L 8 SB 3310/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SB 72/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 3310/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 15.08.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Kosten des im Berufungsverfahren auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens von Prof. Dr. S. vom 28.07.2017 sowie die damit im Zusammenhang stehenden baren Auslagen der Klägerin werden nicht auf die Staatskasse übernommen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).

Die 1967 geborene Klägerin beantragte am 30.10.2015 bei dem Landratsamt (LRA) erstmals die Feststellung eines GdB. Als Funktionsbeeinträchtigungen machte sie, unter Vorlage von Berichten des Universitätsklinikums U., geltend: - unheilbarer weißer Hautkrebs - Verlust der Brust beidseitig - Aufbauplastik zur Wiederherstellung der Brust beidseitig - Verlust beider Eierstöcke - Knochenschmerzen an zahlreichen Körperstellen - Angstzustände, Schlafstörungen, Müdigkeit

Den Antrag lehnte das LRA mit Bescheid vom 20.11.2015 ab (Blatt 14 VA), da keine Funktionsbeeinträchtigungen gegeben seien, die einen GdB von wenigstens 20 bedingten.

Gegen den Bescheid erhob die Klägerin am 24.11.2015 (Blatt 16 VA) Widerspruch, den der Beklagte nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme (Gutachterin P. vom 09.12.2015, Blatt 19 VA) mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.2015 (Blatt 21 VA) zurückwies.

Gegen den Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 07.01.2016 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) und machte geltend, dass eine pathogene Mutation im BRCA2-Gen vorliege, sodass ein hohes Risiko bestehe, an einem Mamma-Carcinom und Ovarial-Carcinom zu erkranken. Die Brustentfernung sei vorsorglich erfolgt, für den Ansatz eines GdB von 40 sei eine vorausgegangene Krebserkrankung keine Voraussetzung. Für die beidseitige Aufbauplastik sei ein GdB von mindestens 30 anzusetzen, der Verlust der Eierstöcke mit einem GdB von 10 zu bewerten. Ergänzend legte sie die ärztliche Bescheinigung der Dr. M.-J. vom 28.10.2015 und den Entlassungsbericht über die in der Zeit vom 22.11.2015 bis 20.12.2015 durchgeführte stationäre Rehabilitation vor. Das SG holte die sachverständige Zeugenauskunft der Dr. M.-J. vom 26.02.2016 ein (Blatt 25 SG-Akte), auf Grund derer der Beklagte einen Vergleichsvorschlag auf die Feststellung eines GdB von 30 ab dem 30.10.2015 unterbreitete (Blatt 34 SG-Akte). Den Vergleichsvorschlag lehnte die Klägerin ab, da die Knochenschmerzen nicht berücksichtigt worden seien, weiterhin müssten die Auswirkungen der Schädigungsfolgen nach Organverlust bemessen werden. Dabei komme es nicht darauf an, worauf der Organverlust beruhe.

Mit Gerichtsbescheid vom 15.08.2016 hob das Sozialgericht den Bescheid des Beklagten vom 20.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2015 auf und verpflichtete den Beklagten, einen GdB von 30 seit dem 30.10.2015 festzustellen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dass nicht der Verlust der Brust und die Aufbauplastik separat zu berücksichtigen seien, sondern nach Wiederherstellung der Brust mittels einer Prothese falle der GdB, je nach Ergebnis, geringer aus, als bei einem Verlust der Brust ohne Aufbauplastik. Bei der Klägerin bestehe ein gutes Operationsergebnis, sodass ein Teil-GdB von 20 in Ansatz zu bringen sei. Für die Folgen der Entfernung der Eierstöcke sei ein weiterer Teil-GdB von 20 zu berücksichtigen. Ebenso wie die Entfernung der Brust sei die Entfernung der Eierstöcke prophylaktisch erfolgt, sodass kein GdB für eine Heilungsbewährung zu berücksichtigen sei. Für das klimakterische Syndrom, welches nach dem Entlassungsbericht vorliege, sei ein GdB von 20 zu berücksichtigen, ein eigenständiger Teil-GdB für Schmerzen könne nicht anerkannt werden, da keine schmerztherapeutische Behandlung stattfinde und die üblicherweise auftretenden Schmerzen vom Teil-GdB von 20 umfasst seien. Eine wesentliche psychische Beeinträchtigung sei nicht nachgewiesen, der Entlassungsbericht weise einen unauffälligen Befund aus und eine dementsprechende Behandlung finde nicht statt. Für Basalzellkarzinome sei kein GdB zu berücksichtigen, wie sich aus VG Teil B Nr. 17.12 ergebe. Die Teil-GdB führten zu einem Gesamt-GdB von 30.

