Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 33 P 31/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 P 4/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Oktober 2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Elftes Buch (SGB XI) beanspruchen kann.
Die 1954 geborene Klägerin leidet unter rezidivierenden depressiven Verstimmungszuständen, einer Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) bei Morbus Basedow, einem Antiphospholipid-Syndrom (Autoimmunerkrankung mit Durchblutungsstörungen bei erhöhter Blutgerinnungsneigung), einem Zustand nach multiplen cerebralen Infarkten, zuletzt 2013, Herzrhythmusstörungen und multiplen Medikamentenunverträglichkeiten sowie Allergien.
Die Klägerin beantragte am 16. Februar 2015 ausdrücklich die Gewährung niedrigschwelliger Entlastungsleistungen. Zur Begründung führte sie an, sie sei unfähig, den Tagesablauf zu planen und zu strukturieren, es bestehe ein erheblicher allgemeiner Betreuungsbedarf bei Verhaltensauffälligkeiten in der Alltagskompetenz und sie sei überwiegend niedergeschlagen, hoffnungslos und deprimiert. Des Weiteren reichte sie ein Antragsformular ein, in dem sie angab, dass sie Pflegegeld begehre.
Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenkassen N. (MDK) damit, die Klägerin zu begutachten. In dem Gutachten vom 9. März 2015 führte die Pflegefachkraft F. aus, dass bei der Klägerin ein Hilfebedarf beim Duschen und der Ganzkörperwäsche von insgesamt 17 Minuten täglich bestehe. Darüber hinaus seien beim An- und Entkleiden sowie dem Stehen Hilfen von täglich 7 Minuten notwendig. Eine demenzbedingte Fähigkeitsstörung, geistige Behinderung oder psychische Erkrankung liege nicht vor. Damit sei der Grundpflegebedarf unter 46 Minuten täglich und eine eingeschränkte Alltagskompetenz liege nicht vor.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung mit Bescheid vom 21. April 2015 ab. Dagegen erhob die Klägerin am 27. April 2015 Widerspruch mit der Begründung, es sei nicht berücksichtigt worden, dass sie niedrigschwellige Entlastungsleistungen beantragt habe, die da u.a. wären: Hilfestellungen beim Verlassen der Wohnung zu Ärzten, Hilfe im Haushalt, Alltagsbegleitung, Hilfe bei der Pflege wegen kognitiver Einschränkungen, Asthma, Herzschmerzen, Gliederschmerzen, Rückenschmerzen und Knochenschwund.
Die Beklagte veranlasste eine Wiederholungsbegutachtung des MDK, der im Rahmen eines Aktenlagegutachtens durch den Gutachter T. am 15. Juni 2015 das Ergebnis der Erstbegutachtung bestätigte.
Zu ihrem Widerspruch teilte die Klägerin ergänzend mit, ihr Allgemeinzustand sei stark gefährdet wegen einer Suizidgefahr, negativen Gedanken, Persönlichkeitsstörungen, Depressionen, Schmerzen, Todesängsten, starke Depressionen und es sei eine stationäre Aufnahme vorgeschlagen worden. Sie begehre ausdrücklich die Pflegestufe 0. Sie verlasse die Wohnung nicht mehr alleine ohne Hilfe, aufgrund der körperlichen Schwäche und des Schwindels gehe sie nur in Begleitung auf die Straße. Sie trinke nur noch nach Aufforderung, nehme von alleine keine Nahrung mehr auf. Sie grüble den ganzen Tag, sei teilnahmslos, lasse sich nicht motivieren und sitze viele Stunden nur im Sessel, sie sei ruhelos und schlafe fast gar nicht. Sie weine viel, sei ständig gereizt und halte Arztbesuche für sinnlos. Sie legte weitere medizinische Unterlagen vor.
Die Beklagte beauftragte erneut den MDK mit einer sozialmedizinischen Stellungnahme. Am 8. Dezember 2015 führte der Gutachter Kämmerling aus, die Klägerin sei in den Bereichen Antrieb/Beschäftigung, Stimmung und Wahrnehmung und Denken auffällig. Sie sei unfähig, den eigenen Tagesablauf zu planen und strukturieren, zeige ausgeprägtes labiles oder unkontrolliert emotionales Verhalten und sei zeitlich überwiegend niedergeschlagen, verzagt, hilflos oder hoffnungslos aufgrund therapieresistenter Depressionen. Die Alltagskompetenz sei im Ergebnis jedoch nicht erheblich eingeschränkt.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2016 mit der Begründung zurück, die Klägerin habe keinen Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen, da die Alltagskompetenz nicht erheblich eingeschränkt sei.
