L 10 U 920/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 1875/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 920/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.12.2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV, nachfolgend BK 5101) streitig.

Der am 1980 geborene Kläger begann im September 1996 eine Ausbildung zum Koch, die er im Dezember 1997 abbrach, und war anschließend bis August 1998 als Lagerarbeiter tätig. Von September 1998 bis September 2001 absolvierte er eine Ausbildung zum Straßenwärter und war nachfolgend bis Februar 2009 in seinem Ausbildungsberuf tätig. Am 01.04.2009 nahm er bei der Firma F + L L. GmbH in L. eine Tätigkeit als technischer Mitarbeiter im Bereich Abwasserentsorgung und Kanalreinigung auf. Zu seinen Tätigkeiten gehörte die Reinigung der Kanäle mit Hilfe eines Hochdruckreinigers, wobei bei größeren Kanaldurchmessern stehend innerhalb der Kanäle gearbeitet und bei kleineren Durchmessern mit Hochdruck gespült und gesaugt wurde. Hierbei war der Kläger auch Aerosolen ausgesetzt. Bei seiner Tätigkeit trug der Kläger über einen Zeitraum von sechs Stunden wasserdichte, bis zur Ellenbeuge reichende Schutzhandschuhe sowie wasserdichte Sicherheitsschuhe bzw. zeitweise Gummistiefel.

Im Februar 2011 traten beim Kläger erstmals Hautirritationen in Form von Juckreiz und Brennen an beiden Handrücken auf, die er unter Anwendung einer freiverkäuflichen Handcreme zum Abheilen brachte. Im Juni 2011 kam es zu erneuten Hautveränderungen, nunmehr mit Bläschen in den Fingerzwischenräumen und an beiden Handrücken (vgl. dermatologische Anamnese im Arztbrief des Prof. Dr. D. , Universitätsklinikum H. , vom 15.05.2012, Bl.112/113 VerwA). Nach Wiederauftreten dieser Hautveränderungen begab sich der Kläger erstmals am 15.08.2011 in ärztliche Behandlung, wobei er zunächst seinen Hausarzt Dr. N. aufsuchte (Behandlung mit cortisonhaltigem Externum) und nachfolgend ab 31.10.2011 den Hautarzt Dr. M. , der ein dyshidrosiformes Handekzem diagnostizierte und eine medikamentöse Therapie einleitete. Dabei zeigte sich bei den Wiedervorstellungen am 09.11.2011 und am 23.11.2011 jeweils eine Besserung. Die zuletzt genannte Vorstellung des Klägers erfolgte während der Arbeitsunfähigkeit des Klägers wegen einer Virusinfektion (14. bis 25.11.2011; vgl. Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers, Bl. 240 VerwA), wobei eine Kontrolle nach Wiederaufnahme der Tätigkeit vereinbart wurde (vgl. Bl. 82 VerwA). Nachdem der Kläger sich vom 20.12.2011 bis 05.01.2012 im Urlaub befand, stellte er sich am 30.01.2012 erneut bei Dr. M. vor und berichtete von einer Erscheinungsfreiheit während seines Urlaubs und einem Wiederauftreten des Ausschlags seit fünf Tagen. Dr. M. dokumentierte eine massive Demazeration, stellte Arbeitsunfähigkeit fest und veranlasste eine stationäre Behandlung des Klägers, die im Klinikum am G. in H. vom 14. bis 27.02.2012 unter der Diagnose hyperkeratotisch-rhagadiformes Hand- und Fußekzem bei Dyshidrose durchgeführt wurde und eine deutliche Besserung des Hautbefundes erbrachte. Nach Auffassung der behandelnden Ärzte sollte der Kläger Feuchtarbeiten weitgehend vermeiden und diese nur mit Baumwollhandschuhen unter den Gummihandschuhen durchführen. Insbesondere sollte bei der Arbeit auf einen regelmäßigen Wechsel der Baumwollhandschuhe bei Durchfeuchtung geachtet werden. Am 12.03.2012 nahm der Kläger seine Tätigkeit wieder auf. Unter die Schutzhandschuhe zog er Baumwollhandschuhe, die er mehrmals täglich wechselte (Bl. 61 VerwA). Anlässlich seiner Wiedervorstellung am 26.03.2012 bei Dr. M. - nunmehr im Rahmen des von der Beklagten eingeleiteten sog. Hautarztverfahrens (vgl. Bl. 13 VerwA) - berichtete er von einer deutlichen Verschlimmerung des Hautbefundes seit einer Woche trotz Benutzung der Baumwollhandschuhe (vgl. Bl. 82 VerwA). Wegen dieser Verschlechterung nahm der Kläger - so seine Angaben - zur Vermeidung einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vom 24.03. bis 05.04.2012 Urlaub. Am 04.04.2012 stellte sich der Kläger in der berufsdermatologischen Sprechstunde des Universitätsklinikums H. vor, wobei ein stationäres Heilverfahren beginnend am 17.04.2012 empfohlen wurde. Im Hinblick darauf bescheinigte Dr. M. ab 06.04.2012 Arbeitsunfähigkeit. Der Kläger wurde sodann im Universitätsklinikum H. vom 17.04. bis 15.05.2012 stationär unter den Diagnosen dyshidrosiformes Hand- und Fußekzem atopischer Genese und athopische Hautdiathese behandelt (u.a. mit Leitungswasser-Iontophorese), wobei es nicht gelang, die Erscheinungen zur vollständigen Abheilung zu bringen; auch während des Heilverfahrens traten weiterhin Bläschenschübe auf. Die behandelnden Ärzte erachteten die berufliche Tätigkeit des Klägers nicht für hautbelastend; sie bejahten wegen der immer wieder auftretenden Bläschenschübe, der Fußbeteiligung und der atopischen Hautdiathese eine überwiegend genuine Genese der Ekzemerkrankung. Während des Aufenthalts erhielt der Kläger eine umfassende Arbeits- und Hautschutzschulung, einschließlich Handschuhberatung (vgl. Entlassungsbericht vom 15.05.2012; Bl. 111/122 VerwA). Die sich anschließende Weiterbehandlung erfolgte - wiederum im Rahmen des Hautarztverfahrens - durch den Hautarzt Dr. S. , der - bei bestehender Arbeitsunfähigkeit - eine zunehmende Besserung des Hautbefundes beschrieb (vgl. Bl. 170 VerwA) und auf Grund des am 27.06.2012 dokumentierten relativ guten Befundes einen Arbeitsversuch vorschlug, den der Kläger am 02.07.2012 begann. Bei der Wiedervorstellung des Klägers am 06.07.2012 fand Dr. S. eine deutliche Verschlechterung mit kleinen Vesiculae palmar beidseits an der gesamten Handfläche auf erythematösem Grund mit einem Streuphänomen bis in den distalen Unterarm, weshalb weiterhin Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde. Vom 06. bis 13.08.2012 wurde der Kläger erneut stationär im Klinikum am G. behandelt (vgl. Bl. 205/206 VerwA) und eine Epicutantestung vereinbart, die im September 2012 durchgeführt wurde, jedoch keine positive Reaktion (DKG-Standardreihe, Leder- und Schuhreihe, Leder- und Textilfarben, Gummireihe, mitgebrachter blauer Handschuh) zeigte. Empfohlen wurde ein praxisnaher Provokationsversuch mit verschiedenen Handschuhen (vgl. 223/224 VerwA). Ab 16.07.2012 stand der Kläger in Behandlung des Hautarztes Dr. H. , der weiterhin Arbeitsunfähigkeit bescheinigte und nach Abheilung der Hautveränderungen in der Zeit vom 18.02. bis 22.02.2013 einen Trageversuch mit blauen Nitrilhandschuhen durchführte. Dabei wurde eine dyshidrosiforme Dermatitis der Hände ausgelöst (vgl. Attest vom 26.02.2013, Bl. 346/347 VerwA). Seine Tätigkeit nahm der Kläger nachfolgend nicht mehr auf. Das Arbeitsverhältnis endete schließlich durch arbeitgeberseitige Kündigung zum 31.07.2013. Seit 01.08.2013 ist der Kläger als Berufskraftfahrer beschäftigt. Zu einem Ausbruch des Handekzems kam es nicht mehr.

