B 10 EG 11/03 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 29 EG 295/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 EG 5/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 EG 11/03 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30. Juni 2003 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I

Streitig ist die Gewährung bayerischen Landeserziehungsgeldes (LErzg) für die Zeit vom 1. August 1997 bis 31. Juli 1998.

Die verheiratete Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie lebte im streitigen Zeitraum gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrer am 1. August 1995 geborenen Tochter R. in Bayern, wo sie das Kind auch betreute und erzog. Daneben übte sie keine Erwerbstätigkeit aus. Sie war bei der Betriebskrankenkasse der Deutschen Post AG familienversichert und bezog für den 1. bis 24. Lebensmonat des Kindes Bundeserziehungsgeld (BErzg).

Am 12. Februar 2002 beantragte sie beim Beklagten LErzg für den 25. bis 36. Lebensmonat ihrer Tochter. Dieser Antrag, die anschließende Klage und die Berufung blieben ohne Erfolg (Bescheid des Beklagten vom 2. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2002; Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München (SG) vom 9. Oktober 2002; Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 30. Juni 2003). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt:

Auch wenn nach dem Wortlaut des Art 1 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz (BayLErzGG) nur Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften (EG) Anspruch auf LErzg hätten, stehe die türkische Staatsangehörigkeit dem Anspruch der Klägerin nicht grundsätzlich entgegen. Nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 4. Mai 1999 (C-262/96, Slg 1999, I-2743 RdNr 64 = SozR 3-6935 Allg Nr 4, "Sürül") entfalte das Diskriminierungsverbot des Art 3 Abs 1 Beschluss Nr 3/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der EG auf die türkischen Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige (ARB) (ABl EG C 1983, 110/60 ff) unmittelbare Wirkung. Danach hätten türkische Staatsangehörige grundsätzlich unter den gleichen Voraussetzungen wie insbesondere Deutsche Anspruch auf Leistungen der sozialen Sicherheit. Die unmittelbare Wirkung des Art 3 Abs 1 ARB könne indessen nicht zur Begründung von Leistungen für Zeiten vor Erlass des EuGH-Urteils geltend gemacht werden, soweit die Betroffenen nicht vor diesem Zeitpunkt gerichtlich Klage erhoben oder einen gleichwertigen Rechtsbehelf eingelegt hätten. Letzteres sei bei der Klägerin nicht der Fall. Auch sei sie nicht so zu behandeln, als habe sie rechtzeitig einen wirksamen Antrag gestellt. Insbesondere seien Anhaltspunkte für eine entgegen einem klar geäußerten Willen der Antragstellerin vorliegende Nichtannahme oder Nichtverbescheidung von Leistungsanträgen weder schlüssig vorgetragen, noch sonst ersichtlich.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des Art 3 Abs 1 ARB sowie Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG). Dazu trägt sie insbesondere vor: Soweit sie bei der Beantragung von LErzg Fristen versäumt habe, könne ihr dies nicht als schuldhaft entgegen gehalten werden. Stattdessen sei ihr, in Fortbildung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs bzw des Grundsatzes von Treu und Glauben, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Denn der Beklagte und andere bayerische Behörden hätten bis in das Jahr 2003 geäußert, für türkische Staatsangehörige bestehe kein Anspruch auf LErzg, weswegen eine Antragstellung nicht erforderlich sei. Als sie im Juli 1997 einen Antrag habe abgeben wollen, sei vom Beklagten die Annahme verweigert worden. Unter diesen Umständen hätte sie über die maßgebliche EuGH-Rechtsprechung benachrichtigt werden müssen. Darüber hinaus sei die zeitliche Beschränkung des EuGH-Urteils zum Kindergeld nicht auf den vorliegenden Rechtsstreit übertragbar. Es handele sich im konkreten Fall um einen anderen Leistungsgegenstand, bei dem vergleichbare finanzielle Auswirkungen auf das soziale Sicherungssystem wie beim Kindergeld nicht zu befürchten seien. Die Umsetzung der zeitlichen Beschränkung der Entscheidung des EuGH in das bundesdeutsche Recht führe des Weiteren zu einer Ungleichbehandlung zwischen türkischen Mitbürgern, da in fast gleich gelagerten Fällen LErzg teilweise versagt, teilweise aber auch bei Geburten vor Mai 1999 - nachträglich - gewährt worden sei. Dieses sei weder dem Rechtsfrieden, noch der Rechtssicherheit förderlich.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 30. Juni 2003 und den Gerichtsbescheid des SG München vom 9. Oktober 2002 sowie den Bescheid des Beklagten vom 2. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2002 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr für das am 1. August 1995 geborene Kind R. vom 1. August 1997 bis 31. Juli 1998 bayerisches LErzg zu gewähren.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.

