S 36 U 334/16

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
36
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 334/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ihre Aufwendungen in Höhe von 43.179,74 EUR dem Grunde nach gemäß § 105 Abs. 2 SGB X zu erstatten.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf 43.179,74 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Übernahme von Behandlungskosten für einen Versicherten gemäß § 105 SGB X in Höhe von 43.179,74 EUR.

Die Klägerin ist die zuständige gesetzliche Unfallversicherung für den im Jahre 1964 geborenen Geschädigten S ... Der Versicherte erlitt im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit als Kurierfahrer am 26. Januar 2010 einen Unfall, als er beim Überqueren einer Straße ausrutschte und hinfiel. Nach dem Durchgangsarztbericht von Professor Dr. B6 vom 28. Januar 2010 zog er sich dabei eine Commotio cerebri, eine Schädelprellung occipital und eine HWS-Distorsion zu. Im Bereich des Kopfes zeigte sich keine offene Stelle.

In seinem Zwischenbericht vom 28. Januar 2010 erklärte Prof. Dr. B6 weiter, dass zum Unfallzeitpunkt auch keine Bewusstlosigkeit vorgelegen habe. Es sei eine Übelkeit aufgetreten, welche aber im Verlauf rückläufig gewesen sei. Für den Bereich des Schädels ergab sich im Rahmen der Computertomographie vom 26. Januar 2010 ein altersentsprechend unauffälliger Befund, ohne Kontusionsblutung oder anderer Symptomatik. Im Bereich der Halswirbelsäule bestand ein diskretes Streckverhalten der HWS, ohne frische Wirbelkörpersinterung sowie eine physiologische Darstellung der prävertebralen und dorsal gelegenen Halsweichteile. Nebenbefundlich bestand eine Bogenschlussstörung bei HWK 1.

Im Rahmen einer weiteren Computertomographie des Schädels vom 10. Februar 2010 ergaben sich keine Hinweis auf eine Blutung, kein Raumforderungszeichen und kein Nachweis auf knöcherne Läsionen.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie B1 erklärte in einem Befundbericht vom 26. Februar 2010, dass die Halswirbelsäule weiterhin schmerzbedingt bewegungseingeschränkt sei. Im Übrigen ergebe sich kein klinischer Befund hinsichtlich Koordination, Motorik, Sensibilität sowie Eigenreflexe. Der Arzt äußerte den Verdacht auf einen Zustand nach Contusio spinalis der HWS.

Im Rahmen einer Nachuntersuchung vom 18. Februar 2010 schilderte der Versicherte gegenüber der chirurgischen Gemeinschaftspraxis Dr. P. und M. einen deutlichen Rückgang der Kopfschmerzen, des Schwindels und der Übelkeit. Klinisch sei die Beweglichkeit der Halswirbelsäule frei. Ein Schädel-Kompressionsschmerz finde sich nicht. Die Rotation und Seitneigung des Kopfes sei noch schmerzhaft, die linksparavertebrale Muskulatur noch verhärtet. Arbeitsunfähigkeit sei bis zum 26. Februar 2010 ausgestellt.

In einer weiteren Nachuntersuchung vom 14. April 2010 berichtete der Versicherte wieder über zunehmend muskuläre Verspannungen mit Steilstellung der Halswirbelsäule und Bewegungsschmerz in allen Ebenen. Die Magnetresonanztomographie des Schädels am 22. April 2010 ergab ein altersentsprechend unauffälliges Neurocranium sowie eine geringe Sinusitis maxillaris links. Die Magnetresonanztomographie der Halswirbelsäule ergab keinen Prolaps, keine osteodestruktive Läsion, keine cervicale Myelopathie, aber eine beginnende Spondylose im Bereich der CW 5/6.

Prof. Dr. M1 von der Bergmannsheil Berufsgenossenschaftlichen Klinik in B2 teilte mit Arztbericht vom 29. April 2010 mit, dass eine hier durchgeführte fachneurologische Untersuchung keine Auffälligkeiten gezeigt habe. Der Neurologe Dr. K. bewertete die aktuelle Kopfschmerzsymptomatik als chronischen Spannungskopfschmerz. Eine berufliche Rehabilitation scheiterte. Der Versicherte war weiterhin arbeitsunfähig.