Nachdem die Beklagte angesichts des seitens des Klinikums am G. geäußerten Verdachts auf das Vorliegen einer BK beim Kläger mit Bescheid vom 09.03.2012 zunächst die Übernahme der Kosten einer hautfachärztlichen Behandlung gemäß § 3 BKVO bewilligte (vgl. Bl. 12 VerwA), lehnte sie es mit Bescheid vom 08.06.2012 ab, weitere Maßnahmen zu erbringen. Zur Begründung führte sie aus, ein beruflicher Zusammenhang zwischen der Hauterkrankung des Klägers und seiner beruflichen Tätigkeit bestehe nicht. Der Kläger leide an einem dyshidrosiformen Hand- und Fußekzem atopischer Genese sowie an einer atopischen Hautdiathese; eine Sensibilisierung gegenüber Berufsstoffen sei nicht festgestellt worden. Der Umstand, dass eine vollständige Abheilung der Hauterscheinungen während der stationären Maßnahme im April/Mai 2012 im Universitätsklinikum H. nicht erreicht worden sei und auch während der Maßnahme weiterhin Bläschenschübe aufgetreten seien, spreche gegen einen beruflichen Zusammenhang, weshalb die berufliche Tätigkeit nur als Gelegenheitsursache betrachtet werden könne. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers bleib erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17.08.2012). In dem anschließenden Klageverfahren S 5 U 2958/12 vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG), mit dem der Kläger die Anerkennung einer BK 5101 begehrte, schlossen die Beteiligten einen Vergleich, mit dem die Beklagte sich verpflichtete, über das Vorliegen einer BK 5101 durch Bescheid zu entscheiden.

Zur Vorbereitung dieser Entscheidung holte die Beklagte die gutachtliche Stellungnahme des Prof. Dr. D. , Universitätsklinikum H. , vom 03.12.2012 ein, der das Vorliegen einer BK 5101 verneinte, da die Hauterkrankung des Klägers einen eigendynamischen und nicht berufsabhängigen Verlauf zeige. So leide der Kläger trotz durchgehender Arbeitsunfähigkeit seit 06.04.2012 weiterhin an einem dyshidrosiformen Hand- und Fußekzem mit Bläschenbildungen an Händen und Füßen, und zwar bei atopischer Genese. Auch anlässlich der stationären Behandlung im Universitätsklinikum H. sei es trotz intensiver Therapie nicht zu einer Abheilung gekommen. Der vom Kläger immer wieder angegebene arbeitsabhängige Verlauf könne durch die durchgehende Arbeitsunfähigkeit seit 06.04.2012 widerlegt werden. Wäre die berufliche Tätigkeit ein ursächlicher Faktor, hätte es bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit seit 06.04.2012 zu einer vollständigen Abheilung der Bläschenschübe kommen müssen. Für einen eigendynamischen Verlauf der Hauterkrankung spreche zudem die Beteiligung der Füße mit Bläschenbildungen. Da bei der Epicutantestung keine Typ-IV-Sensibilisierung festgestellt worden sei, liege auch keine Kontaktallergie vor, die das dyshidrosiforme Hand- und Fußekzem erklären könne. Gestützt auf die Ausführungen des Prof. Dr. D. lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 5101 mit Bescheid vom 10.01.2013 und Widerspruchsbescheid vom 17.05.2013 ab.

