Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 SB 3211/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 259/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 16.12.2016 abgeändert und der Beklagte unter Änderung des Bescheids des Beklagten vom 16.05.2014 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 19.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2015 verurteilt, bei der Klägerin ab 13.01.2016 den GdB mit 50 festzustellen.
Der Beklagte erstattet der Klägerin 3/4 ihrer außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Neu-)Feststellung des Grades der Behinderung (GdB; 50 statt 40) seit 03.12.2013 zusteht.
Bei der 1936 geborenen Klägerin stellte das Versorgungsamt Stuttgart mit Bescheid vom 30.01.2002 (Blatt 11, 12 der Beklagtenakte) den GdB mit 30 seit 07.09.2001 fest (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung der WS bei degenerativen Veränderungen, Schwindel, Ohrgeräusche (GdB 20); Funktionsbehinderungen der Kniegelenke (GdB 20); psychovegetative Störungen (GdB 20); zur versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 11.01.2002 vgl. Blatt 9/10 der Beklagtenakte).
Am 03.12.2013 beantragte die Klägerin unter Vorlage von ärztlichen Berichten beim Versorgungsamt Stuttgart die höhere (Neu-)Feststellung des GdB sowie das Merkzeichen "G" (Blatt 16/18 der Beklagtenakte). Zu ihrem Antrag verwies sie auf einen häuslichen Unfall am 06.10.2013 und degenerative HWS- und LWS-Veränderungen.
Das Landratsamt Böblingen – Versorgungsamt in Stuttgart – (LRA) zog den Entlassungsbericht der Reha-Klinik S. , W.-Z. Kliniken, vom 27.11.2013 (Blatt 19/23 der Beklagtenakte; Diagnosen: mediale Schenkelhalsfraktur rechst am 06.10.2013, Z.n. Implantation einer nicht zementierten HTEP re. Am 07.10.2013, Z.n. Lungenembolie 2010 mit Marcumardauertherapie, Z.n. Reanimation bei Cholezystekomie 2007, Adipositas) sowie Befundunterlagen vom Facharzt für Orthopädie Dr. H. (dazu vgl. Blatt 24/26 der Beklagtenakte) bei.
Der Versorgungsarzt Dr. U. schätzte in seiner Stellungnahme vom 27.04.2014 (Blatt 27/28 der Beklagtenakte) den GdB auf 30 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung der WS bei degenerativen Veränderungen, Schwindel, Ohrgeräusche (Tinnitus) (GdB 20); Funktionsbehinderungen beider Kniegelenke (GdB 20); psychovegetative Störungen (GdB 20); Hüftgelenksendoprothese rechts (GdB 10); Lungenerkrankung (GdB 10)).
Mit Bescheid vom 16.05.2014 (Blatt 29/30 der Beklagtenakte) lehnte das LRA die höhere (Neu-) Feststellung des GdB sowie das Merkzeichen "G" ab.
Hiergegen erhob die Klägerin am 11.06.2014 (Blatt 31/32 der Beklagtenakte) Widerspruch. Die Folgen der Hüftgelenksendoprothese seien zu gering bewertet. Sie könne nur noch kurze Wege gehen und nicht mehr Fahrrad fahren. Die Funktionsbehinderungen bedingten einen GdB von 50.
Nachdem sich in der Akte weitere ärztliche Berichte (Blatt 39/53 der Beklagtenakte) finden, zog das LRA erneut Befundberichte von Dr. H. (dazu vgl. Blatt 55/58 der Beklagtenakte) und einen Befundschein vom Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. L. (dazu Blatt 64/71 der Beklagtenakte) bei.
Die Klägerin machte mit Schreiben vom 03.03.2015 (Blatt 74 der Beklagtenakte) Angaben zum Tod ihres Ehemannes 2001. Dieser habe sie total aus der Bahn geworfen. Sie habe Psychopharmaka bekommen, die sie depressiv gemacht hätten. Von Arztbesuchen habe sie Abstand genommen, weil sie kein Vertrauen mehr gehabt habe. Jetzt stünden Operationen vor ihr wegen Blaseninkontinenz und eine Brustoperation. Sie legte den Bericht des Dr. H. vom 23.09.2014 (Blatt 755 der Beklagtenakte) vor, von dem das LRA dann einen Befundbericht (dazu Blatt 79/81 der Beklagtenakte) beizog.
Der Versorgungsarzt Dr. K. schlug in seiner Stellungnahme vom 18.05.2015 (Blatt 83/84 der Beklagtenakte) vor, den GdB mit 40 zu bewerten (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung der WS, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Schwindel, Ohrgeräusche (Tinnitus)(GdB 20); Funktionsbehinderungen beider Kniegelenke (GdB 20); psychovegetative Störungen (GdB 20); Entleerungsstörungen der Harnblase (GdB 20); Hüftgelenksendoprothese rechts (GdB 10); Lungenerkrankung (GdB 10)).
Mit Teil-Abhilfebescheid vom 19.05.2015 (Blatt 86/87 der Beklagtenakte) stellte das LRA den GdB seit 03.12.2013 mit 40 fest.
Nachdem die Klägerin den Widerspruch fortführte (Blatt 89 der Beklagtenakte) wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 28.05.2015, Blatt 91/92 der Beklagtenakte).
Die Klägerin erhob am 09.06.2015 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart. Ihr sei ein GdB von 50 und das Merkzeichen "G" zuzuerkennen. Sie verweist auf Bewegungseinschränkungen, Belastungsminderungen und Schmerzen im rechten Bein. Sie könne nur noch hinkend und nur noch kurze Wege gehen. Es bestehe eine Lungenfunktionsstörung nach Lungenembolie und bei Adipositas eine progrediente Dyspnoe. Es bestünden nach dem Bericht der S. Klinik A. vom 12.10.2001 psychovegetative Erschöpfung. Zusätzlich bestehe eine Stress-Harninkontinenz. Es liege eine Coxarthrose und eine Gonarthrose vor. Die Klägerin legte Arztberichte aus den Jahren 2001 bis 2015 vor (Blatt 36/56 = 75/95 der SG-Akte).
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 113/122, 127/134 und 136/159 der SG-Akte Bezug genommen. Prof. Dr. H. , Frauenheilkunde und Geburtshilfe, teilte dem SG mit Schreiben vom 09.11.2015 mit, es bestehe bei der Klägerin eine relative Harninkontinenz Grad II, die als mittelgradig und chronisch einzustufen sei. Mit der Einschätzung des versorgungsärztlichen Dienstes stimme er überein. Der Orthopäde Dr. G. aus der Praxis Dr. H. beschrieb (Schreiben vom 25.11.2015) eine fortgeschrittene Gonarthrose beidseits, ein schweres chronisch myofasciales Triggerpuntksyndrom bei degenerativen Wirbelsäulenleiden, Restbeschwerden nach HüftTEP-Implantation bei Schenkelhalsfraktur und eine Capsulitis adhaesiva der linken Schulter. Es bestehe ein Gesamt-GdB von 50. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. L. hat dem SG am 16.01.2016 mitgeteilt, bei der Klägerin bestünden degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, eine Gonarthrose beidseits, eine Anpassungsstörung, eine Stressinkontinenz sowie ein Zustand nach Lungenembolie ohne dauernde Störung der Lungenfunktion, ein Zustand nach HTEP rechts und arterielle Hypertonie. Er teile die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes. Eine arterielle Hypertonie sei als neue Erkrankung hinzugetreten.
Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 22.11.2015 (Blatt 123/125 der SG-Akte) mit, sie sei in fachpsychiatrischer Behandlung. Außerdem legte sie den Bericht des Arztes für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Kardiologie/Allergologie Dr. M. vom 05.03.2015 vor. Außerdem legte sie den Bericht der S. A. -Klinik (Dr. H. ) vom 14.01.2016 vor (Blatt 168 der SG-Akte; retrotubische TVT-Operation bei rezidiv. Stress-Harninkontinenz am 13.01.2016).