Am 23. Februar 2016 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben und Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Des Weiteren hat das Gericht den Facharzt für Allgemeinmedizin W. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In dem Gutachten vom 14. Oktober 2016 hat der Sachverständige zum neurologischen und psychopathologischen Befund ausgeführt, die Klägerin sei zu allen Qualitäten orientiert, schwingungsfähig und von Suizidgedanken ausreichend distanziert. Es seien noch erhebliche Ressourcen zur Selbstpflegefähigkeit vorhanden, ein wesentlicher Bedarf in der Grundpflege, der zur Anerkennung einer Pflegestufe führe, sei nicht erkennbar. Im Rahmen des Screenings hat er angegeben, Antrieb/Beschäftigung seien vermindert, die Stimmung depressiv, soziale Bereiche des Lebens könne die Klägerin zeitweise nur mit Impulsgabe wahrnehmen. Bei der Klägerin bestehe keine Weglauftendenz, sie verkenne und verursache keine gefährdenden Situationen, sie gehe auch nicht mit gefährlichen Gegenständen und potenziell gefährdenden Substanzen unsachgemäß um, sie zeige kein tätlich oder verbal aggressives Verhalten in Verkennung der Situation, ebenso wenig ein im situativen Kontext inadäquates Verhalten. Soweit sie vortrage, dass sie kein Essen von sich aus zu sich nehme, habe sich dieser Vortrag in der Untersuchungssituation nicht bestätigt. Der Kühlschrank sei voll gewesen und die Klägerin sei mager aber nicht unterernährt. Zudem habe sie angegeben, regelmäßig Nahrung und Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Die Klägerin sei zudem nicht unfähig zu einer erforderlichen Kooperation bei therapeutischen oder schützenden Maßnahmen als Folge einer therapieresistenten Depression oder Angststörung, denn zum einen sei die Depression nicht therapieresistent, eine Behandlung sei nämlich noch nicht erfolgt und zum anderen bewege sich die Klägerin innerhalb ihrer Wohnung, lasse sich zu Einkäufen und Spaziergängen motivieren und sei bereit, zu essen und zu trinken. Es lägen keine Störungen der höheren Hirnfunktionen vor, die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen geführt hätten, der Tag-/Nachtrhythmus sei nicht gestört, die Klägerin sei auch nicht so desorientiert, dass sie ihren Tagesablauf nicht eigenständig planen und strukturieren könne, sie verkenne Alltagssituationen nicht und reagiere auch nicht inadäquat, und es liege bei der Klägerin kein ausgeprägt labiles oder unkontrolliert emotionales Verhalten vor. Zwar weine die Klägerin viel wegen der unbehandelten Depressionen, jedoch sei dies nicht so ausgeprägt, dass der Umgang mit ihr wesentlich erschwert wäre. Letztlich sei die Klägerin auch nicht aufgrund einer therapieresistenten Depression niedergeschlagen, verzagt, hilf-oder hoffnungslos, da die Klägerin zwar in erheblichem Maße depressiv sei, jedoch noch keine Therapie oder medikamentöse Behandlung stattfinde. Im Ergebnis bestehe deshalb kein erheblicher Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung.
Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 2. Oktober 2017 die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für zusätzliche Betreuungsleistungen gemäß § 45b Abs. 1 Satz 1 SGB XI seien bereits deshalb nicht erfüllt, weil die Klägerin nicht erheblich pflegebedürftig im Sinne von § 14 SGB XI. Es sei keine Pflegestufe festgestellt und der Sachverständige W. habe überzeugend dargelegt, dass die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen würden. Auch für die zusätzlichen Leistungen gemäß § 45 Abs. 1a SGB XI sei Voraussetzung, dass der Betroffene mindestens die Voraussetzungen für Pflegestufe I erfülle. Ungeachtet dessen seien nach der durchgeführten Beweisaufnahme die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen nicht gegeben. Denn eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz im Sinne von § 45a Abs. 2 Satz 1 SGB XI liege nicht vor. Gemäß der vorbezeichneten Richtlinie habe der Sachverständige zunächst ein Screening durchgeführt und sei im Rahmen dessen nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass Antrieb/Beschäftigung bei der Klägerin vermindert und damit auffällig seien, die Stimmung depressiv, die Wahrnehmung sozialer Bereiche des Lebens zeitweise nur mit Impulsgabe möglich sei. Nachvollziehbar sei der Sachverständige dann in dem durchzuführenden Assessment zu dem Ergebnis gelangt, dass eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz der Klägerin nicht gegeben sei. Bei der Klägerin bestehe keine Weglauftendenz, sie verkenne und verursache keine gefährdenden Situationen, sie gehe auch nicht mit gefährlichen Gegenständen und potenziell gefährdenden Substanzen unsachgemäß um, sie zeige kein tätlich oder verbal aggressives Verhalten in Verkennung der Situation, ebenso wenig ein im situativen Kontext inadäquates Verhalten. Die Items Nr. 1. bis 5. seien nach Überzeugung der Kammer nicht erfüllt.
