Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 3 KR 14/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 793/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR).
Der am 00.00.1950 in B (Kasachstan) geborene Kläger kam 1995 nach Deutschland und nahm hier ab November 1995 eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf. Zuletzt war er vom 15.06.2013 bis zum 20.09.2014 aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld bei der Beklagten gegen Krankheit pflichtversichert. Seit dem besteht eine freiwillige Versicherung.
Am 01.07.2014 stellte der Kläger einen Antrag auf knappschaftliches Ruhegeld, welches ihm ab dem 01.10.2014 in Höhe von 435,01 EUR brutto monatlich gewährt wurde.
Mit Bescheid vom 10.07.2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Durchführung der KVdR aufgrund der nicht erfüllten Vorversicherungszeit nicht möglich sei.
Hiergegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt. Er macht geltend, die Beklagte gehe bei der Berechnung der Vorversicherungszeiten zu Unrecht von der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Jahre 1966 aus. Bis 1968 sei er lediglich als Praktikant tätig gewesen, was keine Erwerbstätigkeit darstelle. Der Kläger erachtet zudem die Regelungen zur notwendigen Vorversicherungszeit als verfassungswidrig. Die Zeiten seiner Berufstätigkeit in der früheren Sowjetunion seien nicht zu berücksichtigen.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.2014 als unbegründet zurück. Die Rahmenfrist zur Berechnung der Vorversicherungszeit beginne im Falle des Klägers am 29.06.1966 und ende am 01.07.2014. Die zweite Hälfte dieses Zeitraumes beginne am 01.07.1990. Die notwendig zu erfüllende Vorversicherungszeit betrage 21 Jahre, 7 Monate und 12 Tage. Der Kläger könne dem gegenüber nur Vorversicherungszeiten von 18 Jahren, 6 Monaten und 29 Tagen nachweisen. Ausweislich des Arbeitsbuches des Klägers sei er ab dem 29.06.1966 als Arbeiter eingestellt worden, so dass an diesem Tage die Rahmenfrist beginnen würde.
Am 12.01.2015 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht erneut geltend, die Zeiten seines Praktikums zwischen 1966 und 1968 stellten keine Erwerbstätigkeit dar. Die Regelungen zur Aufnahme in die KVdR seien aus seiner Sicht verfassungswidrig. Er habe sehr lange in Deutschland versicherungspflichtig gearbeitet. Aufgrund der geltenden gesetzlichen Regelungen sei es für ihn viel schwieriger, die Vorversicherungszeit zu erfüllen als für Arbeitnehmer, die wesentlich kürzer zwischen der erstmaligen Aufnahme der Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrages tätig gewesen seien. Zudem berücksichtige die Beklagte die Zeiten seiner Krankenversicherungspflicht in seiner früheren Heimat zu Unrecht nicht.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 10.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2014 festzustellen, dass er ab dem 21.09.2014 der Versicherungspflicht in der KVdR unterliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. Ergänzend verweist sie auf folgendes: Die notwendige Vorversicherungszeit sei auch dann nicht erfüllt, wenn man - wie vom Kläger gewollt - von einer Arbeitsaufnahme am 02.01.1972 ausgehen würde. Dann beginne die zweite Hälfte der Rahmenfrist mit dem 02.04.1993. Der Kläger habe in der Folgezeit Versicherungszeiten von 18 Jahren, 7 Monaten und 7 Tagen nachgewiesen. Die notwendige Vorversicherungszeit betrage aber 19 Jahre, 1 Monat und 20 Tage.
Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-, Bahn- See übersandte auf Anfrage des Gerichts einen Versicherungsverlauf, aus dem sich die versicherungspflichtigen Zeiten des Klägers seit dem 27.11.1995 ergeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG in seinen Rechten. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger nicht ab dem 21.09.2014 versicherungspflichtig in der KVdR ist.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sind Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraumes Mitglied oder nach § 10 versichert waren, versicherungspflichtig in der KVdR.
Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nach den zutreffenden Feststellungen der Beklagten nicht.
Die maßgebliche Rahmenfrist zur Beurteilung der Vorversicherungszeit beginnt vorliegend am 29.06.1966. An diesem Tag hat der Kläger nach dem von ihm vorgelegten Arbeitsbuch eine Tätigkeit als Arbeiter im Werk für Fahrzeuginstanthaltung B aufgenommen. Am Beginn der Rahmenfrist ändert sich nichts, auch wenn der Kläger gemäß der von ihm vorgelegten Bescheinigung vom 21.08.2015 im Zeitraum vom 10.06.1968 bis zum 20.10.1969 lediglich als Praktikant tätig gewesen ist. Auch in der Aufnahme eines (entgeltlichen) Praktikums liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, mit der die Rahmenfrist für die Vorversicherungszeit in der Krankenversicherung der Rentner beginnt (vgl. BSG, Urteil vom 22.02.1996, 12 Rk 33/94; SozR 3-2200 § 165 Nr. 15). Die zu berücksichtigende Rahmenfrist umfasst den Zeitraum vom 29.06.1966 bis zum 01.07.2014. Die für die Durchführung einer KVdR erforderliche Vorversicherungszeit war in der zweiten Hälfte der gebildeten Rahmenfrist zu erfüllen. Dieser Zeitraum verlief vom 01.07.1990 bis zum 01.07.2014. Zur Erfüllung der Vorversicherungszeit war eine Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung für 21 Jahre, 7 Monate und 12 Tage erforderlich. Im Falle des Klägers bestehen jedoch nur anrechenbare Versicherungszeiten von 18 Jahren, 6 Monaten und 29 Tagen. Die notwendige Vorversicherungszeit ist damit nicht erfüllt.
Gleiches würde gelten, wenn man von einer erstmaligen Aufnahme der Erwerbstätigkeit am 02.01.1972 ausgehen würde. An diesem Tag wurde der Kläger nach dem Arbeitsbuch als Instandhaltungsschlosser im Silikatwerk B eingestellt. Die zweite Hälfte der maßgeblichen Rahmenfrist würde dann am 02.04.1993 beginnen. In dieser Zeit weist der Kläger Versicherungszeiten von 18 Jahren, 7 Monaten und 7 Tagen auf. Die notwendige Vorversicherungszeit von 19 Jahren, 1 Monat und 20 Tagen erfüllt er damit ebenfalls nicht.
Gegen das Erfordernis einer Vorversicherungszeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V bestehen nach Auffassung der Kammer keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Der Kläger ist insbesondere nicht in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt. Durch den dort normierten Gleichbehandlungsgrundsatz wird dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das betreffende Grundrecht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nur dann, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.11.1998, 1 BvL 50/92; BVerfG E 99, 165 – 185). Die vom Kläger behauptete Verletzung des Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG hat er sinngemäß mit der konkreten Ausgestaltung der nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V geforderten Vorversicherungszeit begründet. Danach können Rentner mit kürzeren Beitragszeiten als er selbst Mitglied der KVdR werden. Soweit nachvollziehbar meint der Kläger, ihm sei die Mitgliedschaft schon wegen seiner langjährigen Tätigkeit nicht zu verwehren. Diese Ungleichbehandlung ist indes durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt. § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V stellt bei der Berechnung der Vorversicherungszeit auf die individuelle Erwerbsbiografie des jeweiligen Rentners ab. Rentner sind grundsätzlich nur dann versichert, wenn sie mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens der gesetzlichen Krankenversicherung angehört haben oder als Familienangehöriger eines Kassenmitglieds nach § 10 SGB V versichert waren. Durch die Zugangsverschärfung in § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V wollte der Gesetzgeber den Gedanken der Solidarität stärker als bisher betonen und vermeiden, die Versichertengemeinschaft mit Krankheitskosten von Personen zu