Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 SF 5003/99 P
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 62/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 8. November 2002 wird zurückgewiesen.
I. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine Beitragsnachforderung sowie Säumniszuschläge aufgrund einer Betriebsprüfung der Beklagten.
Mit Bescheid vom 18.09.1998 machte die Beklagte eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen über DM 48.661,99 zuzüg- lich Säumniszuschlägen von DM 15.632,00 aufgrund einer Betriebsprüfung bei der Klägerin für den Zeitraum 01.01.1994 bis 31.07. 1997 geltend. Der Bescheid wurde der Klägerin gemäß Einschreiben/ Rückschein am 21.09.1998 zugestellt. Er enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung, wonach gegen ihn innerhalb eines Monats nach Zustellung Widerspruch erhoben werden könne.
Mit Übergabe-Einschreiben vom 20.10.1998 beschwerte sich die Geschäftsführerin der Klägerin M. M. unter ihrem Namen über die Vorgehensweise der Beklagten im Falle der Klägerin sowie der Firma Computer M ...
Mit Fax vom 27.11.1998 legte die Bevollmächtigte der Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid ein und beantragte zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, die Widerspruchsfrist sei ohne Verschulden versäumt worden. Die Geschäftsführerin M. habe ihrem Bruder J. M. während dessen Besuchs vom 07. bis 11.10.1998 von ihren Problemen mit der Beklagten berichtet. Sie habe erklärt, sie wolle erst einmal selbst Widerspruch einlegen und sich dann anwaltlich beraten lassen. Ihr Bruder habe die von ihr gefertigten Widerspruchsschreiben in frankierten Umschlägen zum Briefeinwurf mitgenommen, jedoch absprachenwidrig in das Ablagefach seines Pkw gelegt und dort vergessen. Am Abend des Übergabetages habe die Geschäftsführerin ihren Bruder noch angerufen und nach dem Einwurf des Briefes gefragt. Um diese nicht zu beunruhigen, habe Herr M. unzutreffenderweise den Einwurf bejaht und sich die Nachholung für den nächsten Tag fest vorgenommen. Dazu sei es aber nicht mehr gekommen. Eine entsprechende eidesstattliche Versicherung vom 27.11.1998 des J. M. legte die Klägerbevollmächtigte dem Wiedereinsetzungsgesuch bei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.12.1998 wies die Beklagte den Widerspruch wegen Fristversäumnis als unzulässig zurück. Sie gewährte keine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand mit der Begründung, die Klägerin müsse sich das Verschulden des Bruders der Geschäftsführerin zurechnen lassen. Außerdem habe die Geschäftsführerin persönlich unter dem 20.10.1998 ein Beschwerdeschreiben an die Beklagte gesandt, in welchem sie sich gegen die Vorgehensweise im Rahmen der Betriebsprüfung gewandt hatte. Dort sei die Einlegung eines Widerspruches nicht erwähnt worden.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Landshut hat die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 18.09.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.12.1998 aufzuheben. Sie hat geltend gemacht, die Klägerin habe ohne Verschulden die Widerspruchsfrist versäumt, weil sie dem Bruder der Geschäftsführerin rechtzeitig ein Widerspruchsschreiben übergeben habe. Dieser habe ihr auf Nachfrage den Posteinwurf des Schreibens bestätigt. Unverzüglich nachdem sie am 24.11.1998 von der Nichteinlegung des Widerspruches erfahren habe, habe ihre Bevollmächtigte Widerspruch eingelegt. Der als Bote ausgewählte Bruder der Geschäftsführerin sei als langjähriger Immobilienkaufmann und Bauunternehmer geübt in der Handhabung geschäftlicher Angelegenheiten gewesen, so dass sie nicht damit habe rechnen müssen, dass dieser den Brief nicht einwerfen und auf Nachfrage wahrheitswidrig den Einwurf angeben würde.