Soweit die Klägerin vortrage, dass sie kein Essen von sich aus zu sich nehme, sei der Punkt 6. nach Überzeugung der Kammer dennoch nicht gegeben. Denn dieser Vortrag habe sich nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen W. in der Untersuchungssituation nicht bestätigt, da der Kühlschrank voll gewesen und die Klägerin mager aber nicht unterernährt sei. Zudem habe die Klägerin selbst gegenüber dem Sachverständigen in der Untersuchung angegeben, regelmäßig Nahrung und Flüssigkeit zu sich zu nehmen.
Auch die Voraussetzungen von Punkt 7. seien nach Überzeugung der Kammer nicht erfüllt, denn zum einen stehe nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die bei der Klägerin vorliegende Depression therapieresistent sei, da eine Behandlung noch nicht erfolgt sei. Und zum anderen bewege sich die Klägerin nach ihren Angaben gegenüber dem Sachverständigen innerhalb ihrer Wohnung, lasse sich zu Einkäufen und Spaziergängen motivieren und sei bereit, zu Essen und zu Trinken.
Die Items 8. bis 12. seien nach den nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen ebenfalls nicht erfüllt, da bei der Klägerin keine Störungen der höheren Hirnfunktionen vorliegen würden, die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen geführt hätten, der Tag-/Nachtrhythmus sei nicht gestört, die Klägerin auch nicht so desorientiert ist, dass sie ihren Tagesablauf nicht eigenständig planen und strukturieren könne. Sie verkenne ebenso Alltagssituationen nicht und reagiere auch nicht inadäquat. Es würde bei der Klägerin kein ausgeprägt labiles oder unkontrolliert emotionales Verhalten vorliegen. Hier sei nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen W. insbesondere nicht zu berücksichtigen, dass die Klägerin viel wegen der unbehandelten Depressionen weine, da dies nicht so ausgeprägt ist, dass der Umgang mit ihr wesentlich erschwert wäre. Von einer therapieresistenten Depression könne bereits deshalb nicht ausgegangen werden, weil es bislang noch gar keine Therapieversuche gegeben hätte.
Die Klägerin hat gegen den am 5. Oktober zugestellten Gerichtsbescheid am 23. Oktober 2017 Berufung eingelegt, in welcher sie nochmals den Verfahrensablauf schildert und die ihrer Ansicht nach aufgetretenen Fehler verweist. So sei der neurologische Befund, den der Sachverständige W. erhoben habe, unvollständig, Sie habe insgesamt neun Schlaganfälle erlitten, leide darüber hinaus an einer Medikamentenunverträglichkeit und Allergien. Ob der Kühlschrank am Tag der Untersuchung voll gewesen sei, könne nicht von Bedeutung seien.
Die Klägerin beantragt sinngemäß nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Oktober 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 21. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen ab dem 16. Februar 2015 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts.
Mit Beschluss vom 22. Januar 2018 hat der Senat die Berufung dem Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Mit Bescheid vom 11. April 2018 hat die Beklagte der Klägerin für die Zeit ab dem 1. März 2018 nach einer Begutachtung durch den MDK vom 9. April 2018 mit dem Ergebnis einer Gesamtpunktzahl von 38,75 (s. Bl. 122 bis 137 der Prozessakte) Leistungen gemäß Pflegegrad 2 gewährt. Die Klägerin hatte nach einem Treppensturz mit Wirbelbruch einen Neuantrag gestellt. Für das Modul 4.2 kognitive und kommunikative Fähigkeiten sind in dem MDK-Gutachten 0 Punkte ermittelt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakte und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie ist jedoch unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat es mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht abgelehnt, der Klägerin zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen zu gewähren. Die Voraussetzungen des § 45b SGB XI in der vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung des Ersten Pflegestärkungsgesetzes (PSG I) vom 17. Dezember 2014 liegen nicht vor.
Das Sozialgericht hat zutreffend dargelegt, dass die Anspruchsvoraussetzungen des § 45b Abs. 1 Satz 1 SGB XI a.F. auf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen das Vorliegen einer Pflegestufe nach den §§ 14 und 15 SGB XI voraussetzt. Eine Pflegestufe ist von der Beklagten nicht festgestellt worden und die Klägerin erfüllte mit einem Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von täglich 24 Minuten die Voraussetzungen hierfür nicht. Der Sachverständige W. hat in seinem Sachverständigengutachten vom 14. Oktober 2016 die Einschätzung des MDK, dass die für die Feststellung einer Pflegestufe erforderliche Hilfebedarf von mindestens 46 Minuten im Bereich der Grundpflege nicht erreicht wird, bestätigt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im Gerichtsbescheid vom 2. Oktober 2017 (§ 153 Abs. 2 SGG).
