L 9 U 189/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 33/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 189/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1) Entgegen dem Wortlaut des § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X findet die Regelung auch auf rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte mit rein feststellender Wirkung Anwendung - hier der fehlerhaften Feststellung eines Arbeitsunfalles.

2) Die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes ist bereits anzunehmen, wenn dieser aus damaliger Sicht so nicht hätte erlassen werden dürfen (vgl. BSG vom 2. November 1999 B 2 U 47/98 R; BSG vom 20. März 2007 - 2 U 27/06 R).

3) Die Annahme der Rechtswidrigkeit ist bereits dann gerechtfertigt, wenn sich im Rahmen einer nochmaligen Prüfung der ursprünglichen Sach- und Rechtslage erhebliche Zweifel am Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsachen oder des erforderlichen Ursachenzusammenhangs ergeben. Nicht erforderlich ist im Übrigen, dass die Beklagte für z. B. das Fehlen der Versicherteneigenschaft den Vollbeweis erbringen muss
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 30. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen eines Verkehrsunfalls vom 25. Juni 2005. In diesem Verfahren wendet er sich gegen einen sogenannten Abschmelzungsbescheid.

Am 25. Juni 2005, einem Samstag, erlitt der 1970 geborene Kläger um 20:34 Uhr als Halter und Fahrer eines Pkw BMW X5 auf der D-Straße in Höhe der Anschlussstelle E. unverschuldet einen Verkehrsunfall. Der Kläger befuhr im Rhein-Sieg-Kreis die D-Straße in Richtung E. Er wollte einem weiteren, verkehrswidrig gelenkten Fahrzeug ausweichen und geriet dabei mit den Reifen gegen den Bordstein des Grünstreifens. Das Fahrzeug des Klägers überschlug sich mehrfach. Der Kläger wurde durch den Unfall aus seinem Fahrzeug geschleudert. Die Dreipunktgurte des Fahrer- wie des Beifahrersitzes des Fahrzeugs des Klägers waren unmittelbar nach dem Unfallereignis in die Gurtschlösser eingesteckt. Das Einrasten erfolgte nicht unfallbedingt. Der Kläger erlitt u. a. eine C Verletzung des Beckens mit Symphysen- und IS-Fugen Sprengung links, eine Acetabulumquerfraktur rechts, eine offene Hodenluxation rechts und einen posttraumatischen Skrotalabszess.

Der Versicherungsverlauf des Klägers der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund vom 21. Juni 2006 weist vom 1. Mai bis 30. Juni 2005 ein geringfügiges versicherungsfreies Beschäftigungsverhältnis mit einem Gesamtverdienst von 500,00 Euro aus. Dieses war der zuständigen DRV Knappschaft-Bahn-See als Minijobzentrale rückwirkend am 29. August 2006 gemeldet worden. Die DATEV-Entgeltabrechnungen für diese Beschäftigung waren von der Arbeitgeberin C. A. unter der Anschrift F-Straße, F-Stadt, am 22. August 2006 für Mai 2005 und am 24. August 2006 für September 2005 ausgestellt worden. Ausweislich des Rentenversicherungskontos wurde dem Kläger vom 27. Januar 2005 bis 6. August 2005 Arbeitslosengeld gewährt. Nach der (Leistungs-) Bescheinigung der Agentur für Arbeit in J-Stadt vom 8. August 2005 wurde auf das Arbeitslosengeld kein Einkommen angerechnet.

Frau C. A., mit der der Kläger inzwischen verheiratet ist, war seinerzeit die Schwägerin des Klägers und auch die Mutter des einer gemeinsamen seinerzeit vier Jahre alten Tochter. Sie betrieb als Inhaberin von April 2003 bis Juli 2004 das Pfandleihhaus G. in der H-Straße, H-Stadt. Hier war der Kläger vom 1. April 2003 bis zum 3. Juli 2004 versicherungspflichtig beschäftigt. In der Zeit ab Mai 2005 betrieb Frau A. ein Geschäft gleichen Inhalts und gleichen Namens mit Sitz in der J-Straße, J-Stadt. Bis zum 31. August 2006 betrieb Frau A. ein Geschäft als Pfandleiherin sowie Einzelhändlerin mit gebrauchten Kraftfahrzeugen, Groß- und Einzelhandel mit Fahrrädern und Zubehör sowie einer Handelsvertretung mit Fahrzeugen in der F-Straße, F-Stadt, auch dieses trug die Bezeichnung Pfandleihhaus G. Ab 1. September 2006 betrieb Frau A. ein Geschäft als Pfandleiherin sowie Einzelhandel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen, Groß- und Einzelhandel mit Fahrrädern und Zubehör sowie einer Handelsvertretung mit Fahrzeugen in der K-Straße, K-Stadt.

Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 15. Februar 2007 zeigte der Kläger gegenüber der Beklagten das Unfallereignis an. Er führte aus, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit für seine Arbeitgeberin ein Kraftfahrzeug des Fabrikates BMW X5, das für diese erworben werden sollte, habe besichtigen sollen. Auf dem Weg zu dem Besichtigungstermin mit dem Eigentümer vorgenannten Fahrzeuges, Herrn L., sei er verunfallt.

In der Unfallzeige vom 1. Juli 2007 findet sich keine konkrete Firmenangabe; als Anschrift wird die J-Straße in J-Stadt genannt. Als Tätigkeitsbeginn werden der Monat Mai 2005, als Beschäftigung zum Unfallzeitpunkt Fahrer (Aushilfe) im Außendienst und als Arbeitszeit monatlich 28,75 Stunden nach Bedarf angegeben. Der Kläger selbst erklärte gegenüber der Beklagten am 5. Juni 2007 von seiner Arbeitsstätte, dem Autopfandleihhaus G. in der F-Straße, F-Stadt, zum Unfallort gekommen zu sein. Ziel sei ein Kundenbesuch im Auftrag der Firma, eventuell der Kauf eines Pkw gewesen; als Treffpunkt sei die M-Straße in M-Stadt vereinbart gewesen.

Auf schriftliches Befragen der Beklagten erklärte Herr L., der Besitzer des zu besichtigenden Fahrzeuges BMW X5, im Mai 2008, es hätte ein Treffen mit dem Kläger auf dem Parkplatz des N. Schnellrestaurants in der M-Straße in M-Stadt gegen etwa 20:00 Uhr stattfinden sollen, wobei der Kläger im Auftrag eines "Autohandel aus F-Stadt" gehandelt hätte. Der Zeuge ist am 16. Mai 2013 verstorben.