Im Rahmen einer Magnetresonanztomographie der Halswirbelsäule vom 30. November 2010 ergab sich eine Streckfehlhaltung der Halswirbelsäule, eine langbogige linkskonvexe skoliotische Seitverbiegung, ein diskreter Bone bruise im ventralen Corpus von C5 mit Verdacht auf nicht dislozierter Fraktur eines Spondylophythen an der Deckplatte ventral von C5 mit diskreter Flüssigkeit paravertebral C4/5, keine Myelopathie, keine instabile Wirbelkörperfraktur sowie in degenerativer dextrolateraler NPP C3/C4 und C4/5 mit Neuroforameneinengung.

Mit Zwischenbericht vom 7. Dezember 2010 stellte Dr. B5 fest, dass sich der Versicherte heute im Rahmen der Visite erneut vorgestellt habe. Er demonstrierte erstmals ein verbessertes Bewegungsausmaß der Halswirbelsäule. Die Weiterführung der eingeleiteten BOR-Maßnahme sei weiterhin sinnvoll.

Die Klägerin machte mit Schreiben vom 20. Januar 2011 "vorsorglich zur Wahrung der Ausschlussfrist des § 111 SGB X einen Erstattungsanspruch" für die bisher getätigten Ausgaben für Rettungswagen/Notarzt, Krankentransport, stationäre Behandlung vom 26. Januar 2010 bis 28. Januar 2012, Krankengymnastik/Physikalische Therapie, berufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung vom 15. Mai 2010 bis 9. Juni 2010, berufsorientierte Rehabilitation, Fahrprobe und EAP-Maßnahme im November 2010 geltend. Es sei unklar, ob die Erkrankung auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen sei. Angaben zur Höhe des Verletztengeldes seien nicht erforderlich, da dieses im Rahmen der Verwaltungsvereinbarung von der Beklagten ausgezahlt werde.

Priv. Doz. Dr. B3 stellte in seinem Zusammenhangsgutachten auf chirurgischem Fachgebiet vom 15. Juli 2011 dar, dass hinreichend wahrscheinlich die Diagnose der Schädelprellung und die HWS-Distorsion Unfallfolgen seien. Ernsthafte Zweifel bestünden hinsichtlich der Diagnose der Commotio cerebri und Contusio spinalis (Rückmarksprellung) als Unfallfolge. Die Kopfgelenksblockade und konsekutiven muskulären Dysbalancen seien hinreichend durch die osteochondrotische und degenerative Vorerkrankung der HWS begründet. Nach Angaben der Literatur zeigten sich Bandscheibenverletzungen und HWS-Distorsionen nach gröbsten Anfangssymptomen definitiv nach 3-4 Monaten zurückgebildet. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit von 4-6 Wochen nach dem Unfall sei angemessen.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B4 erklärte in seinem Zusammenhangsgutachten vom 8. Januar 2012, dass es nicht zu einer Kontusion des Halsmarks gekommen sei. Weder dem Befund vom 25. Februar 2010 noch dem Befund vom 20. April 2010 sei eindeutig eine Kontusion des Halsmarks zu entnehmen. Zudem bestünden auch keine bleibenden Ausfälle. Insbesondere beklage der Versicherte keine Kopfschmerzen mehr. Sowohl auf dem neurologisch-psychiatrischen als auch auf chirurgischem Fachgebiet lägen keine vom Unfall verursachten Körperschäden mehr vor.

Mit Bescheid vom 15. Februar 2012 lehnte die Klägerin eine Rentenleistung gegenüber dem Versicherten ab. Durch den Unfall vom 26. Januar 2010 habe der Versicherte eine Schädelprellung und eine Halswirbelsäulen-Distorsion erlitten. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit hätten allenfalls für sechs Wochen, also bis zum 8. März 2010 bestanden. Die darüber hinaus gehende Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit beruhe auf der bestehenden osteochondrotischen und degenerativen Vorerkrankung der Halswirbelsäule. Hiergegen legte der Versicherte Widerspruch ein. Die Klägerin erließ am 30. August 2012 den Widerspruchsbescheid.