Auch die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch gemäß § 45 Abs. 1a Satz 1 SGB XI sind nicht erfüllt. Anders als das Sozialgericht geht der Senat jedoch davon aus, dass im Rahmen dieser Norm das Vorliegen einer Pflegestufe gerade nicht erforderlich ist. Denn danach können Pflegebedürftige, die nicht die Voraussetzungen des § 45a erfüllen, ebenfalls zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach Absatz 1 in Anspruch nehmen. Die Kosten hierfür werden bis zu einem Betrag in Höhe von 104 Euro monatlich ersetzt. (§ 45b SGB XI in der Fassung vom 17.12.2014). Ansonsten wäre die Regelung überflüssig und würde gerade keinen zusätzlichen Anwendungsbereich eröffnen (so auch LSG Hessen v. 29.03.2017 – L 8 P 36/16 in juris, Rn 30). Es muss allerdings überhaupt ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung unterhalb den zeitlichen Erfordernissen einer Pflegestufe gegeben sein. Auch wenn die Klägerin nach den Feststellungen des MDK und des Sachverständigen W. sowohl im Bereich der Grundpflege als auch im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung einen Hilfebedarf hatte, besteht kein Leistungsanspruch. Denn es bestand keine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz. Für die Bewertung, ob die Einschränkung der Alltagskompetenz auf Dauer erheblich ist, sind die unter § 45a Abs. 2 SGB XI aufgeführten Schädigungen und Fähigkeitsstörungen maßgebend Die Alltagskompetenz ist erheblich eingeschränkt, wenn der Gutachter des Medizinischen Dienstes oder die von der Pflegekasse beauftragten Gutachter bei dem Pflegebedürftigen wenigstens in zwei Bereichen, davon mindestens einmal aus einem der Bereiche 1 bis 9, dauerhafte und regelmäßige Schädigungen oder Fähigkeitsstörungen feststellen. Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung, auf die gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen wird, dargelegt, dass keines der unter § 45a Abs.2 SGB XI genannten Kriterien bei der Klägerin erfüllt war. Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren führt zu keiner abweichenden Einschätzung. So hat sich der Sachverständige in seinem Gutachten intensiv mit den medizinischen Befunden und Erkrankungen der Klägerin auseinandergesetzt und ist auch auf die dokumentierten Schlaganfälle eingegangen. Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, dass sich durch die Infarkte automatisch eine erhebliche Beeinträchtigung der Alltagskompetenz ergibt, ist dies unzutreffend. Maßgeblich sind stets die funktionalen Einschränkungen, die durch Krankheiten, Behinderungen oder Alterserscheinungen bedingt sind. Und hier ist der Sachverständige mit plausibler Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass die gesetzlich normierten Tatbestände bei der Klägerin nicht einschlägig sind. Es ist auch sachgerecht gewesen, u.a. im Rahmen der Prüfung, ob eine Unfähigkeit besteht, die eigenen körperlichen und seelischen Gefühle oder Bedürfnisse wahrzunehmen (Punkt 6), den am Tage der Untersuchung gefüllten Kühlschrank zu erwähnen. Der Rückschluss, dass die Klägerin in der Lage ist, Nahrung und Flüssigkeiten zu sich nehmen, ist als Indiz gerechtfertigt. Die Medikamentenunverträglichkeit sowie die von der Klägerin angeführten Allergien sind vom Sachverständigen erfasst worden, sie führen allerdings nicht zu einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz. Das aktuelle MDK-Gutachten vom 9. April 2018 bestätigt im Übrigen die Einschätzung des Sachverständigen. Denn in dem für die Alltagskompetenzen besonders relevanten Bereich der kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten (4.2 Modul 2) sind auch gegenwärtig keine Einschränkungen festgestellt und demzufolge auch keine Punkte vergeben worden. Der Pflegegrad 2 beruht – wie sich aus dem Gutachten ergibt – im Wesentlichen auf einer Verschlechterung der gesundheitlichen Situation der Klägerin nach einem Treppensturz mit Wirbelbruch und den hiermit einhergehenden Defiziten bei den alltäglichen Verrichtungen. Es besteht auch kein Anspruch nach der mit Inkrafttreten des PSG III geltenden Rechtslage mit Wirkung zum 1. Januar 2017. Hierfür wäre – neben den materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Pflegerad 1 – ein Neuantrag erforderlich gewesen (s.a. LSG Hessen v. 29.03.2017 – L 8 P 36/16 in juris, Rn 51). Eine Umwandlung findet nur bei einem bestehenden Leistungsanspruch statt (§ 140 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2a SGB XI n. F), ein solcher konnte gerade nicht festgestellt werden. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 160 SGG).