Er nimmt auf die Begründung des angefochtenen Urteils Bezug und verweist ergänzend auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. Februar 2004 (B 10 EG 10/03 R), die bestätigt habe, dass LErzg für Zeiträume vor dem 4. Mai 1999 nicht geltend gemacht werden könne.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

II

Die Revision der Klägerin ist zulässig. Zwar kann die Revision gemäß § 162 SGG nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Die Rüge, das LSG habe Vorschriften des BayLErzGG verletzt, wäre mithin unzulässig; dieses Gesetz gilt nicht über den Bezirk des LSG hinaus. Die Klägerin rügt jedoch eine Verletzung des europäisch-türkischen Assoziationsrechts. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (Senatsurteil vom 29. Januar 2002 - B 10 EG 2/01 R -, BSGE 89, 129, 130 = SozR 3-6940 Art 3 Nr 2), sind derartige Vorschriften als unmittelbar im Bundesgebiet geltendes Recht revisibel.

Die Revision ist nicht begründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin für den im Streit stehenden Zeitraum vom 1. August 1997 bis 31. Juli 1998 keinen Anspruch auf Gewährung von LErzg hat. Der erkennende Senat hält insoweit an seiner bisherigen Rechtsprechung fest (vgl Urteile vom 18. Februar 2004 - B 10 EG 6/03 R, B 10 EG 7/03 R, B 10 EG 8/03 R, B 10 EG 9/03 R und B 10 EG 10/03 R -, letzteres zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

Anspruch auf LErzg hat nach Art 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 5 BayLErzGG in der hier einschlägigen Fassung vom 16. November 1995 (BayGVBl S 818), wer seine Hauptwohnung oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit der Geburt des Kindes, mindestens jedoch fünfzehn Monate, in Bayern hat (Nr 1), mit einem nach dem 30. Juni 1989 geborenen Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3), keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4) und die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union (EU) oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) besitzt (Nr 5). Das Vorliegen der Voraussetzungen der Nr 1 bis 4 ist vom LSG bejaht worden. Eine Nachprüfung dieser Subsumtion erfolgt im Revisionsverfahren nicht, da die Vorschrift nicht revisibel ist.

Die türkische Staatsangehörigkeit der Klägerin steht dem streitigen Anspruch trotz der Bestimmung des Art 1 Abs 1 Satz 1 Nr 5 BayLErzGG nicht entgegen. Der generelle Ausschluss in Bayern wohnender türkischer Staatsangehöriger vom LErzg verstößt gegen das Diskriminierungsverbot des europäischen Assoziationsrechts (BSGE 89, 129 = SozR 3-6940 Art 3 Nr 2). Nach der Entscheidung des EuGH vom 5. Mai 1999 - C-262/96 - in der Rechtssache Sürül (Slg 1999, I-2743 = SozR 3-6935 Allg Nr 4 S 49 f) haben nämlich türkische Staatsangehörige, die im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen und für die der ARB gilt, auf Grund des Art 3 Abs 1 ARB im Wohnsitzstaat Anspruch auf Leistungen der sozialen Sicherheit nach den Rechtsvorschriften dieses Staates unter den gleichen Voraussetzungen wie dessen eigene Staatsangehörige. Zwar betraf dieses Urteil ein Verfahren über die Gewährung von bundesdeutschem Kindergeld, es gilt jedoch nach seinem Ausspruch für alle Leistungen der sozialen Sicherheit, auf die sich der ARB bezieht.

