L 8 KR 114/17

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 5 KR 330/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 114/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 19/18 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 19. Januar 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Kostenübernahme des Aufenthalts der Klägerin streitig, die im Rahmen einer Mutter-Kind-Maßnahme ihrer Pflegemutter, D. A. (frühere Klägerin zu 1), zu Lasten derer privaten Krankenversicherung und der Beihilfestelle des Landes Hessen im Jahr 2014 entstanden sind.

Die frühere Klägerin zu 1) (im Weiteren: Pflegemutter) und ihr Ehemann sind die Pflegeeltern der 2010 geborenen Klägerin. Die Klägerin ist über ihre leibliche Mutter bei der Beklagten familienversichert. Sie wurde von den Pflegeeltern im Alter von ca. sechs Monaten aufgenommen. Die Pflegemutter ist über ihren Ehemann beihilfeberechtigt und privat krankenversichert (F. Krankenversicherung). Im Oktober 2013 nahmen die Pflegeeltern der Klägerin ein weiteres Pflegekind, G. G., geboren 2013, auf, das ebenfalls bei der Beklagten familienversichert ist.

Am 15. September 2014 ging bei der Beklagten der Antrag des Pflegevaters, gestellt für die Klägerin und für das weitere Pflegekind, ein, vorab die Kostenübernahme der Teilnahme der Klägerin und des weiteren Pflegekindes an der stationären Mutter-Kind-Kur ihrer Pflegemutter in H-Stadt vom 26. November bis zum 17. Dezember 2014 zu erklären. Zur Begründung wurde ein Attest des behandelnden Arztes J. (Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin) vom 15. August 2014 bezüglich der Klägerin vorgelegt; danach sei ihre Trennung von der Pflegemutter für die Dauer der Maßnahme aufgrund der psychosozialen Situation und aufgrund ihres Alters nicht zumutbar. Es sei zu befürchten, dass eine Trennung zu psychischen Störungen des Kindes führen werde. Eine anderweitige Betreuung und Versorgung des Kindes sei während der Maßnahme nicht möglich.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Hessen (MDK) vom 19. September 2014 ein. Danach sei die Teilnahme der Klägerin als Begleitkind medizinisch nachvollziehbar.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 26. September 2014 den Antrag ab. Es handele sich bei der Klägerin um ein Begleitkind. Eine medizinische Notwendigkeit für ein Indikationskind sei nach den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich. Es sei bei der Krankenkasse der Pflegemutter ein Antrag auf Kostenübernahme zu stellen.

Dagegen erhob der Pflegevater für die Klägerin Widerspruch. Es sei notwendig, dass die Klägerin an der Kurmaßnahme teilnehme. Aufgrund der besonderen Situation als Pflegekind sei eine Trennung von der Pflegemutter unzumutbar. Sie habe bereits zwei Beziehungsabbrüche erleben müssen. In dem ärztlichen Attest von J. vom 30. September 2014 führte dieser aus, es sei bekannt, dass Pflegekinder aufgrund belastender und wechselnder Beziehungserfahrung häufig zu Bindungsstörungen und psychischen Erkrankungen neigten.

Die Beklagte holte erneut eine Stellungnahme des MDK ein, die am 1. Oktober 2014 erstellt wurde. Danach sei die Klägerin, wie das weitere Pflegekind, ein Begleitkind, solle aber mit aufgenommen werden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. November 2014 zurück. Krankenkassen gewährten Leistungen zur Verhütung von Krankheiten; die medizinische Vorsorgeleistung umfasse neben der ärztlichen Behandlung u.a. auch die Gewährung von Mutter-Kind-Kuren (§ 24 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V). Es handele sich bei der Klägerin um ein reines Begleitkind ohne eigenständigen Therapiebedarf im Rahmen einer Mutter-Kind-Kur. Nachvollziehbar sei, dass die Klägerin während der Dauer der Maßnahme nicht von der Pflegemutter zu trennen sei. Es liege jedoch nicht in ihrem Regime, die Kosten für die Klägerin als Begleitkind zu tragen, da die Hauptmaßnahme von der privaten Krankenversicherung der Pflegemutter gewährt werde.