belasten, die während der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens der gesetzlichen Krankenversicherung nicht längere Zeit angehört haben (vgl. Bundestags-Drucksache 11/2237). Das Kriterium der Leistungsfähigkeit der Solidargemeinschaft ist dabei eines der Prinzipien, die den Gesetzgeber bei der Einrichtung einer Pflichtversicherung insgesamt leiteten und kann ein Anhaltspunkt einer Sachgerechtigkeit einer Grenzziehung mit der Folge unterschiedlicher Beitragslast sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.03.2000, 1 BvL 16/96 u.a.; SozR 3-2500 § 5 Nr. 42). Bei der Verschärfung des Zugangs zur KVdR aus dem gewichtigen Grund der Stabilisierung der finanziellen Situation der gesetzlichen Krankenversicherung hätte der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten gehabt. Er hätte für den Zugang zu der Pflichtversicherung auch auf die (absolute) Anzahl der Beiträge beziehungsweise die Dauer der Versicherungszeit abstellen können. Tatsächlich hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Vorversicherungszeit auf die individuelle Erwerbsbiografie abgestellt und zudem den Schwerpunkt auf die zweite Hälfte des individuellen Erwerbslebens gelegt. Nur diejenigen sind auch als schutzbedürftig einbezogen worden, die nach ihrer individuellen Erwerbsbiografie längere Zeit in der zweiten Hälfte ihres Berufslebens der Solidargemeinschaft angehört haben. Letzteres erscheint sachgerecht, weil die zweite Hälfte des Erwerbslebens zeitlich näher an den jeweiligen Leistungsfall heranreicht als die erste Hälfte des Erwerbslebens und Mitnahmeeffekte vermieden werden sollten. Die getroffene Regelung ist unter dem Gesichtspunkt der Schutzbedürftigkeit des Einzelnen einer Regelung vorzuziehen, die auf die absolute Anzahl der Versicherungsjahre beziehungsweise Beiträge abstellt. Hinsichtlich des Erfordernisses der sogenannten Halbbelegung als solcher hat das BVerfG keine verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.03.2000, a. a. O.) Für die verfassungsrechtliche Bewertung ist im Übrigen von Gewicht, dass Personengruppen wie der Kläger beim Ausschluss von der KVdR nicht ohne Krankenversicherungsschutz sind, sondern den Versicherungsschutz im Rahmen einer freiwilligen Mitgliedschaft fortführen können (vgl. BVerfG, Urteil vom 03.04.2001, 1 BvR 81/98; SozR 3-3300 § 20 Nr. 6).
Auch für die Verletzung anderer verfassungsrechtlicher Normen bestehen keine ernsthaften Anhaltspunkte. Soweit der Kläger geltend macht, er verfehle die Vorversicherungszeit nur um wenige Monate, liegt dieser Umstand im Übrigen allein im Bestehen dieser gesetzlichen Frist und begründet mit der Folge, dass bei einer Verkürzung dieser Frist im Einzelfall das Erfordernis einer Vorversicherungszeit von bestimmter Länge nicht mehr gelten würde und für die Fristberechnung dann kein Maßstab mehr bestünde. Wie bei Stichtagsregelungen muss sich auch bei solchen Fristen die verfassungsrechtliche Prüfung darauf beschränken, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und die gefundene Lösung sich im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt oder als willkürlich erscheint. Wie eben dargelegt, kam es dem Gesetzgeber mit der sogenannten Rahmenfrist darauf an, das vorangegangene Erwerbsleben zu erfassen. In dem er für das Ende dieser Frist an den Zeitpunkt der Rentenantragstellung angeknüpft hat, hat er letztlich auf den darin zu Ausdruck kommenden Willen abgehoben, aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Die Wahl des Zeitpunkts der Rentenantragsstellung für das Ende der sogenannten Rahmenfrist orientiert sich insoweit am gegebenen Sachverhalt und ist sachlich vertretbar (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 04.06.2009, B 12 KR 26/07 R; SozR 4-2500 § 5 Nr. 8).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR).