Mit Gerichtsbescheid vom 16.12.2016 hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 21.12.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 20.01.2017 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Nach Anberaumung eines Erörterungstermins am 29.06.2017 hat sie die Berufung begründet und aufgeführt, sie verfolge zunächst nicht das Ziel, die einzelnen Feststellungen des SG bezogen auf die einzelnen Funktionsbereiche anzugreifen, sondern das Ziel, dass unter Berücksichtigung der festgestellten Einschränkungen in den einzelnen Funktionsbereichen unter Bildung des Gesamtbetrages der Behinderung ein GdB von 50 gebildet werde. In den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen sei es zwar vorgesehen, dass bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 es "vielfach" nicht gerechtfertigt sei, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Sie mache aber geltend, das vorliegend vier starke bzw. wesentliche, das Ausmaß der Behinderung maßgeblich bestimmende und deshalb den GdB jeweils erhöhende gesundheitliche Regelwidrigkeiten vorlägen, die jeweils unabhängig voneinander wirken und sich nicht überschnitten oder kompensierten, sondern verstärkten. Das betreffe die Wirbelsäule bzw. den Rumpf, die mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet seien. Unabhängig davon bestünden Kniebeschwerden ebenfalls mit einem starken bzw. wesentlichen Einzel-GdB von 20. Hiervon wiederum unabhängig bestünden die Funktionseinschränkungen der Psyche hinsichtlich des bestehenden psychovegetativen Erschöpfungssyndroms mit einem Einzel-GdB von 20. Ferner bestehe hiervon unabhängig die Funktionsbeeinträchtigung der Harninkontinenz mit einem Einzel-GdB von 20. Das LSG Nordrhein-Westfalen habe in der Entscheidung vom 02.1999 09- L 6 SB 152/97- in einem solchen Fall eine Erhöhung des GdB auf 50 für gerechtfertigt erachtet. Außerdem führten die psychischen Beschwerden nach LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.09.2010 - L 13 SB 366/09 - zu einer weiteren subjektiven Verstärkung der körperlichen Beschwerden. Folglich liege im hiesigen Fall ein Umstand vor, der eine Ausnahme vom Grundsatz rechtfertige. Sollte man ihr nicht folgen wollen, so mache sie geltend, dass die Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem und gynäkologischem Fachgebiet nicht hinreichend bewertet bzw. ausermittelt seien. Sie habe sich vom 12.08.2016 bis 22.08.2016 stationär im Klinikum S. wegen eines Bandscheibenvorfalles einer Bandscheiben-Operation unterziehen müssen. Außerdem sei sie am 12.01.2016 bis 16.01.2016 stationär in der S.A.-Klinik an der Blase operiert worden. Höchst vorsorglich wolle sie von ihrem Recht Gebrauch machen und ein Gutachten nach § 109 SGG auf orthopädischem und gynäkologischem Fachgebiet in Erwägung ziehen.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 16.12.2016 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheids des Beklagten vom 16.05.2014 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 19.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2015 zu verurteilen, bei ihr ab dem 03.12.2013 den GdB mit 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, Die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Eine sich verstärkende Wirkung der einzelnen mit einem GdB von 20 festgestellten Beeinträchtigungen (Wirbelsäule, Kniegelenke, psychovegetative Störungen, Entleerungsstörung der Harnblase) sei nicht zu erkennen. Der zumindest zunächst für eine weitere Prüfung geforderte GdB von 30 einer einzelnen Beeinträchtigung sei nicht festzustellen. Die Operation an der Harnblase im Januar 2016 sei berücksichtigt. Diese habe der Verbesserung gedient und sei komplikationslos verlaufen. Maßgebend für die Bewertung sei auch nicht die Durchführung von Operationen, sondern die danach möglicherweise andauernde verbliebene Beeinträchtigung.
Die Klägerin hat den Bericht des Klinikums S. vom 19.10.2016 (Bandscheibenoperation) und den Operationsbericht vom 13.01.2016 samt Bericht von Dr. H. vom 14.01.2016 (Blasenoperation) vorgelegt (Blatt 29/33 = 37/41 der Senatsakte), ebenso den Bericht der Fachkliniken H. vom 12.09.2016 (Blatt 43/45 = 47/49 der Senatsakte).
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten bei Dr. W. und bei Dr. H ... Der Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie hat in seinem Gutachten vom 12.10.2017 (Blatt 51/75 der Senatsakte; Untersuchung der Klägerin am 10.10.2017) ein degeneratives Lumbalsyndrom, eine rumpfmuskuläre Insuffizienz bei Adipositas, einen Zustand nach endoprothetischer Versorgung des rechten Hüftgelenkes sowie eine fortgeschrittene Gonarthrose Stadium Kellgren IV bds. diagnostiziert. Die Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule hat er mit einem GdB von 20, die der Kniegelenke mit einem GdB von 30 und die des rechten Hüftgelenkes mit einem GdB von 10 bewertet. Den Gesamt-GdB des Bewegungsapparates hat er auf 30 geschätzt. Der Facharzt für Urologie Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 01.03.2018 (Blatt 81/90 der Senatsakte; Untersuchung der Klägerin am 05.02.2018) eine kombinierte Drang-/Belastungsinkontinenz, bei der die Drangsymptomatik weit im Vordergrund stehe, beschrieben. Die sensorische Dranginkontinenz zeige eine mittelgradige Ausprägung. Die Belastungsinkontinenz zeige einen leicht bis mittleren Schweregrad. Nach Patientenangaben sei es zu keiner Besserung der Inkontinenzbeschwerden, sondern zu einer Zunahme der Drangsymptomatik. Aufgrund der Untersuchungsergebnisse und anamnestischen Erfassung zeige sich die Notwendigkeit einer Inkontinenzversorgung, sowohl tags als auch nachts. Diese müsse als mittelschwere kombinierte Inkontinenz bezeichnet werden und sei mit GdB von 30 zu bewerten. Aufgrund der ausgeprägten Drangsymptomatik sei es für die Klägerin schwierig, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Bei der Drangsymptomatik, die plötzlich und unerwartet auftreten könne, sei die alleinige Messung des Urinverlustes nicht zielführend. Der Vorlagenverbrauch liege bei 7-8 Vorlagen pro Tag. Die Bewertung des GdB im urologischen Fachgebiet werde durch Gehbeschwerden und psychovegetative Störungen verstärkt. Das rasche Aufsuchen der Toilette bei entsprechender Drangsymptomatik sei rechtzeitig kaum zu schaffen. Im Vergleich zu den Vorbescheiden von 2002 und 2014 sehe er die Blasen-Problematik mit Inkontinenz als verschlechtert. Die Gehbeschwerden behinderten die Klägerin beim rechtzeitigen Erreichen der Toilette und machen die Teilnahme am öffentlichen Leben schwierig.
Nach Anhörung der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 17.04.2018 die Berufung den Berichterstatter übertragen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 98, 99 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrages der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter im Einverständnis der Beteiligten (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und in der Sache teilweise erfolgreich.
Über die Berufung konnte der Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden, nachdem das SG mit Gerichtsbescheid vom 16.12.2016 entschieden hatte und die Berufung dem Berichterstatter durch Beschluss des Senates nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen worden war. Der Senat hat keine Gründe feststellen können, die eine Entscheidung durch den ganzen Senat erforderlich machen, solche waren auch nicht in der Anhörung von den Beteiligten mitgeteilt worden.
Der angefochtene Bescheid des LRA Bescheids vom 15.05.2014 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheids vom 19.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2015 war zunächst nicht rechtswidrig. Durch die Blasenoperation im Jahr 2016 (Einlage eines zweiten TVT-Bandes) ohne relevante Verbesserung der Inkontinenzproblematik ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten, die Klägerin hat seither Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50. Der Senat konnte insoweit feststellen, dass am 13.01.2016 in den Verhältnissen, die dem Bescheid des LRA vom 30.01.2002, zugrunde gelegen hatten, eine weitere GdB-relevante wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist. Dieser Änderung haben der Teil-Abhilfebescheid und der Widerspruchsbescheid nicht ausreichend Rechnung tragen können. Die im laufenden Klageverfahren eingetretene weitere Änderung war daher vom Senat durch Urteil nachzuvollziehen. Der Senat konnte feststellen, dass die behinderungsbedingten Beeinträchtigungen der Teilhabe der Klägerin am Leben in der Gesellschaft (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) – erst - ab dem 13.01.2016 einen GdB von 50 rechtfertigen.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 ff.), sind daher nicht als bindend der neuen Bewertung zugrundezulegen. Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Einzel- oder Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss damit durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Rechtsgrundlage für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX (§ 152 SGB IX) in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen begehrt werden; das anzuwendende Recht richtet sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer- Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 RdNr. 34). Nachdem § 241 Abs. 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-)Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden.
Nach dessen § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderung solche Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt nach § 2 Abs.1 Satz 2 SGB IX liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, zuvor § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Soweit noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Damit gilt weiterhin die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), deren Anlage zu § 2 die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) beinhalten. Diese stellen – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX) anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX). Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, auch solche, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamt-beeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern der Gesamt-GdB ist durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen – bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen – zu bestimmen. Maßgeblich sind damit grds. weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 – L 8 SB 5215/13 – juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 30, 40, 50, 60 oder 70 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid oder dem Bezug einer Rente, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.
Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit ab dem 13.01.2016 einen Gesamt-GdB von 50 rechtfertigen, zuvor war der GdB ab 03.12.2013 mit 40 vom Beklagten zutreffend festgestellt; dies gilt sowohl unter der seit 01.01.2018 anzuwendenden Rechtslage, als auch unter Anwendung der bis 31.12.2017 geltenden Rechtslage des SGB IX.
Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, ist ein Einzel-GdB von 20 anzunehmen.
Nach B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulen-abschnitten ein GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbel-säulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB von 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z.B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist ein GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt.
Der Senat konnte in diesem Funktionssystem anhand des Gutachtens von Dr. W. bei der Klägerin anhand des Gutachtens von Dr. W. ein degeneratives Lumbalsyndrom sowie eine rumpfmuskuläre Insuffizienz bei Adipositas feststellen. Die daraus folgenden Funktionsbehinderungen sind mit einem GdB von 20 zu bewerten.
