S 15 KR 451/16

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Chemnitz (FSS)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 15 KR 451/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid der Beklagten vom 05.01.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.06.2016 wird aufgehoben. II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. III. Der Streitwert wird auf 1.315,52 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Abgabepflicht zur Künstlersozialversicherung im Zeitraum vom 01.01.2010 bis 31.12.2014.

Der Kläger betreibt ein Bestattungsunternehmen und bietet unter anderem auch die Organisation von Trauerfeiern an, die auf Wunsch der Kunden musikalisch durch verschiedene Musiker oder durch Abspielen von Musik auf Band umrahmt werden können. Die Beauftragung der Musiker erfolgt durch den Kläger bzw. dessen Mitarbeiter in Vertretung für die Kunden. Die Rechnung stellen die Musiker den Kunden, welche jedoch aus verschiedenen Gründen zunächst vom Kläger verauslagt und sodann in dessen Gesamtrechnung mit aufgelistet wird. Im Internetauftritt seines Unternehmens wird auf die verschiedenen Möglichkeiten der Organisation und Ausgestaltung von Trauerfeiern hingewiesen und dabei lediglich erwähnt, dass Musiker vermittelt werden können. Weder sind die Musiker als Mitarbeiter aufgeführt noch existiert ein Link zu den Künstlern.

Die Beklagte prüfte die Abgabepflicht des Klägers nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) im o. g. Zeitraum und stellte mit Bescheid vom 05.01.2016 fest, dass der Kläger unter § 24 Abs. 2 KSVG falle, woraus eine Nachforderung in Höhe von 1.315,52 Euro resultierte. Hier greife die Generalklausel, das heißt die Abgabepflicht für diejenigen, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zweckes ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen. Dies gelte auch für Makler, also die bloße Vermittlung.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er betreibe eine reine Vermittlungstätigkeit, die über einen Gelegenheitsnachweis nicht hinausgehe, da keine eigene vertragliche Verpflichtung zur Zahlung eines Entgelts an den Künstler eingegangen werde. Er beziehe keine Maklergebühr oder ähnliches, mithin sei die Vermittlung für ihn kostenneutral. Deshalb könne hieraus keine Beitragspflicht resultieren.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.06.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Gesetzgeber habe bewusst einen Auffangtatbestand geschaffen. Es sollten dabei sonstige Unternehmen erfasst werden, die möglicherweise verschiedene Unternehmenszwecke verfolgen und bei denen ein wesentlicher Zweck darauf gerichtet sei, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer Werke oder Leistungen zu sorgen. Dabei sei der wesentliche Zweck nicht gleichzusetzen mit dem überwiegenden Zweck. Das Bestattungsunternehmen des Klägers habe den wesentlichen Zweck, für Bestattungen Trauerfeiern zu organisieren und hierfür Musiker zu beauftragen. Die Rechnungen der Künstler würden in der Gesamtrechnung weitergereicht werden.

Am 28.07.2016 hat der Kläger hiergegen vor dem Sozialgericht Chemnitz Klage erhoben, deren Begründung sich im Wesentlichen mit der des Widerspruchs deckt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 05.01.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.06.2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Kläger einer Abgabepflicht jedenfalls auch als Verwerter nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG unterliege.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf Nachfrage angegeben, dass es in der Branche üblich sei, sämtliche Fremdleistungen für die Kunden zu verauslagen und diesen dann eine Gesamtrechnung zu stellen. Dies resultiere zum einen daraus, dass die Sterbegeldversicherungen alle Leistungen im Zusammenhang mit der Beerdigung umfassen und diese in der Regel an das Bestattungsunternehmen abgetreten werden. Zum anderen hat sich diese Vorgehensweise so etabliert, weil die Trauernden erfahrungsgemäß großes Interesse an einer Regulierung quasi über eine einzige Anlaufstelle haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen und ergänzend Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung und Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die als reine Anfechtungsklage statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 05.01.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.06.2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er unterliegt als Bestattungsunternehmer in der hier zu beurteilenden konkreten Konstellation nicht der Abgabepflicht nach dem KSVG, da er kein Verpflichteter im Sinne des § 24 KSVG ist.

Der Kläger ist kein typischer Verwerter nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG. Danach ist ein Unternehmer zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, der eine Theater-, Konzert- und Gastspieldirektion sowie ein sonstiges Unternehmen betreibt, dessen wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen. Der Kläger betreibt kein – als einzige Variante in Betracht kommendes – sonstiges Unternehmen in diesem Sinne. Von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG sind nur die so genannten typischen Verwerter erfasst, das heißt der Hauptzweck muss die Organisation von Veranstaltungen sein (vgl. Nordhausen in: Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4. Auflage 2009, § 24 RdNr. 100 mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Sobald die Organisation von Veranstaltungen nur eine zweitrangige Aufgabe ist, ist das Unternehmen jedenfalls nicht als typischer Verwerter Verpflichteter. Als Verpflichtete nach der Auffangnorm kommen beispielsweise Promotion- oder Werbeagenturen in Frage (vgl. Nordhausen a. a. O. RdNr. 100). Hauptzweck des Unternehmens des Klägers ist die Bestattung von Menschen, das heißt primär die Verpflichtungen aus dem Sächsischen Bestattungsgesetz zu erfüllen. Lediglich zweitrangig gibt der Kläger diesem Akt der Bestattung nach den hiesigen kulturellen Vorstellungen und dem Wunsch der Angehörigen einen gewissen feierlichen Rahmen. Hierbei vermittelt er wiederum nur hin und wieder eine musikalische Umrahmung, wobei dahingestellt bleiben kann, in welchem Umfang. Somit kann nicht davon ausgegangen werden, die Vermittlung künstlerischer Tätigkeit ist der Hauptzweck des Unternehmens.

Der Kläger unterfällt jedoch auch nicht der Generalklausel des § 24 Abs. 2 KSVG. Danach sind Unternehmer abgabeverpflichtet, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen. Zwischen der Kunstverwertung und der Einnahmeerzielung muss insoweit ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen, vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 12.04.1995, 3 RK 1/94. Dieser Zusammenhang ist dann erfüllt, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein Zusammenhang zwischen abgabepflichtiger Tätigkeit und Einnahmeerzielungsabsicht erkennbar ist (Nordhausen a. a. O. RdNr. 200). Ein solcher Zusammenhang ist im Falle des Klägers von der Beklagten weder dargetan noch sonst ersichtlich. Einerseits erzielt der Kläger keine unmittelbaren Einnahmen durch die Vermittlung der Künstler. Wie er glaubhaft versichert hat und von der Beklagten auch nicht in Frage gestellt wurde, erhält er für die Vermittlung keinerlei Entgelt, Provision oder sonstige direkte monetäre Vorteile. Er stellt lediglich den Kontakt her und hilft im Rahmen seines Serviceangebotes bei der Abwicklung des Vertragsverhältnisses zwischen Trauernden und Künstler. Andererseits erzielt der Kläger auch keine mittelbaren Einnahmen wie etwa der Veranstalter eines Konzertes durch den Verkauf von Speisen und Getränken. Die bloße Behauptung der Beklagten, der Kläger generiere eine größere Anzahl von Aufträgen gerade weil er auch Musiker vermittle, ist durch nichts belegt und für die Kammer nicht nachvollziehbar. Weder wirbt der Kläger in seinem Internetauftritt auf besondere Weise für die Möglichkeit der Vermittlung von Musikern noch stellt diese Serviceleistung ein Alleinstellungsmerkmal des Bestattungsunternehmens des Klägers im Vergleich zu anderen hiesigen Bestattungsunternehmen dar. Vielmehr gehört eine derartige Dienstleistung mittlerweile zum üblichen Serviceangebot von Bestattungsunternehmen, wenn gleich von diesem Angebot im hiesigen Kulturraum nur sporadisch Gebrauch gemacht wird.

Eine andere alternative Verpflichtung nach § 24 KSVG ist nicht ersichtlich, so dass für das Unternehmen des Klägers keine Abgabepflicht nach dem KSVG besteht. Der dem entgegenstehende Bescheid der Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides war zu kassieren.

Die Kostenentscheidung folgt der Entscheidung in der Hauptsache, § § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Als Unterlegene trägt die Beklagte die Kosten des Verfahrens.

Die Höhe des Streitwertes bestimmt sich nach § 197 a Absatz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Absatz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Er erschöpft sich der Höhe nach in der geltend gemachten Beitragssumme.
Rechtskraft
Aus
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