Gegen den am 18.08.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 02.09.2016 Berufung zum Landessozialgericht Baden- Württemberg (LSG) eingelegt. Sie macht geltend, in ihrer Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit stark eingeschränkt zu sein, der Wiederaufbau der Brust sei einem vollständigen Verlust der Brust gleichzustellen und müsse mit einem Teil-GdB von mindestens 30 berücksichtigt werden. Die Narbenschmerzen stellten eine eigenständige Beeinträchtigung dar, die eigenständig mit einem Teil-GdB berücksichtigt werden müssten. Die Entfernung beider Eierstöcke bedinge nicht nur einen Teil-GdB von 20, darüber hinaus müssten die Schmerzzustände berücksichtigt werden. Dass eine schmerztherapeutische Behandlung nicht stattfinde, sei schlicht und ergreifend falsch. Die Knochenschmerzen seien auf die Osteoponie zurückzuführen, sodass ein weiterer Teil-GdB anzusetzen sei.

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 15.08.2016 sowie den Bescheid des Beklagten vom 20.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2015 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, einen GdB von mindestens 50 seit dem 30.10.2015 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Ergänzend weist er darauf hin, dass jeweils eine subkutane Mastektomie durchgeführt worden sei, für die ein Bewertungsrahmen von 20 bis 30 vorgesehen sei, wobei der niedrigere Wert angesetzt werden müsse, da ein gutes Operationsergebnis beschrieben sei. Auch wenn die Prothesen zu einem Fremdkörpergefühl führen mögen und gewisse Narbenschmerzen glaubhaft seien, sei der Zustand optisch wesentlich günstiger, als beim vollständigen Verlust beider Brüste ohne Wiederaufbau. Die mittlerweile 49-jährige Klägerin sei wohl auch ohne die Operation von den Wechseljahren nicht mehr allzu weit entfernt und ein Kinderwunsch ebenfalls nicht mehr anzunehmen und kaum mehr realisierbar. Auch deshalb könne nur der untere Wert des Bewertungsrahmens angenommen werden. Eine eigenständige psychische Beeinträchtigung sei nicht nachgewiesen, die mit einer Behinderung üblicherweise verbundene psychische Beeinträchtigung sei in der jeweiligen Bewertung bereits enthalten. Eine ausschließlich messtechnisch nachgewiesene Minderung des Knochenmineralgehalts (Osteopenie/Osteoporose) bedinge noch keinen GdB.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat der Senat das Sachverständigengutachten des Frauenarztes Prof. Dr. S. vom 28.07.2017 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, dass sich bei der Untersuchung am 03.07.2017 ein kosmetisch optimales Operationsergebnis beider Brüste gezeigt habe, Funktionsstörungen bezüglich der Armbeweglichkeit oder der Lymphabflussregionen hätten nicht bestanden. Die kosmetisch günstig gelegenen Schnitte hätten zu einer unwesentlichen Narbenbildung geführt. Die Laparoskopie-Narben seien unauffällig gewesen und ohne Folgen für die Körperfunktion bis auf die zwangsläufig verbundenen Hormonausfallerscheinungen, die letztlich mit dem physiologischen Eintritt des Klimakteriums ohnehin verbunden gewesen seien. Die durchgeführte Brustoperation unterscheide sich wesentlich von einer Operation nach Brustkrebserkrankung, da der gesamte Hautmantel einschließlich des darunter liegenden Fettmantels habe erhalten werden können. Ein GdB von mehr als 30 könne auf dem Gebiet der Gynäkologie nicht angenommen werden. Schwerwiegender sei der Verdacht auf eine rheumatoide Arthritis. Diese wahrscheinlich vorliegende rheumatoide Arthritis mit der Notwendigkeit einer Chemotherapie führe wahrscheinlich zu einer Gesamtbehinderung von 60%.