Mit Urteil vom 08.11.2002 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe den Widerspruch der Klägerin zu Recht wegen Versäumnis der Widerspruchsfrist zurückgewiesen. Sie habe auch zu Recht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt, weil eine schuldhafte Fristversäumnis vorliege. Der Bruder der Geschäftsführerin habe schuldhaft den Posteinwurf der Widerspruchsschreiben versäumt, zumal ihm anlässlich der Nachfrage, ob er die Schreiben eingeworfen habe, deren besondere Bedeutung hätte ins Auge springen müssen. Seine unzutreffende Antwort und sein nachfolgendes Verhalten belegten deutlich, dass er unzuverlässig gewesen sei. Hieraus sei zu schließen, dass er entweder in wichtigen Dingen grundsätzlich nicht die erforderliche Genauigkeit und Zuverlässigkeit besessen habe, so dass die Klägerin sich ihn nicht hätte als Boten aussuchen, oder dass sie sich nicht auf eine nur telefonische Nachfrage hätte verlassen dürfen.
Dagegen hat die Klägerin am 12.03.2003 Berufung eingelegt, die sie mit Schriftsätzen vom 22. und 23.03.2004 unter anderem damit begründet hat, die Verfristungen seien leider aus ständiger Überforderung der Geschäftsführerin passiert.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 08.11.2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18.09.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.12.1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Landshut vom 08.11.2002 zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten, die Widerspruchsakten sowie die Akten des Sozialgerichts Landshut S 4 SF 5083/02 P, S 4 SF 5084/02 P-ER und S 4 SF 5001/00 P-ER. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat die Beklagte den Widerspruch der Klägerin vom 27.11.1998 gegen den Bescheid vom 18.09.1998 als verfristet zurückgewiesen. Diese Entscheidung hat das Sozialgericht Landshut mit Urteil vom 08.11.2002 zu Recht bestätigt.
Der streitige Bescheid vom 18.09.1998 war der Klägerin gemäß Einschreibe-Rückschein vom 21.09.1998 an diesem Tag formgerecht zugestellt worden (§ 65 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -). Er enthielt auch eine zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung der Erhebung eines Widerspruchs binnen Monatsfrist (§§ 66, 84 Sozialgerichts - SGG -; vgl. auch § 36 SGB X). Diese Frist war bei Eingang des Widerspruchs bei der Beklagten am 27.11.1998 bereits abgelaufen, § 64 SGG (vgl. auch § 26 SGB X).
Die Zurückweisung dieses Widerspruches als verfristet durch Widerspruchsbescheid vom 27.11.1998 ist zu Recht ergangen, weil der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Widerspruchsfrist nicht zu gewähren war (§ 64 SGG; vgl. auch § 27 SGB X). Denn die Klägerin hat schuldhaft die Frist versäumt.
Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ist als Maßstab für die Verschuldensfrage diejenige Sorgfalt heranzuziehen, die einem gewissenhaft Prozessführenden nach den gesamten Umständen des Einzelfalles nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten ist. Weil § 67 SGG die Rechtsweggarantie oder das rechtliche Gehör wahrt, dürfen keine überspitzten Anforderungen daran gestellt werden, welche Vorkehrungen der Betroffene gegen drohende Fristversäumung treffen muss (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar 7. Auflage, § 67 Rdnr.3b m.w.N.). Dabei kann die zumutbare Sorgfalt bei rechtskundigen und geschäftsgewandten Personen größer als bei anderen angesetzt werden (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr.3d). Die Klägerin ist gemäß § 13 Abs.3 GmbH-Gesetz i.V.m. §§ 6 Abs.1, 1 Abs.1 und § 6 Abs.2 Handelsgesetzbuch Vollkaufmann. Sie trifft deshalb im Rechtsverkehr die gesteigerte Sorgfalt- und Prüfungspflicht, die das Handels- und Gesellschaftsrecht einer GmbH zuweisen. Zur Überzeugung des Senats ergibt sich aus dem gesamten Inhalt der Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahrensakten sowie insbesondere aus dem eigenen Vorbringen der Klägerin, dass sie diesem Sorgfaltsmaßstab nicht Genüge geleistet hat.
Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Fristversäumnis auf ständiger Überforderung der Geschäftsführerin M. beruhe. Denn bei einer ständigen Überforderung besteht eine Verpflichtung, dieser mit geeigneten Maßnahmen entgegenzuwirken, um den Überforderungszustand zu beseitigen. Denn aus Überforderung entstehen naturgemäß und zwangsläufig Fehler, insbesondere auch in Form von Terminsversehen und Fristversäumnissen. Die Teilnahme am Rechtsverkehr erfordert es aber, erkannte Fehlerquellen, wie insbesondere eine dauerhafte Überforderung, zu beseitigen. Die entsprechenden Maßnahmen wären der Klägerin auch zumutbar gewesen, so dass ihr wegen der geltend gemachten Überforderung ein Organisationsverschulden entgegengehalten werden muss.
Die Klägerin kann auch nicht den Verschuldensvorwurf auf den als Boten eingesetzten Bruder der Geschäftsführerin M. abwälzen. Denn sie hatte zur Einlegung des Widerspruchs nach ihren eigenen Angaben den Weg des einfachen Briefes, den sie nicht selbst eingeworfen hat, gewählt. Dieses Vorgehen ist fehlerhaft. Zwar durfte die Klägerin - entgegen den Ausführungen des SG - den ihr als verlässlich bekannten Bruder als Boten auswählen, denn seine Unzuverlässigkeit war erst im späteren Verlauf zu Tage getreten. Ein gewissenhaft Widerspruchführender hätte sich aber in der Situation der Widerspruchsübermittlung durch einfachen Brief sowie des nicht persönlichen Briefeinwurfes der Risiken dieses Übermittlungsweges bewusst sein müssen. Zu rechnen ist insoweit nämlich mit der Möglichkeit des Briefverlustes durch den Boten - wie hier - sowie auf dem Postwege. Wenn auch beide Möglichkeiten nach den Besonderheiten des streitigen Falles nicht überwiegend wahrscheinlich gewesen waren, wären sie jedoch Anlass gewesen, bei einem Schreiben wie der Beschwerdeschrift der Geschäftsführerin M. vom 20.10.1998 - also innerhalb der noch laufenden Widerspruchsfrist -, welches zudem per Übergabe-Einschreiben zugestellt wurde, vorsorglich nochmals Widerspruch einzulegen oder auf den bereits eingelegten Widerspruch hinzuweisen. Beides hat die Geschäftsführerin M. nicht getan, obgleich es ihr unter Berücksichtigung aller Umstände ohne weiteres möglich und zumutbar und insbesondere mit nur ganz geringem Aufwand verbunden gewesen wäre. Dieses Nichteinhalten einer Sorgfaltspflicht durch die Geschäftsführerin trifft die Klägerin, so dass fehlendes Verschulden nicht anzunehmen und Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nicht zu gewähren ist.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Beschwerdeschrift der Geschäftsführerin M. vom 20.10.1998, insbesondere kann dieses nicht als Widerspruch für die Klägerin angenommen werden. Denn dieses Schreiben hat die Geschäftsführerin M. nicht namens, in Vollmacht oder im Auftrag der Klägerin erstellt. Aus Briefkopf und Unterschrift ist vielmehr ersichtlich, dass es sich um ein persönliches Schreiben handelt, mit welchem M. M. persönlich über bestimmte Vorgehensweisen Beschwerde führen wollte. Eine Umdeutung als Widerspruch kommt nicht in Betracht, auch wenn in einem Widerspruchsschreiben das Wort "Widerspruch" nicht vorkommen muss. Vielmehr ist das Schreiben so auszudeuten, dass M. M. durch persönliches Einwirken auf den persönlich angesprochenen Regierungsdirektor M. konkrete Vorgänge rügen wollte. Dies ergibt sich auch daraus, dass der streitige Bescheid sowie ein weiterer Bescheid aus einer Betriebsprüfung in der Firma Computer M. dort nicht Erwähnung finden.
