Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 8/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 83/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.01.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg), wobei die Beteiligten insbesondere um die Erfüllung der Anwartschaftszeit streiten.
Die 1957 geborene Klägerin war vom 01.04.1992 bis 16.03.1993 als Sales Assistent beschäftigt. Vom 01.02.1993 bis zum 16.03.1993 hat sie Mutterschaftsgeld und vom 17.03.1993 bis zum 18.07.1995 Erziehungsgeld bezogen. Am 12.06.1996 hat sich die Klägerin arbeitslos gemeldet. Die Beklagte hat ihr daraufhin Alg ab dem 12.06.1996 für eine Dauer von 312 Kalendertagen bewilligt und bis zum Eintritt von Mutterschaftsgeld (04.05.1997 bis 10.08.1997 = 99 Kalendertage) gezahlt (Geburt des Sohnes am 15.06.1997). Bis zum 06.06.2000 hat die Klägerin Erziehungsgeld bezogen. Sie hat sich am 07.06.2000 erneut arbeitslos gemeldet. Auf den Antrag der Klägerin vom 30.06.2000 hat die Beklagte ihr Alg ab dem 07.06.2000 für eine Anspruchsdauer von 265 Kalendertagen weiter bewilligt (Bescheid vom 17.08.2000).
Die Klägerin war ab dem 26.09.2000 arbeitsunfähig krank. Die Beklagte hat bis zum 06.11.2000 das Alg weitergezahlt. Mit Bescheid vom 08.11.2000 hat sie die Bewilligung von Alg mit Wirkung vom 07.11.2000 aufgehoben, weil die Klägerin ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf Krankengeld habe.
Nach Bezug von Krankengeld vom 07.11.2000 bis zum 17.11.2000 (11 Kalendertage) hat sich die Klägerin am 15.11.2000 erneut arbeitslos gemeldet und die Gewährung von Alg beantragt.
Den Antrag hat die Beklagte mit Bescheid vom 29.11.2000 abgelehnt. Zur Begründung ihres dagegen eingelegten Widerspruchs vom 05.12.2000 hob die Klägerin hervor, dass die Beklagte ausweislich des Bescheides vom 17.08.2000 Alg für eine Dauer von 265 Kalendertagen bewilligt und sie nach dem Bezug des Krankengeldes rechtzeitig die Fortsetzung des Alg beantragt habe.
Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspuchsbescheid vom 29.12.2000 zurück. Die Klägerin habe die vorausgesetzte Anwartschaftszeit für einen neuen Anspruch auf Alg nicht erfüllt. Hierfür sei notwendig, dass sie in der Rahmenfrist, die hier die Zeit vom 17.11.2000 bis zum 18.11.1997 umfasse, mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Die Klägerin habe jedoch nur insgesamt 253 Kalendertage an die Anwartschaft begründeten Zeiten zurückgelegt. Dies seien die Zeiten des Mutterschaftsgeldbezuges vom 04.05.1997 bis 10.08.1997 (99 Kalendertage), des Erziehungsgeldbezuges vom 11.08.1997 bis 31.12.1997 (143 Kalendertage) und des Bezuges von Krankengeld (07.11.2000 bis 17.11.2000, 11 Kalendertage). Der am 12.06.1996 entstandene Anspruch könne nicht weiter bewilligt werden, da er nach Ablauf von vier Jahren nach seiner Entstehung erloschen sei.