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Elftes Buch (SGB XI) beanspruchen kann.
Die 1954 geborene Klägerin leidet unter rezidivierenden depressiven Verstimmungszuständen, einer Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) bei Morbus Basedow, einem Antiphospholipid-Syndrom (Autoimmunerkrankung mit Durchblutungsstörungen bei erhöhter Blutgerinnungsneigung), einem Zustand nach multiplen cerebralen Infarkten, zuletzt 2013, Herzrhythmusstörungen und multiplen Medikamentenunverträglichkeiten sowie Allergien.
Die Klägerin beantragte am 16. Februar 2015 ausdrücklich die Gewährung niedrigschwelliger Entlastungsleistungen. Zur Begründung führte sie an, sie sei unfähig, den Tagesablauf zu planen und zu strukturieren, es bestehe ein erheblicher allgemeiner Betreuungsbedarf bei Verhaltensauffälligkeiten in der Alltagskompetenz und sie sei überwiegend niedergeschlagen, hoffnungslos und deprimiert. Des Weiteren reichte sie ein Antragsformular ein, in dem sie angab, dass sie Pflegegeld begehre.
Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenkassen N. (MDK) damit, die Klägerin zu begutachten. In dem Gutachten vom 9. März 2015 führte die Pflegefachkraft F. aus, dass bei der Klägerin ein Hilfebedarf beim Duschen und der Ganzkörperwäsche von insgesamt 17 Minuten täglich bestehe. Darüber hinaus seien beim An- und Entkleiden sowie dem Stehen Hilfen von täglich 7 Minuten notwendig. Eine demenzbedingte Fähigkeitsstörung, geistige Behinderung oder psychische Erkrankung liege nicht vor. Damit sei der Grundpflegebedarf unter 46 Minuten täglich und eine eingeschränkte Alltagskompetenz liege nicht vor.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung mit Bescheid vom 21. April 2015 ab. Dagegen erhob die Klägerin am 27. April 2015 Widerspruch mit der Begründung, es sei nicht berücksichtigt worden, dass sie niedrigschwellige Entlastungsleistungen beantragt habe, die da u.a. wären: Hilfestellungen beim Verlassen der Wohnung zu Ärzten, Hilfe im Haushalt, Alltagsbegleitung, Hilfe bei der Pflege wegen kognitiver Einschränkungen, Asthma, Herzschmerzen, Gliederschmerzen, Rückenschmerzen und Knochenschwund.
Die Beklagte veranlasste eine Wiederholungsbegutachtung des MDK, der im Rahmen eines Aktenlagegutachtens durch den Gutachter T. am 15. Juni 2015 das Ergebnis der Erstbegutachtung bestätigte.
Zu ihrem Widerspruch teilte die Klägerin ergänzend mit, ihr Allgemeinzustand sei stark gefährdet wegen einer Suizidgefahr, negativen Gedanken, Persönlichkeitsstörungen, Depressionen, Schmerzen, Todesängsten, starke Depressionen und es sei eine stationäre Aufnahme vorgeschlagen worden. Sie begehre ausdrücklich die Pflegestufe 0. Sie verlasse die Wohnung nicht mehr alleine ohne Hilfe, aufgrund der körperlichen Schwäche und des Schwindels gehe sie nur in Begleitung auf die Straße. Sie trinke nur noch nach Aufforderung, nehme von alleine keine Nahrung mehr auf. Sie grüble den ganzen Tag, sei teilnahmslos, lasse sich nicht motivieren und sitze viele Stunden nur im Sessel, sie sei ruhelos und schlafe fast gar nicht. Sie weine viel, sei ständig gereizt und halte Arztbesuche für sinnlos. Sie legte weitere medizinische Unterlagen vor.
Die Beklagte beauftragte erneut den MDK mit einer sozialmedizinischen Stellungnahme. Am 8. Dezember 2015 führte der Gutachter Kämmerling aus, die Klägerin sei in den Bereichen Antrieb/Beschäftigung, Stimmung und Wahrnehmung und Denken auffällig. Sie sei unfähig, den eigenen Tagesablauf zu planen und strukturieren, zeige ausgeprägtes labiles oder unkontrolliert emotionales Verhalten und sei zeitlich überwiegend niedergeschlagen, verzagt, hilflos oder hoffnungslos aufgrund therapieresistenter Depressionen. Die Alltagskompetenz sei im Ergebnis jedoch nicht erheblich eingeschränkt.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2016 mit der Begründung zurück, die Klägerin habe keinen Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen, da die Alltagskompetenz nicht erheblich eingeschränkt sei.