Mit Bescheid vom 18. Juli 2008 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 25. Juni 2005 als Arbeitsunfall an.

In der Folge holte die Beklagte verschiedene Gutachten zum Gesundheitszustand des Klägers ein. Das Gutachten des Dr. med. O. vom 28. April 2011 bestätigte, dass unfallbedingte Beschwerden bis zum Zeitpunkt der Begutachtung vorlagen, die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde auf internistischem Gebiet mit 0 v. H. angegeben. Das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. med. Dipl.-Psych. P. vom 23. Mai 2011 wies eine schwerwiegende Polytraumatisierung aus und gab eine MdE auf neurologischem Gebiet mit 20 v. H. an. Das fachärztlich-urologische Zusatzgutachten des Dr. med. Q. vom 17. Mai 2011 stellte eine inkomplette unfallbedingte neuerogene erektile Dysfunktion und einen Verdacht auf reduzierte Fertilität fest, wobei die Dysfunktion rechtlich wesentlich auf den Unfall vom 25. Juni 2005 zurückzuführen sei. Dieses Gutachten wies eine MdE von 10 v. H. auf urologischem Fachgebiet aus. Das unfallchirurgische Gutachten des Dr. med. R. und des Dr. med. S. vom 12. Mai 2011 wies insbesondere die Becken-C-Verletzung mit Acetabulumfraktur, Symphysen- und ISG-Sprengung links als unfallbedingten Schaden aus, eine MdE liege in Höhe von 20 v. H. vor. Die zuletzt genannten Dres. R. und S. stellten in einem weiteren Schreiben vom 5. Juli 2011 die Gesamt-MdE mit 40 v. H. ab der Beendigung des Heilverfahrens bis zum 24. Juni 2008, mit 30 v. H. in der Zeit vom 25. Juni 2008 bis zum 8. Mai 2011 und mit 30 v. H. ab 9. Mai 2011 fest.

Mit Bescheid vom 25. Juni 2012 lehnte die Beklagte Ansprüche des Klägers auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Unfallereignisses vom 25. Juni 2005 ab. Es bestünden erhebliche Zweifel am Vorliegen eines Arbeitsunfalles. So sei der Unfall erst zwanzig Monate nach dem eigentlichen Ereignis durch einen Anwalt gemeldet worden. Aus den DATEV-Abrechnungen, die als Beleg für das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses eingereicht worden seien, ginge hervor, dass diese Mitteilungen ebenfalls deutlich verspätet, teilweise vierzehn Monate später, erstellt worden seien. Das Unternehmen der Schwägerin des Klägers sei zum Zeitpunkt des Unfalles auch nicht ordnungsgemäß in der gesetzlichen Unfallversicherung angemeldet gewesen. Erst als aufgrund der Meldung des Unfallereignisses Ermittlungen eingeleitet worden seien, sei eine zwangsweise Eintragung erfolgt. Zudem habe der Kläger vorgetragen, er habe sich im Auftrag seiner Arbeitgeberin auf dem Weg zu einem Kunden befunden. Das Treffen habe um 20:00 Uhr stattfinden sollen, der Kläger sei jedoch erst um 20:34 Uhr verunfallt. Auch hätten das Krankenhaus M-Stadt, die Universitätsklinik Bonn und die BG-Unfallklinik Bergmannsheil angegeben, dass es sich um einen Freizeitunfall gehandelt habe. Ungewöhnlich sei weiter der Parkplatz eines N-Schnellrestaurants als Treffpunkt zum Erwerb eines hochpreisigen Fahrzeuges sowie die Tatsache, dass der Kläger allein zu dem Termin gefahren sei, da er das Fahrzeug selbst nicht hätte mitnehmen können. Im Übrigen sei, auch wenn ein Arbeitsunfall vorgelegen habe, die Höhe der Leistungen zweifelhaft, da der Kläger nicht angeschnallt gewesen sei, die erlittenen schweren Verletzungen im Bereich des Beckens und der Hüfte seien aufgrund des hohen Sicherheitsstandards des von dem Kläger gefahrenen Kraftfahrzeuges nicht zu erwarten, wenn der Kläger angeschnallt gewesen wäre.

Der Kläger legte mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 4. Juli 2012 Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Juni 2012 ein. Der Schaden sei als Arbeitsunfall anerkannt worden. Das insoweit ausgesprochene Anerkenntnis sei verbindlich.

Mit Schreiben vom 30. Juli 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie beabsichtige, durch Bescheid festzustellen, dass der Bescheid vom 18. Juli 2008 zu Unrecht ergangen und somit rechtswidrig sei. Dem Kläger wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Mit Bescheid vom 12. September 2012 stellte die Beklagte fest, dass der Verwaltungsakt vom 18. Juli 2008 rechtswidrig sei. Es sei nicht bewiesen, dass der Kläger am 25. Juni 2005 bei einer versicherten Tätigkeit gewesen sei und einen Arbeitsunfall erlitten habe. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung entfielen daher gemäß § 48 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Die Beklagte führte erneut die Aspekte aus dem Bescheid vom 25. Juni 2012 an.

Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 24. September 2012 legte der Kläger unter Bezugnahme auf den Vortrag im Widerspruchsschreiben vom 4. Juli 2012 Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 12. September 2012 ein. Es sei zutreffend, dass eine verspätete Meldung vorgelegen habe. Die Umstände seien mit Schreiben vom 2. Februar 2007 (richtig: 15. Februar 2007) dargelegt worden. In diesem Schreiben hatte der Kläger darauf hingewiesen, dass die verspätete Meldung auf Unkenntnis über mögliche Ansprüche beruhe. Es sei bereits dargelegt worden, dass der Kläger zunächst von April 2003 bis Juli 2004 beschäftigt gewesen sei, ab Mai 2005 sei er wiederum als Aushilfe tätig gewesen. Es gehe nicht zu Lasten des Klägers, dass das Unternehmen seiner Schwägerin zum Unfallzeitpunkt nicht ordnungsgemäß in der gesetzlichen Unfallversicherung angemeldet gewesen sei. Es sei zutreffend, dass sich der Unfall am 25. Juni 2005 gegen 20:34 Uhr ereignet habe.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2013 als unbegründet zurück. Es sei aus den im Bescheid vom 12. September 2012 dargelegten Gründen nicht bewiesen, dass der Kläger am 25. Juni 2005 bei einer versicherten Tätigkeit gewesen sei und einen Arbeitsunfall erlitten habe. Leistungen seien nicht zu erbringen, weil ein Versicherungsfall nicht vorläge.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2013 hat der Kläger am 12. März 2013 bei dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben. Er hat behauptet, er sei zum Unfallzeitpunkt als Aushilfe für den Kfz-Handel bzw. die Pfandleihe C. A. beschäftigt gewesen. Er selbst habe nie einen Autohandel betrieben und auch diesbezüglich nie ein Gewerbe angemeldet. Er sei zu dieser Zeit mit einer anderen Person als seiner heutigen Ehefrau C. A., liiert und verlobt gewesen. Das von ihm gefahrene Fahrzeug habe seiner Arbeitgeberin gehört, sie habe dieses geleast gehabt. Er habe den Pkw des Kunden zwar besichtigen, aber nicht unmittelbar mitnehmen sollen, insbesondere habe er das Fahrzeug zunächst überprüfen sollen. Der Kläger sei nach dem Unfallereignis verletzungsbedingt nicht in der Lage gewesen, irgendwelche Angaben zu machen. Es sei insoweit unmöglich zu beurteilen, warum das aufnehmende Krankenhaus den Unfall als Freizeitunfall bezeichnet habe. Der Kläger ist der Ansicht, es handele sich um einen versicherten Wegeunfall. Eine Rücknahme oder Aufhebung des Verwaltungsakts vom 18. Juli 2008 sei nicht (mehr) möglich. Die Voraussetzungen für eine mögliche Aufhebung hätten sich nach erstmaliger Bescheiderteilung keinesfalls in irgendeiner Form wesentlich verändert. Eine Änderung liege auch nicht im Sinne von § 73 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) vor, da weder eine Änderung im Bereich der tatsächlichen noch der rechtlichen Gründe gegeben sei. Auch habe die Beklagte § 48 Abs. 3 SGB X falsch angewendet, die Möglichkeit eines "Aussparens" sei nicht gegeben, die Beklagte sei an die rechtsverbindliche Anerkennung des Arbeitsunfalls gebunden. Die Bindung an die begründenden Tatsachen könne auch durch ein späteres Feststellen der Rechtswidrigkeit der Entscheidung nicht beseitigt werden. Notwendig für eine "Aussparungsregelung" sei eine nachträgliche wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X. Eine Rücknahme oder Aufhebung des Bescheides sei auch aufgrund der Schutzfrist nicht möglich, weil der Unfall bereits mit Schreiben der Beklagten vom 18. Juli 2008 als Arbeitsunfall anerkannt worden sei. Ein mögliches Eigenverschulden des Klägers wegen eines nicht angelegten Sicherheitsgurtes sei eine reine Vermutung der Beklagten. Es sei im Hinblick auf die Schwere des Unfallereignisses nicht auszuschließen, dass das Verletzungsbild bei angelegtem Sicherheitsgurt auch noch größer und umfassender ausgefallen wäre.

Unter Vertiefung ihres Vorbringens aus dem Verwaltungsverfahren hat die Beklagte auch weiterhin das Vorliegen eines Arbeitsunfalls bestritten. Der Kläger sei am 29. August 2006 rückwirkend für den Zeitraum 1. Mai 2005 bis 30. Juni 2005 bei der Minijobzentrale gemeldet worden. Der Kläger habe nur eine Beschäftigung bei der Firma G. vom 1. April 2003 bis zum 30. Juli 2004 belegt, eine Beschäftigung im Mai und Juni 2005 sei nicht nachgewiesen. Der Kläger habe vor seinem Unfallereignis einen Autohandel betrieben und zudem aufgrund von Geldgeschäften eine Gefängnisstrafe von acht Monaten abzusitzen gehabt. Die Beklagte ist der Ansicht, es dränge sich sogar der Eindruck auf, dass die Angaben des Klägers im Nachhinein "korrigiert" wurden, um zu Unrecht Leistungen zu erhalten. Der Kläger habe auch nicht in einem Beschäftigungsverhältnis bei seiner damaligen Partnerin und jetzigen Ehefrau Frau C. A. gestanden bzw. sich nicht bei einer versicherten Tätigkeit befunden, als er den Unfall erlitten habe.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 30. Juni 2016 abgewiesen. Der angegriffene Bescheid sei nicht rechtswidrig und daher nicht aufzuheben. Die ursprüngliche Anerkennung des Unfallereignisses vom 25. Juni 2005 als Arbeitsunfall sei "falsch gewesen", weil der Nachweis einer versicherten Tätigkeit beziehungsweise des Zurücklegens eines versicherten Weges im Zeitpunkt des Unfalls nicht erbracht sei. Versicherungsfälle in der Gesetzlichen Unfallversicherung seien Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs. 1 SGB VII. Nach § 8 Abs. 1 SGB VII seien Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Nach Abs. 2 sei auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden, unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit eine solche versicherte Tätigkeit. Allerdings stehe nicht schlechthin jeder Weg unter Versicherungsschutz, der zur Arbeitsstätte hinführe oder von ihr aus begonnen werde. Vielmehr sei darüber hinaus erforderlich, dass es sich um den unmittelbaren Weg handele, was besage, dass ein innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Zurücklegung des Weges bestehen müsse. Dieser innere Zusammenhang setze voraus, dass die Zurücklegung des Weges wesentlich dazu bestimmt sei, den Ort der Tätigkeit beziehungsweise nach Beendigung der Tätigkeit die eigene Wohnung zu erreichen. Maßgebend sei dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt werde. Zur Annahme eines Arbeitsunfalls sei es somit erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer solchen versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt habe (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht habe (haftungsbegründende Kausalität). Ob die Verrichtung, bei der sich der Unfall ereignet habe, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei, müsse wertend entschieden werden, indem untersucht werde, ob sie innerhalb der Grenze liege, bis zu der nach dem Gesetz der Unfallversicherungsschutz reiche. Maßgebend sei, ob die zum Unfall führende Handlung der versicherten Tätigkeit habe dienen sollen und ob diese Handlungstendenz des Versicherten durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt werde. Der in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherte und damit grundsätzlich leistungsberechtigte Personenkreis ergebe sich aus den §§ 2, 3 und 6 SGB VII.