Der am 00.00.1950 in B (Kasachstan) geborene Kläger kam 1995 nach Deutschland und nahm hier ab November 1995 eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf. Zuletzt war er vom 15.06.2013 bis zum 20.09.2014 aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld bei der Beklagten gegen Krankheit pflichtversichert. Seit dem besteht eine freiwillige Versicherung.
Am 01.07.2014 stellte der Kläger einen Antrag auf knappschaftliches Ruhegeld, welches ihm ab dem 01.10.2014 in Höhe von 435,01 EUR brutto monatlich gewährt wurde.
Mit Bescheid vom 10.07.2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Durchführung der KVdR aufgrund der nicht erfüllten Vorversicherungszeit nicht möglich sei.
Hiergegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt. Er macht geltend, die Beklagte gehe bei der Berechnung der Vorversicherungszeiten zu Unrecht von der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Jahre 1966 aus. Bis 1968 sei er lediglich als Praktikant tätig gewesen, was keine Erwerbstätigkeit darstelle. Der Kläger erachtet zudem die Regelungen zur notwendigen Vorversicherungszeit als verfassungswidrig. Die Zeiten seiner Berufstätigkeit in der früheren Sowjetunion seien nicht zu berücksichtigen.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.2014 als unbegründet zurück. Die Rahmenfrist zur Berechnung der Vorversicherungszeit beginne im Falle des Klägers am 29.06.1966 und ende am 01.07.2014. Die zweite Hälfte dieses Zeitraumes beginne am 01.07.1990. Die notwendig zu erfüllende Vorversicherungszeit betrage 21 Jahre, 7 Monate und 12 Tage. Der Kläger könne dem gegenüber nur Vorversicherungszeiten von 18 Jahren, 6 Monaten und 29 Tagen nachweisen. Ausweislich des Arbeitsbuches des Klägers sei er ab dem 29.06.1966 als Arbeiter eingestellt worden, so dass an diesem Tage die Rahmenfrist beginnen würde.
Am 12.01.2015 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht erneut geltend, die Zeiten seines Praktikums zwischen 1966 und 1968 stellten keine Erwerbstätigkeit dar. Die Regelungen zur Aufnahme in die KVdR seien aus seiner Sicht verfassungswidrig. Er habe sehr lange in Deutschland versicherungspflichtig gearbeitet. Aufgrund der geltenden gesetzlichen Regelungen sei es für ihn viel schwieriger, die Vorversicherungszeit zu erfüllen als für Arbeitnehmer, die wesentlich kürzer zwischen der erstmaligen Aufnahme der Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrages tätig gewesen seien. Zudem berücksichtige die Beklagte die Zeiten seiner Krankenversicherungspflicht in seiner früheren Heimat zu Unrecht nicht.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 10.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2014 festzustellen, dass er ab dem 21.09.2014 der Versicherungspflicht in der KVdR unterliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. Ergänzend verweist sie auf folgendes: Die notwendige Vorversicherungszeit sei auch dann nicht erfüllt, wenn man - wie vom Kläger gewollt - von einer Arbeitsaufnahme am 02.01.1972 ausgehen würde. Dann beginne die zweite Hälfte der Rahmenfrist mit dem 02.04.1993. Der Kläger habe in der Folgezeit Versicherungszeiten von 18 Jahren, 7 Monaten und 7 Tagen nachgewiesen. Die notwendige Vorversicherungszeit betrage aber 19 Jahre, 1 Monat und 20 Tage.
Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-, Bahn- See übersandte auf Anfrage des Gerichts einen Versicherungsverlauf, aus dem sich die versicherungspflichtigen Zeiten des Klägers seit dem 27.11.1995 ergeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG in seinen Rechten. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger nicht ab dem 21.09.2014 versicherungspflichtig in der KVdR ist.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sind Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraumes Mitglied oder nach § 10 versichert waren, versicherungspflichtig in der KVdR.
Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nach den zutreffenden Feststellungen der Beklagten nicht.
Die maßgebliche Rahmenfrist zur Beurteilung der Vorversicherungszeit beginnt vorliegend am 29.06.1966. An diesem Tag hat der Kläger nach dem von ihm vorgelegten Arbeitsbuch eine Tätigkeit als Arbeiter im Werk für Fahrzeuginstanthaltung B aufgenommen. Am Beginn der Rahmenfrist ändert sich nichts, auch wenn der Kläger gemäß der von ihm vorgelegten Bescheinigung vom 21.08.2015 im Zeitraum vom 10.06.1968 bis zum 20.10.1969 lediglich als Praktikant tätig gewesen ist. Auch in der Aufnahme eines (entgeltlichen) Praktikums liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, mit der die Rahmenfrist für die Vorversicherungszeit in der Krankenversicherung der Rentner beginnt (vgl. BSG, Urteil vom 22.02.1996, 12 Rk 33/94; SozR 3-2200 § 165 Nr. 15). Die zu berücksichtigende Rahmenfrist umfasst den Zeitraum vom 29.06.1966 bis zum 01.07.2014. Die für die Durchführung einer KVdR erforderliche Vorversicherungszeit war in der zweiten Hälfte der gebildeten Rahmenfrist zu erfüllen. Dieser Zeitraum verlief vom 01.07.1990 bis zum 01.07.2014. Zur Erfüllung der Vorversicherungszeit war eine Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung für 21 Jahre, 7 Monate und 12 Tage erforderlich. Im Falle des Klägers bestehen jedoch nur anrechenbare Versicherungszeiten von 18 Jahren, 6 Monaten und 29 Tagen. Die notwendige Vorversicherungszeit ist damit nicht erfüllt.
Gleiches würde gelten, wenn man von einer erstmaligen Aufnahme der Erwerbstätigkeit am 02.01.1972 ausgehen würde. An diesem Tag wurde der Kläger nach dem Arbeitsbuch als Instandhaltungsschlosser im Silikatwerk B eingestellt. Die zweite Hälfte der maßgeblichen Rahmenfrist würde dann am 02.04.1993 beginnen. In dieser Zeit weist der Kläger Versicherungszeiten von 18 Jahren, 7 Monaten und 7 Tagen auf. Die notwendige Vorversicherungszeit von 19 Jahren, 1 Monat und 20 Tagen erfüllt er damit ebenfalls nicht.
Gegen das Erfordernis einer Vorversicherungszeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V bestehen nach Auffassung der Kammer keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Der Kläger ist insbesondere nicht in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt. Durch den dort normierten Gleichbehandlungsgrundsatz wird dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das betreffende Grundrecht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nur dann, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.11.1998, 1 BvL 50/92; BVerfG E 99, 165 – 185). Die vom Kläger behauptete Verletzung des Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG hat er sinngemäß mit der konkreten Ausgestaltung der nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V geforderten Vorversicherungszeit begründet. Danach können Rentner mit kürzeren Beitragszeiten als er selbst Mitglied der KVdR werden. Soweit nachvollziehbar meint der Kläger, ihm sei die Mitgliedschaft schon wegen seiner langjährigen Tätigkeit nicht zu verwehren. Diese Ungleichbehandlung ist indes durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt. § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V stellt bei der Berechnung der Vorversicherungszeit auf die individuelle Erwerbsbiografie des jeweiligen Rentners ab. Rentner sind grundsätzlich nur dann versichert, wenn sie mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens der gesetzlichen Krankenversicherung angehört haben oder als Familienangehöriger eines Kassenmitglieds nach § 10 SGB V versichert waren. Durch die Zugangsverschärfung in § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V wollte der Gesetzgeber den Gedanken der Solidarität stärker als bisher betonen und vermeiden, die Versichertengemeinschaft mit Krankheitskosten von Personen zu belasten, die während