Mit Schreiben vom 20. November 2012 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 52.746,28 EUR geltend, u.a. für Verletztengeld vom 30. Juni 2010 bis 26. Juni 2011 in Höhe von 30.185,15 EUR sowie abgeführte Sozialversicherungsbeiträge für diese Zeit in Höhe von 11.310,64 EUR. Es habe sich nachträglich herausgestellt, dass die Erkrankung des Versicherten ab dem 9. März 2010 nicht auf einem Versicherungsfall beruhe. Mit Schreiben vom 18. Januar 2013 erinnerte die Klägerin die Beklagte an die Bearbeitung des Erstattungsanspruchs. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 20. Februar 2013 mit, dass die von der Klägerin im Nachhinein recht kurz anerkannte Unfallbedingtheit nicht nachvollziehbar sei. Es werde deshalb der Medizinische Dienst eingeschaltet. Dazu werde um Übersendung der kompletten BG-Akte gebeten. Erst nach endgültiger Klärung könne sich dem Erstattungsbegehren zugewandt werden. Mit Schreiben vom 4. April 2013 übersandte die Klägerin der Beklagten die entsprechenden Verwaltungsakten. Mit Schreiben vom 20. September 2013 teilte die Beklagte mit, dass die Unterlagen dem Medizinischen Dienst zur Verfügung gestellt worden seien. Leider seien die Laufzeiten beim MDK zum Teil recht lang. Bis zum Erhalt der Stellungnahme und dem Rücklauf der Akten könnten mehrere Monate vergehen. Dies sei leider nicht durch die Beklagte zu beeinflussen. Sobald die Unterlagen wieder vorlägen, würden diese umgehend und unaufgefordert zurückgesandt.

Mit Schreiben vom 10. Januar 2014 teilte die Beklagte mit, dass es nach Einholung eines fachärztlichen Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung von Dr. G. nicht plausibel zu machen sei, dass hier ein Wechsel von unfallbedingten zu unfallunabhängigen Beschwerden stattgefunden haben soll. Dr. G. führte aus, dass die (durch den Versicherten) beschriebene Symptomatik einer passageren Lähmung und Schwächegefühl von Armen und Beinen dem einer Commotio spinalis entspreche. Es hätten sich kontinuierliche Brückensymptome mit immer wieder beschriebener Steilstellung der HWS mit muskulärem Hartspann und Bewegungseinschränkungen gezeigt. Zudem ergäben sich keine Hinweise für eine konkurrierende unfallfremde Erkrankung. Daher könne der Erstattungsanspruch nicht befriedigt werden. Die Klägerin führte in ihrem Schreiben vom 26. Februar 2014 hierzu aus, dass sämtliche Röntgen-, CT- und MRT-Befunde zu keinem Zeitpunkt unfallbedingte Veränderungen gezeigt hätten. Eine Contusio spinalis habe gerade nicht verifiziert werden können. Es werde um umgehende Erledigung des Erstattungsanspruchs gebeten. Mit weiterem Schreiben vom 7. März 2014 wies die Beklagte darauf hin, dass die Stellungnahme noch einmal dem MDK vorgelegt werde, um eine rechtssichere Aussage zu erhalten. Die erneute Stellungnahme des MDK ging bei der Klägerin am 23. Juni 2014 ein, mit dem Hinweis, dass ein Erstattungsanspruch der Klägerin weiterhin zurückgewiesen werde.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 12.02.2015 wies der Priv.-Doz. Dr. B3 für die Klägerin darauf hin, dass weder röntgenologisch noch mittels MRT die beklagten Beschwerden als unfallursächlich nachvollzogen werden könnten. Es habe sich auch keine verknöcherte Verletzung gezeigt. Auch habe es niemals Hinweise im MRT auf Verletzungen des vorderen oder hinteren Längsbandes ergeben. Ein Primärschaden habe nicht im Vollbeweis gesichert werden können. Nach Vorlage der ergänzenden Stellungnahme bei der Beklagten, erklärte diese mit Schreiben vom 16. März 2015, dass die Stellungnahme für eine abschließende Beurteilung der Fachabteilung vorgelegt werde. Die Abteilung "Regress" der Beklagten teilte mit Schreiben vom 23. September 2015 mit, dass dem Erstattungsanspruch nicht entsprochen werden könne. Mit weiterem Schreiben vom 16. März 2016 hat die Beklagte auf ihre Entscheidung vom 23. September 2015 verwiesen.