Während diese Rechtsprechung des EuGH (vgl dazu auch das Urteil vom 14. März 2000 - C-102/98 und C-211/98, Slg 2000, I-1311 = SozR 3-6940 Art 3 Nr 1) in dem Verfahren, das der erkennende Senat durch Urteil vom 29. Januar 2002 (BSGE 89, 129 = SozR 3-6940 Art 3 Nr 2) zum Abschluss gebracht hat, vom Beklagten angegriffen worden ist, gibt der vorliegende Fall (wie bereits die am 18. Februar 2004 entschiedenen Revisionssachen) Veranlassung, die Bedeutung und Auswirkung von Aussagen des EuGH zu klären, die für die betroffenen türkischen Staatsangehörigen ungünstig sind. Der erkennende Senat hat auch unter diesem Gesichtspunkt keine Bedenken, die Sürül-Entscheidung des EuGH im vorliegenden Rechtsstreit zu Grunde zu legen (vgl bereits BSGE 89, 129 = SozR 3-6940 Art 3 Nr 2). Sie ist auf Vorlage des SG Aachen nach Art 234 Vertrag über die Gründung der EG (EGVtr) ergangen. In einem solchen Vorabentscheidungsverfahren beantwortet der EuGH Rechtsfragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts abstrakt und ohne Prüfung der Umstände, die die nationalen Gerichte zur Vorlage veranlasst haben (EuGH Slg 1996, I-6257 f, 6271 RdNr 15). Es handelt sich um ein objektives Zwischenverfahren, das vorrangig dem Interesse an der Auslegung, Durchsetzung und Gültigkeitsprüfung des Gemeinschaftsrechts dient (BVerfGE 73, 339, 369).

Vorabentscheidungen des EuGH entfalten ihre Bindungswirkung auch außerhalb des Ausgangsverfahrens (Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1988, 2173). Dieses folgt aus der abschließenden Entscheidungsbefugnis des EuGH in den Fällen des Art 234 EGVtr (sog Rechtsprechungsmonopol) ebenso wie aus der Natur der Rechtssätze, die der EuGH bei der Auslegung von Gemeinschaftsrecht aufstellt. Sie genießen als Teile des Gemeinschaftsrechts (vgl BVerfGE 52, 187, 203) Vorrang gegenüber nationalem Recht (vgl EuGH Slg 1964, 1251, 1269 ff; BVerfG NJW 2000, 2015). Darauf beruht auch die Rechtsprechung des EuGH, wonach ein zur Vorlage verpflichtetes nationales Gericht ua dann von seiner Vorlagepflicht entbunden ist, wenn die betreffende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war (EuGH Slg 1982, 3415 ff). Will das nationale Gericht andererseits einer Vorabentscheidung nicht folgen, so ist es zu einer neuerlichen Vorlage an den EuGH verpflichtet (vgl insbesondere BVerfGE 52, 187, 200 f; 73, 339, 366 ff; 75, 223, 233 f). Dazu besteht hier keine Veranlassung.

Insbesondere zieht der Senat nicht die Kompetenz des EuGH in Zweifel, über die Auslegung von Vorschriften des ARB zu befinden. Das Regelwerk des europäisch-türkischen Assoziationsrechts überschreitet nicht die im EGVtr begründeten Befugnisse (vgl BSGE 89, 129, 131 f = SozR 3-6940 Art 3 Nr 2). Sowohl die Abkommen des Rates (vgl Art 300 und 310 EGVtr) als auch die in unmittelbarem Zusammenhang mit diesen stehenden Beschlüsse der jeweiligen Assoziationsorgane stellen Handlungen von Gemeinschaftsorganen iS des Art 234 Abs 1 Buchst b EGVtr dar; die jeweiligen Bestimmungen sind Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung (vgl EuGH Slg 1987, 3719, 3747 RdNr 6 ff).

Der vorliegende Fall wird vom ARB erfasst. Das bayerische LErzg ist eine Familienleistung iS des Art 4 Abs 1 Buchst h ARB (vgl BSGE 89, 129, 133 = SozR 3-6940 Art 3 Nr 2 S 17). Nach seinem Art 2 findet der ARB auch Anwendung auf die Klägerin, da diese gesetzlich krankenversichert war. Insoweit genügt für die Begründung der Arbeitnehmereigenschaft, dass der Betreffende mindestens gegen ein Risiko in einem allgemeinen oder besonderen System der sozialen Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert ist, ohne dass es darauf ankommt, ob er in einem Arbeitsverhältnis steht (EuGH SozR 3-6935 Allg Nr 4 S 47).

