L 9 R 205/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 562/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 205/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. November 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist noch der Beginn der inzwischen auf Dauer gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung streitig.

Die 1957 geborene Klägerin hat den Beruf der Bankkauffrau erlernt, in dem sie bis 1981 versicherungspflichtig beschäftigt war. Nach einer Ausbildung zur Programmiererin, diversen Fortbildungen im IT-Bereich und einem (abgebrochenen) Studium der Informatik war sie u.a. als Mitarbeiterin in einer Bausparkasse, Medienberaterin und Anwenderbetreuerin beschäftigt. Zuletzt war sie als Alltagsbegleiterin tätig und übte eine Aushilfstätigkeit in der Poststelle einer Versicherung aus.

Die Beklagte gewährte der Klägerin vom 08.05.2012 bis 14.06.2012 eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme in der Abteilung für Psychosomatik der S. Klinik F. Laut ärztlichem Entlassungsbericht vom 19.06.2012 wurde die Klägerin mit den Diagnosen leichte depressive Episode, beidseitiger Hörverlust durch Schallempfindungsstörung, Alkoholabhängigkeit, gegenwärtig abstinent, aber in beschützter Umgebung, benigne essentielle Hypertonie sowie schädlicher Gebrauch von Tabak arbeitsunfähig entlassen. Die letzte berufliche Tätigkeit (Alltagsbegleiterin, befristete Tätigkeit in der Poststelle einer Versicherung) sei nur noch unter drei Stunden täglich zumutbar, mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien unter Berücksichtigung von Einschränkungen hinsichtlich der geistig/psychischen Belastbarkeit und einer Hörminderung noch sechs Stunden und mehr täglich leidensgerecht.

Am 21.09.2012 stellt die Klägerin erstmals einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog einen Befundbericht bei dem behandelnden Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. vom 07.12.2012 bei und veranlasste eine Begutachtung durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F., der in seinem Gutachten vom 06.02.2013 angab, bei der Klägerin bestehe auf seinem Fachgebiet noch eine leichte depressive Episode, eine Anpassungsstörung und ein Überforderungssyndrom. Im Vergleich zum psychischen Befund der S. Klinik sei eine Besserung eingetreten, so dass die Belastbarkeit höher eingestuft werden könne. Sowohl die Tätigkeit als Alltagsbegleiterin als auch Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien sechs Stunden und mehr durchführbar. Mit Bescheid vom 19.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.04.2014 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab.

Am 20.05.2014 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheids vom 19.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.04.2014 und stellte zugleich erneut einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung legte sie ein Gutachten vom 01.08.2013 vor, in dem die Gutachterin F.-E. die Einschätzung vertrat, die Klägerin könne derzeit auch leichte Tätigkeiten keine drei Stunden ausüben. Die Beklagte zog einen Befundbericht des Dr. H. vom 14.10.2014 bei, der über eine regelmäßige ambulante nervenärztliche Mitbehandlung seit November 2006 berichtete. Seit Dezember 2012 sei der Verlauf weiter wechselhaft; eine durchgreifende Besserung oder Stabilisierung habe nicht erreicht werden können. Mit einer durchgreifenden Besserung des Zustandsbilds sei in Anbetracht des nun schon längeren Krankheitsverlaufs, des Alters der Klägerin und der akzentuierten Persönlichkeit eher nicht zu rechnen.

Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 06.11.2013 dem Grunde nach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gewährt hatte, bewilligte sie mit Bescheid vom 29.04.2014 die Integrationsmaßnahme/RI-Maßnahme REAL bei der BBQ Ludwigsburg gGmbH für die Dauer von voraussichtlich 10 Monaten, beginnend am 10.03.2014. Im November teilte der Maßnahmeträger der Beklagten mit, dass die Teilnahme der Klägerin an der Eingliederungsmaßnahme vorzeitig am 31.10.2014 beendet werde. Die Klägerin könne das Ausbildungsziel vermutlich nicht erreichen. Im Abschlussbericht vom 03.12.2014 wurde zusammenfassend ausgeführt, die Projektleitung sehe aufgrund der multiplen Probleme der Klägerin zurzeit keine Möglichkeit für eine Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt. Mit Bescheid vom 18.11.2014 widerrief die Beklagte den Bescheid über die Bewilligung der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zum 31.10.2014, dem letzten Tag der Teilnahme an der Maßnahme, mit der Begründung, die Leistungen reichten nicht aus, um das Rehabilitationsziel in der vorgesehenen Zeit zu erreichen. Übergangsgeld wurde bis zum 21.11.2014 gewährt.