Dagegen hat die Klägerin am 04.01.2001 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und vorgetragen, dass die Beklagte es versäumt habe, die Zeit ihres Erziehungsurlaubes vom 01.01.1998 bis zum 14.07.2000 als Anwartschaftszeit zu berücksichtigen. Sie könne auch nicht verstehen, warum der Bezug des Krankengeldes den Fortbestand des Alg-Anspruches verhindert habe.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.01.2002). Die Anwartschaftszeit habe die Beklagte zu Recht als nicht erfüllt angesehen. Bei der Berechnung der Rahmenfrist bleibe die Zeit des Erziehungsgeldbezuges vom 01.01.1998 bis 06.06.2000 unberücksichtigt. Denn nach § 427 Abs 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bleiben Zeiten, die - wie die Zeit des Bezuges von Erziehungsgeld - nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der zuletzt geltenden Fassung einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichstanden, bei der Anwendung der Regelung zur Berechnung der Rahmenfrist unberücksichtigt. Damit sei von einer Rahmenfrist vom 12.06.1996 bis 17.11.2000 auszugehen. In diesem Zeitraum könne die Klägerin mit den von der Beklagten zutreffend berücksichtigten Zeiten insgesamt 252 (richtig: 253) Kalendertage eine weitere beitragspflichtige Beschäftigung nachweisen. Die Zeit des Erziehungsgeldbezuges vom 01.01.1998 bis 06.06.2000 bleibe ohne Anrechnung. Nach den Vorschriften des SGB III könne diese Zeit im Gegensatz zu den Regelungen des AFG nicht einem Versicherungspflichtverhältnis gleichgestellt werden. Im Übrigen könne die Klägerin auch nicht die Weitergewährung des Anspruches auf Alg auf Grund ihrer Arbeitslosmeldung vom 12.06.1996 beanspruchen, da dieser Anspruch am 12.06.2000 erloschen sei.
Am 28.02.2002 hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres damaligen Prozessbevollmächtigten Berufung beim Bayer. Landessozialgericht ohne Begründung eingelegt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.01.2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29.11.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld ab dem 18.11.2000 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgericht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29.11.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2000 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Recht die Gewährung von Alg für die Zeit ab dem 18.11.2000 abgelehnt.
Voraussetzung für den Anspruch auf Alg ist u.a. die Erfüllung der Anwartschaftszeit (§ 117 Abs 1 Nr 3 SGB III). Die Anwartschaft hat nach § 123 Satz 1 Nr 1 SGB III erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate (360 Kalendertage, § 339 Satz 2 SGB III) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt grundsätzlich drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg (§ 124 Abs 1 SGB III). Nach Arbeitslosmeldung und Auslaufen des Krankengeldbezuges hat die Klägerin die weiteren Voraussetzungen des Alg-Anspruches am 18.11.2000 erfüllt, so dass die Rahmenfrist vom 17.11.2000 bis 18.11.1997 läuft. Allerdings werden Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes des Arbeitslosen,in denen das Kind das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, in die Rahmenfrist nicht mit eingerechnet (§ 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung). Dies ist der Ausgleich dafür, dass diese Zeit nach dem SGB III kein Versicherungspflichtverhältnis im Sinne der §§ 24 ff SGB III begründet (vgl. BT-Drucks 13/4941 S 158). Jedoch gilt dies nach § 427 Abs 2 SGB III nicht für solche Zeiten, die nach dem AFG in der zuletzt geltenden Fassung einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichstanden. Insofern soll nach dieser Regelung eine Doppelberücksichtigung von Zeiten vor dem In-Kraft-Treten des SGB III, also bis zum 31.12.1997, vermieden werden, die bereits zur Erfüllung der Anwartschaft dienen (vgl. BT-Drucks 13/4941 S 227). Dies war beim Erziehungsgeld nach § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst c AFG der Fall, so dass sich für die Klägerin die Zeiten des Bezuges des Erziehungsgeldes, die insoweit der Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes im Sinne von § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III entsprechen, unterschiedlich auswirken. Nur die Zeit vom 01.01.1998 bis zum 06.06.2000 führt zur Verlängerung der Rahmenfrist und zwar an sich um 29 Monate und 6 Tage zurück bis zum 12.06.1995. Sie erstreckt sich aber längstens zurück bis zum 12.06.1996. Denn nach § 124 Abs 2 SGB III reicht die Rahmenfrist nicht in eine vorausgegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hat. Also reicht die Rahmenfrist nur bis zum 12.06.1996, denn die Klägerin hatte zuletzt eine Anwartschaftszeit anlässlich der Arbeitslosmeldung und Antragstellung am 12.06.1996 erfüllt.