Der Klägerin steht das beanspruchte LErzg nicht zu, weil sie sich insoweit nicht auf das Diskriminierungsverbot nach Art 3 Abs 1 ARB berufen kann. Nach der Sürül-Entscheidung des EuGH kann die unmittelbare Wirkung des Art 3 Abs 1 ARB nämlich nicht zur Begründung von Ansprüchen auf Leistungen für Zeiten vor Erlass dieses Urteils am 4. Mai 1999 geltend gemacht werden, soweit die Betroffenen nicht vor diesem Zeitpunkt gerichtlich Klage erhoben oder einen gleichwertigen Rechtsbehelf eingelegt haben.

Nach Wortlaut, Sinn und Zweck bezieht sich diese zeitliche Beschränkung nicht nur auf Verfahren über Kindergeld, sondern auf alle Verfahren, in denen es - wie hier - um die Geltendmachung von Sozialleistungsansprüchen geht, die auf eine unmittelbare Anwendbarkeit des Art 3 Abs 1 ARB gestützt werden (vgl zum baden-württembergischen Landeserziehungsgeld VGH Baden-Württemberg ESVGH 53, 70). Ebenso wie die Hauptaussage des EuGH zur unmittelbaren Anwendbarkeit des assoziationsrechtlichen Diskriminierungsverbots ist auch die von ihm verfügte zeitliche Beschränkung für den erkennenden Senat verbindlich. An der Rechtmäßigkeit dieser (Neben-)Entscheidung bestehen keine Zweifel.

Zwar ist der EuGH nicht ausdrücklich ermächtigt, die Wirkung von Vorabentscheidungsurteilen zeitlich zu begrenzen; die ihm nach Art 234 EGVtr übertragene abschließende Entscheidungszuständigkeit umfasst jedoch auch die Befugnis zur Rechtsfortbildung, jedenfalls soweit sich das Ergebnis im Gefüge der vertraglich begründeten Handlungsformen der Gemeinschaftsgewalt hält (BVerfGE 75, 223, 241 ff). Diesen Rahmen hat der EuGH mit dem Ausspruch einer zeitlichen Beschränkung nicht verlassen. Grundsätzlich wird durch eine Vorabentscheidung über die Auslegung von Gemeinschaftsrecht zwar geklärt, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite die betreffende Vorschrift seit ihrem In-Kraft-Treten zu verstehen und (auch auf abgeschlossene Rechtsverhältnisse) anzuwenden ist (stRspr des EuGH; vgl zB Slg 1980, 1205 RdNr 16 und Slg 1988, 398 RdNr 27). Dies schließt jedoch eine zeitliche Beschränkung aus Gründen der Rechtssicherheit in Ausnahmefällen nicht aus (vgl zB EuGH Slg 1976, 455 f und Slg 1988, 398 RdNr 28). Art 231 Abs 2 EGVtr sieht die Möglichkeit einer solchen Beschränkung im Falle der Nichtigerklärung einer Verordnung ausdrücklich vor. Die dort zu Grunde liegenden Gedanken der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes sowie des Schutzes sonstiger überragender öffentlicher Interessen (vgl Ehricke in Streinz, EUV/EGV, 2003, Art 231 EGV RdNr 6) können auch im Vorabentscheidungsverfahren eine Rolle spielen und vermögen den Ausspruch einer zeitlichen Begrenzung bei Vorliegen klar definierter Voraussetzungen, die den widerstreitenden Interessen der Betroffenen angemessen Rechnung tragen, zu rechtfertigen. Auch im deutschen Recht gibt es mit § 79 Abs 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) eine Regelung, die im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens die materielle Einzelfallgerechtigkeit gegenüber der Rechtskraft von Entscheidungen zurücktreten lässt.

Voraussetzung für eine derartige zeitliche Beschränkung ist es, dass Unklarheiten des anzuwendenden Rechts oder das Verhalten der Gemeinschaftsorgane einen Zustand der (Rechts-)Unsicherheit geschaffen haben, der es nicht angemessen erscheinen lässt, in gutem Glauben begründete Rechtsverhältnisse rückwirkend in Frage zu stellen (Vorliegen eines Vertrauenstatbestandes). Darüber hinaus muss die Gefahr unerwarteter und erheblicher finanzieller Auswirkungen bestehen (vgl insg Ehricke in Streinz, EUV/EGV, 2003, Art 234 EGV RdNr 69 ff; Lenz/Borchardt, EU- und EG-Vertrag, Komm, 3. Aufl 2003, Art 234 RdNr 61 f; Weiß, Die Einschränkung der zeitlichen Wirkungen von Vorabentscheidungen nach Art 177 EGV, EuR 1995, 377 ff). Es ist nicht ersichtlich, dass der EuGH in der Rechtssache Sürül diese Voraussetzungen zu Unrecht bejaht hat.