Ergänzend hat der Senat die schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Dr. B. vom 21.08.2017 (Blatt 90/96 Senatsakte) eingeholt, der eine seronegative Arthritis, hinsichtlich derer der Behandlungserfolg abgewartet werden müsse, nachdem die Diagnose erst im Juni 2017 gestellt worden sei, und mittelgradige Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule beschrieben und den GdB auf orthopädischem Fachgebiet auf 30 eingeschätzt hat.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 30.10.2017, gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. K. vom 26.10.2017, einen Vergleichsvorschlag auf die Feststellung eines GdB von 30 ab dem 30.10.2015 sowie die Feststellung einer dauernden Einbuße der Beweglichkeit ab Januar 2017 unterbreitet, den die Klägerin unter Hinweis darauf abgelehnt hat, dass Prof. Dr. S. den GdB mit 60 einschätze.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Absatz 2 SGG einverstanden erklärt (Bl. 108, 109 der Senatsakte).

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Absatz 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet. Der Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden, da die Klägerin die Feststellung eines höheren GdB als 30 nicht beanspruchen kann und der Bescheid des Beklagten vom 20.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2015 insoweit nicht rechtswidrig ist.

Rechtsgrundlage für die GdB- Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen begehrt werden; das anzuwendende Recht richtet sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer- Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 RdNr. 34). Nachdem § 241 Absatz 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-) Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden. Nach § 2 Absatz 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderung Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Absatz 1 Satz 1 SGB IX), durch Landesrecht kann die Zuständigkeit abweichend von Satz 1 geregelt werden (§ 152 Absatz 1 Satz 7 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Soweit noch keine Verordnung nach § 153 Absatz 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Absatz 1 des Bundesversorgungsgesetzes und der auf Grund des § 30 Absatz 16 des Bundesversorgungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend.

Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der bis dahin geltenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP), die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 27, 30 m.w.N.). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, a.a.O., RdNr 30). Nachdem eine Verordnung nach § 153 Absatz 2 SGB IX noch nicht erlassen ist, kommen ab dem 01.01.2018 somit keine anderen Maßstäbe zur Anwendung, als nach § 69 SGB IX aF, sodass es einer Differenzierung nach Zeiträumen nicht bedarf.

Ausgehend von diesen Maßstäben konnte der Senat feststellen, dass bei der Klägerin eine Brustentfernung mit gleichzeitigem Wiederaufbau mittels Implantat und eine Entfernung der Eierstöcke vorgenommen worden ist.

Hierzu ist in den VG unter 14. Weibliche Geschlechtsorgane unter anderem bestimmt:

14.1 Verlust der Brust (Mastektomie)

einseitig 30 beidseitig 40 Segment oder Quantenresektion der Brust 0 bis 20

Funktionseinschränkungen im Schultergürtel, des Armes oder der Wirbelsäule als Operations- oder Bestrahlungsfolgen (z.B. Lymphödem, Muskeldefekte, Nervenläsionen, Fehlhaltung) sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen.

Aufbauplastik zur Wiederherstellung der Brust mit Prothese je nach Ergebnis (z.B. Kapselfibrose, Dislokation der Prothese, Symmetrie) nach Mastektomie einseitig 10 bis 30 beidseitig 20 bis 40 nach subkutaner Mastektomie einseitig 10 bis 20 beidseitig 20 bis 30

Nach Aufbauplastik zur Wiederherstellung der Brust mit Eigengewebe kommt ein geringerer GdS in Betracht.

Nach Entfernung eines malignen Brustdrüsentumors ist in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten.

14.3 Verlust eines Eierstockes 0 Unterentwicklung, Verlust oder Ausfall beider Eierstöcke ohne Kinderwunsch und ohne wesentliche Auswirkung auf den Hormonhaushalt - immer in der Postmenopause 10

im jüngeren Lebensalter bei noch bestehendem Kinderwunsch oder bei unzureichender Ausgleichbarkeit des Hormonausfalls durch Substitution 20 bis 30

vor Abschluss der körperlichen Entwicklung je nach Ausgleich des Hormonausfalls 20 bis 40

Nach Entfernung eines malignen Eierstocktumors ist in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten.