Die Berufung bleibt damit in vollem Umfange ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.2 und 3 SGG).
I. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine Beitragsnachforderung sowie Säumniszuschläge aufgrund einer Betriebsprüfung der Beklagten.
Mit Bescheid vom 18.09.1998 machte die Beklagte eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen über DM 48.661,99 zuzüg- lich Säumniszuschlägen von DM 15.632,00 aufgrund einer Betriebsprüfung bei der Klägerin für den Zeitraum 01.01.1994 bis 31.07. 1997 geltend. Der Bescheid wurde der Klägerin gemäß Einschreiben/ Rückschein am 21.09.1998 zugestellt. Er enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung, wonach gegen ihn innerhalb eines Monats nach Zustellung Widerspruch erhoben werden könne.
Mit Übergabe-Einschreiben vom 20.10.1998 beschwerte sich die Geschäftsführerin der Klägerin M. M. unter ihrem Namen über die Vorgehensweise der Beklagten im Falle der Klägerin sowie der Firma Computer M ...
Mit Fax vom 27.11.1998 legte die Bevollmächtigte der Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid ein und beantragte zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, die Widerspruchsfrist sei ohne Verschulden versäumt worden. Die Geschäftsführerin M. habe ihrem Bruder J. M. während dessen Besuchs vom 07. bis 11.10.1998 von ihren Problemen mit der Beklagten berichtet. Sie habe erklärt, sie wolle erst einmal selbst Widerspruch einlegen und sich dann anwaltlich beraten lassen. Ihr Bruder habe die von ihr gefertigten Widerspruchsschreiben in frankierten Umschlägen zum Briefeinwurf mitgenommen, jedoch absprachenwidrig in das Ablagefach seines Pkw gelegt und dort vergessen. Am Abend des Übergabetages habe die Geschäftsführerin ihren Bruder noch angerufen und nach dem Einwurf des Briefes gefragt. Um diese nicht zu beunruhigen, habe Herr M. unzutreffenderweise den Einwurf bejaht und sich die Nachholung für den nächsten Tag fest vorgenommen. Dazu sei es aber nicht mehr gekommen. Eine entsprechende eidesstattliche Versicherung vom 27.11.1998 des J. M. legte die Klägerbevollmächtigte dem Wiedereinsetzungsgesuch bei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.12.1998 wies die Beklagte den Widerspruch wegen Fristversäumnis als unzulässig zurück. Sie gewährte keine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand mit der Begründung, die Klägerin müsse sich das Verschulden des Bruders der Geschäftsführerin zurechnen lassen. Außerdem habe die Geschäftsführerin persönlich unter dem 20.10.1998 ein Beschwerdeschreiben an die Beklagte gesandt, in welchem sie sich gegen die Vorgehensweise im Rahmen der Betriebsprüfung gewandt hatte. Dort sei die Einlegung eines Widerspruches nicht erwähnt worden.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Landshut hat die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 18.09.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.12.1998 aufzuheben. Sie hat geltend gemacht, die Klägerin habe ohne Verschulden die Widerspruchsfrist versäumt, weil sie dem Bruder der Geschäftsführerin rechtzeitig ein Widerspruchsschreiben übergeben habe. Dieser habe ihr auf Nachfrage den Posteinwurf des Schreibens bestätigt. Unverzüglich nachdem sie am 24.11.1998 von der Nichteinlegung des Widerspruches erfahren habe, habe ihre Bevollmächtigte Widerspruch eingelegt. Der als Bote ausgewählte Bruder der Geschäftsführerin sei als langjähriger Immobilienkaufmann und Bauunternehmer geübt in der Handhabung geschäftlicher Angelegenheiten gewesen, so dass sie nicht damit habe rechnen müssen, dass dieser den Brief nicht einwerfen und auf Nachfrage wahrheitswidrig den Einwurf angeben würde.