Zunächst hat der EuGH nachvollziehbar dargelegt, dass sich aus seinem Urteil vom 10. September 1996 - C-277/94 - (Slg 1996, I-4085 = SozR 3-6935 Allg Nr 2, "Taflan-Met") Ungewissheit über eine unmittelbare Anwendbarkeit des Art 3 Abs 1 ARB ergeben konnte. Unter diesen Umständen durften die Mitgliedstaaten davon ausgehen, sie könnten die Anpassung ihres innerstaatlichen Rechts bis zum Erlass entsprechender Umsetzungsakte zurückstellen. Daraus hat der EuGH den Schluss gezogen, dass abschließend geregelte Rechtsverhältnisse durch sein Urteil vom 4. Mai 1999 nicht wieder in Frage gestellt werden sollten. Überdies ist hier zu berücksichtigen, dass die Frage, ob Erzg eine Familienleistung iS des Europarechts ist, - nach zunächst verneinenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 18. Dezember 1992 (BVerwGE 91, 327) und des BSG vom 3. November 1993 (SozR 3-6935 Allg Nr 1) - erst durch das Urteil des EuGH vom 10. Oktober 1996 (C-245/94, C-312/94; Slg 1996, I-4895 = SozR 3-6050 Art 4 Nr 8) geklärt wurde. Bei der Einschätzung der finanziellen Auswirkungen musste der EuGH schon aus Gründen der Gleichbehandlung alle Sozialleistungen in Betracht ziehen, die europaweit vom ARB erfasst werden.

Die vom EuGH angeordnete zeitliche Beschränkung hindert die Klägerin, einen Anspruch auf LErzg für Zeiten (vom 1. August 1997 bis 31. Juli 1998) vor dem Erlass des Urteils vom 4. Mai 1999 geltend zu machen. Die vom EuGH vorgesehene Ausnahme für Betroffene, die "vor diesem Zeitpunkt gerichtlich Klage erhoben oder einen gleichwertigen Rechtsbehelf eingelegt haben", kommt ihr nicht zugute.

Nach der Begründung in der Sürül-Entscheidung (SozR 3-6935 Allg Nr 4 S 52) soll diese Ausnahmeregelung verhindern, dass der Schutz der Rechte, die die Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht (hier Art 3 Abs 1 ARB) herleiten, durch die verfügte zeitliche Beschränkung in nicht gerechtfertigter Weise eingeschränkt wird. Aus der Bezugnahme auf einen effektiven Rechtsschutz ergibt sich, dass mit den vom EuGH angesprochenen "Rechtsbehelfen" nur solche gemeint sind, die bei Erlass des Urteils vom 4. Mai 1999 noch rechtshängig, also offen waren; denn bei abgeschlossenen Verfahren stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit des Rechtsschutzes von vornherein nicht. Als "Rechtsbehelf" sind in diesem Zusammenhang auch erstmalige Leistungsanträge zu verstehen, denn auch sie dienen der Geltendmachung von Rechten und unterbrechen zB die Verjährung von Ansprüchen (vgl § 45 Abs 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)). Dabei stellt der EuGH nicht darauf ab, aus welchen Gründen entsprechende Anträge nicht gestellt oder nach abschlägigen Entscheidungen nicht weiter verfolgt worden sind.