Die Klägerin hat am 23. Dezember 2016 Klage erhoben und weiter ausgeführt, dass auch die Anmeldung des Erstattungsanspruchs vom 20. Januar 2011 den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geforderten Kriterien für eine wirksame Geltendmachung im Sinne des § 111 SGB X genüge. Die Klägerin habe eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass ein Erstattungsanspruch angemeldet, also unbedingt eingefordert werde. Zudem habe die Beklagte hinsichtlich der Höhe der Dauer der Auszahlung des Verletztengeldes konkrete Kenntnis, da sie die Berechnung und Auszahlung durch die Verwaltungsvereinbarung "Generalauftrag Verletztengeld" selber durchgeführt habe. Die Klägerin hat im Rahmen des Klageverfahrens nunmehr ein Betrag in Höhe von 43.179,74 EUR, aufgeteilt in Verletztengeld vom 10. März 2010 bis 26. Juni 2011 in Höhe von 30.125,16 EUR, Beiträge zur Sozialversicherung für denselben Zeitraum in Höhe von 11.281,18 EUR sowie Krankengymnastik ab dem 17. März 2010 in Höhe von 1.773,40 EUR, geltend gemacht.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihre Aufwendungen in Höhe von 43.179,74 EUR dem Grunde nach gemäß §105 Abs. 2 SGB X zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben. Sie habe mit Schreiben vom 10. Juni 2016 nur erklärt, dass sie auf die Einrede der Verjährung für Aufwendungen verzichte, die zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung noch nicht verjährt gewesen seien. Insbesondere die Ansprüche aus den Jahre 2010 und 2011 unterlägen der Verjährung. Die Beklagte habe auch nicht durch ihr eigenes Verhalten Anlass gegeben, auf die Einholung der Einrede der Verjährung zu verzichten bzw. die Forderung nicht anderweitig rechtzeitig zu sichern.

Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass zwar grundsätzlich nach § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf den Zeitpunkt des "Entstehens" des Erstattungsanspruchs abzustellen ist. Die Verjährung könne gemäß § 113 Abs. 2 SGB X jedoch gehemmt werden, z.B. bei Verhandlungen zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger über den Anspruch oder über die den Anspruch begründenden Umstände. Die Klägerin habe den Erstattungsanspruch durch die Schreiben vom 20. Januar 2011, 9. Februar 2011 sowie 20. November 2012 angemeldet und schließlich beziffert. Anschließend habe ein regelmäßiger Austausch auf schriftlichem und zum Teil auch telefonischem Wege stattgefunden.

Außer der Gerichtsakte haben die den Versicherten betreffenden Verwaltungsakten der Beteiligten vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der Kosten für Verletztengeld und Beiträge zur Sozialversicherung für den Zeitraum vom 10. März 2010 bis 26. Juni 2011sowie Kosten für Krankengymnastik ab dem 17. März 2010 gemäß § 105 Abs. 2 SGB X.

Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB X ist der zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen des §§ 102 SGB X vorliegen.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Höhe des Erstattungsanspruchs dem Grunde nach ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Eine den Erstattungsanspruch nach § 105 SGB X begründende Leistung der Klägerin liegt vor. Denn die Klägerin hat zumindest ab dem 10. März 2010 als unzuständiger Leistungsträger zu Unrecht Verletztengeld, Sozialversicherungsbeiträge sowie Kosten für Krankengymnastik. Der Unfall des Versicherten vom 26. Januar 2010 ist zwar initial ein Arbeitsunfall (§ 8 SGB VII) gewesen, für dessen Entschädigung die Klägerin aber lediglich bis längstens zum 8. März 2010 zuständig gewesen ist, da die danach fortwährende Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen ist.

Plausibel hat Priv.-Doz. Dr. B3 hierzu in seinem Zusammenhangsgutachten auf chirurgischem Fachgebiet vom 15. Juli 2011 ausgeführt, dass hinreichend wahrscheinlich lediglich die Schädelprellung sowie die HWS-Distorsion Folgen des Arbeitsunfalls des Versicherten 26. Januar 2010 sein können, da die vom Versicherten später beklagte Kopfgelenksblockade und konsekutiven muskulären Dysbalancen hinreichend durch die festgestellten osteochondrotischen und degenerativen Vorerkrankungen der HWS zu begründen seien. Diese Feststellungen sind im Hinblick auf das Ergebnis der MRT der HWS vom 30. November 2010 überzeugend, da hierbei eine nicht mit Unfallfolgen in Übereinstimmung zu bringende Streckfehlhaltung der HWS, eine langbogige linkskonvexe skoliotische Seitverbiegung, ein diskreter Bone bruise im ventralen Corpus von C5 mit Verdacht auf eine nicht dislozierte Fraktur eines Spondylophyten an der Deckplatte ventral von C5 mit diskreter Flüssigkeit paravertebral C4/5 und ein degenerativer dextrolateraler NPP C3/C4 und C4/C5 mit Neuroforameneinengung festgestellt worden ist.