Am 07.06.2013 hat der Kläger dagegen beim SG Klage erhoben und sein Begehren auf Anerkennung einer BK 5101 weiterverfolgt.

Das SG hat das Gutachten des Dr. H. , Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten und Oberarzt in der Klinik für Dermatologie und Allergologie des Klinikums S. , auf Grund Untersuchung des Klägers im Januar 2014 eingeholt. Der Sachverständige hat die Tätigkeit des Klägers wegen des obligatorischen, täglichen, stundenlangen Tragens von okklusiven Handschuhen und Sicherheitsschuhen auf Grund des damit verbundenen Schwitzens als Feuchtarbeit gewertet. Wegen der beim Kläger vorliegenden atopischen Hautdiathese habe eine vermindert belastbare Hautkonstitution vorgelegen, weshalb es auf Grund des ständigen Schweißkontaktes im okklusiven Milieu zu einer Auslösung von Ekzemen gekommen sei. Der Verlauf der Erkrankung zeige eine klare Abhängigkeit der Beschwerden von der beruflichen Tätigkeit, wobei es in Arbeitspausen zu einer weitgehenden Abheilung der Handekzeme und kurz nach Wiederaufnahme der Tätigkeit zu einem Rückfall der Hand- und Fußekzeme gekommen sei und nach Aufgabe der Tätigkeit kein neuer Schub mehr aufgetreten sei. Der Sachverständige ist diagnostisch von einer kumulativ-subtoxisch provozierten und unterhaltenen Erstmanifestation eines dyshidrosiform-hyperkeratotisch-rhagadiformen atopischen Palmoplantarekzems mit zeitweiliger Ekzemstreureaktion auf Felderhaut-Areale (Handrücken, Unterarme) ausgegangen und hat das Vorliegen einer BK 5101 bejaht. Die Tätigkeit des Klägers habe Arbeitsbedingungen beinhaltet, die mit der beruflich induzierten Hauterkrankung des Klägers nicht vereinbar seien.

Die Beklagte hat einen Zusammenhang zwischen den Hauterscheinungen des Klägers und den beruflichen Einwirkungen weiterhin nicht für hinreichend wahrscheinlich erachtet und sich auf die nun vorgelegte weitere sozialmedizinische Stellungnahme des Prof. Dr. D. gestützt, der an seiner früheren Auffassung festgehalten hat, wonach der vorliegende eigendynamische Erkrankungsverlauf mit Verschlechterung der Hauterkrankung auch in belastungsfreien Intervallen, das Fehlen einer das Erkrankungsgeschehen erklärenden berufsspezifischen Sensibilisierung und die Mitbeteiligung der Füße gegen eine berufliche Ursache sprächen. Zu der vom SG hierzu eingeholten ergänzenden Stellungnahme des Dr. H. , hat die Beklagte die weitere Stellungnahme des Prof. Dr. D. vorgelegt.

Mit Urteil vom 14.12.2015 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10.01.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.05.2013 verurteilt, beim Kläger eine BK nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen. Das SG ist gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. H. davon ausgegangen, dass das beim Kläger aufgetretene Hand- und Fußekzem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die berufliche Feuchtarbeit auf dem Boden einer vermindert belastbaren Hautkonstitution (atopischen Diathese) verursacht ist. Die seitens des Prof. Dr. D. hiergegen erhobenen Einwände überzeugten nicht. Soweit er von einem eigendynamischen Verlauf ohne Bezug zur beruflichen Tätigkeit ausgehe, lasse er unberücksichtigt, dass die aktenkundigen medizinischen Unterlagen durchaus einen Zusammenhang zwischen beruflicher Belastung und Hautbefund deutlich machten. So sei auf Grund der näher bezeichneten Hautarztberichte aktenkundig, dass es nach Wiederaufnahme der Tätigkeit im März 2012 nach ca. einer Woche und nach Wiederaufnahme der Tätigkeit am 02.07.2012 nach wenigen Tagen zu einer deutlichen Verschlechterung des Hautbefundes gekommen sei. Der Umstand, dass es in der arbeitsfreien Zeit gleichwohl zu Bläschenschüben gekommen sei, spreche nicht gegen eine berufliche Verursachung. Vielmehr sei in der Literatur beschrieben, dass es bei einem erkennbar arbeitsabhängigen Verlauf durchaus zusätzlich auch zu einem typischen unvorhersehbaren Verlauf mit schubweisem Auftreten der Hauterscheinungen auch im Urlaub bzw. nach Aufgabe der Tätigkeit komme. Da die Arbeitsbedingungen, d.h. das Tragen von okklusiven Hand- und Sicherheitsschuhen mit dem damit verbundenen Wärme- und Feuchtigkeitsstau, mit der beruflich verursachten Hauterkrankung nicht zu vereinbaren sei und Abhilfemaßnahmen nicht ersichtlich seien, habe auch ein Unterlassungszwang bestanden.