In der Rahmenfrist vom 12.06.1996 bis 17.11.2000 hat die Klägerin nicht mindestens 12 Monate (360 Kalendertage), sondern nur 253 Kalendertage in einem Versicherungspflichtverhälntis gestanden. Als anwartschaftsbegründende Zeiten sind zunächst die Zeiten des Mutterschaftsgeldbezuges vom 04.05.1997 bis 10.08.1997 (99 Kalendertage) und des Erziehungsgeldbezuges vom 11.08.1997 bis 31.12.1997 (143 Kalendertage) zu berücksichtigen. Diese Zeiten standen nach § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst. b und c AFG den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleich und stehen daher auch den Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses gleich (§ 427 Abs 3 SGB III). Es kommt die Zeit des Krankengeldbezuges vom 07.11.2000 bis 17.11.2000 (11 Kalendertage) hinzu (§§ 24 Abs 1, 26 Abs 2 Nr 1 SGB III), so dass innerhalb der Rahmenfrist insgesamt nur 253 Kalendertage als Anwartschaftszeit vorliegen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Zeit des Erziehungsgeldbezuges vom 01.01.1998 bis 06.06.2000 oder entsprechend die Zeit des Erziehungsurlaubes nicht als Anwartschaftszeit zu berücksichtigen. Abweichend von der bis zum 31.12.1997 geltenden Rechtslage nach § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst.c AFG kann nach den anzuwendenden Vorschriften des SGB III die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg nicht durch den Bezug von Erziehungsgeld erfüllt werden. Dagegen führen ab dem 01.01.2003 Zeiten der Erziehung eines Kindes, das das 3. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, zur Versicherungspflicht und damit zu einem anwartschaftsbegründenden Versicherungspflichtverhältnis (vgl. § 26 Abs 2a SGB III, eingeführt mWv 01.01.2002 durch das Job-AQTIV-Gesetz vom 10.12.2001, BGBl I 3443). Nach der Übergangsregelung des § 434d SGB III verbleibt es für Zeiten der Kindererziehung vor dem 01.01.2003 bei der bisherigen Regelung des § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III.
Im Ergebnis scheitert die Erfüllung der Anwartschaftszeit daran, dass der Bezug des Erziehungsgeldes für die Zeit ab dem 01.01.1998 nicht die Versicherungspflicht begründet. § 26 Abs 2 SGB III, der abschließend die Versicherungspflicht beim Bezug öffentlich-rechtlicher Leistungen regelt, sieht in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung u.a. vor, dass Personen in der Zeit versicherungspflichtig sind, für die sie von einem Leistungsträger Krankengeld, Versorgungskrankengeld oder von einem Träger der medizinischen Rehabilitation Übergangsgeld beziehen. Diese Regelung ist nicht insofern verfassungswidrig, als Personen in der Zeit des Bezuges von Erziehungsgeld anders als etwa Bezieher von Krankengeld nicht versicherungspflichtig sind (vgl. zu der bis zum 31.12.2002 abweichenden Behandlung von Mutterschaftsgeld im Vergleich zum Krankengeld den Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts vom 20.06.2001, Az: B 11 AL 20/01, NZS 2002, 100). Das Gebot der Gleichheit vor dem Gesetz nach Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) wird hierdurch nicht verletzt. Art 3 Abs 1 GG ist verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen Unterschiede nicht bestehen, die die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Die Privilegierung der Leistungsbezieher nach § 26 Abs 2 SGB III beruht darauf, dass der Betroffene wegen einer Krankheit als einem regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand daran gehindert ist, seine bisherige Erwerbstätigkeit fortzusetzen und wegen Ausfalls des Arbeitsentgelts Krankengeld erhält. Dagegen ist der Bezieher bzw. die Bezieherin von Erziehungsgeld nicht auf Grund eines bestimmten körperlichen Zustandes an der Erwerbstätigkeit gehindert. Dem Erziehungsgeld kommt auch keine Lohnersatzfunktion zu, sondern wird unabhängig von der bisherigen Tätigkeit als Teil des Familienlastenausgleichs um Zwecke der Minderung der entstehenden Unterhaltskosten für Kinder geleistet. Es liegen mithin unterschiedliche Lebenssachverhalte vor, die eine unterschiedliche Behandlung der Bezieher von Krankengeld und Erziehungsgeld rechtfertigen. Der Gesetzgeber musste auch nicht dem Anspruch jeder Mutter auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft (Art 6 Abs 4 GG) dadurch Rechnung tragen, dass er den Bezug von Erziehungsgeld als anwartschaftsbegründende Zeit (weiter) berücksichtigt. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums diesem Auftrag durch die Verlängerung der Rahmenfrist des § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III entsprochen hat. Aus Art 6 Abs 4 GG kann auch nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber gehalten wäre, jede mit der Mutterschaft zusammenhängende wirtschaftliche Belastung auszugleichen (BVerfGE 60, 68, 74).