In einem internen Vermerk vom 09.06.2015 hielt die Beratungsärztin Dr. M. fest, aufgrund der psychopathologisch überformten neurokognitiven Defizite sei auch mit Hilfe beruflicher Rehabilitationsleistungen mittel- und langfristig eine vollschichtige Integration auf den ersten Arbeitsmarkt nicht zu erwarten. Die Beratungsärztin Dr. K. schätzte in einer sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung vom 21.07.2015 das Leistungsvermögen der Klägerin auf unter drei Stunden ein. Der Zustand bestehe seit dem 01.11.2014, da die Maßnahme REAL zum 31.10.2014 beendet worden sei. Medizinischerseits sei eine Befristung bis Juli 2017 anzunehmen. Leistungen zur Teilhabe wurden nicht vorgeschlagen.

Mit Bescheid vom 12.10.2015 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.06.2015 bis zum 31.07.2017. Die Voraussetzungen für die Rentengewährung seien ab dem 01.11.2014 erfüllt. Der Rentenanspruch sei zeitlich begrenzt, weil es nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich sei, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 30.10.2015 Widerspruch mit der Begründung ein, ihr Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vom 14.05.2015 müsse als Rentenantrag gewertet werden. Rentenbeginn sei damit der 01.12.2014.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Rente sei zu befristen, da nicht unwahrscheinlich sei, dass die volle Minderung der Erwerbsfähigkeit in absehbarer Zeit behoben werden könne. Die Rente beginne deshalb zu Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit, die ab dem 01.11.2014 anzunehmen sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 22.02.2016 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und zur Begründung ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft; sie beantrage weiterhin einen Rentenbeginn ab dem 01.12.2014.

Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG Dr. H. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört und den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dipl.-Psych. F. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt.

Dr. H. hat unter dem 27.07.2016 ausgeführt, die Klägerin könne keine körperlich leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr verrichten. Die Minderung der beruflichen Leistungsfähigkeit sei seit Beendigung der durchgeführten LTA-Maßnahme durch die Beklagte im Oktober 2014 gesichert. Die Minderung bestehe in Anbetracht des langjährigen Krankheitsverlaufs und des Alters der Klägerin eher dauerhaft.

Dr. Dipl.-Psych. F. hat nach ambulanter Untersuchung der Klägerin in seinem Gutachten vom 18.04.2007 angegeben, bei der Klägerin bestehe ein hirnorganisches Psychosyndrom infolge von Hirndurchblutungsstörungen mit nachgewiesenen Insulten im Januar 2017 mit einer körperlich neurologischen Restsymptomatik. Die psychoorganische Schwächung zeige sich in erheblichen Gedächtnis- und schweren Konzentrationsstörungen sowie Agitation mit verminderter Steuerbarkeit des Affekts, wobei zusätzlich eine Zuspitzung histrionischer Persönlichkeitseigenheiten bzw. eine organische Wesensänderung im Rahmen der vaskulären Enzephalopathie möglich sei. Die vordiagnostizierte leichte Depression nichtorganischer Prägung bzw. Depression, Angst gemischt, bestimmten das psychopathologische Bild nicht. Darüber hinaus bestehe ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, der gegenwärtig die Überwachung durch Pflegekräfte der Sozialstation notwendig mache. Die berufliche Leistungsfähigkeit sei sowohl im zuletzt ausgeübten Beruf als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für körperlich leichte Tätigkeiten auf unter drei Stunden eingeschränkt. Diese Minderung der beruflichen Leistungsfähigkeit bestehe mindestens seit dem Schlaganfall im Januar 2017. Hinweise darauf, dass vor dem 01.11.2014 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vorgelegen habe, hätten nicht nachgewiesen werden können. Die Minderung sei als dauerhaft einzustufen, die Leistungsfähigkeit lasse sich nicht mehr durch ein Heilverfahren oder auf andere Weise wiederherstellen.