Es sei der Nachweis nicht erbracht, dass der Kläger bei der Ausübung einer versicherten Tätigkeit verunfallt sei, so dass die Entscheidung der Beklagten letztlich nicht zu beanstanden sei. Während ein ursächlicher Zusammenhang der Gesundheitsstörung mit dem schädigenden, versicherten Vorgang nur wahrscheinlich zu sein brauche, müssten die anspruchsbegründenden Tatsachen selbst (schädigendes versichertes Ereignis, gesundheitliche Erstschädigung, verbliebene Dauergesundheitsstörung) bewiesen sein, es müsse also hierfür eine so hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass darauf die Überzeugung von der Wahrheit und nicht der bloßen Wahrscheinlichkeit gegründet werden könne (sogenannter Vollbeweis). Insoweit gelte auch im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung der Grundsatz der objektiven Beweislast.

§ 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) definiere Beschäftigung als die nicht selbständige Tätigkeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Dies setze voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb sei dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert sei und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliege.

Es bestünden bereits erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfallereignisses tatsächlich in einem auf zwei Monate befristeten, abhängigen geringfügigen Beschäftigungsverhältnis zu einer Entlohnung von 250,00 Euro monatlich bei der Zeugin A. gestanden habe, da die vorgelegten Unterlagen (Lohnbescheinigung, Meldung bei der Knappschaft) mehr als ein Jahr nach dem Unfallereignis erstellt worden seien. Nachdem der Kläger bereits Ende 2002/Anfang 2003 geringfügig beschäftigt und via DEÜV bei der Rentenversicherung gemeldet gewesen sei, vermöge insoweit der Vortrag nicht zu überzeugen, er habe nicht gewusst, dass auch solche Beschäftigungsverhältnisse angemeldet werden müssten. Auch die Darstellung der Zeugin A., sie habe unter anderem auch erreichen wollen, dass der Kläger mehr Zeit mit der gemeinsamen Tochter verbringe, deute auf eine eher "unübliche" Ausgestaltung der Tätigkeit hin und spreche eher gegen ein reguläres Beschäftigungsverhältnis.

Vor dem Hintergrund der Angabe des Klägers, er habe bereits mit seinem Anwalt in dem Zivilrechtsverfahren darüber geredet, dass es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe, ohne dass jedoch eine Anzeige bei der gesetzlichen Unfallversicherung erfolgt sei, halte die Kammer es nicht für ausgeschlossen, dass dieser Anwalt unter Zugrundelegung der seinerzeitigen Angaben des Klägers einen Entschädigungstatbestand gegenüber der Beklagten bereits damals ausgeschlossen habe.

In der Unfallmeldung am 15. Februar 2007 habe man noch mitgeteilt, es habe ein Fahrzeug "erworben" werden sollen. In seiner schriftlichen Äußerung vom 5. Juli 2007 habe der Kläger ebenso selbst angegeben, er habe das Ziel gehabt, einen Kundenbesuch durchzuführen im Auftrage der Firma, "evtl. Kauf eines PKW’s". Erst anlässlich des Treffens am 7. Februar 2008 sei dann angegeben worden, es habe eine Besichtigung eines Pkw zwecks Beleihung durchgeführt werden sollen. Nachdem der Vorgang jedenfalls auch schon Gegenstand zahlreicher Erörterungen im Rahmen des vorangehenden Zivilverfahrens und dann im Rahmen des Mandats zwecks Geltendmachung des vorliegenden Arbeitsunfalls habe gewesen sein müssen, sei dieser Wechsel in den Angaben zumindest bemerkenswert.

Die schriftliche Angabe des namentlich erst am 7. Februar 2008 benannten Kunden L. sei gleichfalls nicht geeignet, den Nachweis zu erbringen, dass sich der Unfall des Klägers ereignet habe, als dieser im Rahmen einer versicherten Tätigkeit unterwegs gewesen sei. Zunächst bestätige nur ein Herr L., der kurz nach Klageerhebung verstorben sei, dass er sich am Unfalltag mit dem Kläger zur Besichtigung eines BMW X5 bei N. in M-Stadt, M-Straße, etwa um 20:00 Uhr habe treffen wollen und dass der Kläger von einem "Autohandel aus F-Stadt" bei ihm angemeldet wurde. Diese Äußerungen seien nicht aussagekräftig.

Gegen einen "Wegeunfall" spreche auch der Vermerk in den Berichten der BGU Bergmannsheil Bochum vom 29. Juli und 19. August 2005, worin es ausdrücklich heiße: " Der Unfall erfolgte in seiner Freizeit, es handelt sich nicht um einen Wegeunfall." Zu diesem Zeitpunkt, etwa vier Wochen nach dem Unfall, werde der Kläger als "zu allen Qualitäten klar orientiert" beschrieben.

Auch an der Aussage der Zeugin A., der Kläger habe die Unfallfahrt im Auftrag der Firma G. im Rahmen seines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses durchgeführt, um das von Herrn L. zur Beleihung angebotene Fahrzeug auf dem Parkplatz des N. in M Stadt zu besichtigen, bestünden massive Zweifel. Hinsichtlich der Ausgestaltung des "Beschäftigungsverhältnisses" dränge sich der Eindruck auf, es solle eine erneute familiäre Beziehung angebahnt werden und der Kläger gleichzeitig sukzessive wieder in den Betrieb integriert werden. Es sei nicht üblich, einem für zwei Monate befristet eingestellten Aushilfsmitarbeiter einen BMW X5 als Firmenwagen zur freien Verfügung zu überlassen. Im Übrigen erscheine eine monatliche Vergütung von 250,00 Euro für die von dem Kläger geschuldete Leistung derart geringfügig, dass es sich eher um eine Art Taschengeld gehandelt haben könne, zumal der Kläger auch noch die Benzinkosten habe vorlegen müssen und nur gegen Beleg erstattet bekommen habe. Auch sei es nicht glaubhaft, dass für die verspätete Erstellung der Lohnbescheinigungen ausschließlich die Steuerberaterin verantwortlich gewesen sein solle. Jedenfalls im Rahmen der Steuererklärung hätten die gezahlten monatlichen Arbeitsentgelte angeführt werden müssen, so dass nicht erst im August 2006 die entsprechenden Bescheinigungen hätten erstellt werden dürfen.