Letztlich kommt auch eine Weiterbewilligung des am 12.06.1996 entstandenen Alg-Anspruches nicht in Betracht. Mit der erneuten Arbeitslosmeldung am 15.11.2000 bzw. Antragstellung, die auf Grund der Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 17.08.2000 durch Bescheid vom 08.11.2000 notwendig war, konnte die Klägerin den ursprünglichen Anspruch nicht mehr geltend machen, denn der Restanspruch ist gem § 147 Abs 2 SGB III erloschen. Nach dieser Vorschrift kann der Anspruch auf Alg nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen sind. Eine Geltendmachung hätte bis zum Ablauf des 12.06.2000 erfolgen müssen (§ 26 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch iVm §§ 187, 188 Bürgerliches Gesetzbuch). Dies hat die Klägerin auch mit Arbeitslosmeldung am 07.06.2000 getan, worauf die Beklagte mit Bescheid vom 17.08.2000 ihr Alg ab dem 07.06.2000 für eine Anspruchsdauer von 265 Kalendertagen weiter bewilligt hat. Jedoch war zum Zeitpunkt der hier streitigen "Geltendmachung" am 18.11.2000, dem Begehren der Klägerin auf Weiterzahlung des Alg nach Auslauf des Bezuges von Krankengeld, die Vierjahresfrist des § 147 Abs 2 SGB III verstrichen. Diese Frist ist eine materielle Ausschlussfrist, die ohne jede Hemmungs- und Unterbrechungsmöglichkeit rein kalendermäßig abläuft. Diese Frist wird nicht um den Zeitraum des Erziehungsgeldbezuges verlängert und läuft auch bei ruhendem Alg-Anspruch, etwa wegen Bezuges von Krankengeld (vgl. BSG SozR 3-4100 § 147 Nr 10, BSG SozR 3-4100 § 125 Nr 1).
Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg), wobei die Beteiligten insbesondere um die Erfüllung der Anwartschaftszeit streiten.
Die 1957 geborene Klägerin war vom 01.04.1992 bis 16.03.1993 als Sales Assistent beschäftigt. Vom 01.02.1993 bis zum 16.03.1993 hat sie Mutterschaftsgeld und vom 17.03.1993 bis zum 18.07.1995 Erziehungsgeld bezogen. Am 12.06.1996 hat sich die Klägerin arbeitslos gemeldet. Die Beklagte hat ihr daraufhin Alg ab dem 12.06.1996 für eine Dauer von 312 Kalendertagen bewilligt und bis zum Eintritt von Mutterschaftsgeld (04.05.1997 bis 10.08.1997 = 99 Kalendertage) gezahlt (Geburt des Sohnes am 15.06.1997). Bis zum 06.06.2000 hat die Klägerin Erziehungsgeld bezogen. Sie hat sich am 07.06.2000 erneut arbeitslos gemeldet. Auf den Antrag der Klägerin vom 30.06.2000 hat die Beklagte ihr Alg ab dem 07.06.2000 für eine Anspruchsdauer von 265 Kalendertagen weiter bewilligt (Bescheid vom 17.08.2000).
Die Klägerin war ab dem 26.09.2000 arbeitsunfähig krank. Die Beklagte hat bis zum 06.11.2000 das Alg weitergezahlt. Mit Bescheid vom 08.11.2000 hat sie die Bewilligung von Alg mit Wirkung vom 07.11.2000 aufgehoben, weil die Klägerin ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf Krankengeld habe.
Nach Bezug von Krankengeld vom 07.11.2000 bis zum 17.11.2000 (11 Kalendertage) hat sich die Klägerin am 15.11.2000 erneut arbeitslos gemeldet und die Gewährung von Alg beantragt.
Den Antrag hat die Beklagte mit Bescheid vom 29.11.2000 abgelehnt. Zur Begründung ihres dagegen eingelegten Widerspruchs vom 05.12.2000 hob die Klägerin hervor, dass die Beklagte ausweislich des Bescheides vom 17.08.2000 Alg für eine Dauer von 265 Kalendertagen bewilligt und sie nach dem Bezug des Krankengeldes rechtzeitig die Fortsetzung des Alg beantragt habe.
Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspuchsbescheid vom 29.12.2000 zurück. Die Klägerin habe die vorausgesetzte Anwartschaftszeit für einen neuen Anspruch auf Alg nicht erfüllt. Hierfür sei notwendig, dass sie in der Rahmenfrist, die hier die Zeit vom 17.11.2000 bis zum 18.11.1997 umfasse, mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Die Klägerin habe jedoch nur insgesamt 253 Kalendertage an die Anwartschaft begründeten Zeiten zurückgelegt. Dies seien die Zeiten des Mutterschaftsgeldbezuges vom 04.05.1997 bis 10.08.1997 (99 Kalendertage), des Erziehungsgeldbezuges vom 11.08.1997 bis 31.12.1997 (143 Kalendertage) und des Bezuges von Krankengeld (07.11.2000 bis 17.11.2000, 11 Kalendertage). Der am 12.06.1996 entstandene Anspruch könne nicht weiter bewilligt werden, da er nach Ablauf von vier Jahren nach seiner Entstehung erloschen sei.
Dagegen hat die Klägerin am 04.01.2001 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und vorgetragen, dass die Beklagte es versäumt habe, die Zeit ihres Erziehungsurlaubes vom 01.01.1998 bis zum 14.07.2000 als Anwartschaftszeit zu berücksichtigen. Sie könne auch nicht verstehen, warum der Bezug des Krankengeldes den Fortbestand des Alg-Anspruches verhindert habe.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.01.2002). Die Anwartschaftszeit habe die Beklagte zu Recht als nicht erfüllt angesehen. Bei der Berechnung der Rahmenfrist bleibe die Zeit des Erziehungsgeldbezuges vom 01.01.1998 bis 06.06.2000 unberücksichtigt. Denn nach § 427 Abs 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bleiben Zeiten, die - wie die Zeit des Bezuges von Erziehungsgeld - nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der zuletzt geltenden Fassung einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichstanden, bei der Anwendung der Regelung zur Berechnung der Rahmenfrist unberücksichtigt. Damit sei von einer Rahmenfrist vom 12.06.1996 bis 17.11.2000 auszugehen. In diesem Zeitraum könne die Klägerin mit den von der Beklagten zutreffend berücksichtigten Zeiten insgesamt 252 (richtig: 253) Kalendertage eine weitere beitragspflichtige Beschäftigung nachweisen. Die Zeit des Erziehungsgeldbezuges vom 01.01.1998 bis 06.06.2000 bleibe ohne Anrechnung. Nach den Vorschriften des SGB III könne diese Zeit im Gegensatz zu den Regelungen des AFG nicht einem Versicherungspflichtverhältnis gleichgestellt werden. Im Übrigen könne die Klägerin auch nicht die Weitergewährung des Anspruches auf Alg auf Grund ihrer Arbeitslosmeldung vom 12.06.1996 beanspruchen, da dieser Anspruch am 12.06.2000 erloschen sei.
Am 28.02.2002 hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres damaligen Prozessbevollmächtigten Berufung beim Bayer. Landessozialgericht ohne Begründung eingelegt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.01.2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29.11.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld ab dem 18.11.2000 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgericht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29.11.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2000 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Recht die Gewährung von Alg für die Zeit ab dem 18.11.2000 abgelehnt.