Bei der Untersuchung durch Dr. W. hatte sich eine uneingeschränkte altersentsprechende Funktion der LWS gezeigt. Von Seiten des Rumpfes besteht aufgrund der Adipositas und der muskulären Situation eine fehlende ausreichende muskuläre Stabilisierung, sodass die degenerativen Veränderungen, die röntgenologisch vorliegen, die geklagten Beschwerden erklären. Eine Kompromittierung von Nervenwurzeln, wie sie im Jahr 2016 zu einer Nukleotomie im Bereich der LWS geführt hat, liegt nicht vor. Anhaltspunkte für eine neurologische Restsymptomatik bestehen ebenfalls keine. Es bestand ein Beckenhorizontalstand und eine regelrechte Thoraxform. Die Bauchdecken waren bei der Untersuchung durch Dr. W. straff und ohne sichtbare Hernienbildungen. Eine Rectusdiasthase war nicht erkennbar. Die Wirbelsäule steht im Lot, Seitverbiegungen sind in der Ansicht von hinten bei aufrechtem Stand nicht erkennbar. An der LWS zeigte sich eine reizlose, strichförmige, auf der Unterlage gut verschiebliche und nicht druckdolente Narbe bei Z.n. Nukleotomie von 5 cm Länge. Die Taillendreiecke waren aufgrund der Adipositas nicht abgrenzbar Die Schulterkonturen zeigten sich symmetrisch, ebenso die Schulterblätter in Stellung und Form. In der Ansicht von der Seite zeigte sich eine etwas vermehrte Kyphosierung der BWS mit harmonischer Lendentordose. Die klinisch-manuelle segmentale Untersuchung der LWS war aufgrund der Adipositas nicht möglich. Der Tonus der paravertebralen Muskulatur war seitengleich regelrecht, Myogelosen konnte Dr. W. nicht tasten, Druckschmerzen wurden im Bereich der Interspinalräume L4/5 und L5/S1 angegeben. Die Kreuzdarmbeingelenke zeigten keine Druckschmerzen. Das Menell sche Zeichen war bds. negativ, ein Vorlaufphänomen oder eine variable Beinlängendifferenz lagen nicht vor. Bei Vorneigung ergeben sich keine Torsionszeichen wie Lendenwulst oder Seitverbiegungen, die Fingerspitzen erreichten den Fußboden. Bei Überstreckung entstanden keine Schmerzen. Die Seitneigung war beidseits harmonisch, etwa hälftig eingeschränkt.
Wesentlich abweichende, dauerhafte Befunde sind weder den Auskünften der behandelnden Ärzte noch dem Bericht der Fachkliniken H. vom 12.09.2016 zu entnehmen, der im Zusammenhang mit der Nukleotomie NPP L5/S1 steht.
Damit konnte der Senat auch im Hinblick auf die von der Klägerin gegenüber Dr. W. angegebenen Beschwerden allenfalls leichte bis mittelgradige funktionelle Auswirkungen der Wirbelsäulenschäden feststellen. Diese rechtfertigen durch die fehlende muskuläre Kompensierbarkeit, wie Dr. W. und auch der Beklagte bisher zutreffend angenommen haben, im Funktionssystem des Rumpfes einen Einzel-GdB von 20.
Im Funktionssystem der Arme konnte der Senat mit dem Gutachten von Dr. W. die von Dr. G. mitgeteilte Capsulitis ahaesiva links nicht mit funktionellen, GdB-relevanten Beeinträchtigungen feststellen und damit auch nicht mit einem GdB bewerten.
Im Funktionssystem der Beine waren der Zustand nach endoprothetischer Versorgung des rechten Hüftgelenkes und die fortgeschrittene Gonarthrose Stadium Kellgren IV bds. zu berücksichtigen. Die darauf resultierenden Funktionsbehinderungen sind mit einem GdB von 30 zu bewerten.
Nach B Nr. 18.12 VG beträgt der GdB für TEP-Versorgungen der Hüftgelenke bei einseitiger Endoprothese mindestens 10. 18.12 Dabei wird von einem bestmöglichen Behandlungsergebnis ausgegangen. Bei eingeschränkter Versorgungsqualität sind höhere Werte angemessen. Die Versorgungsqualität kann insbesondere beeinträchtigt sein durch Beweglichkeits- und Belastungseinschränkungen, Nervenschädigungen, deutlicher Muskelminderung, ausgeprägter Narbenbildung.
Dr. W. hat in seinem Gutachten nach hüftendoprothetischer Versorgung an der proximalen Oberschenkelaußenseite rechts eine reizlose, auf der Unterlage gut verschiebliche, nicht druckdolente Narbe gefunden. Bei der Untersuchung wurde beidseits kein Leistendruck- oder Trochanterklopfschmerz angegeben. Radiologisch ergab sich eine regelrecht einliegende zementfreie Hüft-TEP, eine unauffällig dargestellte Hüfte links mit regelrechter Kopfrundung, keine Gelenkspaltverschmälerung, und eine regelrechte Überdachung bei unauffälliger Darstellung des Pfannendaches. Eine periarticuläre Verkalkung ergab sich im Bereich des rechten Hüftgelenkes nicht.
Dr. W. hat folgende Bewegungsmaße festgestellt: Beweglichkeit Normal Klägerin rechts-links Beugung/Streckung 130/0/0-10o 100/0/5 - 120/0/10o Abspreizen/Anführen 30-45/0/20-30o 30/0/20 – 30/0/20 Drehung ausw./einwärts, Hüftgelenk 90° gebeugt 40-50/0/30-45o 30/0/20 – 40/0/30o Drehung ausw./einwärts, Hüftgelenk gestreckt 30-40/0/40-50o 30/0/20 – 40/0/30o
Insgesamt konnte der Senat keine eingeschränkte Versorgungsqualität feststellen. Auch Bewegungsbeeinträchtigungen, die nach B Nr. 18.14 einen GdB von 20 rechtfertigen würden, eine Hüftgelenksresektion, eine schnappende Hüfte, eine Beinverkürzung, eine Oberschenkelpseudarthrose oder eine Faszienlücke (Muskelhernie) am Oberschenkel konnte er nicht feststellen. Damit war der Teil-GdB mit 10 anzunehmen. Der abweichenden Bewertung durch Dr. G. konnte der Senat mangels dort mitgeteilter Befunde nicht beitreten.
An den Knien konnte der Senat eine Versteifung eines oder beider Kniegelenke, eine Lockerung des Kniebandapparates, einen Kniescheibenbruch, eine habituelle Kniescheibenverrenkung und auch eine GdB-relevante Bewegungseinschränkung im Kniegelenk nicht feststellen. Dr. W. hat bei Bewegungsausmaßen von beidseits 120/0/0o für Beugung/Streckung angegeben, beide Kniegelenke zeigten bei ausgeprägter Adipositas verstrichene Konturen, Kapselschwellungen seien nicht beurteilbar. Ergussbildungen lägen nicht vor. Die Kniescheiben seien beidseits druck- und klopfempfindlich. Die Druckschmerzen würden an den Rändern medial und lateral angegeben. Die Seiten- und Kreuzbänder seien beidseits stabil. Druckschmerzen würden an den Gelenkspalten innen und außen angegeben. Die Meniskuszeichen seien negativ. Druckschmerzen seien an den Band- und Sehnenansätzen, insbesondere im Bereich des Pes anserinus beidseits vorhanden.
Der Gutachter hat den radiologischen Untersuchungen beider Knie links noch etwas mehr als rechte einen nahezu vollständig aufgehobenen medialen Gelenkspalt, spitzzipflige Ausziehung der Eminentiae intercondylicäe, ausgeprägte osteophytäre Ausziehung des medialen Tibiaplateaus und des medialen Femurcondylus, ebenfalls links mehr als rechts, beginnende osteophytäre Ausziehung des lateralen Tibiaplateaus beidseits bei lateral noch gut erhaltenem Gelenkspalt entnommen. In der Seitansicht bestanden beidseits regelrecht gerundete Femurcondyien, glatte Begrenzungen des Tibiaplateaus, retropatellar eine glatte Begrenzung der Patellarückseite mit beginnenden osteophytären Ausziehungen des oberen und unteren Patellapols beidseits sowie Ansatzverkalkung der Quadrizepssehne beidseits. An beiden Kniegelenke axial war eine zentrale Stellung der Patellae im Gleitlager, deutlich vermehrte Sklerosierung jeweils der lateralen Patellafacetten mit osteophytären Ausziehungen lateral sichtbar. Auf dieser Grundlage konnte der Senat eine Gonarthrose Stadium Kellgren IV medial betont beidseits feststellen. Diese beidseitigen Gesundheitsstörungen sind als ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke (z.B. Chondromalacia patellae Stadium II-IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen i.S. von B Nr. 18.14 VG zu bewerten.