Der Bescheid der Beklagten vom 12. September 2012 sei insoweit zutreffend, als dort ausgeführt werde, dass eine Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsakts nach § 45 SGB X aufgrund der dort genannten Fristenregelung nicht möglich sei. Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt habe (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig sei, dürfe er, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Es handele sich bei dem streitgegenständlichen Bescheid lediglich um ein Anerkenntnis dem Grunde nach, ohne weitergehende Bewilligung von Sozialleistungen, so dass Vertrauensschutz mangels erfolgter Vermögensdispositionen ausscheide. Allerdings seien seit Erlass des Bescheides vom 18. Juli 2008 mehr als zwei Jahre vergangen, so dass die Regelfrist nach § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X verstrichen gewesen sei. Gründe für eine Fristverlängerung auf zehn Jahre seien nicht ersichtlich, so dass eine Rücknahme der rechtsfehlerhaften Anerkennung des Versicherungsfalles nach § 45 SGB X ausscheide.

Zutreffend habe die Beklagte jedoch die Gewährung von Leistungen aufgrund des Ereignisses gemäß § 48 Abs. 3 SGB X abgelehnt. Unabhängig von § 45 SGB X sei nämlich jederzeit eine Prüfung nach § 48 SGB X möglich. Verwaltungsakte mit Dauerwirkung seien gemäß § 48 SGB X aufzuheben, wenn und soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eintrete. Betroffen seien sowohl von Anfang an rechtmäßige als auch von Anfang an rechtswidrige Verwaltungsakte. Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung sei aufhebbar, wenn nach seinem Erlass eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eintrete. Wesentlich sei jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirke. Ob eine solche Änderung eingetreten sei, richte sich nach dem für die jeweilige Leistung maßgeblichen materiellen Recht. Danach sei eine Änderung dann wesentlich, wenn die Änderung rechtserheblich sei und dazu führe, dass der Sozialversicherungsträger unter den objektiv gegebenen Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht hätte erlassen dürfen. Dies setze einen Vergleich der Verhältnisse voraus, die sowohl beim Erlass des Verwaltungsakts als auch zum Aufhebungszeitpunkt gegeben seien. Die tatsächlichen Verhältnisse änderten sich, wenn sich der rechtserhebliche Sachverhalt ändere. Die rechtlichen Verhältnisse änderten sich, wenn Gesetz oder Recht geändert würden und die Änderung den dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Lebenssachverhalt erfasse. Eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen liege auch vor, wenn sich die höchstrichterliche Rechtsprechung ändere. Zwar sei eine Aufhebung des Bescheides vom 18. Juli 2008 auch nach § 48 SGB X ebenfalls nicht möglich, da weder in den tatsächlichen noch in den rechtlichen Verhältnissen seit dessen Erlass eine Änderung eingetreten sei, sondern die Beklagte lediglich die Rechtslage nunmehr anders beurteile. Jedoch habe die Beklagte hier die Ablehnung von Verletztenrente zutreffend auf § 48 Abs. 3 SGB X gestützt, im Sinne des sogenannten Einfrieren der rechtswidrig, aber aufgrund Vertrauensschutzes weiter im bisherigen Umfang zu gewährenden Leistungen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift sei diese nur auf eine neu festzustellende "Leistung" anwendbar, die sich in einem "Betrag" ausdrücken lasse. Es müsse sich also um eine Geldleistung handeln. Wenn aufgrund geänderter Verhältnisse eine Neufestsetzung erforderlich werde, dürfe dadurch der rechtmäßig zustehende Betrag der Sozialleistung nicht überschritten werden. Im Ergebnis entfalle eine Neufestsetzung, wenn der rechtmäßig zustehende Betrag der Sozialleistung den vor der Änderung der Verhältnisse rechtswidrig festgestellten Betrag der Sozialleistung nicht übersteige. Nachdem durch den rechtswidrigen Bescheid vom 18. Juli 2008 keine Verletztenrente festgestellt worden sie, entfalle entsprechend § 48 Abs. 3 SGB X auch die Neufeststellung einer Verletztenrente.

Gegen die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 8. August 2016 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 5. September 2016 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht angebracht.

Der Kläger vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag und führt weiter aus, die Rücknahme oder Aufhebung des Bescheids vom 18. Juli 2008 sei nach § 45 SGB X nicht möglich. Der Kläger ist der Ansicht, es liege keine Änderung im Bereich der tatsächlichen oder rechtlichen Gründe vor, so dass Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gemäß § 48 Abs. 3 SGB X entfielen. Für die Anwendbarkeit des § 48 SGB X müsse ein Verwaltungsakt bei Erteilung fehlerfrei gewesen sein und durch eine Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse fehlerhaft geworden sein. Überdies habe das erstinstanzliche Gericht eine fehlerhafte Beweiswürdigung vorgenommen und infolgedessen unrichtige und unvollständige Tatsachenfeststellungen getroffen. Außerdem sei die Steuerberaterin der Zeugin A., Frau T., rechtsfehlerhaft nicht als Zeugin dafür gehört worden, dass die Zeugin A. nicht selbst für die Lohnsteuererklärung des Klägers verantwortlich gewesen sei.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 30. Juni 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 12. September 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung auch in Ansehung der Berufungsbegründung für zutreffend. Ein Arbeitsunfall sei ebenso wenig bewiesen wie die Ausführung einer versicherten Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt. Eine fehlerhafte Beweiswürdigung liege nicht vor. Die Beklagte ist ferner der Ansicht, nach § 48 Abs. 3 Satz 2 SGB X sei die Vorschrift des § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X auch dann anwendbar, wenn einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liege, der nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden könne. Die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts sei bereits dann anzunehmen, wenn dieser aus der Perspektive zum Zeitpunkt seines Erlasses so nicht hätte erlassen werden dürfen. Die Annahme der Rechtswidrigkeit sei weiter bereits dann gerechtfertigt, wenn sich im Rahmen einer nochmaligen Prüfung der ursprünglichen Sach- und Rechtslage erhebliche Zweifel am Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsachen ergäben. Die Rechtswidrigkeit betreffe nicht die Leistungshöhe, sondern bereits den Leistungsgrund, so dass eine Erhöhung ohne Berücksichtigung der Bestandskraft während der gesamten Leistungsdauer nicht in Betracht komme, denn bei einer Neuberechnung wäre stets von "Null" als rechtmäßiger Leistungshöhe auszugehen. Darüber hinaus komme § 48 Abs. 3 SGB X nicht nur dann zur Anwendung, wenn die tatsächliche oder rechtliche Veränderung die ursprünglich unrichtig beurteilten Faktoren betreffe, denn eine solche Beschränkung folge weder aus dem Wortlaut, noch aus Sinn und Zweck der Norm.