Voraussetzung für den Anspruch auf Alg ist u.a. die Erfüllung der Anwartschaftszeit (§ 117 Abs 1 Nr 3 SGB III). Die Anwartschaft hat nach § 123 Satz 1 Nr 1 SGB III erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate (360 Kalendertage, § 339 Satz 2 SGB III) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt grundsätzlich drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg (§ 124 Abs 1 SGB III). Nach Arbeitslosmeldung und Auslaufen des Krankengeldbezuges hat die Klägerin die weiteren Voraussetzungen des Alg-Anspruches am 18.11.2000 erfüllt, so dass die Rahmenfrist vom 17.11.2000 bis 18.11.1997 läuft. Allerdings werden Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes des Arbeitslosen,in denen das Kind das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, in die Rahmenfrist nicht mit eingerechnet (§ 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung). Dies ist der Ausgleich dafür, dass diese Zeit nach dem SGB III kein Versicherungspflichtverhältnis im Sinne der §§ 24 ff SGB III begründet (vgl. BT-Drucks 13/4941 S 158). Jedoch gilt dies nach § 427 Abs 2 SGB III nicht für solche Zeiten, die nach dem AFG in der zuletzt geltenden Fassung einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichstanden. Insofern soll nach dieser Regelung eine Doppelberücksichtigung von Zeiten vor dem In-Kraft-Treten des SGB III, also bis zum 31.12.1997, vermieden werden, die bereits zur Erfüllung der Anwartschaft dienen (vgl. BT-Drucks 13/4941 S 227). Dies war beim Erziehungsgeld nach § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst c AFG der Fall, so dass sich für die Klägerin die Zeiten des Bezuges des Erziehungsgeldes, die insoweit der Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes im Sinne von § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III entsprechen, unterschiedlich auswirken. Nur die Zeit vom 01.01.1998 bis zum 06.06.2000 führt zur Verlängerung der Rahmenfrist und zwar an sich um 29 Monate und 6 Tage zurück bis zum 12.06.1995. Sie erstreckt sich aber längstens zurück bis zum 12.06.1996. Denn nach § 124 Abs 2 SGB III reicht die Rahmenfrist nicht in eine vorausgegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hat. Also reicht die Rahmenfrist nur bis zum 12.06.1996, denn die Klägerin hatte zuletzt eine Anwartschaftszeit anlässlich der Arbeitslosmeldung und Antragstellung am 12.06.1996 erfüllt.
In der Rahmenfrist vom 12.06.1996 bis 17.11.2000 hat die Klägerin nicht mindestens 12 Monate (360 Kalendertage), sondern nur 253 Kalendertage in einem Versicherungspflichtverhälntis gestanden. Als anwartschaftsbegründende Zeiten sind zunächst die Zeiten des Mutterschaftsgeldbezuges vom 04.05.1997 bis 10.08.1997 (99 Kalendertage) und des Erziehungsgeldbezuges vom 11.08.1997 bis 31.12.1997 (143 Kalendertage) zu berücksichtigen. Diese Zeiten standen nach § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst. b und c AFG den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleich und stehen daher auch den Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses gleich (§ 427 Abs 3 SGB III). Es kommt die Zeit des Krankengeldbezuges vom 07.11.2000 bis 17.11.2000 (11 Kalendertage) hinzu (§§ 24 Abs 1, 26 Abs 2 Nr 1 SGB III), so dass innerhalb der Rahmenfrist insgesamt nur 253 Kalendertage als Anwartschaftszeit vorliegen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Zeit des Erziehungsgeldbezuges vom 01.01.1998 bis 06.06.2000 oder entsprechend die Zeit des Erziehungsurlaubes nicht als Anwartschaftszeit zu berücksichtigen. Abweichend von der bis zum 31.12.1997 geltenden Rechtslage nach § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst.c AFG kann nach den anzuwendenden Vorschriften des SGB III die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg nicht durch den Bezug von Erziehungsgeld erfüllt werden. Dagegen führen ab dem 01.01.2003 Zeiten der Erziehung eines Kindes, das das 3. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, zur Versicherungspflicht und damit zu einem anwartschaftsbegründenden Versicherungspflichtverhältnis (vgl. § 26 Abs 2a SGB III, eingeführt mWv 01.01.2002 durch das Job-AQTIV-Gesetz vom 10.12.2001, BGBl I 3443). Nach der Übergangsregelung des § 434d SGB III verbleibt es für Zeiten der Kindererziehung vor dem 01.01.2003 bei der bisherigen Regelung des § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III.