Soweit der Gutachter insoweit eine Bewertung unter Berücksichtigung anhaltender Reizerscheinungen vornimmt, ist dies für den Senat angesichts der radiologischen Befunde aber auch der Schmerzen und mitgeteilten Beeinträchtigungen überzeugend. Diese sind mangels relevanter Bewegungseinschränkungen einseitig mit einem GdB von 10 bis 30 zu bewerten. Da beidseitig diese Funktionsstörungen vorliegen ist der GdB insoweit zusammen mit 30 anzunehmen. Dieser Wert bildet dann auch den Einzel-GdB im Funktionssystem der Beine.
Die Entfernung der Gallenblase bedingt bei der Klägerin im Funktionssystem der Verdauung ohne weitere funktionelle Beeinträchtigen – solche haben die behandelnden Ärzte nicht mitgeteilt – nach B Nr. 10.3.5 VG keinen GdB.
Soweit (z.B. Bericht vom 01.07.2010, Blatt 45/48 der Beklagtenakte) eine Belastungshypertonie bzw. eine arterielle Hypertonie (Bericht vom 02.09.2011, Blatt 66 der Beklagtenakte) berichtet ist, ergibt sich daraus kein GdB. Bei einer Leistungsfähigkeit von 100 Watt (Blatt 47 der Beklagtenakte) bzw. 102 Watt (Blatt 66 der Beklagtenakte) und fehlenden Leistungsbeeinträchtigungen und Organbeteiligungen war ein GdB nicht anzunehmen (vgl. B Nr. 9 VG). Anhalt für eine kardiale Erkrankung fand auch der Kardiologe Dr. M. nicht (Bericht vom 05.03.2015, Blatt 124/125 der SG-Akte). Soweit der Bericht der Fachkliniken H. intermittierende Belastungsspitzen beim Blutdruck von größer 180/100 mitgeteilt hat (Blatt 43/45 der Senatsakte) ergibt sich daraus kein Anhalt, dass es sich um einen Zustand handelt, der länger als sechs Monate andauert.
Im Funktionssystem der Atmung besteht mit dem Bericht des behandelnden Arztes Dr. M. ein zustand nach Lungenembolie, der marcumarpflichtig behandelt wird. Es wird von einer Belastungsdyspnoe gesprochen, die Sauerstoffsättigung betrug 96 %, die Blutgasanalyse ergab eine sehr geringe respiratorische Partialinsuffizienz (Blatt 70/71 der Beklagtenakte). Dr. M. konnte keine Ventilationsstörung bei geringer bronchialer Hyperreagibilität ohne wesentliche Gasaustauschstörung feststellen. Auch 2015 (vgl. Bericht vom 05.03.2015, Blatt 124/125 der SG-Akte) konnte Dr. M. dies noch bestätigen. Damit ist der vom Beklagten angesetzte GdB von 10 im Hinblick auf die Bewertungsvorgaben von B Nr. 8 VG nicht zu Lasten der Klägerin rechtswidrig zu niedrig.
Die Adipositas allein bedingt keinen GdB (B Nr. 15.3 VG). Nur die Folge- und Begleitschäden (insbesondere am kardiopulmonalen System oder am Stütz- und Bewegungsapparat) können die Annahme eines GdB begründen. Gleiches gilt für die besonderen funktionellen Auswirkungen einer Adipositas permagna. Der Senat hat diese Umstände bei der Bewertung des GdB in den einzelnen Funktionssystemen berücksichtigt.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche konnte der Senat mit der bisherigen Bewertung des Beklagten eine psychovegetative Störung annehmen, die teilweise auch als Anpassungsstörung bezeichnet ist (vgl. Auskunft Dr. L. gegenüber dem SG). Diese ist mit einem GdB von 20 zutreffend bewertet. Der Senat sieht keinen Anlass, an der vom Beklagten bisher angenommenen Bewertung zu zweifeln.
Im Funktionssystem der Harnorgane besteht bei der Klägerin eine kombinierte Drang-/Belastungsinkontinenz, bei der die Drangsymptomatik weit im Vordergrund steht. Die sensorische Dranginkontinenz zeigt eine mittelgradige Ausprägung. Die Belastungsinkontinenz zeigt einen leicht bis mittleren Schweregrad. Das konnte der Senat mit dem Gutachten von Dr. H. feststellen; der Beklagte hat hierzu, wie auch zum Gutachten von Dr. W. , keine Einwände vorgetragen.
Mit dem Gutachten von Dr. H. musste der Senat feststellen, dass eine Inkontinenzversorgung, sowohl tags als auch nachts, erforderlich ist. Die Klägerin muss täglich sieben- bis achtmal die Inkontinenzvorlage wechseln, was eine erhebliche Beeinträchtigung darstellt.
Nach B Nr. 12.2.4 VG ist die Harninkontinenz bei leichtem Harnabgang bei Belastung (z.B. Stressinkontinenz Grad I) mit einem GdB von 0 bis 10, bei Harnabgang tags und nachts (z.B. Stressinkontinenz Grad II-III) mit einem GdB von 20 bis 40 zu bewerten.
Bei der vom Gutachter Dr. H. genannten Häufigkeit des Harnabgangs und der damit verbundenen Teilhabebeeinträchtigungen war der GdB im mittleren Bereich, also mit 30 anzunehmen. Dieser Zustand ist mit dem Gutachten von Dr. H. seit der letzten Blasenoperation am 13.01.2016 gegeben, objektiviert und für den Senat zur Überzeugung festgestellt.
Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen von Amts wegen, nicht für erforderlich. Soweit die Klägerin zunächst eine Begutachtung nach § 109 SGG auf orthopädischem und urologischem Fachgebiet in Erwägung hatte, hat sie nach Durchführung der Beweisaufnahme von Amts wegen durch Einholung von Gutachten auf diesen Fachgebieten von Amts wegen sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt und auch den Beweisantrag nicht aufrecht erhalten. Damit wer über diesen Antrag nicht mehr zu entscheiden.
Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 30, 40 oder 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), - 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Beine, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Atmung, - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche und - 30 (seit 13.01.2016) für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Harnorgane. Nachdem bei der Klägerin vorliegend von zu berücksichtigenden höchsten Einzel-GdB von zweimal 30 sowie zwei GdB-Werten von 20 auszugehen ist und kein Fall vorliegt, in denen ausnahmsweise GdB-Werte von 10 erhöhend wirken, konnte der Senat erst seit 13.01.2016 einen Gesamt-GdB i.S.d. § 152 Abs. 1 SGB IX (bzw. zuvor: § 69 Abs. 1 SGB IX) von 50 feststellen. Denn zwischen den beiden Funktionsbehinderungen der Beine und des Harnsystems bestehen die von Dr. H. überzeugend beschriebenen Verstärkungen. So ist die Klägerin wegen ihrer Gesundheitsstörungen an den Knien nicht mehr in der Lage, bei dem imperativen Harndrang eine Toilette aufzusuchen. Dies wirkt sich im Hinblick auf die Teilhabefähigkeit der Klägerin deutlich verstärkend aus. Die weiteren mit GdB von 20 bewerteten Funktionsbehinderungen schränken die Teilhabemöglichkeiten der Klägerin weiter ein.
Insgesamt ist der Senat unter Berücksichtigung eines Vergleichs der bei der Klägerin insgesamt vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG einen GdB von 50 vorsehen andererseits, zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin erst ab 13.01.2016 entsprechend schwer funktionell in ihrer Teilhabe im Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist. In ihrer Gesamtheit entsprechen die Erkrankungen der Klägerin zwar nicht einzeln aber (erst) seit 13.01.2016 in ihrer Zusammenschau den nach den VG in Teil B mit einem GdB von 50 oder mehr bewerteten Gesundheitsstörungen. Der Senat vermag daher nicht der Auffassung der Klägerin zu folgen, dass aus mehreren Einzel-GdB von 20 vorliegend ein GdB von 50 schon vor dem 13.01.2016 zu bilden sei; das gilt auch soweit Dr. W. zuvor schon einen GdB von 30 für die Funktionsbehinderungen der Beine angenommen hat, denn der Senat konnte bis zum 13.01.2016 nicht feststellen, dass sich insgesamt funktionelle Beeinträchtigungen ergeben hätten, die einen GdB von 50 rechtfertigen.
Damit konnte der Senat feststellen, dass im Verhältnis zu der früheren GdB-Feststellung eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist. Dieser hat der Beklagte zunächst durch den angefochtenen Teil-Abhilfebescheid und der Bewertung des GdB mit 40 Rechnung getragen. Der am 13.01.2016 eingetretenen weiteren wesentlichen Änderung i.S.d. § 48 Abs. SGB X hat der Beklagte bisher nicht Rechnung getragen. Damit war auf die Berufung der Klägerin hin – das Merkzeichen "G" war im Berufungsverfahren nicht mehr Streitgegenstand – der Gerichtsbescheid des SG vom 16.12.2016 abzuändern und der Beklagte unter Änderung des Bescheids des Beklagten vom 16.05.2014 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 19.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2015 zu verurteilen, bei der Klägerin ab 13.01.2016 den GdB mit 50 festzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Beklagte auch zuletzt noch die Zurückweisung der Berufung beantragt hatte.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Der Beklagte erstattet der Klägerin 3/4 ihrer außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Neu-)Feststellung des Grades der Behinderung (GdB; 50 statt 40) seit 03.12.2013 zusteht.