Dem Bericht des Universitätsklinikum U. vom 06.10.2015 (Blatt 4 VA) entnimmt der Senat, dass bei der Klägerin im 48. Lebensjahr eine prophylaktische Mastektomie beidseits, im Sinne einer subkutanen skin-sparing-Mastektomie (Entfernung des Drüsenkörpers unter Erhalt von Hautmantel, subkutanem Fettgewebe und Mamille, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Seite 1311), durchgeführt worden ist, weiterhin ein Wiederaufbau durch Implantateinlage. Abgesehen davon, dass die Operation prophylaktisch durchgeführt wurde, hat die Histologie keine Malignität gezeigt. Der Operationsverlauf war komplikationslos, sodass der Ansatz eines höheren Teil-GdB als 20 nicht in Betracht kommt. Für die Auffassung der Klägerin, dass neben einem Teil-GdB für die Brustentfernung ein solcher für die Aufbauplastik in Frage komme, sieht der Senat keinen systematischen Anhalt in den VG. Vielmehr ergibt sich bereits aus der formalen Fassung zweier gesondert dargestellter Erkrankungszustände sowie der GdB-Bewertung als Funktionsbewertung von Behinderungszuständen, dass es sich um alternativ anwendbare Bewertungsgrundsätze handelt. Die wiederhergestellte Brust ist mit einem geringeren Funktionsverlust verbunden als der nicht weiter behandelnde Zustand nach der Brustamputation mit dem GdB-Rahmen 30 bzw. 40.

Nichts anderes ergibt sich aus dem auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG eingeholten Sachverständigengutachten des Prof. Dr. S ... Dieser beschreibt ein kosmetisch optimales Operationsergebnis beider Brüste, es zeigten sich keine Funktionsstörungen bezüglich der Armbeweglichkeit oder Lymphabflussregionen. Weiter werden die Laparoskopie-Narben als unauffällig und ohne Folgen für die Körperfunktion beschrieben, wobei der Sachverständige darauf hinweist, dass die kosmetisch günstig gelegenen Schnitte nur zu einer unwesentlichen Narbenbildung geführt haben. Unabhängig von der Frage, welche Schmerzzustände durch den GdB berücksichtigt sind (vgl. VG A.2.d), kann dem Sachverständigengutachten kein Befund entnommen werden, der relevante Funktionsbeeinträchtigungen durch Narbenschmerzen erklären könnte.

Hinsichtlich der ebenfalls prophylaktisch durchgeführten Entfernung der Eierstöcke geht der Senat nicht von einem Verlust in den jüngeren Lebensjahren mit noch bestehendem Kinderwunsch aus, nachdem die Operation, worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hat, bereits im 48. Lebensjahr stattgefunden hat. Weiter bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine unzureichende Ausgleichbarkeit des Hormonhaushaltes geben ist. Eine solche hat insbesondere Prof. Dr. S. nicht beschrieben, sondern vielmehr ausgeführt, dass die mit der Brustentfernung verbundenen Hormonausfallerscheinungen mit dem physiologischen Eintritt des Klimakteriums ohnehin verbunden gewesen sind und eine Hormontherapie grundsätzlich möglich ist, wie sie im Klimakterium bzw. zur Linderung von Wechseljahresbeschwerden, unabhängig von der Entfernung der Eierstöcke, häufig durchgeführt wird. Insoweit kommt der Ansatz eines Teil-GdB von mehr als 10 nicht in Betracht, sodass für das Funktionssystem Geschlechtsapparat ein GdB von 20 anzunehmen ist.

Gestützt auf den Bericht des Universitätsklinikums U. vom 19.06.2017 konnte der Senat weiterhin das Bestehen einer seronegativen rheumatoiden Arthritis feststellen, hinsichtlich derer, in Übereinstimmung mit dem Versorgungsarzt des Beklagten, Dr. K. , ein Teil-GdB von 20 angenommen werden kann.

Die VG bestimmen unter 18.2.1 (entzündlich-rheumatische Krankheiten der Gelenke und/oder der Wirbelsäule) folgendes:

ohne wesentliche Funktionseinschränkung 10

mit geringen Auswirkungen (leichtgradige Funktionseinbußen und Beschwerden, je nach Art und Umfang des Gelenkbefalls, geringe Krankheitsaktivität) 20 bis 40

mit mittelgradigen Auswirkungen (dauernde erhebliche Funktionseinbußen und Beschwerden, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität 50 bis 70

mit schweren Auswirkungen (irreversible Funktionseinbuße, hochgradige Progredienz) 80 bis 100