Auf den Weitergewährungsantrag der Klägerin vom 07.03.2017 hat die Beklagte mit Bescheid vom 15.06.2017 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.08.2017 bis zum 31.10.2023, dem Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze, gewährt.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer müsse früher beginnen, da die dem Bescheid vom 12.10.2015 zugrundeliegende Prognose hinsichtlich der Behebung ihrer Leistungsminderung falsch gewesen sei.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass der Gutachter Dr. Dipl.-Psych. F. ein unter dreistündiges Leistungsvermögen auf Dauer seit Januar 2017 festgestellt habe. Für den Zeitraum davor könne in der Rückschau die Feststellung eines Dauerzustandes einer quantitativen Leistungsminderung nicht ausreichend belegt werden.

Nach vorherigem Hinweis hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29.11.2017 abgewiesen. Die – näher dargelegten – Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente auf Dauer bereits ab dem 01.12.2014 lägen nicht vor. Zum Zeitpunkt der Prognoseentscheidung der Beklagten bei Bescheiderlass am 12.10.2015 sei nicht unwahrscheinlich gewesen, dass sich im Gesundheitszustand der Klägerin noch eine Besserung einstelle. Insoweit werde den Feststellungen des Gutachters Dr. Dipl.-Psych. F. vom 18.04.2017 gefolgt, der nachvollziehbar dargelegt habe, dass erst seit dem erlittenen Schlaganfall im Januar 2017 von einem dauerhaft aufgehobenen Leistungsvermögen ausgegangen werden könne. Die vordiagnostizierte leichte Depression nicht organischer Prägung bzw. Depression und Angst gemischt hätten das psychopathologische Bild gerade nicht mehr bestimmt. Das deutlich gravierendere hirnorganische Psychosyndrom sei erst infolge von Hirndurchblutungsstörungen nach dem Schlaganfall aufgetreten. Erst zu diesem Zeitpunkt sei das Leistungsvermögen dauerhaft aufgehoben gewesen. Die Prognose der Beklagten zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses sei somit zutreffend gewesen. Es bleibe damit beim Rentenbeginn ab dem 01.06.2015, da befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Erwerbsfähigkeit, hier dem Zeitpunkt des Abbruchs der Integrationsmaßnahme am 01.11.2014, geleistet werden.

Gegen den ihr am 29.12.2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 11.01.2018 beim SG Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, es bestünden Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung. Ein Dauerzustand bestehe seit Oktober 2014, der sich schleichend bis zum Schlaganfall am 27.01.2017 verschlechtert habe. Der festgestellte Dauerzustand habe sich noch im Bewilligungszeitraum des Rentenbescheides und nicht erst ab dem 01.08.2017 eingestellt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. November 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 12. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Februar 2016 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab dem 1. Dezember 2014 auf Dauer zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf ihr bisheriges Vorbringen, den angefochtenen Gerichtsbescheid und die streitgegenständlichen Bescheide.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden konnte, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor

Die Berufung ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage, die auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab dem 01.12.2014 auf Dauer gerichtet war, zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 12.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.02.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Nachdem die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 15.06.2017 Rente über den 31.07.2017 hinaus bis zum Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze und damit auf Dauer gewährt hat, hat sich der Rechtsstreit, soweit er auf die Gewährung einer Rente auf Dauer gerichtet war, für die Zeit ab dem 01.08.2017 erledigt. Streitig ist allein noch der Rentenanspruch für die Zeit vom 01.12.2014 bis zum 31.05.2015. Ein solcher Anspruch besteht nicht.

Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) liegen vor. Die Klägerin ist voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI, da sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dies folgt zuletzt aus dem Gutachten von Dr. Dipl.-Psych. F. vom 11.04.2017. Danach ist die Klägerin aufgrund des bei ihr vorliegenden hirnorganischen Psychosyndroms infolge von Hirndurchblutungsstörungen mit nachgewiesen Insulten im Januar 2017 und einer körperlich neurologischen Restsymptomatik nicht mehr in der Lage, einer auch nur leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens drei Stunden täglich nachzugehen. In der Begutachtung zeigte sich ein organisches Psychosyndrom mit erheblichen Gedächtnisstörungen, schweren Konzentrationsstörungen, lückenhafter Auffassung, Störungen der Sprache, schwerer Affektlabilität bzw. Affektinkontinenz bei vaskulärer Enzephalopathie und stattgehabtem Insult im Januar 2017 sowie ängstlicher Unsicherheit. Dr. Dipl.-Psych. F.begründet die von ihm angenommenen Leistungseinschränkung für den Senat überzeugend mit einer psychoorganischen Schwächung, die sich in erheblichen Gedächtnis- und schweren Konzentrationsstörungen sowie Agitation mit verminderter Steuerbarkeit des Affektes zeigt. Für den Senat steht daher auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. Dipl.- Psych. F. fest, dass die Klägerin voll erwerbsgemindert ist.

Der Senat stellt weiter fest, dass die Einschränkung des Leistungsvermögens vor dem 01.11.2014 nicht nachgewiesen ist. Die Klägerin hat zum 31.10.2014 die ihr im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe gewährte Eingliederungsmaßnahme abgebrochen. Nach Einschätzung des Gutachters Dr. Dipl.-Psych. F. ist eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit vor dem 01.11.2014 nicht nachzuweisen. Dies deckt sich auch mit der Einschätzung des behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H., der in seiner Aussage gegenüber dem SG vom 27.07.2016 die Einschränkung der Leistungsfähigkeit seit Oktober 2014 als gesichert ansieht. Die Beurteilung im Gutachten vom 01.08.2013 steht dem nicht entgegen. Zwar führt die Gutachterin F.-E. nach persönlicher Untersuchung der Klägerin aus, dass das Leistungsvermögen der Klägerin aufgrund der von ihr festgestellten psychopathologischen Beeinträchtigungen deutlich vermindert ist und auch leichte Tätigkeiten derzeit nicht über drei Stunden ausführbar sind. Demgegenüber hatte Dr. F. in seinem Gutachten vom 06.02.2013, das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwerten kann, noch die Auffassung vertreten, dass der Klägerin jedenfalls leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zumutbar sind. Dies ist für den Senat aufgrund des von Dr. F. erhobenen psychiatrischen Befundes nachvollziehbar. Danach war die Klägerin im Bewusstsein klar, die Orientierung war für alle Qualitäten erhalten, es bestanden keine inhaltlichen oder formalen Denkstörungen und keine Ich-Störungen. Die Stimmung beschreibt er als leicht gedrückt, gekränkt, mit leichter Stimmungslabilität; er stellte eine emotionale Belastung und Fokussierung auf Einschränkungen der Lebensführung, erlebte Kränkungen und verminderte Belastbarkeit fest. Neuropsychologische Defizite oder neurokognitive Defizite, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen waren nicht erkennbar. Der Senat konnte sich daher nicht vom Eintritt der Erwerbsminderung vor dem 01.11.2014 überzeugen und schließt sich insoweit der Einschätzung des behandelnden Facharztes Dr. H. und des Gutachters Dr. F. an, der sich mit den ihm vorliegenden Vorbefunden auseinandergesetzt hat.

Ausgehend von einem Leistungsfall am 01.11.2014 sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB VI erfüllt. Die Klägerin hat die allgemeine Wartezeit vor Eintritt der Erwerbsminderung erfüllt und in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit.