Der Senat hat ergänzende Ermittlungen u. a. bei der Agentur für Arbeit, J-Stadt, der Minijobzentrale und der Ehefrau des Klägers als Arbeitgeberin im Unfallzeitpunkt angestellt. Auch wurde der Kläger selbst um Vorlage weiterer Unterlagen das behauptete geringfügige Beschäftigungsverhältnis betreffend gebeten. Für den Kläger, dessen Ehefrau und auch deren Steuerberaterin hat dessen Verfahrensbevollmächtigter mit Schriftsatz vom 28. Februar 2018 mitgeteilt, dass der Kläger nach mehr als 12 Jahren über einen schriftlichen Arbeitsvertrag nicht mehr verfüge. Auch die Arbeitgeberin bzw. deren Steuerbevollmächtigte hätten entsprechende Unterlagen - angefordert gewesen waren u. a. Kontoauszüge für die Monate Mai und Juni 2005, Buchführungsunterlagen, Stundenzettel - nicht mehr. Der Arbeitslohn sei dem Kläger in bar ausgezahlt worden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung der Streitsache ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zu dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten sowie auf den Erörterungstermin mit der Berichterstatterin am 18. Mai 2018 ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§§ 155 Abs. 3, 4, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Da die Voraussetzungen des § 48 Abs. 3 SGB X vorliegen, war die Beklagte berechtigt, die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 18. Juli 2008 festzustellen und einen sogenannten Abschmelzungsbescheid zu erlassen. Das klageabweisende erstinstanzliche Urteil vom 30. Juni 2016 ist im Ergebnis rechtmäßig.

Nach § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X darf, wenn ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden kann und eine Änderung nach § 48 Abs. 1 und 2 SGB X zugunsten des Betroffenen eingetreten ist, die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Dies gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden kann (§ 48 Abs. 3 Satz 2 SGB X).

Der Sinn der Regelung ergibt sich aus dem Zusammenhang mit § 48 Abs. 1 (oder Abs. 2) SGB X: Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Er soll bei Erfüllung der in § 48 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB X genannten Voraussetzungen aufgehoben werden (§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Zweck ist es, den von nach § 48 Abs. 1 (oder Abs. 2) SGB X zu seinen Gunsten eintretenden Änderungen, z. B. einer Rentenanpassung, Begünstigten auszunehmen, soweit die ihm gewährte Begünstigung rechtswidrig war und er nach § 45 SGB X Bestandsschutz genießt. Mit dieser Regelung wird ein Ausgleich zwischen dem Bestandsschutzinteresse des Begünstigten und dem Interesse der Allgemeinheit an der Durchsetzung der materiell-rechtlich zutreffenden Rechtslage geschaffen. Es bleibt zwar der Bestandsschutz nach § 45 SGB X erhalten; jedoch wird der Begünstigte von zu seinen Gunsten eintretenden Änderungen solange ausgespart, bis die Begünstigung von der materiellen Rechtslage (wieder) gedeckt ist. Dadurch wird der zu Unrecht gewährte Vorteil im Lauf der Zeit "abgeschmolzen" (vgl. Schütze in von Wulffen, SGB X, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 48 Rn. 29).

Entgegen dem Wortlaut des § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X findet die Regelung nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch auf rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte mit rein feststellender Wirkung Anwendung (z. B. bei der fehlerhaften Feststellung des GdB, einer Berufskrankheit oder eines Arbeitsunfalles - vgl. BSG vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85; BSG vom 18. März 1997 - 2 RU 19/96; BSG vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R). War die Grundlage der Leistungsbewilligung rechtswidrig und ist noch keine Leistung gewährt worden, entfällt diese als Folge; als "Betrag , wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt" ist in solchen Fällen 0,00 Euro anzusetzen (Gagel SGb 1990, 252, 253f, KassKomm/Steinwedel SGB X § 48, Rn. 64-65, beck-online).

Eine Änderung der Sach- und Rechtslage im Vergleich zu dem Zeitpunkt des Erlasses des Bezugsverwaltungsaktes ist entgegen der Auffassung des Klägers insoweit nicht erforderlich. Nach der ständigen Rechtsprechung des für die gesetzliche Unfallversicherung zuständigen 2. Senats des BSG ist die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts bereits anzunehmen, wenn dieser aus damaliger Sicht so nicht hätte erlassen werden dürfen (BSG vom 2. November 1999 - B 2 U 47/98 R; BSG vom 20. März 2007 - 2 U 27/06 R). Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Annahme der Rechtswidrigkeit bereits dann gerechtfertigt, wenn sich im Rahmen einer nochmaligen Prüfung der ursprünglichen Sach- und Rechtslage erhebliche Zweifel am Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsachen oder des erforderlichen Ursachenzusammenhangs ergeben (Brandenburg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 48 SGB X, Rn. 94).

Der Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2008 ist rechtswidrig. Der Verkehrsunfall des Klägers vom 25. Juni 2005 war kein Arbeitsunfall im Sinne des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung.

Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung unmittelbar vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "versichert" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; BSG vom 26. Juni 2014 - B 2 U 4/13 R). Beweisrechtlich ist zu beachten, dass das Unfallereignis selbst sowie die versicherte Tätigkeit als auch der Gesundheitsschaden mit dem sog. Vollbeweis nachgewiesen sein müssen. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG vom 5. Oktober 1977 - 3 RK 35/75; BSG vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61). Nur für die Kausalbeziehungen zwischen dem unfallbringenden Verhalten und der Krankheit genügt nach herrschender Meinung der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, der dann gegeben ist, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht bzw. wenn bei der Berücksichtigung aller Umstände die für den Ursachenzusammenhang sprechenden Umstände so stark überwiegen, dass die Entscheidung darauf gegründet werden kann, wobei die bloße Möglichkeit allerdings nicht ausreicht (BSG vom 16. Februar 1971 - 1 RA 113/70; BSG vom 2. Juni 1959 - SozR Nr. 20 zu § 542 RVO).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen steht nicht fest, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert war. Nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII wird Versicherungsschutz nur für Unfälle infolge einer der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit gewährt. In Betracht kommt vorliegend einzig eine Versicherung als Beschäftigter gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Erfasst werden hiervon auch geringfügig Beschäftigte, § 8 SGB IV.

Nach Maßgabe der Gesamtumstände des vorliegenden Falles, insbesondere der Würdigung der in Teilen widersprüchlichen Angaben des Klägers, der Zeugenaussage seiner Ehefrau, hat der Senat - wie auch das Sozialgericht und die Beklagte - erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger in der Zeit vom 1. Mai 2005 bis 30. Juni 2005 in der Firma Pfandleihhaus G. in J-Stadt, J-Straße, beschäftigt war.