Gegen das ihr am 12.02.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.03.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und das Gutachten nach Aktenlage des Prof. Dr. S. und des Prof. Dr. J. vorgelegt, die einen wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang der Hauterkrankung mit der beruflichen Tätigkeit bejaht haben. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass insbesondere der Verlauf der Hauterscheinungen gegen einen rechtlich wesentlichen Zusammenhang zwischen den beim Kläger aufgetretenen Ekzemen und der beruflichen Einwirkung spreche, da es anstelle einer ausreichenden Abheilung der Hauterscheinungen während der langen Arbeitsunfähigkeit und bei intensiver Behandlung - ungetriggert durch eine berufliche Belastung - zu weiteren Ekzemschüben (mit Bläschenbildung) im Sinne eines berufsunabhängigen "atopischen Grundschwingens" gekommen sei. Die diesbezüglichen Erklärungsversuche des Prof. Dr. S. und des Prof. Dr. J. in dem vorgelegten Gutachten überzeugten nicht. Ungeachtet dessen lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 5101 jedoch schon deshalb nicht vor, weil die aufgetretene Hauterkrankung den Kläger nicht zur Aufgabe aller relevanten Tätigkeiten gezwungen habe. Ein solcher Zwang zum Unterlassen sei so lange nicht gegeben, wie andere Mittel zur Verfügung stünden, die sicherstellten, dass der Versicherte die betreffende Tätigkeit weiter ausüben könne. In diesem Sinne hätten Prof. Dr. S. und Prof. Dr. J. deutlich gemacht, dass durchaus weitergehende Hautschutzmaßnahmen möglich und erfolgreich umsetzbar gewesen wären. Die Möglichkeiten schweißhemmenden Hautschutzes seien bei Weitem nicht ausgeschöpft gewesen. An zusätzlichen Optionen hätten andere Handschuhtypen oder (andere) baumwoll-/silberhaltige Unterzieher für Hände/Arme bzw. Füße/Beine oder Hautschutzplanoptimierungen (aluminiumsalzhaltige Hautschutzmittel zur Reduzierung des Schwitzens/Okklusionseffektes unter den Schutzhandschuhen, Optimierung von Händewaschprozeduren und Hautpflegemaßnahmen) bestanden, durch die sicherlich ein Fortführen der Arbeitstätigkeit hätte sichergestellt werden können. Zuletzt hat sie die präventionsdienstliche Stellungnahme vom 04.08.2017 mit Darstellung der in Frage kommenden Hautschutzmaßnahmen vorgelegt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.12.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig und verweist darauf, dass er sämtliche ihm angeratenen Schutzmaßnahmen versucht habe. Soweit die Beklagte nunmehr geltend mache, eine weitere Optimierung der Hautschutzmaßnahmen sei möglich gewesen, sei dies vor dem Hintergrund, dass sie eine weitere Unterstützung nach Erlass des Bescheids vom 08.06.2012 verweigert habe, unverständlich.

Der Senat hat die den Kläger behandelnden Hautärzte (Dr. M. , Dr. M. , Klinikum am Gesundbrunnen, Dr. H. , Prof. Dr. D. , Dr. S. ) schriftlich als sachverständige Zeugen angehört.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Das SG hat den Bescheid der Beklagten vom 10.01.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.05.2013 zu Recht aufgehoben und die Beklagte verurteilt, eine BK nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Die Hauterkrankung des Klägers ist eine BK in diesem Sinne.

BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer der den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VI begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Erkrankungen als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählen nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Gesundheitsschaden geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können; sie müssen daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 20.12.2016, B 2 U 16/15 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 60). Nur hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung sowie der schädigenden Einwirkung und dem Gesundheitsschaden genügt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, a.a.O.; vgl. auch BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1 mit weiteren Ausführungen zur Begründung); hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Nachgewiesen ist beim Kläger ein dyshidrosiformes Hand- und Fußekzem atopischer Genese. Hierin sind sich sämtliche mit der Hauterkrankung des Klägers befassten Ärzte einig. Diese Hauterkrankung, die seit 2011 behandlungsbedürftig war, mehrere stationäre Behandlungen erforderte und zu monatelangen Arbeitsunfähigkeitszeiten beim Kläger führte, stellt sich im Sinne der BK 5101 auch als schwer dar. Dies wurde auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen.

Diese Hauterkrankung ist auch hinreichend wahrscheinlich auf die berufliche Tätigkeit des Klägers zurückzuführen. Dies hat das SG gestützt auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. zutreffend entschieden. Dabei ist es zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der ab 01.04.2009 bei der Firma F + L L. GmbH ausgeübten Tätigkeit des Klägers um eine gefährdende Tätigkeit handelte, da der Kläger täglich über mehrere Stunden hinweg feuchtigkeitsundurchlässige Handschuhe und Sicherheitsschuhe bzw. Gummistiefel trug und diese Arbeit auf Grund des damit verbundenen Schwitzens als Feuchtarbeit zu werten ist (vgl. Merkblatt zur BK Nr. 5101, BArbBl. 6/1996 S. 22, abgedruckt bei Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 5101, Vorkommen und Gefahrenquellen, S. 1). Von einer entsprechenden Gefährdung sind übereinstimmend der Sachverständige Dr. H. , der Präventionsdienst der Beklagten (vgl. Stellungnahme vom 15.06.2012, Bl. 136/137 VerwA) und auch Prof. Dr. S. und Prof. Dr. J. in ihrer von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Stellungnahme ausgegangen. Insoweit haben sie dargelegt, dass die Feucht- bzw. Okklusionsbelastungen bei einer Tätigkeit mit dem fast vollschichtigen Tragen von bis zu den Ellenbeugen reichenden okklusiven Handschuhen und feuchtigkeitsundurchlässigen Sicherheitsschuhen bzw. Gummistiefel als sehr intensiv einzuordnen seien, dies auch in Verbindung mit dem darüber hinaus vorhanden gewesenen generalisierten feuchten Milieu u.a. bei entsprechenden freiwerdenden Aerosolen (vgl. Bl. 42 Senatsakte). Die gegenteilige Annahme der behandelnden Ärzte im Universitätsklinikums H. (keine hautbelastende Tätigkeit) überzeugt demgegenüber nicht und ist auch nicht begründet worden.