Bei der 1936 geborenen Klägerin stellte das Versorgungsamt Stuttgart mit Bescheid vom 30.01.2002 (Blatt 11, 12 der Beklagtenakte) den GdB mit 30 seit 07.09.2001 fest (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung der WS bei degenerativen Veränderungen, Schwindel, Ohrgeräusche (GdB 20); Funktionsbehinderungen der Kniegelenke (GdB 20); psychovegetative Störungen (GdB 20); zur versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 11.01.2002 vgl. Blatt 9/10 der Beklagtenakte).
Am 03.12.2013 beantragte die Klägerin unter Vorlage von ärztlichen Berichten beim Versorgungsamt Stuttgart die höhere (Neu-)Feststellung des GdB sowie das Merkzeichen "G" (Blatt 16/18 der Beklagtenakte). Zu ihrem Antrag verwies sie auf einen häuslichen Unfall am 06.10.2013 und degenerative HWS- und LWS-Veränderungen.
Das Landratsamt Böblingen – Versorgungsamt in Stuttgart – (LRA) zog den Entlassungsbericht der Reha-Klinik S. , W.-Z. Kliniken, vom 27.11.2013 (Blatt 19/23 der Beklagtenakte; Diagnosen: mediale Schenkelhalsfraktur rechst am 06.10.2013, Z.n. Implantation einer nicht zementierten HTEP re. Am 07.10.2013, Z.n. Lungenembolie 2010 mit Marcumardauertherapie, Z.n. Reanimation bei Cholezystekomie 2007, Adipositas) sowie Befundunterlagen vom Facharzt für Orthopädie Dr. H. (dazu vgl. Blatt 24/26 der Beklagtenakte) bei.
Der Versorgungsarzt Dr. U. schätzte in seiner Stellungnahme vom 27.04.2014 (Blatt 27/28 der Beklagtenakte) den GdB auf 30 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung der WS bei degenerativen Veränderungen, Schwindel, Ohrgeräusche (Tinnitus) (GdB 20); Funktionsbehinderungen beider Kniegelenke (GdB 20); psychovegetative Störungen (GdB 20); Hüftgelenksendoprothese rechts (GdB 10); Lungenerkrankung (GdB 10)).
Mit Bescheid vom 16.05.2014 (Blatt 29/30 der Beklagtenakte) lehnte das LRA die höhere (Neu-) Feststellung des GdB sowie das Merkzeichen "G" ab.
Hiergegen erhob die Klägerin am 11.06.2014 (Blatt 31/32 der Beklagtenakte) Widerspruch. Die Folgen der Hüftgelenksendoprothese seien zu gering bewertet. Sie könne nur noch kurze Wege gehen und nicht mehr Fahrrad fahren. Die Funktionsbehinderungen bedingten einen GdB von 50.
Nachdem sich in der Akte weitere ärztliche Berichte (Blatt 39/53 der Beklagtenakte) finden, zog das LRA erneut Befundberichte von Dr. H. (dazu vgl. Blatt 55/58 der Beklagtenakte) und einen Befundschein vom Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. L. (dazu Blatt 64/71 der Beklagtenakte) bei.
Die Klägerin machte mit Schreiben vom 03.03.2015 (Blatt 74 der Beklagtenakte) Angaben zum Tod ihres Ehemannes 2001. Dieser habe sie total aus der Bahn geworfen. Sie habe Psychopharmaka bekommen, die sie depressiv gemacht hätten. Von Arztbesuchen habe sie Abstand genommen, weil sie kein Vertrauen mehr gehabt habe. Jetzt stünden Operationen vor ihr wegen Blaseninkontinenz und eine Brustoperation. Sie legte den Bericht des Dr. H. vom 23.09.2014 (Blatt 755 der Beklagtenakte) vor, von dem das LRA dann einen Befundbericht (dazu Blatt 79/81 der Beklagtenakte) beizog.
Der Versorgungsarzt Dr. K. schlug in seiner Stellungnahme vom 18.05.2015 (Blatt 83/84 der Beklagtenakte) vor, den GdB mit 40 zu bewerten (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung der WS, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Schwindel, Ohrgeräusche (Tinnitus)(GdB 20); Funktionsbehinderungen beider Kniegelenke (GdB 20); psychovegetative Störungen (GdB 20); Entleerungsstörungen der Harnblase (GdB 20); Hüftgelenksendoprothese rechts (GdB 10); Lungenerkrankung (GdB 10)).
Mit Teil-Abhilfebescheid vom 19.05.2015 (Blatt 86/87 der Beklagtenakte) stellte das LRA den GdB seit 03.12.2013 mit 40 fest.
Nachdem die Klägerin den Widerspruch fortführte (Blatt 89 der Beklagtenakte) wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 28.05.2015, Blatt 91/92 der Beklagtenakte).
Die Klägerin erhob am 09.06.2015 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart. Ihr sei ein GdB von 50 und das Merkzeichen "G" zuzuerkennen. Sie verweist auf Bewegungseinschränkungen, Belastungsminderungen und Schmerzen im rechten Bein. Sie könne nur noch hinkend und nur noch kurze Wege gehen. Es bestehe eine Lungenfunktionsstörung nach Lungenembolie und bei Adipositas eine progrediente Dyspnoe. Es bestünden nach dem Bericht der S. Klinik A. vom 12.10.2001 psychovegetative Erschöpfung. Zusätzlich bestehe eine Stress-Harninkontinenz. Es liege eine Coxarthrose und eine Gonarthrose vor. Die Klägerin legte Arztberichte aus den Jahren 2001 bis 2015 vor (Blatt 36/56 = 75/95 der SG-Akte).
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 113/122, 127/134 und 136/159 der SG-Akte Bezug genommen. Prof. Dr. H. , Frauenheilkunde und Geburtshilfe, teilte dem SG mit Schreiben vom 09.11.2015 mit, es bestehe bei der Klägerin eine relative Harninkontinenz Grad II, die als mittelgradig und chronisch einzustufen sei. Mit der Einschätzung des versorgungsärztlichen Dienstes stimme er überein. Der Orthopäde Dr. G. aus der Praxis Dr. H. beschrieb (Schreiben vom 25.11.2015) eine fortgeschrittene Gonarthrose beidseits, ein schweres chronisch myofasciales Triggerpuntksyndrom bei degenerativen Wirbelsäulenleiden, Restbeschwerden nach HüftTEP-Implantation bei Schenkelhalsfraktur und eine Capsulitis adhaesiva der linken Schulter. Es bestehe ein Gesamt-GdB von 50. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. L. hat dem SG am 16.01.2016 mitgeteilt, bei der Klägerin bestünden degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, eine Gonarthrose beidseits, eine Anpassungsstörung, eine Stressinkontinenz sowie ein Zustand nach Lungenembolie ohne dauernde Störung der Lungenfunktion, ein Zustand nach HTEP rechts und arterielle Hypertonie. Er teile die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes. Eine arterielle Hypertonie sei als neue Erkrankung hinzugetreten.
Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 22.11.2015 (Blatt 123/125 der SG-Akte) mit, sie sei in fachpsychiatrischer Behandlung. Außerdem legte sie den Bericht des Arztes für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Kardiologie/Allergologie Dr. M. vom 05.03.2015 vor. Außerdem legte sie den Bericht der S. A. -Klinik (Dr. H. ) vom 14.01.2016 vor (Blatt 168 der SG-Akte; retrotubische TVT-Operation bei rezidiv. Stress-Harninkontinenz am 13.01.2016).