Die Beklagte hat die Rente zu Recht zunächst lediglich befristet ab dem 01.06.2015 und nicht auf Dauer gewährt. Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden gemäß § 101 Abs. 1 SGB VI nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI werden Renten wegen Erwerbsminderung im Regelfall befristet gewährt. Abweichend von diesem Grundsatz werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI unbefristet geleistet, wenn der Rentenanspruch ausschließlich auf dem Gesundheitszustand und nicht (auch) darauf beruht, dass der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist, sofern unwahrscheinlich ist, dass die Erwerbsminderung behoben werden kann; nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren ist hiervon auszugehen. Anders als nach dem bis zum 01.01.2001 geltenden Recht ist nunmehr für die Gewährung unbefristeter Renten wegen Erwerbsminderung maßgebend, dass die Erwerbsminderung behoben werden kann, nicht ob sie behoben werden wird. Weder ist erforderlich, dass eine solche Behebung der Erwerbsminderung "überwiegend wahrscheinlich" ist, noch, dass diese in "absehbarer Zeit" wahrscheinlich sein muss. Der Ausdruck "unwahrscheinlich" im Sinne des Satz 5 ist dahingehend zu verstehen, dass schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine rechtlich relevante Besserungsaussicht sprechen müssen, so dass ein Dauerzustand vorliegt. Davon kann erst ausgegangen werden, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und auch danach ein aufgehobenes Leistungsvermögen besteht. Eingeschlossen werden alle Therapiemöglichkeiten nach allgemein anerkannten medizinischen Erfahrungen, also auch Operationen, unabhängig davon, ob diese duldungspflichtig sind oder nicht. Es kommt also nicht darauf an, dass eine "begründete Aussicht" auf Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit besteht. Entscheidend ist vielmehr die Möglichkeit, dass das Leistungsvermögen eines Versicherten auf der Grundlage anerkannter Behandlungsmethoden wiederherzustellen. Solange diese Möglichkeit besteht und im Einzelfall keine gesundheitsspezifischen Kontraindikationen entgegenstehen, ist von einer Unwahrscheinlichkeit der Behebung der Erwerbsminderung nicht auszugehen. Dabei ist ausreichend, dass die mit einer Behandlung angestrebte Besserung sich nicht von vornherein in einem Bereich bewegt, der sich als rentenrechtlich irrelevant darstellt, sondern die quantitative Leistungsfähigkeit des Versicherten über die für die volle Erwerbsminderung erhebliche Schwelle anheben kann. Die Frage, ob die Behebung unwahrscheinlich ist, ist zum Zeitpunkt der Bewilligung prognostisch zu beurteilen und unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der umfassenden gerichtlichen Nachprüfung (vgl. Schmidt in Schlegel/Voelzke, jurisPK SGB VI, 2. Aufl. 2013, Stand 16.06.2015, § 102 Rdnr. 7 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.03.2006 – B 13 RJ 31/05R –, Juris). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass im Falle der Nichterweislichkeit anspruchsbegründender Tatsachen auch im sozialgerichtlichen Verfahren nach ständiger Rechtsprechung des BSG (grundlegend Urteile vom 24.10.1957 – 10 RV 945/55 – und vom 20.01.1977 – 8 RU 52/76 –, Juris) der Grundsatz der objektiven Beweislast, insbesondere der Feststellungslast gilt, wonach die Folgen der Nichterweislichkeit einer Tatsache von demjenigen Beteiligten zu tragen sind, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will. Eine Beweislastentscheidung setzt voraus, dass zunächst alle verfügbaren Erkenntnisquellen und Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft worden sind und sich die entscheidungserheblichen Tatsachen gleichwohl nicht feststellen lassen (BSG, Urteil vom 24.05.2006 – B 11 AL 7/05 R –, Juris, Rdnrn. 29, 32).