der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens der gesetzlichen Krankenversicherung nicht längere Zeit angehört haben (vgl. Bundestags-Drucksache 11/2237). Das Kriterium der Leistungsfähigkeit der Solidargemeinschaft ist dabei eines der Prinzipien, die den Gesetzgeber bei der Einrichtung einer Pflichtversicherung insgesamt leiteten und kann ein Anhaltspunkt einer Sachgerechtigkeit einer Grenzziehung mit der Folge unterschiedlicher Beitragslast sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.03.2000, 1 BvL 16/96 u.a.; SozR 3-2500 § 5 Nr. 42). Bei der Verschärfung des Zugangs zur KVdR aus dem gewichtigen Grund der Stabilisierung der finanziellen Situation der gesetzlichen Krankenversicherung hätte der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten gehabt. Er hätte für den Zugang zu der Pflichtversicherung auch auf die (absolute) Anzahl der Beiträge beziehungsweise die Dauer der Versicherungszeit abstellen können. Tatsächlich hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Vorversicherungszeit auf die individuelle Erwerbsbiografie abgestellt und zudem den Schwerpunkt auf die zweite Hälfte des individuellen Erwerbslebens gelegt. Nur diejenigen sind auch als schutzbedürftig einbezogen worden, die nach ihrer individuellen Erwerbsbiografie längere Zeit in der zweiten Hälfte ihres Berufslebens der Solidargemeinschaft angehört haben. Letzteres erscheint sachgerecht, weil die zweite Hälfte des Erwerbslebens zeitlich näher an den jeweiligen Leistungsfall heranreicht als die erste Hälfte des Erwerbslebens und Mitnahmeeffekte vermieden werden sollten. Die getroffene Regelung ist unter dem Gesichtspunkt der Schutzbedürftigkeit des Einzelnen einer Regelung vorzuziehen, die auf die absolute Anzahl der Versicherungsjahre beziehungsweise Beiträge abstellt. Hinsichtlich des Erfordernisses der sogenannten Halbbelegung als solcher hat das BVerfG keine verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.03.2000, a. a. O.) Für die verfassungsrechtliche Bewertung ist im Übrigen von Gewicht, dass Personengruppen wie der Kläger beim Ausschluss von der KVdR nicht ohne Krankenversicherungsschutz sind, sondern den Versicherungsschutz im Rahmen einer freiwilligen Mitgliedschaft fortführen können (vgl. BVerfG, Urteil vom 03.04.2001, 1 BvR 81/98; SozR 3-3300 § 20 Nr. 6).
Auch für die Verletzung anderer verfassungsrechtlicher Normen bestehen keine ernsthaften Anhaltspunkte. Soweit der Kläger geltend macht, er verfehle die Vorversicherungszeit nur um wenige Monate, liegt dieser Umstand im Übrigen allein im Bestehen dieser gesetzlichen Frist und begründet mit der Folge, dass bei einer Verkürzung dieser Frist im Einzelfall das Erfordernis einer Vorversicherungszeit von bestimmter Länge nicht mehr gelten würde und für die Fristberechnung dann kein Maßstab mehr bestünde. Wie bei Stichtagsregelungen muss sich auch bei solchen Fristen die verfassungsrechtliche Prüfung darauf beschränken, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und die gefundene Lösung sich im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt oder als willkürlich erscheint. Wie eben dargelegt, kam es dem Gesetzgeber mit der sogenannten Rahmenfrist darauf an, das vorangegangene Erwerbsleben zu erfassen. In dem er für das Ende dieser Frist an den Zeitpunkt der Rentenantragstellung angeknüpft hat, hat er letztlich auf den darin zu Ausdruck kommenden Willen abgehoben, aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Die Wahl des Zeitpunkts der Rentenantragsstellung für das Ende der sogenannten Rahmenfrist orientiert sich insoweit am gegebenen Sachverhalt und ist sachlich vertretbar (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 04.06.2009, B 12 KR 26/07 R; SozR 4-2500 § 5 Nr. 8).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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