Im Ergebnis scheitert die Erfüllung der Anwartschaftszeit daran, dass der Bezug des Erziehungsgeldes für die Zeit ab dem 01.01.1998 nicht die Versicherungspflicht begründet. § 26 Abs 2 SGB III, der abschließend die Versicherungspflicht beim Bezug öffentlich-rechtlicher Leistungen regelt, sieht in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung u.a. vor, dass Personen in der Zeit versicherungspflichtig sind, für die sie von einem Leistungsträger Krankengeld, Versorgungskrankengeld oder von einem Träger der medizinischen Rehabilitation Übergangsgeld beziehen. Diese Regelung ist nicht insofern verfassungswidrig, als Personen in der Zeit des Bezuges von Erziehungsgeld anders als etwa Bezieher von Krankengeld nicht versicherungspflichtig sind (vgl. zu der bis zum 31.12.2002 abweichenden Behandlung von Mutterschaftsgeld im Vergleich zum Krankengeld den Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts vom 20.06.2001, Az: B 11 AL 20/01, NZS 2002, 100). Das Gebot der Gleichheit vor dem Gesetz nach Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) wird hierdurch nicht verletzt. Art 3 Abs 1 GG ist verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen Unterschiede nicht bestehen, die die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Die Privilegierung der Leistungsbezieher nach § 26 Abs 2 SGB III beruht darauf, dass der Betroffene wegen einer Krankheit als einem regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand daran gehindert ist, seine bisherige Erwerbstätigkeit fortzusetzen und wegen Ausfalls des Arbeitsentgelts Krankengeld erhält. Dagegen ist der Bezieher bzw. die Bezieherin von Erziehungsgeld nicht auf Grund eines bestimmten körperlichen Zustandes an der Erwerbstätigkeit gehindert. Dem Erziehungsgeld kommt auch keine Lohnersatzfunktion zu, sondern wird unabhängig von der bisherigen Tätigkeit als Teil des Familienlastenausgleichs um Zwecke der Minderung der entstehenden Unterhaltskosten für Kinder geleistet. Es liegen mithin unterschiedliche Lebenssachverhalte vor, die eine unterschiedliche Behandlung der Bezieher von Krankengeld und Erziehungsgeld rechtfertigen. Der Gesetzgeber musste auch nicht dem Anspruch jeder Mutter auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft (Art 6 Abs 4 GG) dadurch Rechnung tragen, dass er den Bezug von Erziehungsgeld als anwartschaftsbegründende Zeit (weiter) berücksichtigt. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums diesem Auftrag durch die Verlängerung der Rahmenfrist des § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III entsprochen hat. Aus Art 6 Abs 4 GG kann auch nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber gehalten wäre, jede mit der Mutterschaft zusammenhängende wirtschaftliche Belastung auszugleichen (BVerfGE 60, 68, 74).
Letztlich kommt auch eine Weiterbewilligung des am 12.06.1996 entstandenen Alg-Anspruches nicht in Betracht. Mit der erneuten Arbeitslosmeldung am 15.11.2000 bzw. Antragstellung, die auf Grund der Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 17.08.2000 durch Bescheid vom 08.11.2000 notwendig war, konnte die Klägerin den ursprünglichen Anspruch nicht mehr geltend machen, denn der Restanspruch ist gem § 147 Abs 2 SGB III erloschen. Nach dieser Vorschrift kann der Anspruch auf Alg nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen sind. Eine Geltendmachung hätte bis zum Ablauf des 12.06.2000 erfolgen müssen (§ 26 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch iVm §§ 187, 188 Bürgerliches Gesetzbuch). Dies hat die Klägerin auch mit Arbeitslosmeldung am 07.06.2000 getan, worauf die Beklagte mit Bescheid vom 17.08.2000 ihr Alg ab dem 07.06.2000 für eine Anspruchsdauer von 265 Kalendertagen weiter bewilligt hat. Jedoch war zum Zeitpunkt der hier streitigen "Geltendmachung" am 18.11.2000, dem Begehren der Klägerin auf Weiterzahlung des Alg nach Auslauf des Bezuges von Krankengeld, die Vierjahresfrist des § 147 Abs 2 SGB III verstrichen. Diese Frist ist eine materielle Ausschlussfrist, die ohne jede Hemmungs- und Unterbrechungsmöglichkeit rein kalendermäßig abläuft. Diese Frist wird nicht um den Zeitraum des Erziehungsgeldbezuges verlängert und läuft auch bei ruhendem Alg-Anspruch, etwa wegen Bezuges von Krankengeld (vgl. BSG SozR 3-4100 § 147 Nr 10, BSG SozR 3-4100 § 125 Nr 1).
Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved