L 8 U 2570/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 3821/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2570/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 30.05.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen die Beklagte im Verfahren nach § 44 SGB X ein Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) zusteht.

Der 1960 geborene Kläger beantragte am 16.02.2004 die Feststellung einer BK und die Gewährung entsprechender Leistungen. Seit Mitte 2000 leide er an Atembeschwerden. Er teilte in dem von der Beklagten übersandten Fragebogen seinen beruflichen Werdegang mit; er sei mit dem Schweißen und Schleifen verzinkter Teile beschäftigt gewesen. Die berufliche Belastung wurde mit einem weiteren Fragebogen erklärt.

Der Arbeitgeber, das Mitgliedsunternehmen der Beklagten, die Fa. G. GmbH & Co, teilte die Tätigkeiten des Klägers mit, die Krankenkasse teilte die Mitgliedschaft und die Erkrankung des Klägers mit. Der Arbeitgeber V. GmbH & Co KGaA teilte unter dem Datum des 21.04.2004 mit, der Kläger sei in der Zellenfertigung eingesetzt gewesen. Auch der Arbeitgeber G. Metallbau GmbH & Co teilte unter dem Datum des 29.04.2004 die Tätigkeiten im Metallbau, Türbau an der Stahlsäge und der Bohranlage mit.

Dr. E. , Allgemeinarzt, gab Husten und Atembeschwerden i.S. eines Asthma bronchiale mit Übergang in chronisch obstruktive Lungenerkrankung und eine Hausstaubmilbenallergie an, der Kläger habe dies auf Schweißen und Staub am Arbeitsplatz zurückgeführt. Dr. P. , Allgemeinmediziner, berichtete über die arbeitsmedizinische Untersuchung G 39 und eine beginnende chronische Bronchitis.

Der Präventionsdienst der Beklagten gab in seiner Stellungnahme vom 30.09.2004 nach Besichtigung des Arbeitsplatzes der Fa. G. GmbH & Co an, dass eine Belastung durch Schweißrauche, Schleifstaub und Lösungsmittel beim Beschichten vorhanden gewesen sei. Es sei beim Schweißen und Schleifen ein Gebläseschutzhelm mit Filter getragen worden. Die Beklagte zog technische Merkblätter und Sicherheitsdatenblätter bei.

Der Internist, Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. B. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 09.12.2004 ein Asthma bronchiale, ausgelöst durch irritativ toxische Substanzen am Arbeitsplatz und eine Onychomykose. Bei fehlendem Nachweis eines allergischen Geschehens liege ein nicht allergisches Asthma bronchiale vor, der Tatbestand der BK Nr. 4301 BKV liege nicht vor. Da der Kläger auch keinen Kontakt zu Isozyanaten gehabt habe, liege auch keine BK nach Nr. 1315 BKV vor. Im Merkblatt zur BK Nr. 4302 BKV seien die gegenüber dem Kläger exponierten Substanzen nicht als Listenstoff erwähnt. Es sei klar, dass die Exposition gegenüber Schweißrauche im vorliegenden Fall grds. in der Lage sei, eine obstruktive Atemwegserkrankung auszulösen. Konkurrierende Ursachen seien nicht erkennbar. Somit stelle die Exposition gegenüber Schweißrauchen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ursache für das Asthma bronchiale dar.

Es wurden daraufhin weitere ärztliche Unterlagen vorgelegt, u.a. auch der Bericht des Dr. G. vom 11.12.2001, der eine berufliche Verursachung nicht mit Sicherheit ausschließen wollte. Auch der Kläger machte weitere Angaben zu seinem aktuellen Arbeitsplatz, wo er beim Schrauben und Zusammenbauen von Containern beschäftigt sei.

Der Präventionsdienst teilte am 25.01.2005 mit, dass unter den Gebläseschutzhelmen von einer deutlichen Unterschreitung der Grenzwerte auszugehen sei. Mit Schreiben vom 21.03.2005 gab der Präventionsdienst an, der Kläger führe weiterhin zu 50% eine gefährdende Tätigkeit aus, eine Restgefährdung hinsichtlich der BK nach Nr. 4302 liege weiterhin vor.

Nach Auswahl durch den Kläger und im Auftrag der Beklagten erstellte der Arzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. W. das Gutachten vom 15.06.2005 über den Kläger. Es liege ein Asthma bronchiale vor. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK nach Nr. 4302 lägen nicht vor. Er gehe davon aus, dass die Staubschutzhelme tatsächlich getragen worden seien.

Mit Bescheid vom 23.08.2005 lehnte die Beklagte die Feststellung der BK nach Nr. 4302 BKV ab. Es fehle an der Unterlassung aller Tätigkeiten, die atemwegsgefährdend seien. Auch eine Anerkennung nach § 9 Abs. 2 SGB VII komme nicht in Betracht. Den hiergegen geführten Widerspruch vom 21.09.2005 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2006 zurück.

Am 12.12.2014 (Schreiben vom 10.12.2014) beantragte der Kläger erneut die Prüfung und Anerkennung einer BK. Er gab an, es liege ein GdB von 70 und das Merkzeichen "G" vor. Er beziehe seit 01.11.2014 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Außerdem legte der Kläger das internistisch-pneumologische Gutachten des Dr. B. vom 05.02.2014 aus dem beim Sozialgericht (SG) Ulm geführten Verfahren S 5 SB 2478/12 vor. Der Kläger gab im Fragebogen Auskunft zu seinen Beschwerden, die seit Herbst 2004 bestünden.

Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen bei. Der Präventionsdienst nahm am 25.02.2015 Stellung. Der Kläger nahm nun zu der Arbeitsplatzbeschreibung Stellung (Schreiben vom 06.03.2015, 19.03.2015 und 26.03.2015), woraufhin der Präventionsdienst erneut Stellung nahm.

Der Beratungsarzt Dr. L. führte in seiner Stellungnahme vom 07.04.2015 aus, es sei davon auszugehen, dass den Feinstaubemmissionen durch das Schweißen mit Staubmasken zumindest einigermaßen effektiv begegnet worden sei, was wahrscheinlich gegenüber den Lösungsmittelexpositionen nicht in gleichem Umfang gewährleistet werden könne. Andererseits gehörten die namentlich benannten Substanzen Trichlorethen und Perchlorethen zumindest nicht zu den irritativen Leitsubstanzen der BK nach Nr. 4302 BKV.

Nachdem der Präventionsdienst angegeben hatte, der mit Gebläse unterstützte Helm sei während der ganzen Schicht getragen worden, zog die Beklagte weitere ärztliche Unterlagen und eine Stellungnahme des Dr. L. bei, der eine Lungen- und Pleuraasbestose nicht bestätigt sah.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 27.07.2015 es ab, den Verwaltungsakt vom 23.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.07.2006 nach § 44 SGB X zurückzunehmen. Auch bestehe keine BK nach Nr. 4103 BKV.

Hiergegen erhob der Kläger am 06.08.2015 Widerspruch. Es liege eine obstruktive Atemwegserkrankung zweifelsfrei vor. Die Belüftung in der Halle sei nicht ausreichend gewesen. Es lägen die Voraussetzungen der BK nach Nr. 4302 BKV vor. Der Kläger legte Berichte des Dr. G. vor.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2015 zurück.

Der Kläger hat am 08.12.2015 beim SG Klage erhoben und geltend gemacht, die Absaugung bei der Firma G. habe nicht besonders gut funktioniert und an verschiedenen Stellen sei gar keine Absaugung vorhanden gewesen sei. An den Schweißarbeitsplätzen habe eine Brenndauer des Lichtbogens von vier bis fünf Stunden vorgelegen und auch wenn er 70 % mit Schleifen und Streichen beschäftigt gewesen sei, sei er trotzdem viel Zinkschleifstaub und Zinkschleifrauch ausgesetzt gewesen. Den Rauch habe man in der Halle sehen können und schon nach einiger Zeit seien Nase und sein Hals schwarz mit Zinkschweißstaub und Zinkschweißrauch gewesen. An dem von ihm getragenen Atemschutzgerät habe er die Rauchabsaugung nicht benutzt, da dies zu umständlich gewesen sei. Der Kläger hat Befundberichte des Dr. G. vom September 2016 und Februar 2017 sowie ein Attest vom April 2017 vorgelegt und auf das von der Beklagten eingeholte Gutachten des Dr. B. verwiesen (Blatt 22/24, 29, 31/34 der SG-Akte).

Die Beklagte hat eine Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 27.09.2016 vorgelegt (Blatt 19/20 der SG-Akte).

Das SG hat mit Urteil vom 30.05.2017 die Klage abgewiesen.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 09.06.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 03.07.2017 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Er habe im Verfahren vor dem SG vorgetragen, dass die am 25.02.2015 gefertigte Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition so nicht zutreffend sei, da vor allem die Aussage, er wisse nicht mehr, wie oft er derartige Arbeiten verrichtet habe, nicht zutreffend sei. Er teile mit, dass dies vier bis fünf Mal pro Woche stattgefunden habe. Weiterhin führe er aus, dass im Blick auf die Entfettung der Werkstücke mit Lappen und Lösungsmitteln Tri-, Per- und Nitroverdünnung verwandt worden seien. Hier seien mindestens fünf Liter pro Schicht verwendet worden. Im Blick auf das Anstreichen der Pfosten mit dem Pinsel habe er mitgeteilt, dass hier zwölf Liter pro Schicht verwandt worden seien. Seine Einwendungen lasse das SG außer Acht. Er beziehe sich auf die Ausführungen des Dr. L ... Dieser stelle fest, dass aus Trichlorethen durch thermische Energie (z.B. Schweißen) Phosgen entstehe, also ein starker Lungenreizstoff. Er führe weiter aus, da das Trichlorethen jedoch vor dem Schweißen von den Blechen vollständig mittels Druckluft entfernt worden sei, eine thermische Zersetzung des Trichlorethens beim Schweißen also nicht erfolgen konnte, sei auch insoweit keine Exposition gegenüber atemwegsreizenden Stoffen festzustellen. Das vermöge nicht zu überzeugen. So sei nicht davon auszugehen, dass das Trichlorethen durch Druckluft vollständig entfernt werden konnte. Am Arbeitsplatz hätten keine Laborbedingungen geherrscht. Es erscheine nachvollziehbar, dass durch das Schweißen ein Lungenreizstoff entstehe. Bei der Firma G. habe eine Belastung durch Schweißrauche, Schleifstaub und Lösemitteln und eine Überschreitung der Grenzwerte für alveolengängige und einatembare Staubanteile in der Hallenluft bestanden. Seine Ausführungen, die Rauchabsaugung sei nicht benutzt worden, da dies zu umständlich gewesen sei bzw. der Akku sei gelegentlich leer gewesen, sei nachvollziehbar. Die Ausführungen des Prävensionsdienstes, dass Zinkstaub grau und Zinkoxidstaub weiß seien, weshalb schwarze Ablagerungen in Hals und Nase nicht für eine höhere Zinkexposition sprechen, überzeugten nicht. Er habe dargelegt, dass er bei seiner Schweißtätigkeit in der Kehle und in der Nase schwarze Ablagerungen gehabt habe. Ob diese nun als grau oder als schwarz einzuordnen sind, sei sicherlich eine Spitzfindigkeit, die nicht zur Begründung herangezogen werden könne. Im Gutachten des Dr. B. vom 09.12.2004 gebe dieser an, dass eine konkurrierende Ursache für die Auslösung der Atemwegserkrankung nicht erkennbar sei. Er sei und war seit seines Lebens Nichtraucher, eine Triggerung der obstruktiven Atemwegserkrankung durch gehäufte Infekte scheide aufgrund der anamnestischen Angaben ebenfalls aus. Somit stelle die Exposition gegenüber Schweißrauchen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ursache für das Asthma bronchiale dar. Ob Herr Dr. B. dabei von unrichtigen Anknüpfungstatsachen (Exposition unter diesen Grenzwerten oder nicht) ausgehe, vermöge an dem von Dr. B. festgestellten Ergebnis nichts zu verändern.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 30.05.2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.07.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2015 zu verpflichten, den Bescheid vom 23.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2006 zurückzunehmen und seine Lungenerkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Das SG habe sich mit den Einwendungen des Klägers auseinandergesetzt.

Der Kläger hat unter Vorlage eines Attestes von Dr. P. vom 10.10.2003 ausführen lassen (Schreiben vom 20.11.2017, Blatt 30/32 der Senatsakte), im Betrieb, vor allem im großen Schweißraum, sei keine ordnungsgemäße Absaugung vorhanden gewesen. Die Hallenluft sei immer schlecht gewesen. Natürlich habe er, sofern irgend möglich, einen Helm aufgesetzt. Dies habe er jedoch nicht während des ganzen Arbeitstages tun könne, er habe mit Kollegen und Vorgesetzten sprechen sowie Zeichnungen und Pläne lesen müssen. Dazu habe er den Helm absetzen müssen. In der Halle sei aber immer Rauch und Schleifstaub gewesen. Wenn er abends nach Hause gekommen sei, sei er ausgelaugt gewesen und habe nicht richtig atmen können. Hinzu komme, dass Beanstandungen nicht gern gesehen gewesen seien und er Angst um seinen Arbeitsplatz gehabt habe. Er habe für seine Familie sorgen müssen und sei seinem Sohn gegenüber unterhaltspflichtig. Obwohl der Betriebsarzt Dr. P. in seiner Stellungnahme vom 10.10.2003 deutlich gemacht habe, dass er aufgrund der bestehenden Erkrankung für die Tätigkeit als Schweißer nur im Ausnahmefall eingesetzt werden solle, sei er weiterhin als Schweißer beschäftigt gewesen. Im Winter habe die Lüftungsklappe nicht geöffnet werden dürfen. Nach seiner Kenntnis seien auch andere Arbeitskollegen wegen der schlechten Arbeitsbedingungen gesundheitlich angeschlagen. Die Original-Arbeitskleidung mit Schleif- und Zinkstaub sei noch vorhanden. Wenn ein Besuch der BG angestanden habe, sei in der Halle zusammengekehrt und gelüftet worden. Er selbst sei von seinem Arbeitsplatz weggeschickt worden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Senat einverstanden erklärt (Blatt 29, 30 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des Verfahrens L 13 R 4259/12, des SG und des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber ohne Erfolg.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 30.05.2017 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 27.07.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hatte und hat keinen Anspruch auf Feststellung seiner Lungenerkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4302 BKV; eine BK nach Nr. 4301 BKV ist vorliegend nicht streitig.

Soweit die Beklagte auf das Schreiben des Klägers vom 10.12.2014 die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 23.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2006 geprüft hatte, ist Rechtsgrundlage § 44 SGB X. Darüber hinaus hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 27.07.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2015 nicht nur über die Überprüfung des Bescheids vom 23.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2006 entschieden, vielmehr hat sie auch über die aktuelle Ablehnung der Feststellung der streitigen BK Nr. 4302 BKV entschieden.

Zwar deutet der Wortlaut des Bescheids vom 27.07.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2015 darauf hin, dass die Beklagte über die Rücknahme der alten Bescheide nach § 44 SGB X entschieden hat, doch ergibt die Auslegung des Bescheids vom 27.07.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2015 nach dem objektivierten Empfängerhorizont, dass auch aktuell die Feststellung der BK Nr. 4302 BKV abgelehnt worden war. So hatte der Kläger mit dem Schreiben vom 10.12.2014 nicht nur die Überprüfung der alten Entscheidungen aus dem Jahr 2005/2006 begehrt, vielmehr hat er mitgeteilt, dass er – was durch den Hinweis auf den Bezug der vollen Erwerbsminderungsrente seit November 2014 deutlich wird - jetzt seine gefährdende Tätigkeit aufgegeben hatte. Die Beklagte hatte erkannt, dass es dem Kläger mit seinem Schreiben nicht nur um eine Überprüfung der früheren Entscheidungen gegangen war, denn sie hat durch Einschaltung des Präventionsdienstes mit Besichtigung des letzten Arbeitsplatzes und Beiziehung aktueller ärztlicher Unterlagen sowie der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. L. , der den gesamten Zeitraum bis November 2014 berücksichtigte, Ermittlungen auch zum aktuellen Zustand durchgeführt. Auch aus dem Bescheid vom 27.07.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2015 ist im konkreten Einzelfall zumindest bei vertiefter Auslegung noch hinreichend deutlich zu erkennen, dass die Beklagte eben nicht nur die Rücknahme der früheren Entscheidungen nach § 44 SGB X geprüft hatte, sondern, dass sie auch über die Frage entscheiden wollte, ob dem Kläger aktuell ein Anspruch auf Feststellung der BK Nr. 4302 und 4301 BKV zustand. Dies wird im Bescheid zumindest daraus hinreichend deutlich, als dort ausgeführt ist, der Kläger habe "sinngemäß auch einen Antrag auf Rücknahme des Bescheids vom 23.08.2005 gestellt." Dass die Beklagte aber trotz der Ermittlungen auch zu einem aktuellen Feststellungsanspruch nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit nicht "auch" über einen Feststellungsanspruch nach Aufgabe der Tätigkeit entscheiden wollte ist nicht ersichtlich. Vielmehr wird auch aus dem Vorbringen im Widerspruchsverfahren deutlich, dass es dem Kläger um die aktuelle Feststellung der BK Nr. 4302 BKV gegangen ist, sodass auch dem Wortlaut des Widerspruchsbescheides kein abweichender Wille der Beklagten zu entnehmen ist. Damit hat die Beklagte nicht nur über die Rücknahme der Entscheidungen aus dem Jahr 2005/2006 entschieden, sondern auch über einen Feststellungsanspruch des Klägers nach Aufgabe seiner Tätigkeit im Jahr 2014. Darüber hat auch das SG mit seinem angefochtenen Urteil vom 30.05.2017 entschieden, sodass der Senat nicht gehindert war, auch jetzt und nicht nur bezüglich des Jahres 2005 das Vorliegen eines Feststellungsanspruchs zu prüfen.

Der Senat konnte nicht feststellen, dass die Ablehnung der Feststellung der BK nach Nr. 4302 BKV im Bescheid der Beklagten vom 23.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2006 bezogen auf den Zeitpunkt seines Wirksamwerdens rechtswidrig war. Denn eine BK nach Nr. 4302 BKV war damals nicht festzustellen. Es lag kein Versicherungsfall i.S.d. § 7 SGB VII vor.

Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII); einen Arbeitsunfall hat der Kläger weder geltend gemacht noch hat die Beklagte hierüber entscheiden. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind. Im Anhang zur BKV ist die Erkrankung an einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit nach Nr. 2301 enthalten.

Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - , veröffentlicht in juris). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit. Abweichend von der früheren Verwendung des Begriffs der haftungsbegründenden Kausalität folgt der Senat der überzeugenden neueren Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 02.04.2009, a.a.O.), dass auch im Berufskrankheiten-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet werden kann. Durch diesen Zusammenhang wird keine Haftung begründet, weil Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit angesichts ihrer zahlreichen möglichen Erscheinungsformen und ihres unterschiedlichen Ausmaßes nicht zwangsläufig schädigend sind. Denn Arbeit - auch körperliche Arbeit - und die damit verbundenen Einwirkungen machen nicht grundsätzlich krank. Erst die Verursachung einer Erkrankung oder ihre wesentliche Verschlimmerung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen - in nachgewiesener Dauer und Intensität - begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen GesunDheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den Berufskrankheitenfolgen, die dann gegebenenfalls zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der Berufskrankheit keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.

Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (BSGE 60, 58 m.w.N.; vgl. auch Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, E § 9 RdNr. 26.2). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19,52, 53; 30,121, 123; 43, 110, 112).

Nach diesen Regeln und Maßstäben hatte der Kläger zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Bescheids der Beklagten vom 23.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2006 keinen Anspruch auf Feststellung der BK Nr. 4302 BKV.

Nach Nr. 4302 BKV sind als BK anerkannt: Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Vorliegend hat der Kläger nach seinen eigenen Angaben, die auch im Gutachten von Dr. B. vom 05.02.2014 bestätigt werden, von 1997 bis 2014 seine Tätigkeit bei der Fa. G. in der Montage von Baucontainern gearbeitet und dabei diese zusammengeschraubt, geschweißt und geschliffen (Blatt 85/86 der Beklagtenakte Band 2). Das hat auch das SG festgestellt, ohne dass der Kläger hiergegen in der Berufung Einwände erhoben hat. Von dieser Tätigkeit hat der Kläger noch in der Berufung ausgeführt, dass die gesamte Halle schlecht gelüftet war und er trotz seiner Erkrankung weiterhin als Schweißer beschäftigt gewesen war. Damit hat der Kläger trotz des bekannten Asthma bronchiale an seinem atemwegsbelastenden Arbeitsplatz weitergearbeitet und hatte zum Zeitpunkt des Bescheids/Widerspruchsbescheids 2005/2006 seine gefährdende Tätigkeit nicht aufgegeben, sodass die Voraussetzungen der BK Nr. 4302 BKV nicht erfüllt waren.

Auch im Schreiben vom 10.12.2014 (Blatt 81 der Beklagtenakte Band 2) hat der Kläger noch angegeben, bis 2014 bei der Fa. G. beschäftigt gewesen und mit Schweißrauchen und Schleifstauben in Berührung gekommen zu sein. Dem entspricht auch seine Angabe (Blatt 223 der Beklagtenakte Band 2), wonach er wegen der Insolvenz der Fa. G. bis 2004 und danach nach Wiedereinstellung vom 10/2004 bis 10/2014 dort gearbeitet habe. Er hat angegeben, den belüfteten Helm nicht ständig eingesetzt zu haben und daher den Gasen und Stäuben ausgesetzt gewesen zu sein. Damit hatte der Kläger die gesundheitsgefährdende, BK-bewehrte Tätigkeit zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Bescheids der Beklagten vom 23.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2006 nicht aufgegeben, sodass ein Feststellungsanspruch nicht bestand. Dass der Kläger angegeben hat, seine Tätigkeit wegen seiner Familie, insbesondere des unterhaltsberechtigten Sohnes, nicht aufgeben zu können, ist im Hinblick auf die Tatbestandsvoraussetzungen der streitigen BK ohne Bedeutung.

Der Kläger hat aber auch nach Aufgabe seiner BK-bewehrten Tätigkeit keinen Anspruch auf Feststellung der BK Nr. 4302 BKV. Denn der Senat konnte nicht feststellen, dass der beim Kläger vorliegende Gesundheitsschaden an der Lunge rechtlich wesentlich hinreichend wahrscheinlich auf die berufsbedingte Staub-, Rauch- und Gasexposition am Arbeitsplatz zurückzuführen ist. Insoweit nimmt der Senat nach eigener Prüfung auf die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sowie des SG Bezug, die sich ausführlich mit der Frage der Kausalität beschäftigt haben. Ergänzend wird auch auf Folgendes hingewiesen:

Soweit der Kläger entgegen seinen Ausführungen im Gerichts- und Berufungsverfahren den belüfteten Helm dauerhaft getragen hatte, war er nicht einer überdurchschnittlich hohen Exposition gegen Gase und Stäube ausgesetzt, sodass der Senat nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit annehmen konnte, dass die berufsbedingte Exposition bis 2005 bzw. 2014 rechtlich wesentlich den Gesundheitsschaden beim Kläger verursacht hatte. Damit fehlt es insoweit an der Kausalität zwischen Exposition und Gesundheitsschaden, weshalb ein BK-Feststellungsanspruch nicht besteht. Denn die Menge der trotz der Belüftung im Helm den Kläger treffenden Gase, Stäube und Rauche war aber - wie das SG im Anschluss an die Gutachten und die Stellungnahmen des Präventionsdienstes zutreffend ausgeführt hat - nicht hinreichend atemwegsbelastend und überstiegen das Maß der durchschnittlichen Exposition, wie sie durchschnittlich auch andere Arbeitnehmer treffen, nicht. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG, denen er sich nach eigener Prüfung der Gutachten und der Stellungnahmen des Präventionsdienstes anschließt und die Berufung auch aus diesem Grund zurückweist.

Soweit der Kläger aber im SG-Verfahren und auch im Berufungsverfahren behauptet hat, den Helm bzw. dessen Gebläse bzw. Absaugung nicht konsequent und kontinuierlich genutzt zu haben, weil dies z.B. mangels Akkus nicht möglich oder zu umständlich gewesen sei, stellt er sich in Widerspruch zu seinen früheren Aussagen. So hat er noch bei der Betriebsbesichtigung im Jahr 2004 selbst angegeben, konsequent die Schutzausrüstung zu tragen und zu nutzen. Anderes hat er auch im Verwaltungsverfahren 2014/2015 nicht angegeben, worauf auch schon das SG hingewiesen hatte, sodass sein im Gerichtsverfahren erstmals aufgebrachter Vortrag als bloße Schutzbehauptung und nach rechtskundiger Beratung auf die jeweilige Prozesssituation angepasstes Vorbringen zu werten ist, dem die Kläger in einem überdurchschnittlichen Maß atemwegserkrankenden Rauchen, Gasen und Stäuben ausgesetzt war.

War der Kläger aber weder bis 2005 noch bis 2014 einer berufsbedingten Exposition ausgesetzt, die über die Exposition durchschnittlicher Arbeitnehmer hinausgeht, unterlag er auch keinem höheren Risiko als durchschnittliche Arbeitnehmer. Der Senat konnte vor diesem Hintergrund auch zum Zeitpunkt der Aufgabe der Tätigkeit im Herbst 2014 nicht feststellen, dass die beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen - zumindest jetzt – hinreichend wahrscheinlich rechtlich wesentlich auf die Rauch-, Gas- und Staubexposition am Arbeitsplatz zurückzuführen sind.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren Einwendungen gegen die Entscheidung des SG erhoben hat, folgt ihm der Senat nicht. Das SG hat sich ausreichend mit den Ausführungen des Klägers auseinandergesetzt, was sich aus den Entscheidungsgründen des Urteils des SG ergibt. Soweit der Kläger nunmehr ausführt, die Arbeitsplatzexposition sei so nicht zutreffend, steht das im Widerspruch zu seinen eigenen früheren Angaben, bei denen er nur wenige Korrekturen an den Ausführungen des Präventionsdienstes angegeben hatte. Er selbst war bei der Arbeitsplatzbegehung durch den Präventionsdienst am 21.09.2004 anwesend (vgl. Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 30.09.2004). Selbst bei der Besprechung der Arbeitsplatzbegehung vom 11.02.2015 (Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 25.02.2015) war der Vertreter des Klägers anwesend. Mit seinen übrigen Ausführungen z.B. zum Umfang der verbrauchten Lösungsmittel und Lacke hat sich der Präventionsdienst auseinandergesetzt (vgl. z.B. Blatt 223, 224 der Beklagtenakte Band 2). Das SG hat diese berücksichtigt.

Soweit der Beratungsarzt Dr. L. angegeben hatte, dass aus Trichlorethen durch thermische Energie (z.B. Schweißen) Phosgen entstehe, also ein starker Lungenreizstoff, dieser jedoch wegen der Reinigung beim Schweißen nicht thermisch zersetzt und daher eine Exposition gegenüber atemwegsreizenden Stoffen nicht festzustellen sei, führt dies im vorliegenden Fall nicht zum Erfolg der Berufung. Denn wenn die vom Kläger auch in der Arbeitsplatzbegehung am 21.09.2004 angegebenen Zink- bzw. Schweißstäube entstanden waren, weil das Trichlorethen durch Druckluft nicht vollständig entfernt werden konnte, hat die Belüftung des Helmes mit der überzeugenden Stellungnahme des Präventionsdienstes dazu geführt, dass diese den Kläger nicht in einem überdurchschnittlichen Maß trafen, sodass keine hinreichende Exposition festzustellen war.

Damit hatte der Kläger weder 2005 einen Anspruch auf Feststellung seiner Atemwegserkrankung als BK nach Nr. 4302 BKV noch bei Aufgabe seiner Tätigkeit im Jahr 2014. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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