Insbesondere spricht gegen eine aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls weitere Arbeitsunfähigkeit über den 8. März 2010, dass auch der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B4 in seinem Zusammenhangsgutachten vom 8. Januar 2012 erklärt hat, dass es nicht zu einer Kontusion des Halsmarks gekommen ist. Zu Recht hat Dr. B4 in diesem Zusammenhang auf die Befunde 25. Februar 2010 und 20. April 2010 verwiesen, wonach eine Kontusion des Halsmarks nicht festgestellt worden ist. Diese Einschätzung wird zudem durch die Computertomographie vom 26. Januar 2010 bestätigt, wonach ein unauffälliger Befund, d.h. keine Kontusionsblutung oder eine andere traumatisch bedingte Symptomatik vorgelegen hat. Auch die Computertomographie des Schädels vom 10. Februar 2010 hat keinen Hinweis auf eine Blutung, kein Raumforderungszeichen und kein Nachweis auf eine knöcherne Läsion erbracht. Insofern kann eine Rechtswidrigkeit des ablehnenden Bescheides der Klägerin vom 15. Februar 2012 nicht erkannt werden.

Die Ausführungen des MDK-Gutachters Dr. G. können nicht überzeugen, da dieser seine Argumentation lediglich auf einen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Behandlungsbedürftigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit gegründet hat, unter Vernachlässigung des eben nicht erwiesenen traumatischen Erstschadens im Bereich der eigentlich betroffenen Verletzungsstelle.

Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die Erstattungsansprüche der Klägerin auch nicht verjährt. Bereits mit Schreiben vom 20. Januar 2011 hat die Klägerin ihre Erstattungsansprüche vorsorglich gegenüber der Beklagten unter Beachtung der Vorschrift des § 111 SGB X geltend gemacht und hat auch die Leistungen, die Zeiträume sowie die Höhe der Leistungen aufgeführt. Darüber hinaus hat die Klägerin mit Schreiben vom 20. November 2012 die maßgeblichen Leistungen im Rahmen des § 111 SGB X geltend gemacht, unter Benennung der Art, des Umfangs (bzw. der Höhe) und des Zeitraums der Leistungen. Dies ergibt sich bereits beim Durchlesen der Erstattungsschreiben.

Zwar hat die Klägerin die Leistungen erst mit Klageerhebung am 23. Dezember 2016 gerichtlich eingefordert, so dass nach § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB X der Anspruch auf Erstattungsansprüche insbesondere für das Jahr 2010 verjährt sein könnte, da diese nicht innerhalb von 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind, gerichtlich eingefordert worden sind. Sie kann sich jedoch gemäß § 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 203 BGB auf eine Hemmung der Verjährung berufen. Von einer Hemmung der Verjährung ist auszugehen, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben. Der Begriff der "Verhandlung" in § 203 Satz 1 BGB ist weit auszulegen. Verhandlungen schweben bei jedem Meinungsaustausch über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, auf Grund dessen der Gläubiger davon ausgehen kann, dass sein Begehren von der Gegenseite noch nicht endgültig abgelehnt wird. Es ist nicht erforderlich, dass der Verhandlungspartner seine Vergleichsbereitschaft geäußert hat (vgl. auch BSG, Urteil vom 17.12. 2013, - B 1 KR 71/12 R -, in juris Rdnr.16). Erklärt dieser, sei es ausdrücklich, sei es konkludent, er sei grundsätzlich zu einer einverständlichen Regelung bereit, ist von einer Hemmung der Verjährung auszugehen. Die Hemmung endet, wenn die Fortsetzung weiterer Verhandlungen verweigert wird. Dies muss entweder ausdrücklich erfolgen oder durch eindeutiges Verhalten dem Verhandlungspartner gegenüber zum Ausdruck gebracht werden. Schlafen die Verhandlungen ein oder werden sie verschleppt, entfällt die Hemmung, wenn aus Sicht des Gläubigers nach Treu und Glauben ein nächster Schritt zu erwarten gewesen wäre, der jedoch nicht erfolgt ist (MüKoBGB/Grothe § 203 Rdnr. 5, 8 m.w.N.).