Zutreffend hat das SG auch dargelegt, dass es beim Kläger auf dem Boden einer atopischen Diathese (vermindert belastbare Hautkonstitution) erstmals während der gefährdenden Feuchtarbeit zu einem manifesten Krankheitsgeschehen kam und angesichts des Verlaufs der in Rede stehenden Hauterkrankung und seiner Lokalisation mehr für einen beruflichen Zusammenhang spricht als dagegen. Gestützt auf die Ausführungen des Sachverständigen H. hat es überzeugend dargelegt, dass der Verlauf der Erkrankung eine Abhängigkeit der Beschwerden von der beruflichen Tätigkeit zeigte, wobei es in den Arbeitspausen stets zu einer weitgehenden Abheilung der Handekzeme kam, während kurz nach Wiederaufnahme der Tätigkeit wieder ein Rückfall der Hand- und Fußekzeme auftrat und die Aufgabe der Tätigkeit schließlich zur Abheilung der Handekzeme führte, ohne dass ein neuer Schub auftrat. Soweit die Beklagte sich im Klageverfahren insoweit noch auf die Stellungnahme des Prof. Dr. D. vom 12.03.2012 (arbeitsabhängiger Verlauf sei mit durchgehender Arbeitsunfähigkeit seit 06.04.2012 widerlegt) bzw. dessen Einwendungen gegen das Gutachten des Sachverständigen Dr. H. (es sei unzulässig den berufsabhängigen Verlauf im Wesentlichen auf anamnestische Angaben zu stützen) gestützt hat, hat sie hieran unter dem Eindruck des von ihr selbst vorgelegten Gutachtens von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. J. mit der entsprechenden zutreffenden Gegenargumentation im Berufungsverfahren nicht mehr festgehalten. Der Senat sieht insoweit deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung insoweit aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Ergänzend hierzu weist der Senat darauf hin, dass auch Prof. Dr. S. und Prof. Dr. J. in ihrer im Berufungsverfahren von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme überzeugend dargelegt und begründet haben, dass der Verlauf der Erkrankung eine berufliche Kausalität erkennen lässt.

Soweit die Beklagte weiterhin davon ausgeht, dass gegen einen Zusammenhang zwischen der beruflichen Einwirkung und den aufgetretenen Ekzemen spreche, dass die Hauterscheinungen während der Arbeitsunfähigkeit trotz intensiver Behandlung nicht konsequent abheilten, es vielmehr - ungetriggert durch eine berufliche Belastung - zu weiteren Ekzemschüben mit Bläschenbildung im Sinne eines berufsunabhängigen "atopischen Grundschwingens" gekommen sei, lässt sich hieraus keine abweichende Beurteilung herleiten. Die Beklagte lässt dabei unberücksichtigt, dass solche eigendynamischen Bläschenschübe der atopischen Handekzeme - so Dr. H. - in der Literatur auch in der arbeitsfreien Zeit beschrieben werden und durchaus üblich sind. Während bei einem reinen Kontaktekzem innerhalb eines mehrmonatigen Zeitraums nach Beendigung der schädigenden Tätigkeit eine Abheilung erwartet werden kann, könnten atopische Handekzeme - so der Sachverständige weiter - durchaus auch über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren "nachschwingen". In diesem Sinne haben sich auch Prof. Dr. S. und Prof. Dr. J. in ihrem von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Gutachten geäußert und überzeugend dargelegt, dass anders als bei einem reinen Kontaktekzem, bei dem nach Meidung der auslösenden Noxe eine stetige Besserung bis zur Abheilung zu erwarten sei, bei irritativ verursachten atopischen Handekzemen unter Arbeitskarenz in der Regel keine solch stetige Abheilung zu beobachten sei. Vielmehr zeige die klinische Erfahrung, dass derartige Handekzeme nach Meidung irritativer Einwirkungen zunächst auch noch über einen mehrmonatigen Zeitraum ausgeprägter bestehen bzw. auch nachschwingen könnten. Maßgeblich für die Beurteilung eines beruflichen Zusammenhangs sei, ob auch bei einem "eigendynamischen Grundschwingen" des atopischen Hand- und Fußekzems dieses insgesamt unter mehrmonatiger Arbeitskarenz eine wesentliche Rückläufigkeit aufweist und durch Okklusionsbedingungen wieder verschlimmert bzw. getriggert werden kann. Ausgehend hiervon sind Prof. Dr. S. und Prof. Dr. J. überzeugend zu der Auffassung gelangt, dass sich die aufgetretenen Bläschenschübe während der stationären Behandlung nicht als Ausdruck einer ausschließlich vorliegenden Eigendynamik erweisen, die Verlaufsdokumentation vielmehr deutlich macht, dass von April 2012 bis Februar 2013 bei durchaus vorhandener Eigendynamik unter mehrmonatiger Arbeitskarenz insgesamt doch eine Besserung und weitgehende Abheilung der Ekzeme zu verzeichnen war. Die abweichende Auffassung des Prof. Dr. D. , auf die sich die Beklagte stützt, überzeugt demgegenüber nicht.