Die Pflegemutter führte gemeinsam mit den beiden Pflegekindern in der Zeit vom 26. November bis zum 12. Dezember 2014 eine Mutter-Kind-Maßnahme in der Klinik H. in H-Stadt durch. Diese berechnete für jeden Teilnehmer einen Betrag i.H.v. 1.199,20 EUR. Die private Krankenversicherung der Pflegemutter bzw. die Beihilfestelle des Landes Hessen übernahmen die Kosten des Aufenthalts der Pflegemutter, nicht jedoch die Kosten des Aufenthalts ihrer Pflegekinder.

Am 28. November 2014 haben zunächst die Pflegemutter und ihr Ehemann als Pflegeeltern beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben mit dem Ziel der Verurteilung der Beklagten zur Erstattung der Kosten des Aufenthalts der Klägerin während der Mutter-Kind-Maßnahme zuzüglich Zinsen. Im Laufe des Rechtsstreits haben die Pflegemutter als Klägerin zu 1) und die Klägerin als Klägerin zu 2) das Verfahren weitergeführt.

Sie haben die Auffassung vertreten, es sei im Interesse des Kindeswohls und aus kindermedizinischer Sicht unerlässlich, dass die Klägerin am Kuraufenthalt der Pflegemutter uneingeschränkt teilnehme. Da die Klägerin bei der Beklagten krankenversichert sei, habe diese die Kosten ihres Aufenthalts zu übernehmen.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten nach § 109 SGG bei Dr. med. K. vom 1. September 2015 eingeholt. Dr. med. K. kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, eine Kurbedürftigkeit der Klägerin sei nicht festzustellen. Ohne Zweifel sei jedoch zum Zeitpunkt der Kurmaßnahme eine Trennung von der Pflegemutter nicht zu vertreten gewesen. Die Klägerin habe bereits schwere Verlusterfahrungen gemacht. Eine Trennung von der Pflegemutter für die Dauer der Maßnahme sei nicht zu verantworten.

Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 19. Januar 2017 die Klage abgewiesen. Es habe ohne die angeregte Beiladung der privaten Krankenversicherung der Pflegemutter entscheiden können, da weder eine einfache noch eine notwendige Beiladung in Betracht gekommen sei. Eine Beiladung sei auch nicht sinnvoll, da das Sozialgericht nicht über Streitfragen der privaten Krankenversicherung zu entscheiden habe. Die Klage der Pflegemutter sei unbegründet, da sie nicht bei der Beklagten versichert sei und somit gegen die Beklagte in eigener Person keinen Anspruch geltend machen könne. Die Klägerin wiederum sei von einer Erkrankung im Sinne von § 23 Abs. 1 SGB V nicht bedroht und erfülle deshalb die Leistungsvoraussetzungen für eine Vorsorgemaßnahme in eigener Person als so genanntes Therapie- oder Indikationskind nicht. Nach dem nach § 109 SGG eingeholten Gutachten sei die Kammer nicht davon überzeugt, dass die Klägerin als Therapiekind einen Anspruch auf eine stationäre Vorsorgeleistung im Rahmen einer Mutter-Kind-Kur besitze. Bereits im Antrag habe der behandelnde Arztes lediglich angegeben, dass die Klägerin der Maßnahme bedürfe, weil eine Trennung von der Pflegemutter nicht zumutbar sei. Es sei in keiner Weise erkennbar, dass die gesundheitliche Entwicklung des Kindes konkret gefährdet gewesen sei.

Gegen den am 24. Januar 2017 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 8. Februar 2017 Berufung eingelegt.

Die Pflegemutter als Klägerin zu 1) hat am 17. März 2017 ihre Klage zurückgenommen.

Die Klägerin nimmt Bezug auf den bisherigen Vortrag. Ergänzend führt sie aus, es bestehe ein Systemwiderspruch in der vorliegenden Konstellation, dass ihre privatversicherte Pflegemutter aus medizinischen Gründen eine Mutter-Kind-Kur wahrnehme, jedoch die Kosten ihres eigenen Aufenthalts von ihrer gesetzlichen Krankenversicherung nicht übernommen würden. Diese Konsequenz könne der Gesetzgeber im Hinblick auf die unerlässliche Notwendigkeit der Pflegeelternschaft im Allgemeinen nicht gewollt haben. Der systemwidrigen Regelungslücke sei mit einer Analogie zu begegnen. Die Folge, dass ihre Kosten des Aufenthalts nur gedeckt seien, wenn auch sie bei der privaten Krankenversicherung der Pflegemutter versichert sei, führe zu einem nicht akzeptablen Ergebnis. Da die private Krankenversicherung und die Beihilfestelle des Landes Hessen die Kostenübernahme mit dem Hinweis auf ihre Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung ablehnten, könne in dieser Konstellation ihr Aufenthalt als Begleitkind ohne eigenen Therapiebedarf niemals realisiert werden. Dies führe zu einem unbefriedigenden und systemwidrigen Ergebnis.

Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 19. Januar 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 26. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. November 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten in Höhe von 1.199,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 12. Dezember 2014 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Sozialgericht habe mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend entschieden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die gem. § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Berufung der Klägerin ist zulässig, konnte in der Sache jedoch keinen Erfolg haben.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 19. Januar 2017 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 26. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. November 2014 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Klägerin besitzt gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten ihrer Teilnahme an der Mutter-Kind-Kur ihrer Pflegemutter vom 26. November bis zum 12. Dezember 2014 in der Klinik H. in H-Stadt in Höhe von 1.199,20 EUR.

Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch kann nicht auf den allein einschlägigen § 13 Abs. 3 SGB V gestützt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 20. Mai 2003, Az. B 1 KR 9/03 R), der sich der Senat in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat (zuletzt mit Beschluss vom 25. Juni 2015, Az. L 8 KR 114/14), gewährt § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V einen Erstattungsanspruch nur im Ausnahmefall, (1.) wenn eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden konnte oder (2.) wenn die Krankenkasse die Erbringung einer medizinisch notwendigen Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Auch geht der Kostenerstattungsanspruch nicht weiter als der ursprüngliche Sachleistungsanspruch.

Anhaltpunkte für das Vorliegen eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V (Nichterbringung einer unaufschiebbaren Leistung) sind weder vorgetragen noch erkennbar.

Aber auch die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V (unrechtmäßige Leistungsablehnung) sind nicht erfüllt. Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch der Klägerin scheitert bereits an dem fehlenden Sachleistungsanspruch.

Das Sozialgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin allenfalls einen Anspruch als Begleitkind ohne eigenen Therapiebedarf geltend machen könnte, dies jedoch ausgeschlossen ist, da die Hauptleistung der Mutter-Kind-Kur für die Pflegemutter nicht von der Beklagten zu gewähren war.

Ein Anspruch der Klägerin als Begleitkind in Form der Nebenleistung eines Anspruchs der Pflegemutter als Mutter-Kind-Kur nach § 24 SGB V scheidet aus, da die Beklagte zur Erbringung nur verpflichtet wäre, wenn für sie eine Leistungspflicht im Hinblick auf die Hauptleistung bestanden hätte.

Gem. § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der seit dem 1. April 2007 unverändert geltenden Fassung (BGBl. I S. 378) haben gesetzlich krankenversicherte (§§ 5 bis 10 SGB V) Mütter bzw. Väter unter den in § 23 Abs. 1 SGB V genannten Voraussetzungen Anspruch auf aus medizinischen Gründen erforderliche Vorsorgeleistungen in einer Einrichtung des Müttergenesungswerks oder einer gleichartigen Einrichtung; die Leistung kann auch in Form einer Mutter-Kind-Maßnahme erbracht werden.

Die Vorschrift setzt damit voraus, dass die Mutter oder der Vater Versicherter der GKV ist und in seiner Person die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Vorsorgeleistung vorliegen (Welti in Becker/Kingreen, § 24 Rn. 5, 9). Die Verpflichtung zur Erbringung einer Nebenleistung für ein Begleitkind – wie vorliegend für die Klägerin - setzt immer voraus, dass die Hauptleistung von der beklagten Krankenkasse zu leisten ist. Daran fehlt es jedoch vorliegend. Die Pflegemutter der Klägerin gehört nicht zum berechtigten Personenkreis. Sie ist unstreitig nicht auf der Grundlage der §§ 5 bis 10 SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern privat krankenversichert.

Die Klägerin besaß im streitigen Zeitpunkt gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf eine eigene medizinische Vorsorgeleistung nach § 23 SGB V.

Gem. § 23 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitten, wenn diese notwendig sind,

1. eine Schwäche der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen,
2. einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken,
3. Krankheiten zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden oder
4. Pflegebedürftigkeit zu vermeiden.