Mit Gerichtsbescheid vom 16.12.2016 hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 21.12.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 20.01.2017 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Nach Anberaumung eines Erörterungstermins am 29.06.2017 hat sie die Berufung begründet und aufgeführt, sie verfolge zunächst nicht das Ziel, die einzelnen Feststellungen des SG bezogen auf die einzelnen Funktionsbereiche anzugreifen, sondern das Ziel, dass unter Berücksichtigung der festgestellten Einschränkungen in den einzelnen Funktionsbereichen unter Bildung des Gesamtbetrages der Behinderung ein GdB von 50 gebildet werde. In den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen sei es zwar vorgesehen, dass bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 es "vielfach" nicht gerechtfertigt sei, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Sie mache aber geltend, das vorliegend vier starke bzw. wesentliche, das Ausmaß der Behinderung maßgeblich bestimmende und deshalb den GdB jeweils erhöhende gesundheitliche Regelwidrigkeiten vorlägen, die jeweils unabhängig voneinander wirken und sich nicht überschnitten oder kompensierten, sondern verstärkten. Das betreffe die Wirbelsäule bzw. den Rumpf, die mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet seien. Unabhängig davon bestünden Kniebeschwerden ebenfalls mit einem starken bzw. wesentlichen Einzel-GdB von 20. Hiervon wiederum unabhängig bestünden die Funktionseinschränkungen der Psyche hinsichtlich des bestehenden psychovegetativen Erschöpfungssyndroms mit einem Einzel-GdB von 20. Ferner bestehe hiervon unabhängig die Funktionsbeeinträchtigung der Harninkontinenz mit einem Einzel-GdB von 20. Das LSG Nordrhein-Westfalen habe in der Entscheidung vom 02.1999 09- L 6 SB 152/97- in einem solchen Fall eine Erhöhung des GdB auf 50 für gerechtfertigt erachtet. Außerdem führten die psychischen Beschwerden nach LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.09.2010 - L 13 SB 366/09 - zu einer weiteren subjektiven Verstärkung der körperlichen Beschwerden. Folglich liege im hiesigen Fall ein Umstand vor, der eine Ausnahme vom Grundsatz rechtfertige. Sollte man ihr nicht folgen wollen, so mache sie geltend, dass die Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem und gynäkologischem Fachgebiet nicht hinreichend bewertet bzw. ausermittelt seien. Sie habe sich vom 12.08.2016 bis 22.08.2016 stationär im Klinikum S. wegen eines Bandscheibenvorfalles einer Bandscheiben-Operation unterziehen müssen. Außerdem sei sie am 12.01.2016 bis 16.01.2016 stationär in der S.A.-Klinik an der Blase operiert worden. Höchst vorsorglich wolle sie von ihrem Recht Gebrauch machen und ein Gutachten nach § 109 SGG auf orthopädischem und gynäkologischem Fachgebiet in Erwägung ziehen.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 16.12.2016 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheids des Beklagten vom 16.05.2014 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 19.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2015 zu verurteilen, bei ihr ab dem 03.12.2013 den GdB mit 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, Die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Eine sich verstärkende Wirkung der einzelnen mit einem GdB von 20 festgestellten Beeinträchtigungen (Wirbelsäule, Kniegelenke, psychovegetative Störungen, Entleerungsstörung der Harnblase) sei nicht zu erkennen. Der zumindest zunächst für eine weitere Prüfung geforderte GdB von 30 einer einzelnen Beeinträchtigung sei nicht festzustellen. Die Operation an der Harnblase im Januar 2016 sei berücksichtigt. Diese habe der Verbesserung gedient und sei komplikationslos verlaufen. Maßgebend für die Bewertung sei auch nicht die Durchführung von Operationen, sondern die danach möglicherweise andauernde verbliebene Beeinträchtigung.
Die Klägerin hat den Bericht des Klinikums S. vom 19.10.2016 (Bandscheibenoperation) und den Operationsbericht vom 13.01.2016 samt Bericht von Dr. H. vom 14.01.2016 (Blasenoperation) vorgelegt (Blatt 29/33 = 37/41 der Senatsakte), ebenso den Bericht der Fachkliniken H. vom 12.09.2016 (Blatt 43/45 = 47/49 der Senatsakte).
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten bei Dr. W. und bei Dr. H ... Der Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie hat in seinem Gutachten vom 12.10.2017 (Blatt 51/75 der Senatsakte; Untersuchung der Klägerin am 10.10.2017) ein degeneratives Lumbalsyndrom, eine rumpfmuskuläre Insuffizienz bei Adipositas, einen Zustand nach endoprothetischer Versorgung des rechten Hüftgelenkes sowie eine fortgeschrittene Gonarthrose Stadium Kellgren IV bds. diagnostiziert. Die Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule hat er mit einem GdB von 20, die der Kniegelenke mit einem GdB von 30 und die des rechten Hüftgelenkes mit einem GdB von 10 bewertet. Den Gesamt-GdB des Bewegungsapparates hat er auf 30 geschätzt. Der Facharzt für Urologie Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 01.03.2018 (Blatt 81/90 der Senatsakte; Untersuchung der Klägerin am 05.02.2018) eine kombinierte Drang-/Belastungsinkontinenz, bei der die Drangsymptomatik weit im Vordergrund stehe, beschrieben. Die sensorische Dranginkontinenz zeige eine mittelgradige Ausprägung. Die Belastungsinkontinenz zeige einen leicht bis mittleren Schweregrad. Nach Patientenangaben sei es zu keiner Besserung der Inkontinenzbeschwerden, sondern zu einer Zunahme der Drangsymptomatik. Aufgrund der Untersuchungsergebnisse und anamnestischen Erfassung zeige sich die Notwendigkeit einer Inkontinenzversorgung, sowohl tags als auch nachts. Diese müsse als mittelschwere kombinierte Inkontinenz bezeichnet werden und sei mit GdB von 30 zu bewerten. Aufgrund der ausgeprägten Drangsymptomatik sei es für die Klägerin schwierig, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Bei der Drangsymptomatik, die plötzlich und unerwartet auftreten könne, sei die alleinige Messung des Urinverlustes nicht zielführend. Der Vorlagenverbrauch liege bei 7-8 Vorlagen pro Tag. Die Bewertung des GdB im urologischen Fachgebiet werde durch Gehbeschwerden und psychovegetative Störungen verstärkt. Das rasche Aufsuchen der Toilette bei entsprechender Drangsymptomatik sei rechtzeitig kaum zu schaffen. Im Vergleich zu den Vorbescheiden von 2002 und 2014 sehe er die Blasen-Problematik mit Inkontinenz als verschlechtert. Die Gehbeschwerden behinderten die Klägerin beim rechtzeitigen Erreichen der Toilette und machen die Teilnahme am öffentlichen Leben schwierig.
Nach Anhörung der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 17.04.2018 die Berufung den Berichterstatter übertragen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 98, 99 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrages der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter im Einverständnis der Beteiligten (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und in der Sache teilweise erfolgreich.
Über die Berufung konnte der Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden, nachdem das SG mit Gerichtsbescheid vom 16.12.2016 entschieden hatte und die Berufung dem Berichterstatter durch Beschluss des Senates nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen worden war. Der Senat hat keine Gründe feststellen können, die eine Entscheidung durch den ganzen Senat erforderlich machen, solche waren auch nicht in der Anhörung von den Beteiligten mitgeteilt worden.
Der angefochtene Bescheid des LRA Bescheids vom 15.05.2014 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheids vom 19.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2015 war zunächst nicht rechtswidrig. Durch die Blasenoperation im Jahr 2016 (Einlage eines zweiten TVT-Bandes) ohne relevante Verbesserung der Inkontinenzproblematik ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten, die Klägerin hat seither Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50. Der Senat konnte insoweit feststellen, dass am 13.01.2016 in den Verhältnissen, die dem Bescheid des LRA vom 30.01.2002, zugrunde gelegen hatten, eine weitere GdB-relevante wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist. Dieser Änderung haben der Teil-Abhilfebescheid und der Widerspruchsbescheid nicht ausreichend Rechnung tragen können. Die im laufenden Klageverfahren eingetretene weitere Änderung war daher vom Senat durch Urteil nachzuvollziehen. Der Senat konnte feststellen, dass die behinderungsbedingten Beeinträchtigungen der Teilhabe der Klägerin am Leben in der Gesellschaft (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) – erst - ab dem 13.01.2016 einen GdB von 50 rechtfertigen.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 ff.), sind daher nicht als bindend der neuen Bewertung zugrundezulegen. Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Einzel- oder Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss damit durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Rechtsgrundlage für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX (§ 152 SGB IX) in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen begehrt werden; das anzuwendende Recht richtet sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer- Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 RdNr. 34). Nachdem § 241 Abs. 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-)Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden.
Nach dessen § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderung solche Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt nach § 2 Abs.1 Satz 2 SGB IX liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, zuvor § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des Grades der Behinderung, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Soweit noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Damit gilt weiterhin die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), deren Anlage zu § 2 die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) beinhalten. Diese stellen – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX) anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX). Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, auch solche, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamt-beeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern der Gesamt-GdB ist durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen – bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen – zu bestimmen. Maßgeblich sind damit grds. weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 – L 8 SB 5215/13 – juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 30, 40, 50, 60 oder 70 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid oder dem Bezug einer Rente, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.
Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit ab dem 13.01.2016 einen Gesamt-GdB von 50 rechtfertigen, zuvor war der GdB ab 03.12.2013 mit 40 vom Beklagten zutreffend festgestellt; dies gilt sowohl unter der seit 01.01.2018 anzuwendenden Rechtslage, als auch unter Anwendung der bis 31.12.2017 geltenden Rechtslage des SGB IX.
Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, ist ein Einzel-GdB von 20 anzunehmen.
Nach B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulen-abschnitten ein GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbel-säulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB von 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z.B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist ein GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt.
Der Senat konnte in diesem Funktionssystem anhand des Gutachtens von Dr. W. bei der Klägerin anhand des Gutachtens von Dr. W. ein degeneratives Lumbalsyndrom sowie eine rumpfmuskuläre Insuffizienz bei Adipositas feststellen. Die daraus folgenden Funktionsbehinderungen sind mit einem GdB von 20 zu bewerten.