Gegen einen Zusammenhang zwischen der beruflichen Einwirkung und den aufgetretenen Ekzemen spricht letztlich auch nicht der von Prof. Dr. D. herangezogene Gesichtspunkt, wonach das Ekzem zwar an den Händen begonnen habe, dann aber insbesondere auch an den Füßen aufgetreten sei. Auch dies weist nicht auf einen eigendynamischen Verlauf hin, nachdem eine relevante Gefährdung auf Grund der vom Kläger zu tragenden feuchtigkeitsundurchlässigen Sicherheitsschuhe bzw. Gummistiefel auch in Bezug auf die Füße bestand, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat.

Die Hauterkrankung des Klägers ist nach alledem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Feuchtarbeit seiner beruflichen Tätigkeit bei der F + L L. GmbH zurückzuführen.

Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren nunmehr geltend macht, eine BK 5101 liege jedenfalls deshalb nicht vor, weil für den Kläger kein Zwang zur Unterlassung seiner Tätigkeit bei der F + L L. GmbH bestanden habe, überzeugt dies nicht.

Das besondere versicherungsrechtliche Tatbestandsmerkmal des Unterlassungszwangs setzt einerseits voraus, dass die Tätigkeiten, die zu der Erkrankung geführt haben, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden sollen und andererseits, dass der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich objektiv aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt (BSG, Urteil vom 22.08.2000, B 2 U 34/99 R in SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2). Das Merkmal der Aufgabe der beruflichen Beschäftigung hat den Zweck, ein Verbleiben des Versicherten auf dem ihn gefährdenden Arbeitsplatz zu verhindern und dadurch eine Verschlimmerung der Krankheit mit der Folge einer erhöhten Entschädigungsleistung zu verhüten. Um diesem Präventionszweck zu genügen, muss nicht nur eine wahrscheinlich zu erwartende Schädigung, sondern jede mögliche Gefährdung vermieden werden. Die Notwendigkeit einer Tätigkeitsunterlassung entscheidet sich nicht nach Kausalitätskriterien, sondern auf der Grundlage der medizinischen Beurteilung der Belastbarkeit des betreffenden Organsystems (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Anm. 28.1 zu E § 9 SGB VII). Der objektive Zwang zur Unterlassung setzt voraus, dass eine Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit wegen der schon eingetretenen Gesundheitsstörungen oder wegen der Gefahr der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens der Krankheit aus medizinischen Gründen nicht verantwortet werden kann. Ob der Zwang zum Unterlassen medizinisch geboten war, ist im Wege einer nachträglichen objektiven Betrachtungsweise festzustellen (BSG, Urteil vom 05.05.1998, B 2 U 9/97 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 11). Sofern objektiv ein Zwang zur Tätigkeitsaufgabe besteht, steht der Anerkennung des Versicherungsfalls nicht entgegen, wenn sich der Versicherte aus anderen persönlichen Gründen zur Tätigkeitsaufgabe entschließt oder andere äußere Bedingungen zur Tätigkeitsaufgabe zwingen.

Ausgehend von diesen Maßstäben ist das SG gestützt auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. H. zu Recht davon aus, dass die Bedingungen der vom Kläger zuletzt verrichteten Tätigkeit mit dem mehrstündigen Tragen von okklusiven Hand- und Sicherheitsschuhen und dem dadurch hervorgerufenen Feuchtigkeitsstatus an Händen und Füßen mit der beruflich verursachten Hauterkrankung des Klägers nicht vereinbar ist. Der Kläger hat Feuchtarbeit vielmehr zu vermeiden, so dass ihm die Fortsetzung der Tätigkeit im Bereich Abwasserentsorgung und Kanalreinigung nicht mehr zumutbar ist. Da der Kläger diese Tätigkeit zum 31.07.2014 tatsächlich aufgab, erfüllt er auch das versicherungsrechtliche Tatbestandsmerkmal des Unterlassungszwangs.

Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren gestützt auf die Ausführungen von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. J. zu in Frage kommenden Schutzmaßnahmen die Auffassung vertritt, ein Unterlassungszwang habe nicht bestanden, weil Mittel zur Verfügung stehen, durch die der Kläger die in Rede stehende Tätigkeit weiter hätte ausüben können, folgt ihr der Senat nicht. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Behandlungen des Klägers durch Dr. M. (ab März 2012) und durch Dr. S. im Rahmen des sog. Hautarztverfahrens erfolgten. Dieses Hautarztverfahren soll gerade die Ergreifung geeigneter Maßnahme ermöglichen, um einer BK vorzubeugen und dem Betroffenen zu ermöglichen, die berufliche Tätigkeit fortzusetzen (so ausdrücklich der Präventionsdienst in der von der Beklagten zuletzt vorgelegten Stellungnahme). Entsprechend forderte die Beklagte Dr. M. (Bl. 13 VerwA) und nachfolgend Dr. S. (Bl. 106 VerwA) auf, alle geeigneten Maßnahmen zu veranlassen, damit die bisher ausgeübte Tätigkeit rezidivfrei fortgesetzt werden kann. Entsprechend ergriffen diese Ärzte die entsprechenden Maßnahmen in Form von Hautpflege und Hautschutz (vgl. z.B. Bericht des Dr. M. an die Beklagte Bl. 64 VerwA: zur Therapie Verordnung einer Fettcreme, zum Hautschutz Salbe, Baumwollhandschuhe, Nitrilinhandschuhe; vgl. auch die Empfehlung im Klinikum am G. im Februar 2012: Wechsel der Baumwollhandschuhe bei Durchfeuchtung), die der Kläger auch entsprechend umsetzte. Parallel hierzu ermittelte der Präventionsdienst im Juni 2012 die bereits vom Arbeitgeber vorgesehenen und überwachten Schutzmaßnahmen (Bl. 140 ff. VerwA), ohne insoweit Veränderungen vorzuschlagen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, dass der Kläger nicht alle aus Sicht der damals konkret befassten Fachärzte und des ebenfalls hiermit befassten Präventionsdienstes in Betracht kommenden Schutzmaßnahmen angewandt haben soll. Soweit der Präventionsdienst der Beklagten in der vorgelegten Stellungnahme vom März 2016 die Auffassung vertritt, die Hautschutzmaßnahmen seien "bei Weitem noch nicht in vollem Umfang umgesetzt gewesen und hätten noch weiter optimiert werden können" erscheint dies angesichts des Umstandes, dass zeitnah - nämlich im Juni 2012 - kein Handlungsbedarf gesehen wurde, wenig überzeugend. Entsprechend halten auch die in der Stellungnahme vom März 2016 vorgeschlagenen Maßnahmen der näheren Prüfung nicht stand. Es erschließt sich nicht, aus welchen Gründen verschiedene baumwollgefütterte Schutzhandschuhe - in der zuletzt vorgelegten Stellungnahme als Nitrilschutzhandschuhe mit Trägermaterial Baumwollvelour und Nitrilschutzhandschuhe mit Trägermaterial Acryl bzw. als Chemikalienschutzhandschuh (PVC mit nahtlosem Baumwollinnenstrick) spezifiziert - erfolgversprechend sein sollen, da beim Kläger keine kontaktallergischen Reaktionen auftraten, sondern okklusionsbedingt Handekzeme auf Grund des Feuchtigkeitsstatus an den Händen. Bei der Notwendigkeit der Verwendung von wasserdichten Handschuhen wird hieran nichts durch die Verwendung anderer Materialien geändert und den zusätzlichen Einsatz von Baumwolle versuchte der Kläger bereits im Rahmen der Verwendung von Baumwollinnenhandschuhen, die er nach Durchfeuchtung jeweils wechselte. Soweit nunmehr das regelmäßige Wechseln der Baumwollunterziehhandschuhe "bevor" es zur Durchfeuchtung kommt als erfolgversprechend postuliert wird, bleibt der Präventionsdienst jede Erklärung schuldig, wie dies in der Praxis hätte umgesetzt werden sollen. Zum einen wird nicht dargelegt, bei welchem Feuchtigkeitsgrad der Präventionsdienst den Wechsel für angezeigt hält, zum anderen bleibt unklar, wie der Kläger diesen Feuchtigkeitsgrad feststellen sollte, und schließlich bleibt unberücksichtigt, dass der Kläger beim Reinigen der Kanäle in einen Arbeitsprozess eingegliedert war, der nicht beliebig zu jeder Zeit unterbrochen werden konnte. Vor allem aber übersieht der Präventionsdienst, dass sich der für den Kläger problematische Schweißfilm auf der Haut bildet und die Baumwollhandschuhe auf der Auflagefläche befeuchtet und so langsam durchfeuchtet, was bedeutet, dass sich der Kläger schon ab beginnendem Schwitzen an diesen Stellen in feuchtem Milieu befindet. Soweit der Präventionsdienst auf silberhaltiges Unterziehmaterial verweist, ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen, dass insoweit in erster Linie der bakteriellen Besiedelung vorgebeugt werden soll (vgl. die Erläuterung des bioziden Wirkstoffs Silber Bl. 108 Senatsakte). Ein bakterielles Problem bestand beim Kläger aber nicht. In Bezug auf die ebenfalls behauptete schweißreduzierende Wirkung von Silber fehlt jegliche Darstellung des Ausmaßes dieser Wirkung gerade in Bezug auf die vom Kläger arbeitstäglich sechs Stunden unter Luftabschluss der Haut an Händen und Füßen zu verrichtende Tätigkeit. In Bezug auf den vorgeschlagenen Schuhwechsel - je nach Tätigkeit - übersieht der Präventionsdienst die tatsächliche Dauer der unter wasserdichter Schutzausrüstung zu verrichtenden Tätigkeit (sechs Stunden). Soweit der Präventionsdienst eine Anpassung des Hautschutz- und Hautpflegeplanes postuliert, ist wiederum nicht erkennbar, warum bei den tatsächlich vom Kläger angewandten Präparaten insoweit Defizite bestanden haben sollen und aus welchen Gründen die vom Präventionsdienst nun angeführten Präparate eine bessere Wirkung versprechen. Immerhin sah der Präventionsdienst - wie erwähnt - zeitnah zur gefährdenden Tätigkeit des Klägers keine Verbesserungsmöglichkeiten. Im Grunde zählt der Präventionsdienst aus "Parallelfällen aus dem Bereich Kanalreinigung und/oder Arbeitsplätzen mit Feuchtigkeit" allgemeine Empfehlungen auf, ohne deren Relevanz und Wirksamkeit in Bezug auf den konkreten Arbeitsplatz des Klägers, die konkrete gesundheitliche Situation des Klägers und die bislang vom Kläger konkret angewandten Schutzmaßnahmen zu prüfen und darzulegen. Konkret noch in Betracht kommende Schutzmaßnahmen ergeben sich somit aus den Ausführungen des Präventionsdienstes nicht.