Gem. § 23 Abs. 2 SGB V kann die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderlichen ambulanten Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten erbringen, wenn bei Versicherten die Leistungen nach Absatz 1 nicht ausreichen oder wegen besonderer beruflicher oder familiärer Umstände nicht durchgeführt werden. Reichen bei Versicherten die Leistungen nach Abs. 1 und 2 nicht aus, kann die Krankenkasse gem. § 23 Abs. 4 Satz 1 1. Halbsatz SGB V Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung in einer Vorsorgeeinrichtung erbringen, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht.

Das Sozialgericht ist zutreffend auf der Grundlage der Stellungnahmen des MDK vom 19. September 2014 und vom 1. Oktober 2014 davon ausgegangen, dass bei der Klägerin kein eigener Behandlungsbedarf bestand. Diese Einschätzung entspricht dem Attest des behandelnden Kinderarztes J. vom 15. August 2014, der die Notwendigkeit der Teilnahme der Klägerin an der Kur-Maßnahme der Pflegemutter in der altersbedingten Unzumutbarkeit einer Trennung und der psychosozialen Situation der Klägerin als Pflegekind sieht. Dies entspricht auch dem weiteren Attest dieses Arztes vom 30. September 2014.

Die Klägerin kann den geltend gemachten Anspruch auch nicht auf das nach § 109 SGG eingeholte Gutachten bei Dr. med. K. vom 1. September 2015 stützen. Auch danach ist keine eigene Behandlungsdürftigkeit der Klägerin im Sinne von § 23 Abs. 1 SGB V festzustellen.

Soweit die Klägerin der Auffassung ist, es bestehe eine gesetzliche Lücke, die durch richterliche Rechtsfortbildung zu schließen sei, konnte sich der Senat dem nicht anschließen. Vielmehr ist es dem Senat verwehrt, den fehlenden Rechtsanspruch im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung in Form der Auslegung vorhandener gesetzlicher Regelungen, der Schließung einer Regelungslücke durch Analogie oder mittels teleologischer Interpretation des geltenden Rechts zu schaffen. Eine Verpflichtung der Beklagten durch den Senat zur Übernahme der geltend gemachten Kosten würde eine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung darstellen. Die Verpflichtung der Beklagten zur Tragung dieser Kosten – ohne die Hauptleistung gewähren zu müssen - würde eine Erweiterung der Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung darstellen, ohne Rückbindung an das vom Gesetzgeber getroffene Regelungssystem, das von einer strikten Trennung zwischen dem Leistungssystem der privaten und der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeht. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 24 SGB V die Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenkassen – wie der Beklagten - auf die Gewährung der Hauptleistung beschränkt. Allein im Rahmen dieser Verpflichtung ist es gerechtfertigt, sie auch zur Gewährung von Nebenleistungen – wie die Tragung der Kosten eines Begleitkindes – zu verpflichten.

Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont (BVerfG, Beschluss vom 26. September 2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07 -, juris Rn.45), eine verfassungsrechtlich unzulässige richterliche Rechtsfortbildung sei dadurch gekennzeichnet, dass sie, ausgehend von einer teleologischen Interpretation, den klaren Wortlaut des Gesetzes hinten anstellt, ihren Widerhall nicht im Gesetz finde und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder - bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke - stillschweigend gebilligt worden sei (BVerfG, Beschlüsse vom 14. Juni 2007 - 2 BvR 1447/05, 2 BvR 136/05, juris Rn. 91). Richterliche Rechtsfortbildung überschreitet die verfassungsrechtlichen Grenzen, wenn sie deutlich erkennbare, möglicherweise sogar ausdrücklich im Wortlaut dokumentierte gesetzliche Entscheidungen abändert oder ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen schafft (BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 -, juris Rn.64). So im vorliegenden Fall. Der Gesetzgeber hat die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen an den Anspruch des Versicherten geknüpft und allein der Gesetzgeber könnte die vorliegend streitige Leistungspflicht für Nebenleistungen neu regeln.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Nach dem Grundsatz der einheitlichen Kostenentscheidung profitiert die Pflegemutter als frühere Klägerin zu 1) als nach § 183 SGG nicht kostenprivilegierte Klägerin von der kostenprivilegierten Klägerin.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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