Das Schweben von Verhandlungen i.S.d. § 203 Satz 1 BGB über einen Erstattungsanspruch kann auch dann vorliegen, wenn die am Erstattungsverhältnis beteiligten Sozialleistungsträger zur Ermittlung des Erstattungssachverhalts zusammenarbeiten, zumal sie gemäß § 86 SGB X (allgemein) verpflichtet sind, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem SGB (sogar) eng zusammenzuarbeiten. Auch nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 30.10.2007, - X ZR 101/06 -, in juris Rdnr. 13) können Ermittlungshandlungen - etwa zur Mangelprüfung in Gewährleistungsfällen - als "Verhandlungen" i.S.d. § 203 Satz 1 BGB eingestuft werden. Die Hemmung setzt in solchen Fällen (bspw.) voraus, dass der (Werk-)Unternehmer bei dem Besteller den Eindruck erweckt, er werde den (Werk-)Mangel prüfen bzw. sich um ihn kümmern, und der Besteller hiermit einverstanden ist. Lehnt der (Werk-)Unternehmer nicht von vornherein jede Verantwortung für den (Werk-)Mangel ab, treffen die Vertragsparteien durch ihren Meinungsaustausch regelmäßig - so BGH a.a.O. - eine "Überprüfungsvereinbarung" und sie verhandeln i.S.d. § 203 Satz 1 BGB. Diese Rechtsgrundsätze gelten für Fallgestaltungen der hier vorliegenden Art entsprechend. Geht bei (Rück-)Erstattungsfällen der Phase kontroverser Auseinandersetzung der Leistungsträger zunächst eine Phase kooperativer Ermittlungen gleichsam auf der Grundlage einer (stillschweigenden) "Überprüfungsvereinbarung" i.S.d. genannten BGH-Rechtsprechung voraus, wird während der Zeit der Ermittlungsphase grundsätzlich (noch) i.S.d. § 203 Satz 1 BGB verhandelt; die während der Ermittlungsphase verstrichene Zeit wird der spätere (Rück-)Erstattungsschuldner regelmäßig nicht als Verjährungszeit zur Anspruchsabwehr geltend machen können. Das gilt namentlich dann, wenn sich die kooperativen Ermittlungen wegen in der Sphäre des Erstattungsschuldners liegender Umstände verzögert haben. Soweit dem Senatsurteil vom 28.09.2011 (- L 5 KR 2152/10, in juris Rdnr. 69) eine engere Auslegung des Verhandlungsbegriffs in § 203 Satz 1 BGB zu entnehmen ist, wird daran - im Hinblick auf die genannte BGH-Rechtsprechung - jedenfalls für den Fall kooperativer Ermittlungen von Sozialleistungsträgern nicht festgehalten, da hier der stillschweigende Abschluss einer "Überprüfungsvereinbarung" als Grundlage von "Verhandlungen" i.S.d. § 203 Satz 1 BGB regelmäßig anzunehmen sein wird (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Juli 2017 – L 5 KR 2817/15 –, Rn. 55, juris). So liegt der Fall hier. Die Beklagte kann sich insbesondere nicht auf Verjährung berufen, wenn für alle Beteiligten klar ersichtlich gewesen ist, dass die Beklagte nach Geltendmachung des Erstattungsanspruchs immer wieder angekündigt hat, eigene Ermittlungen durchzuführen, hier durch Beiziehung der entscheidungserheblichen Unterlagen der Klägerin und insbesondere durch Einholung von Gutachten und Stellungnahmen des MDK. Bereits mit Schreiben vom 20. September 2013 hat sie die Klägerin damit vertröstet, dass die Unterlagen dem Medizinischen Dienst zur Verfügung gestellten worden seien, aber die Laufzeiten beim MDK zum Teil "leider" recht lang seien. Zwar hat die Beklagte erstmalig mit Schreiben vom 10. Januar 2014 darauf hingewiesen, dass ein Erstattungsanspruch auf der Grundlage des MDK-Gutachtens nicht befriedigt werden könne. Dennoch hat sie im Rahmen weiterer Beweiswürdigung den Anspruchsgrund weiterhin überprüft, dementsprechende Stellungnahme eingeholt und an die Klägerin weitergeleitet. Erst mit Schreiben vom 23. September 2015 hat die Beklagte schließlich zum Ausdruck gebracht, den Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin endgültig abzulehnen, mit der Folge, dass der Erstattungsanspruch für den Zeitraum vom 20. November 2012 bis zum 15. September 2015 – demnach für 2 Jahre, 9 Monate und 26 Tage – gehemmt und mit der am 23. Dezember 2016 erhobenen Klage noch nicht verjährt gewesen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG und richtet sich nach dem mit der Klage verfolgten wirtschaftlichen Interesse der Klägerin.
Rechtskraft
Aus
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