Die Umsetzung des EuGH-Urteils richtet sich auch hinsichtlich der Ausnahme zur angeordneten zeitlichen Beschränkung nach dem innerstaatlichen - hier also deutschen - Recht. Die Rechtsprechung des EuGH überlässt es den innerstaatlichen Gerichten, im Rahmen ihrer Verfahrensordnung den Rechtsschutz zu gewährleisten, der sich für die Einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts ergibt (vgl auch Art 10 EGVtr). Voraussetzung ist lediglich, dass die nationalen Regelungen diese Verfahrensbedingungen nicht ungünstiger gestalten als für gleichartige Klagen, die das innerstaatliche Recht betreffen. Mögliche Unterschiede der nationalen Rechtsvorschriften sind demnach hinzunehmen (EuGH Slg 1976, 1989 RdNr 5 und Slg 1976, 2043 RdNr 11/18 sowie Slg 1980, 1205 RdNr 22 ff). Insbesondere in Fällen, in denen von ihm die unmittelbare Wirkung einer Norm ohne zeitliche Beschränkung festgestellt worden ist, hat der EuGH zugleich die Festsetzung angemessener, für die Rechtsverfolgung geltender innerstaatlicher Ausschlussfristen im Interesse der Rechtssicherheit als mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar angesehen (Slg 1980, 1205 RdNr 23).

Zur Begründung eines Anspruchs hätte die Klägerin zwei Fristen einhalten müssen: Zum einen könnte sie sich auf das Diskriminierungsverbot des Art 3 Abs 1 ARB nur dann berufen, wenn sie bereits vor dem Erlass des Sürül-Urteils vom 4. Mai 1999 einen auf LErzg gerichteten "Rechtsbehelf" eingelegt hätte. Zum anderen ist zu beachten, dass LErzg gemäß Art 3 Abs 2 BayLErzGG rückwirkend höchstens für sechs Lebensmonate vor der (schriftlichen) Antragstellung zu gewähren ist. Dabei handelt es sich zwar um eine irrevisible landesrechtliche Vorschrift (vgl § 162 SGG), der erkennende Senat darf sie hier jedoch ausnahmsweise anwenden und prüfen, weil sie im Berufungsurteil völlig unberücksichtigt geblieben ist (vgl dazu BSG SozR 5050 § 15 Nr 38; SozR 3-5050 § 15 Nr 5). Angesichts eines möglichen Leistungszeitraums vom 1. August 1997 bis 31. Juli 1998 könnte danach nur ein vor dem 1. Februar 1999 gestellter Antrag der Klägerin überhaupt leistungswirksam sein. Auf diesen Zeitpunkt ist mithin im Folgenden entscheidend abzustellen.

Die Klägerin hat nach den Feststellungen des LSG weder vor dem 1. Februar 1999 noch vor dem 4. Mai 1999 einen wirksamen Antrag auf LErzg gestellt. Sie ist nach den Umständen des vorliegenden Falles auch nicht so zu behandeln, als ob sie dies rechtzeitig getan hätte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Ausspruch des EuGH, wonach die unmittelbare Wirkung des Art 3 Abs 1 ARB grundsätzlich nicht zur Begründung von Ansprüchen auf Leistungen für Zeiten vor dem Erlass des Urteils vom 4. Mai 1999 geltend gemacht werden kann, sich nicht nur auf die materiellen Anspruchsvoraussetzungen des LErzg - hier also auf Art 1 Abs 1 Nr 5 BayLErzGG - auswirkt. Vielmehr gilt er umfassend, mithin auch bei der (verfahrensrechtlichen) Frage nach der Rechtzeitigkeit der Einlegung eines Rechtsbehelfs vor dem 4. Mai 1999.

Der Klägerin hilft die (hier gemäß Art 8 Nr 1 Buchst d BayLErzGG iVm § 10 des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) anwendbare) Regelung des § 27 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht weiter. Nach dessen Abs 1 gilt: War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Eine derartige Wiedereinsetzung ist hier zwar nicht nach § 27 Abs 5 SGB X unzulässig. Aus Art 3 Abs 2 BayLErzGG ergibt sich nämlich nicht, dass sie ausgeschlossen ist (vgl BSGE 85, 231, 238 = SozR 3-7833 § 6 Nr 20). Sie ist jedoch gemäß § 27 Abs 3 SGB X nur unter erschwerten Bedingungen möglich: Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Da die Klägerin einen wirksamen Antrag auf LErzg im Februar 2002, also weit über ein Jahr nach dem 1. Februar 1999 (dem nach Art 3 Abs 2 BayLErzGG letztmöglichen leistungsrelevanten Antragszeitpunkt), gestellt hat, kommt es darauf an, ob ihr die Antragstellung vor Ablauf der Jahresfrist (also vor dem 31. Januar 2000) infolge höherer Gewalt unmöglich war.