Am 23. Februar 2016 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben und Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Des Weiteren hat das Gericht den Facharzt für Allgemeinmedizin W. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In dem Gutachten vom 14. Oktober 2016 hat der Sachverständige zum neurologischen und psychopathologischen Befund ausgeführt, die Klägerin sei zu allen Qualitäten orientiert, schwingungsfähig und von Suizidgedanken ausreichend distanziert. Es seien noch erhebliche Ressourcen zur Selbstpflegefähigkeit vorhanden, ein wesentlicher Bedarf in der Grundpflege, der zur Anerkennung einer Pflegestufe führe, sei nicht erkennbar. Im Rahmen des Screenings hat er angegeben, Antrieb/Beschäftigung seien vermindert, die Stimmung depressiv, soziale Bereiche des Lebens könne die Klägerin zeitweise nur mit Impulsgabe wahrnehmen. Bei der Klägerin bestehe keine Weglauftendenz, sie verkenne und verursache keine gefährdenden Situationen, sie gehe auch nicht mit gefährlichen Gegenständen und potenziell gefährdenden Substanzen unsachgemäß um, sie zeige kein tätlich oder verbal aggressives Verhalten in Verkennung der Situation, ebenso wenig ein im situativen Kontext inadäquates Verhalten. Soweit sie vortrage, dass sie kein Essen von sich aus zu sich nehme, habe sich dieser Vortrag in der Untersuchungssituation nicht bestätigt. Der Kühlschrank sei voll gewesen und die Klägerin sei mager aber nicht unterernährt. Zudem habe sie angegeben, regelmäßig Nahrung und Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Die Klägerin sei zudem nicht unfähig zu einer erforderlichen Kooperation bei therapeutischen oder schützenden Maßnahmen als Folge einer therapieresistenten Depression oder Angststörung, denn zum einen sei die Depression nicht therapieresistent, eine Behandlung sei nämlich noch nicht erfolgt und zum anderen bewege sich die Klägerin innerhalb ihrer Wohnung, lasse sich zu Einkäufen und Spaziergängen motivieren und sei bereit, zu essen und zu trinken. Es lägen keine Störungen der höheren Hirnfunktionen vor, die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen geführt hätten, der Tag-/Nachtrhythmus sei nicht gestört, die Klägerin sei auch nicht so desorientiert, dass sie ihren Tagesablauf nicht eigenständig planen und strukturieren könne, sie verkenne Alltagssituationen nicht und reagiere auch nicht inadäquat, und es liege bei der Klägerin kein ausgeprägt labiles oder unkontrolliert emotionales Verhalten vor. Zwar weine die Klägerin viel wegen der unbehandelten Depressionen, jedoch sei dies nicht so ausgeprägt, dass der Umgang mit ihr wesentlich erschwert wäre. Letztlich sei die Klägerin auch nicht aufgrund einer therapieresistenten Depression niedergeschlagen, verzagt, hilf-oder hoffnungslos, da die Klägerin zwar in erheblichem Maße depressiv sei, jedoch noch keine Therapie oder medikamentöse Behandlung stattfinde. Im Ergebnis bestehe deshalb kein erheblicher Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung.
Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 2. Oktober 2017 die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für zusätzliche Betreuungsleistungen gemäß § 45b Abs. 1 Satz 1 SGB XI seien bereits deshalb nicht erfüllt, weil die Klägerin nicht erheblich pflegebedürftig im Sinne von § 14 SGB XI. Es sei keine Pflegestufe festgestellt und der Sachverständige W. habe überzeugend dargelegt, dass die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen würden. Auch für die zusätzlichen Leistungen gemäß § 45 Abs. 1a SGB XI sei Voraussetzung, dass der Betroffene mindestens die Voraussetzungen für Pflegestufe I erfülle. Ungeachtet dessen seien nach der durchgeführten Beweisaufnahme die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen nicht gegeben. Denn eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz im Sinne von § 45a Abs. 2 Satz 1 SGB XI liege nicht vor. Gemäß der vorbezeichneten Richtlinie habe der Sachverständige zunächst ein Screening durchgeführt und sei im Rahmen dessen nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass Antrieb/Beschäftigung bei der Klägerin vermindert und damit auffällig seien, die Stimmung depressiv, die Wahrnehmung sozialer Bereiche des Lebens zeitweise nur mit Impulsgabe möglich sei. Nachvollziehbar sei der Sachverständige dann in dem durchzuführenden Assessment zu dem Ergebnis gelangt, dass eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz der Klägerin nicht gegeben sei. Bei der Klägerin bestehe keine Weglauftendenz, sie verkenne und verursache keine gefährdenden Situationen, sie gehe auch nicht mit gefährlichen Gegenständen und potenziell gefährdenden Substanzen unsachgemäß um, sie zeige kein tätlich oder verbal aggressives Verhalten in Verkennung der Situation, ebenso wenig ein im situativen Kontext inadäquates Verhalten. Die Items Nr. 1. bis 5. seien nach Überzeugung der Kammer nicht erfüllt.