Anderes vermag der Senat aus den Ausführungen von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. J. nicht abzuleiten. Sie haben anknüpfend an die (wie dargelegt unzutreffenden) Ausführungen des Präventionsdienstes der Beklagten, wonach Abhilfemaßnahmen in Form von baumwollgefütterten Schutzhandschuhe oder Unterziehstrümpfe mit schweißhemmender Wirkung noch hätten erprobt werden können, lediglich ausgeführt, dass nach eigenen Erfahrungen in der Prävention berufsbedingter Hauterkrankungen speziell in Feuchtberufen oder auch bei der Notwendigkeit des Tragens von okklusiver Schutzkleidung optimierte Hautschutzmaßnahmen in Einzelfällen, allerdings nicht regelhaft, ausreichend erfolgversprechend sein könnten. Gleichwohl werde im vorliegenden Einzelfall aus medizinischer Sicht zur Klärung, ob tatsächlich der objektive Unterlassungszwang vorliege, die Erprobung derartiger Hautschutzmaßnahmen, speziell schweißhemmender Maßnahmen (Baumwollunterhandschuhe oder Unterziehstrümpfe, ggf. auch die Anwendung lokal schweißhemmender, bspw. aluminiumsalzhaltiger Externa) für vertretbar erachtet. Zusammenfassend sei somit retrospektiv der objektive Zwang zur Unterlassung der schädigenden Tätigkeit - noch - nicht zu konstatieren. Der Senat vermag diesen Ausführungen nicht zu entnehmen, dass Prof. Dr. S. und Prof. Dr. J. davon ausgehen, unter Einsatz der angesprochenen Maßnahmen werde für den Kläger im Sinne der obigen Darlegungen jede mögliche Gefährdung vermieden, so dass eine Fortsetzung der Tätigkeit an dem entsprechenden Feuchtarbeitsplatz möglich sei. Prof. Dr. S. und Prof. Dr. J. haben es vielmehr nur für "vertretbar" erachtet, lediglich eine "Erprobung" dieser Maßnahmen vorzunehmen, und zwar gerade vor dem Hintergrund, dass solche Maßnahmen "im Einzelfall" ausreichend erfolgreich sein könnten. Damit sehen Prof. Dr. S. und Prof. Dr. J. aber selbst auch nur eine - wohl eher vage - Möglichkeit, dem Kläger mit diesen Mitteln eine Fortsetzung der Tätigkeit zu ermöglichen. Zudem sind diese Darlegungen vor dem Hintergrund der einführenden Ausführungen (S. 22 des Gutachtens, Bl. 45 Senatsakte) und der Feststellung von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. J. zu sehen, dass "optimierte Hautschutzmaßnahmen im Zuge der Ausübung der beruflichen Tätigkeit noch nicht erprobt waren" und lediglich ein Handschuhtrageversuch im Februar 2013 erfolgt sei, womit offenbar Bezug genommen wird auf den Trageversuch ausweislich des Attestes des Dr. H. vom 26.02.2013 (Bl. 346/347 VerwA). Diese Annahme trifft aber gerade nicht zu. Denn Hautschutzmaßnahmen wurden vom Kläger - wie wiederholt dargelegt - bereits im Jahr 2012 erfolglos versucht, so die ihm anlässlich seiner stationären Behandlung im Klinikum am G. im Februar 2012 seitens der behandelnden Ärzte empfohlenen Maßnahmen (zusätzliches Tragen von Baumwollhandschuhen unter den wasserdichten Gummihandschuhen, regelmäßiger Wechsel bei Durchfeuchtung) ebenso wie die weiteren Schutzmaßnahmen in Form von Hautschutz- und Hautpflegecremes, die Gegenstand der Schulung im Rahmen der stationären Rehabilitation im Universitätsklinikum H. waren. Einer nochmaligen Erprobung bedurfte es daher nicht. Entsprechend ist auch die von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. J. gezogene Schlussfolgerung, dass der Unterlassungszwang "noch nicht zu konstatieren" sei, unzutreffend. Dass im Rahmen der versuchten Hautschutzmaßnahmen die von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. J. in Betracht gezogenen lokal schweißhemmenden und beispielhaft aufgeführten aluminiumsalzhaltigen Externa nicht versucht wurden, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Insoweit hat Dr. M. in seiner dem Senat erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge ausgeführt, dass aluminiumhaltige Externa zwar im Rahmen einer Hyperhidrose (übermäßige Schweißproduktion) angewendet würden, der Kläger hieran jedoch nicht leide. In diesem Sinne hat sich auch Dr. M. gegenüber dem Senat geäußert, indem er den Einsatz schweißhemmender Medikamente mangels Vorliegen einer Hyperhidrose verneint hat. Letztlich hat auch Prof. Dr. D. hierin keine erfolgversprechende Arbeitsschutzmaßnahme gesehen. Denn wenn er einerseits die Anwendung von aluminiumhaltigen Externa verneint und andererseits ausführt, dass keine bisher unerprobten und über die empfohlenen Arbeitsschutzmaßnahmen hinaus erfolgversprechende Maßnahmen zur Verfügung stehen - so seine dem Senat erteilte Auskunft als sachverständiger Zeuge - geht er gleichermaßen davon aus, dass diese Externa nicht erfolgversprechend einzusetzen sind. Entsprechend hat sich Dr. H. gegenüber dem Senat geäußert und darauf hingewiesen, dass der Kläger mit der bereits von der Universitätsklinik H. angewandten Leitungswasser-Iontophorese in Bezug auf schweißhemmende Maßnahmen hinreichend versorgt war und weitere Maßnahmen nicht zur Verfügung standen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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