Bei der Untersuchung durch Dr. W. hatte sich eine uneingeschränkte altersentsprechende Funktion der LWS gezeigt. Von Seiten des Rumpfes besteht aufgrund der Adipositas und der muskulären Situation eine fehlende ausreichende muskuläre Stabilisierung, sodass die degenerativen Veränderungen, die röntgenologisch vorliegen, die geklagten Beschwerden erklären. Eine Kompromittierung von Nervenwurzeln, wie sie im Jahr 2016 zu einer Nukleotomie im Bereich der LWS geführt hat, liegt nicht vor. Anhaltspunkte für eine neurologische Restsymptomatik bestehen ebenfalls keine. Es bestand ein Beckenhorizontalstand und eine regelrechte Thoraxform. Die Bauchdecken waren bei der Untersuchung durch Dr. W. straff und ohne sichtbare Hernienbildungen. Eine Rectusdiasthase war nicht erkennbar. Die Wirbelsäule steht im Lot, Seitverbiegungen sind in der Ansicht von hinten bei aufrechtem Stand nicht erkennbar. An der LWS zeigte sich eine reizlose, strichförmige, auf der Unterlage gut verschiebliche und nicht druckdolente Narbe bei Z.n. Nukleotomie von 5 cm Länge. Die Taillendreiecke waren aufgrund der Adipositas nicht abgrenzbar Die Schulterkonturen zeigten sich symmetrisch, ebenso die Schulterblätter in Stellung und Form. In der Ansicht von der Seite zeigte sich eine etwas vermehrte Kyphosierung der BWS mit harmonischer Lendentordose. Die klinisch-manuelle segmentale Untersuchung der LWS war aufgrund der Adipositas nicht möglich. Der Tonus der paravertebralen Muskulatur war seitengleich regelrecht, Myogelosen konnte Dr. W. nicht tasten, Druckschmerzen wurden im Bereich der Interspinalräume L4/5 und L5/S1 angegeben. Die Kreuzdarmbeingelenke zeigten keine Druckschmerzen. Das Menell sche Zeichen war bds. negativ, ein Vorlaufphänomen oder eine variable Beinlängendifferenz lagen nicht vor. Bei Vorneigung ergeben sich keine Torsionszeichen wie Lendenwulst oder Seitverbiegungen, die Fingerspitzen erreichten den Fußboden. Bei Überstreckung entstanden keine Schmerzen. Die Seitneigung war beidseits harmonisch, etwa hälftig eingeschränkt.
Wesentlich abweichende, dauerhafte Befunde sind weder den Auskünften der behandelnden Ärzte noch dem Bericht der Fachkliniken H. vom 12.09.2016 zu entnehmen, der im Zusammenhang mit der Nukleotomie NPP L5/S1 steht.
Damit konnte der Senat auch im Hinblick auf die von der Klägerin gegenüber Dr. W. angegebenen Beschwerden allenfalls leichte bis mittelgradige funktionelle Auswirkungen der Wirbelsäulenschäden feststellen. Diese rechtfertigen durch die fehlende muskuläre Kompensierbarkeit, wie Dr. W. und auch der Beklagte bisher zutreffend angenommen haben, im Funktionssystem des Rumpfes einen Einzel-GdB von 20.
Im Funktionssystem der Arme konnte der Senat mit dem Gutachten von Dr. W. die von Dr. G. mitgeteilte Capsulitis ahaesiva links nicht mit funktionellen, GdB-relevanten Beeinträchtigungen feststellen und damit auch nicht mit einem GdB bewerten.
Im Funktionssystem der Beine waren der Zustand nach endoprothetischer Versorgung des rechten Hüftgelenkes und die fortgeschrittene Gonarthrose Stadium Kellgren IV bds. zu berücksichtigen. Die darauf resultierenden Funktionsbehinderungen sind mit einem GdB von 30 zu bewerten.
Nach B Nr. 18.12 VG beträgt der GdB für TEP-Versorgungen der Hüftgelenke bei einseitiger Endoprothese mindestens 10. 18.12 Dabei wird von einem bestmöglichen Behandlungsergebnis ausgegangen. Bei eingeschränkter Versorgungsqualität sind höhere Werte angemessen. Die Versorgungsqualität kann insbesondere beeinträchtigt sein durch Beweglichkeits- und Belastungseinschränkungen, Nervenschädigungen, deutlicher Muskelminderung, ausgeprägter Narbenbildung.
Dr. W. hat in seinem Gutachten nach hüftendoprothetischer Versorgung an der proximalen Oberschenkelaußenseite rechts eine reizlose, auf der Unterlage gut verschiebliche, nicht druckdolente Narbe gefunden. Bei der Untersuchung wurde beidseits kein Leistendruck- oder Trochanterklopfschmerz angegeben. Radiologisch ergab sich eine regelrecht einliegende zementfreie Hüft-TEP, eine unauffällig dargestellte Hüfte links mit regelrechter Kopfrundung, keine Gelenkspaltverschmälerung, und eine regelrechte Überdachung bei unauffälliger Darstellung des Pfannendaches. Eine periarticuläre Verkalkung ergab sich im Bereich des rechten Hüftgelenkes nicht.
Dr. W. hat folgende Bewegungsmaße festgestellt: Beweglichkeit Normal Klägerin rechts-links Beugung/Streckung 130/0/0-10o 100/0/5 - 120/0/10o Abspreizen/Anführen 30-45/0/20-30o 30/0/20 – 30/0/20 Drehung ausw./einwärts, Hüftgelenk 90° gebeugt 40-50/0/30-45o 30/0/20 – 40/0/30o Drehung ausw./einwärts, Hüftgelenk gestreckt 30-40/0/40-50o 30/0/20 – 40/0/30o
Insgesamt konnte der Senat keine eingeschränkte Versorgungsqualität feststellen. Auch Bewegungsbeeinträchtigungen, die nach B Nr. 18.14 einen GdB von 20 rechtfertigen würden, eine Hüftgelenksresektion, eine schnappende Hüfte, eine Beinverkürzung, eine Oberschenkelpseudarthrose oder eine Faszienlücke (Muskelhernie) am Oberschenkel konnte er nicht feststellen. Damit war der Teil-GdB mit 10 anzunehmen. Der abweichenden Bewertung durch Dr. G. konnte der Senat mangels dort mitgeteilter Befunde nicht beitreten.
An den Knien konnte der Senat eine Versteifung eines oder beider Kniegelenke, eine Lockerung des Kniebandapparates, einen Kniescheibenbruch, eine habituelle Kniescheibenverrenkung und auch eine GdB-relevante Bewegungseinschränkung im Kniegelenk nicht feststellen. Dr. W. hat bei Bewegungsausmaßen von beidseits 120/0/0o für Beugung/Streckung angegeben, beide Kniegelenke zeigten bei ausgeprägter Adipositas verstrichene Konturen, Kapselschwellungen seien nicht beurteilbar. Ergussbildungen lägen nicht vor. Die Kniescheiben seien beidseits druck- und klopfempfindlich. Die Druckschmerzen würden an den Rändern medial und lateral angegeben. Die Seiten- und Kreuzbänder seien beidseits stabil. Druckschmerzen würden an den Gelenkspalten innen und außen angegeben. Die Meniskuszeichen seien negativ. Druckschmerzen seien an den Band- und Sehnenansätzen, insbesondere im Bereich des Pes anserinus beidseits vorhanden.
Der Gutachter hat den radiologischen Untersuchungen beider Knie links noch etwas mehr als rechte einen nahezu vollständig aufgehobenen medialen Gelenkspalt, spitzzipflige Ausziehung der Eminentiae intercondylicäe, ausgeprägte osteophytäre Ausziehung des medialen Tibiaplateaus und des medialen Femurcondylus, ebenfalls links mehr als rechts, beginnende osteophytäre Ausziehung des lateralen Tibiaplateaus beidseits bei lateral noch gut erhaltenem Gelenkspalt entnommen. In der Seitansicht bestanden beidseits regelrecht gerundete Femurcondyien, glatte Begrenzungen des Tibiaplateaus, retropatellar eine glatte Begrenzung der Patellarückseite mit beginnenden osteophytären Ausziehungen des oberen und unteren Patellapols beidseits sowie Ansatzverkalkung der Quadrizepssehne beidseits. An beiden Kniegelenke axial war eine zentrale Stellung der Patellae im Gleitlager, deutlich vermehrte Sklerosierung jeweils der lateralen Patellafacetten mit osteophytären Ausziehungen lateral sichtbar. Auf dieser Grundlage konnte der Senat eine Gonarthrose Stadium Kellgren IV medial betont beidseits feststellen. Diese beidseitigen Gesundheitsstörungen sind als ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke (z.B. Chondromalacia patellae Stadium II-IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen i.S. von B Nr. 18.14 VG zu bewerten.