Der Senat konnte sich nach Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht davon überzeugen, dass eine Besserung im Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung, also bei Bescheiderlass am 12.10.2015, bereits unwahrscheinlich gewesen ist. Bei der Klägerin besteht jedenfalls seit dem im Januar 2017 erlittenen Insult ein dauerhaft eingeschränktes Leistungsvermögen, das, wie Dr. Dipl.-Psych. F. für den Senat überzeugend darlegt, weder durch ein Heilverfahren noch auf sonstige Weise wiederhergestellt werden kann. Zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. Dipl.-Psych. F. am 11.04.2017 war das psychopathologische Beschwerdebild, wie der Gutachter ebenfalls überzeugend darlegt, nicht mehr wie noch im Jahr 2014 durch die Diagnose Angst und Depression gemischt geprägt, sondern durch das deutlich gravierendere hirnorganische Psychosyndrom infolge von Hirndurchblutungsstörungen nach dem Schlaganfall. Die jetzt vorliegenden und für die dauerhafte Leistungseinschränkung maßgebenden Gesundheitsstörungen lassen daher keinen Rückschluss auf die Prognose zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses zu. Die Klägerin selbst hat im Erörterungstermin gegenüber der Berichterstatterin eingeräumt, dass sich das Leistungsvermögen durch den Schlaganfall nochmals verschlechtert hat. Die für die Bewilligung der Rente maßgebende Leistungsbeurteilung der Beratungsärztin Dr. K. vom 21.07.2015 enthält weder eine Begründung für die angenommene Leistungseinschränkung noch für die angenommene Besserungsaussicht innerhalb von zwei Jahren. Aus einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme der Dr. M. vom 09.06.2015 ist zu entnehmen, dass aufgrund der psychopathologisch überformten neurologischen Defizite auch mit Hilfe einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme mittel- und langfristig eine Integration auf den ersten Arbeitsmarkt nicht zu erwarten ist. Dr. M. führt hierzu aus, dass die neurokognitiven Defizite und die bereits im Rehaverlauf 2012 beschriebenen interaktionellen Störungen mit einer misstrauisch getönten Kritikminderung im Rahmen der beruflichen Belastungserprobung erneut in den Vordergrund getreten seien. Medizinische Unterlagen, die die Annahme der Beratungsärztin Dr. M. stützen würden, liegen aus dem Jahr 2015 nicht vor. Der Stellungnahme der Dr. M. lag der Abschlussbericht vom 03.12.2014 zugrunde, in dem ausführlich die bei der Maßnahme aufgetretenen Schwierigkeiten dargestellt werden, aber zugleich auf die Notwendigkeit einer erneuten medizinisch psychologischen Begutachtung hingewiesen wird, um Klarheit über die tatsächliche Problematik und das vorhandene Leistungsvermögen erreichen zu können. Zwar teilt Dr. H. in seinem Bericht vom 14.10.2014 gegenüber der Beklagten bereits mit, dass bei der Klägerin seit Dezember 2012 ein wechselhafter Verlauf des Krankheitsbildes vorliegt, bei dem eine durchgreifende Besserung oder Stabilisierung nicht erreichbar gewesen ist. Mit einer durchgreifenden Besserung des Zustandsbildes in Anbetracht des längeren Krankheitsverlaufs, des Alters und der akzentuierten Persönlichkeit sei nicht zu rechnen. Andererseits führt er im Juli 2016 gegenüber dem SG aus, dass die Minderung der Leistungsfähigkeit in Anbetracht des langjährigen Krankheitsverlaufs und des Alters der Klägerin eher dauerhaft sei, was eine Besserung nicht ausschließt und zumindest nicht unwahrscheinlich macht, auch wenn er Heilverfahren nicht als erfolgsversprechend ansieht. Gegen die Annahme, dass bereits zum Zeitpunkt der Bewilligung der Rente von einem Dauerzustand auszugehen war, sprechen auch die damals noch bestehenden Behandlungsoptionen. Die Klägerin hat zwar bereits 2007 und zuletzt 2012 psychosomatische Heilverfahren und eine regelmäßige ambulante Therapie durchlaufen, durch die, wie Dr. H., Dr. M. und Dr. H. ausführen, keine deutliche Besserung oder Stabilisierung des Gesundheitszustandes erreicht werden konnte. Andererseits weist Dr. H. bereits am 01.08.2013 darauf hin, dass eine vollstationäre Behandlung indiziert wäre, die die Klägerin auch in der Folgezeit nicht aufgenommen hat. Auch bei Ausschöpfen aller Erkenntnismöglichkeiten konnte sich der Senat daher nicht davon überzeugen, dass bereits zum Zeitpunkt der Bewilligung der Rente eine Besserung des Gesundheitszustandes unwahrscheinlich war.

Die Rente ist daher zu Recht befristet und (erst) ab Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit (§ 101 Abs. 1 SGB VI) gewährt worden.

Zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass die Rente nunmehr unbefristet geleistet wird. Gemäß § 102 Abs. 2 Satz 6 SGB VI verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn, wenn unmittelbar im Anschluss an eine auf Zeit geleistete Rente diese Rente unbefristet geleistet wird.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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