Ausgehend von diesen Maßstäben kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass mindestens mittelgradige Auswirkungen vorliegen, da festzustellen ist, dass nach der Sicherung der Diagnose im Juni 2017 erst mit der Therapie begonnen werden konnte, sodass deren Anschlagen, wie Dr. B. bestätigt hat, zunächst abgewartet werden muss, jedoch keine schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität angenommen werden kann. Darüber hinaus entnimmt der Senat dem Bericht des Universitätsklinikums U. vom 19.06.2017 (Blatt 95 Senatsakte), dass das 3-Phasen-Skelettzintigramm eine mäßige Synovitis (Entzündung) in beiden AC-Gelenken, dem rechten Kniegelenk, dem linken Sprunggelenk, sämtlichen DIP-Gelenken und eine diskrete Synovitis in den PIP Gelenken 2 bis 4 beidseits und den ISG gezeigt hat, somit nur eine geringe Krankheitsaktivität nachgewiesen ist, sodass von geringen Auswirkungen auszugehen ist. Im Übrigen ergibt sich aus dem Bericht auch, dass mit einem Wirkeintritt der Therapie erst nach frühestens drei bis sechs Monaten zu rechnen ist. Der Ansatz eines Teil-GdB von mehr als 20 erscheint vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt.

Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Haut konnte der Senat nicht feststellen. Nach dem Befundbericht der Universitätsklinik U. vom 26.08.2013 (Blatt 6 VA) wurde ein superfizielles Basaliom (Basalzellkarzinom, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Seite 238) an der Nase der Klägerin entfernt. Nach VG 17.13 sind nach Entfernung eines malignen Tumors der Haut in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten und der GdB mit 50 bzw. 80 einzuschätzen. Ausnahmen gelten aber für Basalzellkarzinome (mimaligner Tumor der Haut, ausgehend vom embryonalen Haarkeim, mit langsamen, infiltrierendem Wachstum, idR. ohne Metastasierung, meist an chronisch lichtexponierten Stellen- vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Seite 238), wie es bei der Klägerin vorgelegen hat, sodass eine Heilungsbewährung hierfür nicht abzuwarten ist, mithin kein GdB in Betracht kommt. Mit der Entfernung des Basalioms im Jahr 2013 war die Hauterkrankung therapeutisch zur Ausheilung gebracht worden; Folgewirkungen für den Zeitpunkt der Antragstellung der Klägerin am 30.10.2015 sind nicht ersichtlich.

Hinsichtlich der Wirbelsäule konnte der Senat aufgrund des Befundberichtes des Dr. B. (Blatt 91 Senatsakte) feststellen, dass im Bereich der Lendenwirbelsäule mäßiggradige präsakrale Osteochondrosen mit leichter Zwischenwirbelraumverschmälerung und beginnender ventraler Spondylophytenbildung vorliegen. Im Bereich der Brustwirbelsäule bestehen geringfügige degenerative Veränderungen im Bereich der mittleren BWS mit Konturunregelmäßigkeiten der Grund- und Deckplatten. Nachdem Dr. B. zu den klinischen Befunden ausführt, dass sich keine eindeutige Blockierung der BWS fand, die Beweglichkeit der Wirbelsäule als gut beschreibt und insoweit keine wesentliche Verschlechterung im Gesundheitszustand angibt, vermag der Senat seiner Schlussfolgerung, dass mittelschwere Beeinträchtigungen vorliegen, nicht zu folgen.

Nach den VG Teil B 18.9 ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 -, veröffentlicht in juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z. B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist eine GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt, die jedoch beim bei der Klägerin nicht vorliegen und auch nicht geltend gemacht werden.

Ausgehend von diesen Maßstäben kommt der Ansatz eines Teil-GdB von mehr als 10 für die Wirbelsäule nicht in Betracht.

Letztlich vermag der Senat eine psychische Erkrankung bei der Klägerin nicht festzustellen.

Nach den VG Teil B 3.7 ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten.