Soweit die Klägerin vortrage, dass sie kein Essen von sich aus zu sich nehme, sei der Punkt 6. nach Überzeugung der Kammer dennoch nicht gegeben. Denn dieser Vortrag habe sich nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen W. in der Untersuchungssituation nicht bestätigt, da der Kühlschrank voll gewesen und die Klägerin mager aber nicht unterernährt sei. Zudem habe die Klägerin selbst gegenüber dem Sachverständigen in der Untersuchung angegeben, regelmäßig Nahrung und Flüssigkeit zu sich zu nehmen.
Auch die Voraussetzungen von Punkt 7. seien nach Überzeugung der Kammer nicht erfüllt, denn zum einen stehe nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die bei der Klägerin vorliegende Depression therapieresistent sei, da eine Behandlung noch nicht erfolgt sei. Und zum anderen bewege sich die Klägerin nach ihren Angaben gegenüber dem Sachverständigen innerhalb ihrer Wohnung, lasse sich zu Einkäufen und Spaziergängen motivieren und sei bereit, zu Essen und zu Trinken.
Die Items 8. bis 12. seien nach den nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen ebenfalls nicht erfüllt, da bei der Klägerin keine Störungen der höheren Hirnfunktionen vorliegen würden, die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen geführt hätten, der Tag-/Nachtrhythmus sei nicht gestört, die Klägerin auch nicht so desorientiert ist, dass sie ihren Tagesablauf nicht eigenständig planen und strukturieren könne. Sie verkenne ebenso Alltagssituationen nicht und reagiere auch nicht inadäquat. Es würde bei der Klägerin kein ausgeprägt labiles oder unkontrolliert emotionales Verhalten vorliegen. Hier sei nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen W. insbesondere nicht zu berücksichtigen, dass die Klägerin viel wegen der unbehandelten Depressionen weine, da dies nicht so ausgeprägt ist, dass der Umgang mit ihr wesentlich erschwert wäre. Von einer therapieresistenten Depression könne bereits deshalb nicht ausgegangen werden, weil es bislang noch gar keine Therapieversuche gegeben hätte.
Die Klägerin hat gegen den am 5. Oktober zugestellten Gerichtsbescheid am 23. Oktober 2017 Berufung eingelegt, in welcher sie nochmals den Verfahrensablauf schildert und die ihrer Ansicht nach aufgetretenen Fehler verweist. So sei der neurologische Befund, den der Sachverständige W. erhoben habe, unvollständig, Sie habe insgesamt neun Schlaganfälle erlitten, leide darüber hinaus an einer Medikamentenunverträglichkeit und Allergien. Ob der Kühlschrank am Tag der Untersuchung voll gewesen sei, könne nicht von Bedeutung seien.
Die Klägerin beantragt sinngemäß nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Oktober 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 21. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen ab dem 16. Februar 2015 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts.
Mit Beschluss vom 22. Januar 2018 hat der Senat die Berufung dem Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Mit Bescheid vom 11. April 2018 hat die Beklagte der Klägerin für die Zeit ab dem 1. März 2018 nach einer Begutachtung durch den MDK vom 9. April 2018 mit dem Ergebnis einer Gesamtpunktzahl von 38,75 (s. Bl. 122 bis 137 der Prozessakte) Leistungen gemäß Pflegegrad 2 gewährt. Die Klägerin hatte nach einem Treppensturz mit Wirbelbruch einen Neuantrag gestellt. Für das Modul 4.2 kognitive und kommunikative Fähigkeiten sind in dem MDK-Gutachten 0 Punkte ermittelt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakte und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie ist jedoch unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat es mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht abgelehnt, der Klägerin zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen zu gewähren. Die Voraussetzungen des § 45b SGB XI in der vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung des Ersten Pflegestärkungsgesetzes (PSG I) vom 17. Dezember 2014 liegen nicht vor.
Das Sozialgericht hat zutreffend dargelegt, dass die Anspruchsvoraussetzungen des § 45b Abs. 1 Satz 1 SGB XI a.F. auf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen das Vorliegen einer Pflegestufe nach den §§ 14 und 15 SGB XI voraussetzt. Eine Pflegestufe ist von der Beklagten nicht festgestellt worden und die Klägerin erfüllte mit einem Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von täglich 24 Minuten die Voraussetzungen hierfür nicht. Der Sachverständige W. hat in seinem Sachverständigengutachten vom 14. Oktober 2016 die Einschätzung des MDK, dass die für die Feststellung einer Pflegestufe erforderliche Hilfebedarf von mindestens 46 Minuten im Bereich der Grundpflege nicht erreicht wird, bestätigt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im Gerichtsbescheid vom 2. Oktober 2017 (§ 153 Abs. 2 SGG).