Mit Urteil vom 08.11.2002 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe den Widerspruch der Klägerin zu Recht wegen Versäumnis der Widerspruchsfrist zurückgewiesen. Sie habe auch zu Recht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt, weil eine schuldhafte Fristversäumnis vorliege. Der Bruder der Geschäftsführerin habe schuldhaft den Posteinwurf der Widerspruchsschreiben versäumt, zumal ihm anlässlich der Nachfrage, ob er die Schreiben eingeworfen habe, deren besondere Bedeutung hätte ins Auge springen müssen. Seine unzutreffende Antwort und sein nachfolgendes Verhalten belegten deutlich, dass er unzuverlässig gewesen sei. Hieraus sei zu schließen, dass er entweder in wichtigen Dingen grundsätzlich nicht die erforderliche Genauigkeit und Zuverlässigkeit besessen habe, so dass die Klägerin sich ihn nicht hätte als Boten aussuchen, oder dass sie sich nicht auf eine nur telefonische Nachfrage hätte verlassen dürfen.
Dagegen hat die Klägerin am 12.03.2003 Berufung eingelegt, die sie mit Schriftsätzen vom 22. und 23.03.2004 unter anderem damit begründet hat, die Verfristungen seien leider aus ständiger Überforderung der Geschäftsführerin passiert.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 08.11.2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18.09.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.12.1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Landshut vom 08.11.2002 zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten, die Widerspruchsakten sowie die Akten des Sozialgerichts Landshut S 4 SF 5083/02 P, S 4 SF 5084/02 P-ER und S 4 SF 5001/00 P-ER. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat die Beklagte den Widerspruch der Klägerin vom 27.11.1998 gegen den Bescheid vom 18.09.1998 als verfristet zurückgewiesen. Diese Entscheidung hat das Sozialgericht Landshut mit Urteil vom 08.11.2002 zu Recht bestätigt.
Der streitige Bescheid vom 18.09.1998 war der Klägerin gemäß Einschreibe-Rückschein vom 21.09.1998 an diesem Tag formgerecht zugestellt worden (§ 65 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -). Er enthielt auch eine zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung der Erhebung eines Widerspruchs binnen Monatsfrist (§§ 66, 84 Sozialgerichts - SGG -; vgl. auch § 36 SGB X). Diese Frist war bei Eingang des Widerspruchs bei der Beklagten am 27.11.1998 bereits abgelaufen, § 64 SGG (vgl. auch § 26 SGB X).
Die Zurückweisung dieses Widerspruches als verfristet durch Widerspruchsbescheid vom 27.11.1998 ist zu Recht ergangen, weil der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Widerspruchsfrist nicht zu gewähren war (§ 64 SGG; vgl. auch § 27 SGB X). Denn die Klägerin hat schuldhaft die Frist versäumt.
Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ist als Maßstab für die Verschuldensfrage diejenige Sorgfalt heranzuziehen, die einem gewissenhaft Prozessführenden nach den gesamten Umständen des Einzelfalles nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten ist. Weil § 67 SGG die Rechtsweggarantie oder das rechtliche Gehör wahrt, dürfen keine überspitzten Anforderungen daran gestellt werden, welche Vorkehrungen der Betroffene gegen drohende Fristversäumung treffen muss (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar 7. Auflage, § 67 Rdnr.3b m.w.N.). Dabei kann die zumutbare Sorgfalt bei rechtskundigen und geschäftsgewandten Personen größer als bei anderen angesetzt werden (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr.3d). Die Klägerin ist gemäß § 13 Abs.3 GmbH-Gesetz i.V.m. §§ 6 Abs.1, 1 Abs.1 und § 6 Abs.2 Handelsgesetzbuch Vollkaufmann. Sie trifft deshalb im Rechtsverkehr die gesteigerte Sorgfalt- und Prüfungspflicht, die das Handels- und Gesellschaftsrecht einer GmbH zuweisen. Zur Überzeugung des Senats ergibt sich aus dem gesamten Inhalt der Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahrensakten sowie insbesondere aus dem eigenen Vorbringen der Klägerin, dass sie diesem Sorgfaltsmaßstab nicht Genüge geleistet hat.
Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Fristversäumnis auf ständiger Überforderung der Geschäftsführerin M. beruhe. Denn bei einer ständigen Überforderung besteht eine Verpflichtung, dieser mit geeigneten Maßnahmen entgegenzuwirken, um den Überforderungszustand zu beseitigen. Denn aus Überforderung entstehen naturgemäß und zwangsläufig Fehler, insbesondere auch in Form von Terminsversehen und Fristversäumnissen. Die Teilnahme am Rechtsverkehr erfordert es aber, erkannte Fehlerquellen, wie insbesondere eine dauerhafte Überforderung, zu beseitigen. Die entsprechenden Maßnahmen wären der Klägerin auch zumutbar gewesen, so dass ihr wegen der geltend gemachten Überforderung ein Organisationsverschulden entgegengehalten werden muss.
Die Klägerin kann auch nicht den Verschuldensvorwurf auf den als Boten eingesetzten Bruder der Geschäftsführerin M. abwälzen. Denn sie hatte zur Einlegung des Widerspruchs nach ihren eigenen Angaben den Weg des einfachen Briefes, den sie nicht selbst eingeworfen hat, gewählt. Dieses Vorgehen ist fehlerhaft. Zwar durfte die Klägerin - entgegen den Ausführungen des SG - den ihr als verlässlich bekannten Bruder als Boten auswählen, denn seine Unzuverlässigkeit war erst im späteren Verlauf zu Tage getreten. Ein gewissenhaft Widerspruchführender hätte sich aber in der Situation der Widerspruchsübermittlung durch einfachen Brief sowie des nicht persönlichen Briefeinwurfes der Risiken dieses Übermittlungsweges bewusst sein müssen. Zu rechnen ist insoweit nämlich mit der Möglichkeit des Briefverlustes durch den Boten - wie hier - sowie auf dem Postwege. Wenn auch beide Möglichkeiten nach den Besonderheiten des streitigen Falles nicht überwiegend wahrscheinlich gewesen waren, wären sie jedoch Anlass gewesen, bei einem Schreiben wie der Beschwerdeschrift der Geschäftsführerin M. vom 20.10.1998 - also innerhalb der noch laufenden Widerspruchsfrist -, welches zudem per Übergabe-Einschreiben zugestellt wurde, vorsorglich nochmals Widerspruch einzulegen oder auf den bereits eingelegten Widerspruch hinzuweisen. Beides hat die Geschäftsführerin M. nicht getan, obgleich es ihr unter Berücksichtigung aller Umstände ohne weiteres möglich und zumutbar und insbesondere mit nur ganz geringem Aufwand verbunden gewesen wäre. Dieses Nichteinhalten einer Sorgfaltspflicht durch die Geschäftsführerin trifft die Klägerin, so dass fehlendes Verschulden nicht anzunehmen und Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nicht zu gewähren ist.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Beschwerdeschrift der Geschäftsführerin M. vom 20.10.1998, insbesondere kann dieses nicht als Widerspruch für die Klägerin angenommen werden. Denn dieses Schreiben hat die Geschäftsführerin M. nicht namens, in Vollmacht oder im Auftrag der Klägerin erstellt. Aus Briefkopf und Unterschrift ist vielmehr ersichtlich, dass es sich um ein persönliches Schreiben handelt, mit welchem M. M. persönlich über bestimmte Vorgehensweisen Beschwerde führen wollte. Eine Umdeutung als Widerspruch kommt nicht in Betracht, auch wenn in einem Widerspruchsschreiben das Wort "Widerspruch" nicht vorkommen muss. Vielmehr ist das Schreiben so auszudeuten, dass M. M. durch persönliches Einwirken auf den persönlich angesprochenen Regierungsdirektor M. konkrete Vorgänge rügen wollte. Dies ergibt sich auch daraus, dass der streitige Bescheid sowie ein weiterer Bescheid aus einer Betriebsprüfung in der Firma Computer M. dort nicht Erwähnung finden.
Die Berufung bleibt damit in vollem Umfange ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.2 und 3 SGG).
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