung und dem Beitragsrecht der freiwilligen Versicherung besteht. Dieses kann zu Anreizen führen, das Beitrittsrecht zur freiwilligen Versicherung (§ 9 SGB V) entweder nicht auszuüben oder die freiwillige Mitgliedschaft aufzugeben (§ 191 Nr 4 SGB V), um in die beitragsfreie Familienversicherung zu gelangen. Dadurch könnten freiwillig Versicherte gegenüber Pflichtversicherten begünstigt sein, denen dieser Weg verschlossen ist.
a) Bei Renten wird anders als nach § 205 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1, Satz 2 RVO und der dazu ergangenen Rechtsprechung (oben 3.a) seit dem Inkrafttreten des SGB V (1989) nicht mehr der steuerliche Ertragsanteil, sondern nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Halbsatz 2, Abs 3 Halbsatz 2 SGB V der Zahlbetrag, also der Bruttobetrag berücksichtigt. Diese Regelung hat der Senat auch auf Betriebsrenten angewandt (BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 5). Nach den Gesetzesmaterialien wurde bei Renten an den Zahlbetrag angeknüpft, um unbillige Ergebnisse zu vermeiden (BT-Drucks 11/3480 S 49 zu § 10). Worin diese gesehen wurden, wird dort nicht erläutert. Es können jedoch mitgliedschafts- und beitragsrechtliche Zusammenhänge vermutet werden (vgl Peters in Kasseler Komm, § 10 SGB V RdNr 16, Stand März 2001): Bei versicherungspflichtigen Rentnern gehört der Zahlbetrag von Renten und Versorgungsbezügen zu den beitragspflichtigen Einnahmen (§ 237 Satz 1 Nr 1, 2 SGB V). Diese Rentner können wegen des Vorrangs der unkündbaren Pflichtversicherung nicht in die beitragsfreie Familienversicherung wechseln (§ 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 iVm § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V; vgl BSGE 63, 51 = SozR 2200 § 165 Nr 93). Bei Rentnern, die den Zugang zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) hingegen verfehlen, gehören in einer freiwilligen Versicherung Renten zwar ebenfalls mit dem Zahlbetrag zu den beitragspflichtigen Einnahmen (§ 240 Abs 2 Satz 1 iVm § 237 Satz 1 Nr 1, 2 SGB V). Diese Rentner könnten aber, wenn die Renten lediglich mit dem Ertragsanteil zum Gesamteinkommen zählen würden, von einer freiwilligen Versicherung absehen oder aus ihr austreten, um in die Familienversicherung zu gelangen. Ein solches Vorgehen wird durch die Maßgeblichkeit des Rentenzahlbetrages auch beim Zugang zur Familienversicherung verhindert.
b) Beim Arbeitsentgelt aus abhängiger Beschäftigung ist für die Beurteilung der Versicherungspflicht das Bruttoarbeitentgelt iS des § 14 Abs 1 SGB IV maßgebend (Geringfügigkeitsgrenze des § 7 SGB V iVm § 8 SGB IV, Jahresarbeitsentgeltgrenze des § 6 Abs 1 Nr 1 Halbsatz 1 SGB V). Diese Bruttogröße ist sowohl bei versicherungspflichtig Beschäftigten als auch bei freiwillig Versicherten Grundlage der Beitragsbemessung (§ 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1, § 240 Abs 2 Satz 1 SGB V). Dem würde es entsprechen, wenn der Bruttobetrag des Arbeitsentgelts auch für den Zugang zur Familienversicherung maßgebend wäre, wie das bei den Renten der Fall ist (oben a). Auf den Bruttobetrag könnte der mit Wirkung vom 1. April 2003 angefügte Halbsatz 3 des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V hinweisen, wonach bei geringfügig Beschäftigten das zulässige Gesamteinkommen 400 Euro beträgt. Das steht mit dem Eintritt von Versicherungspflicht oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze von 400 Euro nur in Einklang, wenn die 400 Euro der Bruttobetrag sind. Wird demgegenüber beim Zugang zur Familienversicherung die frühere Rechtsprechung zur Berücksichtigung des Steuerrechts (oben 3.a) fortgeführt, können manche freiwillig versicherte Bezieher von Arbeitsentgelt in die Familienversicherung überwechseln.
c) Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit begründet keine Versicherungspflicht. Eine hauptberuflich selbstständige Tätigkeit schließt jede Versicherungspflicht und die Familienversicherung aus (§ 5 Abs 5, § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB V). Sofern Arbeitseinkommen aus nebenberuflich selbstständiger Tätigkeit bei versicherungspflichtigen (§ 226 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB V) oder bei freiwillig Versicherten (nach § 240 Abs 1, 2 SGB V) zu den beitragspflichtigen Einnahmen gehört, ist es wie beim Zugang zur Familienversicherung einheitlich iS des § 15 SGB IV zu verstehen. Deshalb gibt es hier keinen Anreiz, wegen der Anknüpfung an verschiedene Einkommensbegriffe von der freiwilligen Versicherung in die Familienversicherung zu wechseln. Die Maßgeblichkeit des Arbeitseinkommens iS des § 15 SGB IV bei freiwillig versicherten Selbstständigen beruht auf Besonderheiten dieser Tätigkeit gegenüber der abhängigen Beschäftigung (BSGE 79, 133 = SozR 3-2500 § 240 Nr 27; BVerfGE 103, 392 = SozR 3-2500 § 240 Nr 39).
d) Andere Einnahmen wie Einkünfte aus Kapitalvermögen oder aus Vermietung und Verpachtung werden durch die Anknüpfung der Familienversicherung an das Gesamteinkommen begünstigt. Derartige Einkünfte begründen keine Versicherungspflicht und gehören bei Versicherungspflichtigen nicht zu den beitragspflichtigen Einnahmen (vgl bei Beschäftigten § 226 SGB V). Sofern die Bezieher solcher anderen Einkünfte aber freiwillig versichert sind, können sie die freiwillige Mitgliedschaft zugunsten der Familienversicherung aufgeben, wenn die über Werbungskosten (vgl BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 31) hinausgehenden steuerlichen Vergünstigungen bei den beitragspflichtigen Einnahmen iS des § 240 Abs 1 SGB V nicht zu berücksichtigen, beim Gesamteinkommen des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Halbsatz 1, Abs 3 Halbsatz 1 SGB V aber abzugsfähig sind.
e) Eine gewisse Vereinheitlichung bei den verschiedenen Einnahmearten und eine Abstimmung mit dem Beitragsrecht der freiwilligen Versicherung könnte darin bestehen, in § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Halbsatz 1, Abs 3 Halbsatz 1 SGB V statt an das Gesamteinkommen iS des § 16 SGB IV an die beitragspflichtigen Einnahmen freiwillig Versicherter (§ 240 Abs 1, 2 SGB V) anzuknüpfen, zu denen mindestens die beitragspflichtigen Einnahmen der versicherungspflichtig Beschäftigten gehören (Abs 2 Satz 1). Dieser Weg war im Entwurf des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) auch vorgesehen, wo das Gesamteinkommen durch die "Einnahmen zum Lebensunterhalt" ersetzt werden sollte (BT-Drucks 11/2237 S 13), also die früheren beitragspflichtigen Einnahmen (Grundlohn) der freiwilligen Mitglieder nach § 180 Abs 4 Satz 1 RVO. Während des Gesetzgebungsverfahrens zum GRG ist hiervon jedoch wieder Abstand genommen und zum Gesamteinkommen zurückgekehrt worden (BT-Drucks 11/3320 S 9). Dies sollte bewirken, dass insbesondere der Bezug steuerfreier Sozialleistungen nicht zu einem Ausscheiden aus der Familienversicherung führen könne (BT-Drucks 11/3480 S 49 zu § 10). Bei Renten ist letzteres jedoch wiederum der Fall, weil bei ihnen, auch soweit sie steuerfrei sind, auf den Zahlbetrag abgestellt wird. Damit verwendet das Gesetz das "Bruttoprinzip" (beim Rentenzahlbetrag) und das "Nettoprinzip" (beim Gesamteinkommen) nebeneinander. Die sich daraus ergebenden Ungereimtheiten kann die Rechtsprechung nicht auflösen. Möglicherweise sollte mit der erwähnten Rückkehr zum Gesamteinkommen während des Gesetzgebungsverfahrens den Sozialhilfeempfängern die beitragsfreie Familienversicherung erhalten werden. Dieses wäre bei einer Anknüpfung an die beitragspflichtigen Einnahmen iS des § 240 Abs 1, 2 SGB V nicht möglich, weil dazu die Regelleistungen der Sozialhilfe gehören (vgl BSGE 87, 228 = SozR 3-2500 § 240 Nr 34). Diese Frage könnte auch im Rahmen der seit langem notwendigen gesetzlichen Regelung zur Krankenversicherung dieses Personenkreises (vgl das Ende der genannten Entscheidung) mitbedacht werden.
5. Im vorliegenden Verfahren war die Revision der Beklagten zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
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