Auch die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch gemäß § 45 Abs. 1a Satz 1 SGB XI sind nicht erfüllt. Anders als das Sozialgericht geht der Senat jedoch davon aus, dass im Rahmen dieser Norm das Vorliegen einer Pflegestufe gerade nicht erforderlich ist. Denn danach können Pflegebedürftige, die nicht die Voraussetzungen des § 45a erfüllen, ebenfalls zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach Absatz 1 in Anspruch nehmen. Die Kosten hierfür werden bis zu einem Betrag in Höhe von 104 Euro monatlich ersetzt. (§ 45b SGB XI in der Fassung vom 17.12.2014). Ansonsten wäre die Regelung überflüssig und würde gerade keinen zusätzlichen Anwendungsbereich eröffnen (so auch LSG Hessen v. 29.03.2017 – L 8 P 36/16 in juris, Rn 30). Es muss allerdings überhaupt ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung unterhalb den zeitlichen Erfordernissen einer Pflegestufe gegeben sein. Auch wenn die Klägerin nach den Feststellungen des MDK und des Sachverständigen W. sowohl im Bereich der Grundpflege als auch im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung einen Hilfebedarf hatte, besteht kein Leistungsanspruch. Denn es bestand keine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz. Für die Bewertung, ob die Einschränkung der Alltagskompetenz auf Dauer erheblich ist, sind die unter § 45a Abs. 2 SGB XI aufgeführten Schädigungen und Fähigkeitsstörungen maßgebend Die Alltagskompetenz ist erheblich eingeschränkt, wenn der Gutachter des Medizinischen Dienstes oder die von der Pflegekasse beauftragten Gutachter bei dem Pflegebedürftigen wenigstens in zwei Bereichen, davon mindestens einmal aus einem der Bereiche 1 bis 9, dauerhafte und regelmäßige Schädigungen oder Fähigkeitsstörungen feststellen. Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung, auf die gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen wird, dargelegt, dass keines der unter § 45a Abs.2 SGB XI genannten Kriterien bei der Klägerin erfüllt war. Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren führt zu keiner abweichenden Einschätzung. So hat sich der Sachverständige in seinem Gutachten intensiv mit den medizinischen Befunden und Erkrankungen der Klägerin auseinandergesetzt und ist auch auf die dokumentierten Schlaganfälle eingegangen. Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, dass sich durch die Infarkte automatisch eine erhebliche Beeinträchtigung der Alltagskompetenz ergibt, ist dies unzutreffend. Maßgeblich sind stets die funktionalen Einschränkungen, die durch Krankheiten, Behinderungen oder Alterserscheinungen bedingt sind. Und hier ist der Sachverständige mit plausibler Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass die gesetzlich normierten Tatbestände bei der Klägerin nicht einschlägig sind. Es ist auch sachgerecht gewesen, u.a. im Rahmen der Prüfung, ob eine Unfähigkeit besteht, die eigenen körperlichen und seelischen Gefühle oder Bedürfnisse wahrzunehmen (Punkt 6), den am Tage der Untersuchung gefüllten Kühlschrank zu erwähnen. Der Rückschluss, dass die Klägerin in der Lage ist, Nahrung und Flüssigkeiten zu sich nehmen, ist als Indiz gerechtfertigt. Die Medikamentenunverträglichkeit sowie die von der Klägerin angeführten Allergien sind vom Sachverständigen erfasst worden, sie führen allerdings nicht zu einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz. Das aktuelle MDK-Gutachten vom 9. April 2018 bestätigt im Übrigen die Einschätzung des Sachverständigen. Denn in dem für die Alltagskompetenzen besonders relevanten Bereich der kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten (4.2 Modul 2) sind auch gegenwärtig keine Einschränkungen festgestellt und demzufolge auch keine Punkte vergeben worden. Der Pflegegrad 2 beruht – wie sich aus dem Gutachten ergibt – im Wesentlichen auf einer Verschlechterung der gesundheitlichen Situation der Klägerin nach einem Treppensturz mit Wirbelbruch und den hiermit einhergehenden Defiziten bei den alltäglichen Verrichtungen. Es besteht auch kein Anspruch nach der mit Inkrafttreten des PSG III geltenden Rechtslage mit Wirkung zum 1. Januar 2017. Hierfür wäre – neben den materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Pflegerad 1 – ein Neuantrag erforderlich gewesen (s.a. LSG Hessen v. 29.03.2017 – L 8 P 36/16 in juris, Rn 51). Eine Umwandlung findet nur bei einem bestehenden Leistungsanspruch statt (§ 140 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2a SGB XI n. F), ein solcher konnte gerade nicht festgestellt werden. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 160 SGG).
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