Aufgrund der fehlenden ärztlichen Behandlung kann nicht davon ausgegangen werden, dass das diagnostizierte seelische Leiden der Klägerin über eine leichtere psychische Störung hinausgegangen ist und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellte (dazu vgl. Senatsurteil vom 17.12.2010 - L 8 SB 1549/10, juris RdNr. 31). Ein entsprechender Leidensdruck der Klägerin, der bei einer stärker behindernden psychischen Störung zu erwarten wäre, findet sich nicht. Umstände, die der fehlenden Behandlung eine andere Indizwirkung zukommen lassen, wie z.B. die Nichtgenehmigung der Behandlung seitens der Krankenkasse oder eine lange Wartezeit vor der Behandlung, sind nicht ersichtlich. Nicht zu überzeugen vermag in diesem Zusammenhang der Hinweis der Klägerin, dass ihre Frauenärztin keinen psychischen Befund habe mitteilen können, da sie dies als Frauenärztin nicht könne, aus der fehlenden Behandlung aber nicht auf einen fehlenden Leidensdruck geschlossen werden könne. Diese Argumentation verkennt, dass die Feststellung eines GdB eine nicht nur vorübergehende und damit eine sich über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten erstreckende Gesundheitsstörung voraussetzt (vgl. VG A2.f), sodass diese gesichert und durch entsprechende Befunde dokumentiert sein muss. Derartige Befunde liegen im Falle der Kläger jedoch nicht vor, vielmehr geht der Rehaentlassungsbericht vom 05.01.2016, worauf das SG zu Recht hingewiesen hat, von einem unauffälligen psychischen Befund aus. Tragfähige Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung, die einen weiteren Ermittlungsbedarf ergeben würden, bestehen nicht, solche sind auch von dem Sachverständigen Prof. Dr. S. nicht mitgeteilt worden. Selbst wenn anhand der Schilderungen der Frauenärztin in ihrer Aussage vom 26.02.2016 von einer leichteren psychovegetativen oder psychischen Störung bei der in Nachtschicht voll erwerbstätigen Klägerin ausgegangen würde, ergebe sich allenfalls ein GdB von 10, sodass sich relevante Auswirkungen auf den Gesamt-GdB vorliegend nicht erkennen lassen.

Die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 152 Absatz 3 Satz 1 SGB IX (§ 69 Abs. 3 SGB IX aF). Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft - gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 - oder ein anderer Wert - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht allein die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB. Vielmehr ist der Gesamt-GdB durch einen wertenden Vergleich dadurch zu bilden, dass die in dem zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen in Beziehung zu setzen sind - z.B. ist bei Feststellung der Schwerbehinderung der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktions-behinderungen usw. vorzunehmen. Maßgeblich sind damit grundsätzlich weder Erkrankungen noch deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 - L 8 SB 5215/13 - juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist - wie dargestellt - anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.

Ausgehend von den anzunehmen Teil-GdB von 20 für das gynäkologische Fachgebiet und 20 für die Arthritis kommt ein höherer Gesamt-GdB als 30, wie ihn das SG festgestellt hat, nicht in Betracht. Selbst wenn für die Psyche sogar ein GdB von 20 angenommen würde, ergebe sich nichts anderes. Psychovegetative Störungen sind mit der Berücksichtigung der Arthritis und der gynäkologisch zu bewertenden Störungen teilweise bereits erfasst, was dem Einzel-GdB von 20 für psychovegetative Störungen keine erhöhende Wirkung auf den Gesamt-GdB zukommen lässt.

Abgesehen davon, dass der GdB-Einschätzung des Sachverständigen keine Bindungswirkung zukommt, erschließt sich dem Senat nicht, aus welchen Teil-GdB heraus Prof. Dr. S. die Annahme eines Gesamt-GdB von 60 rechtfertigen will, insbesondere nachdem er auf seinem Fachgebiet den GdB mit 30 bewertet.

Die Berufung der Klägerin konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung über die außergerichtlichen Kosten folgt aus § 193 SGG. Die Kosten des gemäß § 109 SGG im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens des Prof. Dr. S. vom 28.07.2017 sowie die baren Auslagen der Klägerin, über die als Gerichtskosten der Senat in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens von Amts wegen auch mit der Kostenentscheidung im Urteil entscheiden kann (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 1 U 3854/06 KO-B -, juris; Urteil des Senats vom 23.11.2012 - L 8 U 3868/11 -, unveröffentlicht), werden nicht auf die Staatskasse übernommen. Die Klägerin hat diese daher endgültig selbst zu tragen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war und zu seiner Erledigung beigetragen bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht hat. Es muss sich, gemessen an dem Prozessziel des Klägers, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben und dementsprechend die Entscheidung des Rechtsstreits (oder die sonstige Erledigung) maßgeblich gefördert haben. Durch die Anbindung an das Prozessziel wird verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine für die Entscheidung unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sachverhalts durch das Gutachten nach § 109 SGG vorangetrieben worden ist. Vielmehr muss sich die Förderung der Sachaufklärung auf den Streitgegenstand beziehen (Kühl in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage, § 109 RdNr. 11).

Hiervon ausgehend ist es nicht gerechtfertigt, die Kosten des Gutachtens von Prof. Dr. S. auf die Staatskasse zu übernehmen. Das Gutachten hat den Rechtsstreit nicht objektiv gefördert und nicht zu seiner Erledigung beigetragen, wie sich aus dem oben Ausgeführten ergibt.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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