Hätte die Beklagte diese Zweifel bereits im Feststellungsverfahren gehabt, hätte sie den Verkehrsunfall vom 25. Juni 2005 nicht als Arbeitsunfall anerkennen dürfen, da das Vorliegen einer versicherten Tätigkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (Vollbeweis) erwiesen sein muss. Die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall war daher im Sinne der §§ 45 und 48 Abs. 3 SGB X rechtswidrig. Nicht erforderlich ist im Übrigen, dass die Beklagte für das Fehlen der Versicherteneigenschaft den Vollbeweis erbringen muss (Brandenburg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 48 SGB X, Rn. 95, siehe auch Hessisches LSG vom 27. September 2016 - L 3 U 252/12).

Bezogen auf das behauptete geringfügige Beschäftigungsverhältnis vom 1. Mai 2005 bis 30. Juni 2005 vermochte der Kläger keinen schriftlichen Arbeitsvertrag vorzulegen. Ein solcher war nach § 2 des Nachweisgesetzes erforderlich. Auch ist nicht belegt, dass der Kläger eine Entlohnung erhalten hat. Angegeben wurde von ihm, das vereinbarte monatliche Entgelt i. H. v. 250,00 Euro sei in bar ausgezahlt worden. Nachweise hierfür in Form von Quittungen konnte er nicht beibringen. Auch die Arbeitgeberin respektive ihr Steuerbüro haben über den Prozessbevollmächtigten des Klägers erklären lassen, nicht mehr über Lohn- oder Buchführungsunterlagen den streitgegenständlichen Zeitraum betreffend zu verfügen. Weitere Ermittlungsmöglichkeiten bestanden für den Senat vor diesem Hintergrund nicht. Die Folgen dieser Nichterweislichkeit hat der Kläger zu tragen. Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (BSG vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 103 Rn. 19a).

Ungeachtet der Frage des Nachweises des Arbeitsverhältnisses durch die vorgenannten Unterlagen ergeben sich aber auch aus anderen Gründen erhebliche Zweifel an einer Beschäftigung des Klägers in dem streitgegenständlichen Zeitraum. So wurden die Entgeltabrechnungen für die geringfügige Beschäftigung ausweislich der zur Akte gereichten DATEV-Meldungen erst erheblich zeitlich verzögert im August 2006, also 14 Monate später, von der Arbeitgeberin vorgenommen. Eine (An-)Meldung zur Minijobzentrale erfolgte erst am 29. August 2005. Dass der Versicherungsverlauf des Klägers der DRV Bund vom 21. September 2006 diese geringfügige Beschäftigung ausweist, kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht als Indiz für das Bestehen selbiger gewertet werden. Rentenrechtlich erhebliche Zeiten werden nach Meldung automatisch in das Rentenversicherungskonto ohne weitere Prüfung des zuständigen Trägers eingestellt. Entscheidend dagegen, dass eine geringfügige Beschäftigung in den streitgegenständlichen Monaten tatsächlich ausgeübt wurde, spricht der Bezug von Arbeitslosengeld in der Zeit vom 27. Januar 2005 bis 6. August 2005. Eine geringfügige Beschäftigung mit einem Verdienst von 250,00 Euro pro Monat wäre der Agentur für Arbeit wegen der gesetzlich vorgesehenen Anrechnung auf das Arbeitslosengeld (§ 141 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III - in der Fassung bis zum 31. Dezember 2008) anzuzeigen gewesen. Dies ist offenkundig nicht erfolgt; ausweislich der Bescheinigung der Agentur für Arbeit, J-Stadt, vom 8. August 2005, wurde die Leistung anrechnungsfrei gewährt.

Aber auch bezogen auf die Tätigkeit selbst finden sich höchst widersprüchliche Angaben. So findet sich in der Unfallanzeige der Arbeitgeberin vom 1. Juli 2007 die Erklärung, dass die geringfügige Beschäftigung im zeitlichen Umfang von 28,75 Stunden monatlich nach Bedarf ausgeübt worden sei. Demgegenüber hat Frau A., im Kammertermin des Sozialgerichts Gießen am 30. Juni 2016 als Zeugin vernommen, angegeben, der Kläger habe "so 10-13 Stunden wöchentlich", ohne feste Arbeitszeiten gearbeitet. Bei 40 Stunden im Monat würde dies einem Stundensatz von 6,25 Euro, bei 52 Stunden sogar von nur 4,81 Euro entsprechen. Auch wurde der Arbeitsort, konkret der Firmensitz, unterschiedlich bezeichnet. In den DATEV- Meldungen findet sich die Anschrift F-Straße, F-Stadt, der Kläger selbst hat die J-Straße in J-Stadt angegeben.

Der Senat vermag letztlich nicht auszuschließen, dass der Kläger für die Firma seiner Ehefrau (auch) in den Monaten Mai und Juni 2005 tätig gewesen ist und hierfür eine Art Aufwandsentschädigung oder auch Taschengeld erhalten hat. Dies jedoch allenfalls im Rahmen einer von einer Beschäftigung zu unterscheidenden unversicherten familienhaften Mithilfe. Hierfür spricht neben dem jedenfalls bei einer Arbeitszeit von 10 13 Stunden pro Woche nicht leistungsgerechten Entgelt auch der Umstand, dass dem Kläger für seine Tätigkeit mit dem BMW X5 ein hochpreisiges, für eine Aushilfe unübliches Fahrzeug im Grunde zur freien Verfügung gestellt wurde. Auch hat die Zeugin A. im Kammertermin bekundet, die Tätigkeit des Klägers für sie habe auch dem Zweck gedient, den Kläger wieder näher zu der gemeinsamen Tochter zu bringen, mithin sukzessive eine familiäre Bindung aufzubauen. Auch dies steht einer Beschäftigung im klassischen Sinne entgegen.

Schließlich nicht zu erklären ist die deutlich verspätete Anzeige des Arbeitsunfalls erst mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 15. Februar 2007. Die hierfür gegebene Erklärung, dass "viele Beteiligte" davon ausgingen, dass bei einem Minijob kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bestehe, überzeugt in diesem Zusammenhang nicht. Im direkten Nachgang des schweren Autounfalls wurde der Kläger bereits anwaltlich vertreten, dies auch - wie sich aus dem Sitzungsprotoll des Sozialgerichts vom 30. Juni 2016 ergibt - zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. Es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung, dass im Rahmen dieser Beratung nicht auch über den Hintergrund des Verkehrsunfalles gesprochen worden ist. Viel wahrscheinlicher erscheint es insoweit, dass alle Beteiligten von einem Freizeitunfall ausgegangen sind, wie es letztlich u. a. auch in dem ärztlichen Bericht des Universitätsklinikums Bonn vom 18. April 2007 und den Entlassungsberichten der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannsheil vom 29. Juli 2005 und 19. August 2005 niedergelegt ist. Dort heißt es ausdrücklich "der Unfall erfolgte in seiner Freizeit, es handelt sich nicht um einen Wegeunfall". Dass diese Angabe nicht von ihm - oder einer ihm nahestehenden informierten Person - herrührt, hat der Kläger mit dem Hinweis auf die Schwere seiner Verletzungen nicht glaubhaft zu erklären vermocht. So heißt es in dem Bericht der Klinik vom 29. Juli 2005, Seite 2, der Kläger sei bei Aufnahme zu allen Qualitäten klar orientiert gewesen. Trotz deutlich verlangsamter Sprache habe er auf Aufforderung zu allen Fragen adäquat Stellung nehmen können. Gerade die Bemerkung, dass es sich nicht um einen Wegeunfall handelt, deutet im Übrigen darauf hin, dass die behandelnden Ärzte in Bezug auf eine mögliche unfallversicherungsrechtliche Bedeutung des Ereignisses konkrete Nachfragen zu dem Hintergrund der unfallbringenden Fahrt gestellt haben, was im Übrigen bei einer Berufsgenossenschaftlichen Klinik auch zu erwarten und üblich ist.

In Abwägung aller Umstände kommt daher der (nachträglich gemeldeten) geringfügigen Beschäftigung bezogen auf die Frage der Versicherteneigenschaft des Klägers im Unfallzeitpunkt nur eine geringe Beweiskraft zu.

Fehlt es bezogen auf dieses Tatbestandsmerkmal bereits an dem erforderlichen Vollbeweis, kommt es auf die weiteren für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII gesetzlich normierten Voraussetzungen im Grunde nicht mehr an. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat gleichwohl darauf hin, dass auch Zweifel daran bestehen, dass der Kläger - seine Versicherung unterstellt - zum Unfallzeitpunkt einer versicherten Tätigkeit nachgegangen ist, also im Auftrag seiner Arbeitgeberin, zu einem Treffen mit Herrn L. unterwegs war. Dagegen spricht zum einen der vereinbarte Zeitpunkt des Treffens an einem Samstag, um 20:00 Uhr. Auch liegen widersprüchliche Angaben zu dem Zweck der Fahrt vor. Während der Kläger selbst zunächst über seinen Prozessbevollmächtigten hatte vortragen lassen, er habe ein Fahrzeug besichtigen sollen, das für die Arbeitgeberin erworben werden sollte (Unfallanzeige vom 15. Februar 2007) und dies auf einem Formblatt der Beklagten am 5. Juni 2007 jedenfalls durch seine Unterschrift bestätigt hat ("Ziel, Kundenbesuch im Auftrage der Firma evtl. Kauf eines Pkw´s"), wurde später vorgetragen, dass es sich um eine Besichtigung des Fahrzeugs zwecks Beleihung handeln sollte. Die hierfür gegebene Erklärung, dass dem Kläger als juristischem Laien der Unterschied zwischen den Begrifflichkeiten nicht bewusst gewesen sei, überzeugt nicht. Aus dem Schriftvergleich in den Verwaltungsakten der Beklagten ergibt sich eine Identität des Schriftbildes mit dem in der Unfallanzeige vom 1. Juli 2007 und der Erklärungen auf dem Formblatt der Beklagten vom 5. Juli 2007, das der Kläger offenkundig lediglich nur unterzeichnet hat. Auch in der Unfallanzeige vom 1. Juli 2007, die die Arbeitgeberin und Ehefrau, die Zeugin A., ausgefüllt hat, heißt es im Übrigen "Herr A. konnte somit den Termin für einen Kauf nicht wahrnehmen". Insgesamt spricht hier viel für einen im Nachhinein angepassten Vortrag nach Vorhalt durch die Beklagte, dass für einen Kauf des Fahrzeugs auf der Raststätte am 25. Juni 2005 ein zweiter Fahrer notwendig gewesen wäre. Nichts anderes ergibt sich im Übrigen aus der schriftlichen Erklärung des zwischenzeitlich verstorbenen, als Kunden benannten Herrn L. Zum einen wird hier der genaue Zweck des Treffens nicht bezeichnet. Zum andern ergeben sich aber auch hier Bedenken an der Authentizität, da Schriftbild und Unterschrift der Erklärung nicht übereinstimmen und sich auch ansonsten keine weiteren Hinweise auf die Urheberschaft geben.

Nach alledem liegen die Voraussetzungen für die Anerkennung des Verkehrsunfalles vom 25. Juni 2005 als Arbeitsunfall nicht vor. Der Bescheid vom 18. Juli 2008 erweist sich damit als rechtswidrig. Da eine Rücknahme des Bescheides vom 18. Juli 2008 wegen des Ablaufs der Schutzfrist nach § 45 Abs. 3 S. 1 SGB X ausgeschlossen war, war für die Beklagte der Anwendungsbereich des § 48 Abs. 3 S. 1 SGB X eröffnet. Auch die formalen Vorgaben im Rahmen dieses Verfahrens wurden von der Beklagten beachtet. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit des nicht mehr rücknehmbaren Ausgangsverwaltungsaktes hat nach ständiger Rechtsprechung des BSG in einem eigenständigen anfechtbaren Verwaltungsakt zu erfolgen (BSG vom 22. Juni 1988 9/9a RV 46/86; BSG vom 18. März 1997 - 2 RU 19/96 und BSG vom 16. Dezember 2004 - B 9 VS 1/04 R).

Dieser Bescheid hat allerdings nur feststellende Wirkung; die Feststellung der Rechtswidrigkeit kann isoliert in einem gesonderten Bescheid oder zusammen und als Teil des Abschmelzungsbescheides erlassen werden.

Vorliegend hat die Beklagte nach Anhörung des Klägers in dem Bescheid vom 12. September 2012 zum einen die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 18. Juli 2005 festgestellt und gleichzeitig einen Abschmelzungsbescheid mit dem Inhalt erlassen, dass Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 48 Abs. 3 SGB X entfallen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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