Soweit der Gutachter insoweit eine Bewertung unter Berücksichtigung anhaltender Reizerscheinungen vornimmt, ist dies für den Senat angesichts der radiologischen Befunde aber auch der Schmerzen und mitgeteilten Beeinträchtigungen überzeugend. Diese sind mangels relevanter Bewegungseinschränkungen einseitig mit einem GdB von 10 bis 30 zu bewerten. Da beidseitig diese Funktionsstörungen vorliegen ist der GdB insoweit zusammen mit 30 anzunehmen. Dieser Wert bildet dann auch den Einzel-GdB im Funktionssystem der Beine.
Die Entfernung der Gallenblase bedingt bei der Klägerin im Funktionssystem der Verdauung ohne weitere funktionelle Beeinträchtigen – solche haben die behandelnden Ärzte nicht mitgeteilt – nach B Nr. 10.3.5 VG keinen GdB.
Soweit (z.B. Bericht vom 01.07.2010, Blatt 45/48 der Beklagtenakte) eine Belastungshypertonie bzw. eine arterielle Hypertonie (Bericht vom 02.09.2011, Blatt 66 der Beklagtenakte) berichtet ist, ergibt sich daraus kein GdB. Bei einer Leistungsfähigkeit von 100 Watt (Blatt 47 der Beklagtenakte) bzw. 102 Watt (Blatt 66 der Beklagtenakte) und fehlenden Leistungsbeeinträchtigungen und Organbeteiligungen war ein GdB nicht anzunehmen (vgl. B Nr. 9 VG). Anhalt für eine kardiale Erkrankung fand auch der Kardiologe Dr. M. nicht (Bericht vom 05.03.2015, Blatt 124/125 der SG-Akte). Soweit der Bericht der Fachkliniken H. intermittierende Belastungsspitzen beim Blutdruck von größer 180/100 mitgeteilt hat (Blatt 43/45 der Senatsakte) ergibt sich daraus kein Anhalt, dass es sich um einen Zustand handelt, der länger als sechs Monate andauert.
Im Funktionssystem der Atmung besteht mit dem Bericht des behandelnden Arztes Dr. M. ein zustand nach Lungenembolie, der marcumarpflichtig behandelt wird. Es wird von einer Belastungsdyspnoe gesprochen, die Sauerstoffsättigung betrug 96 %, die Blutgasanalyse ergab eine sehr geringe respiratorische Partialinsuffizienz (Blatt 70/71 der Beklagtenakte). Dr. M. konnte keine Ventilationsstörung bei geringer bronchialer Hyperreagibilität ohne wesentliche Gasaustauschstörung feststellen. Auch 2015 (vgl. Bericht vom 05.03.2015, Blatt 124/125 der SG-Akte) konnte Dr. M. dies noch bestätigen. Damit ist der vom Beklagten angesetzte GdB von 10 im Hinblick auf die Bewertungsvorgaben von B Nr. 8 VG nicht zu Lasten der Klägerin rechtswidrig zu niedrig.
Die Adipositas allein bedingt keinen GdB (B Nr. 15.3 VG). Nur die Folge- und Begleitschäden (insbesondere am kardiopulmonalen System oder am Stütz- und Bewegungsapparat) können die Annahme eines GdB begründen. Gleiches gilt für die besonderen funktionellen Auswirkungen einer Adipositas permagna. Der Senat hat diese Umstände bei der Bewertung des GdB in den einzelnen Funktionssystemen berücksichtigt.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche konnte der Senat mit der bisherigen Bewertung des Beklagten eine psychovegetative Störung annehmen, die teilweise auch als Anpassungsstörung bezeichnet ist (vgl. Auskunft Dr. L. gegenüber dem SG). Diese ist mit einem GdB von 20 zutreffend bewertet. Der Senat sieht keinen Anlass, an der vom Beklagten bisher angenommenen Bewertung zu zweifeln.
Im Funktionssystem der Harnorgane besteht bei der Klägerin eine kombinierte Drang-/Belastungsinkontinenz, bei der die Drangsymptomatik weit im Vordergrund steht. Die sensorische Dranginkontinenz zeigt eine mittelgradige Ausprägung. Die Belastungsinkontinenz zeigt einen leicht bis mittleren Schweregrad. Das konnte der Senat mit dem Gutachten von Dr. H. feststellen; der Beklagte hat hierzu, wie auch zum Gutachten von Dr. W. , keine Einwände vorgetragen.
Mit dem Gutachten von Dr. H. musste der Senat feststellen, dass eine Inkontinenzversorgung, sowohl tags als auch nachts, erforderlich ist. Die Klägerin muss täglich sieben- bis achtmal die Inkontinenzvorlage wechseln, was eine erhebliche Beeinträchtigung darstellt.
Nach B Nr. 12.2.4 VG ist die Harninkontinenz bei leichtem Harnabgang bei Belastung (z.B. Stressinkontinenz Grad I) mit einem GdB von 0 bis 10, bei Harnabgang tags und nachts (z.B. Stressinkontinenz Grad II-III) mit einem GdB von 20 bis 40 zu bewerten.
Bei der vom Gutachter Dr. H. genannten Häufigkeit des Harnabgangs und der damit verbundenen Teilhabebeeinträchtigungen war der GdB im mittleren Bereich, also mit 30 anzunehmen. Dieser Zustand ist mit dem Gutachten von Dr. H. seit der letzten Blasenoperation am 13.01.2016 gegeben, objektiviert und für den Senat zur Überzeugung festgestellt.
Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen von Amts wegen, nicht für erforderlich. Soweit die Klägerin zunächst eine Begutachtung nach § 109 SGG auf orthopädischem und urologischem Fachgebiet in Erwägung hatte, hat sie nach Durchführung der Beweisaufnahme von Amts wegen durch Einholung von Gutachten auf diesen Fachgebieten von Amts wegen sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt und auch den Beweisantrag nicht aufrecht erhalten. Damit wer über diesen Antrag nicht mehr zu entscheiden.
Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 30, 40 oder 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), - 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Beine, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Atmung, - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche und - 30 (seit 13.01.2016) für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Harnorgane. Nachdem bei der Klägerin vorliegend von zu berücksichtigenden höchsten Einzel-GdB von zweimal 30 sowie zwei GdB-Werten von 20 auszugehen ist und kein Fall vorliegt, in denen ausnahmsweise GdB-Werte von 10 erhöhend wirken, konnte der Senat erst seit 13.01.2016 einen Gesamt-GdB i.S.d. § 152 Abs. 1 SGB IX (bzw. zuvor: § 69 Abs. 1 SGB IX) von 50 feststellen. Denn zwischen den beiden Funktionsbehinderungen der Beine und des Harnsystems bestehen die von Dr. H. überzeugend beschriebenen Verstärkungen. So ist die Klägerin wegen ihrer Gesundheitsstörungen an den Knien nicht mehr in der Lage, bei dem imperativen Harndrang eine Toilette aufzusuchen. Dies wirkt sich im Hinblick auf die Teilhabefähigkeit der Klägerin deutlich verstärkend aus. Die weiteren mit GdB von 20 bewerteten Funktionsbehinderungen schränken die Teilhabemöglichkeiten der Klägerin weiter ein.
Insgesamt ist der Senat unter Berücksichtigung eines Vergleichs der bei der Klägerin insgesamt vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG einen GdB von 50 vorsehen andererseits, zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin erst ab 13.01.2016 entsprechend schwer funktionell in ihrer Teilhabe im Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist. In ihrer Gesamtheit entsprechen die Erkrankungen der Klägerin zwar nicht einzeln aber (erst) seit 13.01.2016 in ihrer Zusammenschau den nach den VG in Teil B mit einem GdB von 50 oder mehr bewerteten Gesundheitsstörungen. Der Senat vermag daher nicht der Auffassung der Klägerin zu folgen, dass aus mehreren Einzel-GdB von 20 vorliegend ein GdB von 50 schon vor dem 13.01.2016 zu bilden sei; das gilt auch soweit Dr. W. zuvor schon einen GdB von 30 für die Funktionsbehinderungen der Beine angenommen hat, denn der Senat konnte bis zum 13.01.2016 nicht feststellen, dass sich insgesamt funktionelle Beeinträchtigungen ergeben hätten, die einen GdB von 50 rechtfertigen.
Damit konnte der Senat feststellen, dass im Verhältnis zu der früheren GdB-Feststellung eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist. Dieser hat der Beklagte zunächst durch den angefochtenen Teil-Abhilfebescheid und der Bewertung des GdB mit 40 Rechnung getragen. Der am 13.01.2016 eingetretenen weiteren wesentlichen Änderung i.S.d. § 48 Abs. SGB X hat der Beklagte bisher nicht Rechnung getragen. Damit war auf die Berufung der Klägerin hin – das Merkzeichen "G" war im Berufungsverfahren nicht mehr Streitgegenstand – der Gerichtsbescheid des SG vom 16.12.2016 abzuändern und der Beklagte unter Änderung des Bescheids des Beklagten vom 16.05.2014 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 19.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2015 zu verurteilen, bei der Klägerin ab 13.01.2016 den GdB mit 50 festzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Beklagte auch zuletzt noch die Zurückweisung der Berufung beantragt hatte.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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