Der Begriff der höheren Gewalt hat eine subjektive Komponente und ist nicht auf von außen kommende, nicht beeinflussbare Ereignisse beschränkt. Höhere Gewalt ist mithin jedes Geschehen, das auch durch die größtmögliche, von dem Betroffenen unter Berücksichtigung seiner Lage, Bildung und Erfahrung vernünftigerweise zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. Als unabwendbar in diesem Sinne ist eine Fristversäumnis grundsätzlich auch dann anzusehen, wenn sie durch eine falsche oder irreführende Auskunft oder Belehrung oder sonst durch ein rechts- oder treuwidriges Verhalten der Verwaltungsbehörde verursacht wird (BSG, Urteil vom 25. März 2003 - B 1 KR 36/01 R - BSGE 91, 39 = SozR 4-1500 § 67 Nr 1; anders wohl noch BSG SozR 3-2400 § 25 Nr 6 S 23; allg dazu auch BVerwGE 58, 100; BAG AP Nr 2 zu § 203 BGB; BGH NJW 1994, 2752).

Die Klägerin beruft sich vorliegend darauf, sie habe nicht früher einen Antrag auf LErzg gestellt, weil türkischen Staatsangehörigen bis in das Jahr 2003 gesagt worden sei, dass ihnen kein Anspruch auf LErzg zustehe und ein entsprechender Antrag deshalb gar nicht gestellt zu werden brauche. Diese Information des Beklagten war zwar im Lichte der Entscheidung des BSG vom 29. Januar 2002 (BSGE 89, 129 = SozR 3-6940 Art 3 Nr 2) objektiv falsch, auch wenn sie der damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl dazu BSG SozR 3-6935 Allg Nr 1) entsprach. Denn eine unrichtige Rechtsauskunft liegt auch dann vor, wenn der Versicherungsträger ohne Verschulden von der Richtigkeit seiner Rechtsansicht ausgehen durfte (vgl BSGE 49, 76, 78 = SozR 2200 § 1418 Nr 6; Seewald in Kasseler Komm, Vor §§ 38 - 47 SGB I RdNr 58). Entscheidend ist insoweit - wie bei § 44 SGB X (Steinwedel in Kasseler Komm, § 44 SGB X RdNr 29) - die damalige Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht ("geläuterte Rechtsauffassung"). Zur Begründung der Fehlerhaftigkeit der Information bedarf es jedoch der Berufung auf die unmittelbare Wirkung des Art 3 Abs 1 ARB für einen Zeitraum vor Erlass der Sürül-Entscheidung des EuGH. Es greift hier somit die in diesem Urteil ausgesprochene zeitliche Beschränkung ein. Da die Klägerin am 4. Mai 1999 kein offenes Verfahren über die Gewährung des hier streitigen LErzg hatte, kann sie die objektive Unrichtigkeit der ihr zu Teil gewordenen Beratung nicht zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrages geltend machen.

Andere Umstände, die - unter dem Gesichtspunkt einer höheren Gewalt - eine Wiedereinsetzung ohne Rückgriff auf die unmittelbare Anwendung des Art 3 Abs 1 ARB begründen würden, sind nicht ersichtlich. In Betracht kämen insoweit nur gravierende Verfahrensverstöße der Behörde wie etwa eine Nichtannahme von Anträgen oder dem gleichzustellende Rechtsverstöße. Ein derartiges Fehlverhalten von Bediensteten des Beklagten ist nach den berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen nicht erkennbar. Insbesondere hat das LSG festgestellt, dass "Anhaltspunkte für eine nachweislich entgegen einem klar geäußerten Willen der Antragstellerin und unter Verstoß gegen Grundsätze des Verwaltungsverfahrens vorliegende Nichtannahme oder Nichtverbescheidung von Leistungsanträgen weder schlüssig vorgetragen noch sonst ersichtlich" seien. An diese tatsächlichen Feststellungen ist das BSG gebunden, da insoweit keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht worden sind (§ 163 SGG); dieses gilt auch für den Vortrag der Klägerin, sie habe im Juli 1997 versucht, einen Antrag abzugeben - die Antragsannahme sei von dem Beklagten verweigert worden. Abgesehen davon, dass diese Behauptung nicht näher belegt worden ist, handelt es sich um erstmals im Revisionsverfahren vorgebrachten und angesichts der Feststellungen des LSG im Revisionsverfahren unerheblichen Tatsachenvortrag. Eine zulässige Verfahrensrüge ist von der Klägerin insoweit nicht erhoben worden (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG). Da die Klägerin im Übrigen nur pauschal auf eine objektiv fehlerhafte Auskunft durch den Beklagten hinweist, besteht auch keine Veranlassung zu der Annahme, der vorliegende Sachverhalt könnte in entscheidungserheblichen Punkten noch nicht vollständig aufgeklärt worden sein.

Auch auf Grund des richterrechtlich entwickelten Rechtsinstituts eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs steht der Klägerin kein LErzg zu. Der Senat lässt offen, inwieweit dieser Anspruch, der gegenüber gesetzlichen Regelungen grundsätzlich subsidiär ist (vgl dazu BSGE 60, 158 = SozR 1300 § 44 Nr 23), bei Fallgestaltungen wie der vorliegenden neben der in § 27 SGB X geregelten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingreifen kann (verneinend BVerwG NJW 1997, 2966, und ihm zustimmend BSG, Urteil vom 10. Juli 2003 - B 11 AL 11/03 R -, JURIS). Jedenfalls sind die Voraussetzungen eines Herstellungsanspruchs hier nicht erfüllt. Dessen (im Wesentlichen dreigliedriger) Tatbestand fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist; dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein; schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers ein Zustand hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (vgl zB BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - B 9 VJ 2/02 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4).

Die Klägerin vermag sich schon nicht auf eine Pflichtverletzung des Beklagten zu berufen. Wegen des Ausspruches der zeitlichen Beschränkung in der Sürül-Entscheidung des EuGH kann der Herstellungsanspruch - wie schon der Wiedereinsetzungsantrag - auf die objektiv fehlerhafte Beratung durch den Beklagten nicht gestützt werden. Ebenso wenig ist die Verletzung einer Pflicht des Beklagten anzunehmen, die Klägerin auf einen sich abzeichnenden Wandel in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bzw entsprechende anhängige Verfahren hinzuweisen. Eine solche Hinweispflicht könnte allenfalls dann entstehen, wenn es auf Grund gravierender Umstände wahrscheinlich erscheint, dass ein Wandel in der Rechtsprechung eintreten wird. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Der EuGH hat nämlich mit dem Ausspruch der zeitlichen Beschränkung gerade zum Ausdruck gebracht, dass die Mitgliedstaaten nicht mit dieser Entscheidung rechnen mussten, sondern ihr Vertrauen in die Rechtmäßigkeit ihrer Rechtsvorschriften bis zum Erlass des Urteils vom 4. Mai 1999 schützenswert war. Damit wäre die Annahme, der Beklagte sei trotz dieses Vertrauens verpflichtet gewesen, einen entsprechenden Hinweis zu geben, nicht vereinbar. Insbesondere würde durch die Möglichkeit, auf diese Weise einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu begründen, der Zweck der vom EuGH verfügten zeitlichen Beschränkung konterkariert (vgl dazu auch BSG SozR 4-4300 § 434c Nr 1 S 7). Ansonsten sind Pflichtverletzungen des Beklagten, die ohne Berufung auf die unmittelbare Anwendung des Art 3 Abs 1 ARB begründet werden könnten, auch in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich.

Soweit die Klägerin des Weiteren einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG durch eine Ungleichbehandlung türkischer Antragsteller rügt, rechtfertigt sich diese aus den oben genannten Gründen. Sollte einigen Antragstellern - auch bei einer Antragstellung erst nach dem 4. Mai 1999 - in Verkennung der Rechtslage LErzg gewährt worden sein, so kann die Klägerin hieraus für sich keinen Anspruch auf die Leistung begründen. Eine Gleichbehandlung im Unrecht gibt es nicht. Die Gefahr unterschiedlicher behördlicher Entscheidungen ist nicht auszuschließen. Beruht die abweichende Entscheidung verschiedener Behörden zu denselben Rechtsvorschriften auf einer verschiedenartigen Rechtsauslegung, so liegt darin allein grundsätzlich noch keine Verletzung des Grundrechts der Gleichheit vor dem Gesetz (vgl stRspr des BVerfG, BVerfGE 1, 82 (85); 1, 332 (345); s auch BVerfGE 75, 329-347).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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