S 20 R 580/13

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 20 R 580/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 384/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).

Der am ... 1958 geborene Kläger absolvierte nach seiner Schulausbildung erfolgreich eine Lehre zum Konditor und arbeitete bis 2004 im erlernten Beruf.

Mit Bescheid vom 5. November 2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger in einem vorangegangenem Klageverfahren eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI. Diese Rente wurde bewilligt, weil der Kläger vor dem 2. Januar 1961 geboren ist und seinen erlernten Beruf nicht mehr ausüben kann. Die Rente wird seit dem 1. März 2006 und längstens bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (Beginn der Regelaltersrente) gezahlt.

Am 12. November 2012 beantragte der Kläger die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI. Die Beklagte holte Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte ein und veranlasste die Begutachtung des Klägers durch den Facharzt für Innere Medizin/Kardiologie/Nephrologie Dr ... , der den Kläger am 11. März 2013 untersuchte und sein Gutachten erstattete. Im Ergebnis ist dem Gutachten ein Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich zu entnehmen. Der Kläger habe bei der Untersuchung durch Dr ... einen guten körperlichen Allgemeinzustand ohne Zeichen kardiopulmonaler Dekompensation gezeigt. Bei einem stabilen kardialen Status und einer unauffälligen Lungenfunktion ergäben sich keine Hinweise auf eine erneute Koronarischämie. Die Wegefähigkeit im sozialmedizinischen Sinne sei gegeben.

Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 19. März 2013 ab. Der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein (§ 43 SGB VI).

Der Kläger machte mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch geltend, dass der Schwerpunkt seiner Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet liege. Im Übrigen sei er seit 2004 arbeitslos. Ihm sei in den vergangenen Jahren keine Arbeitsstelle angeboten worden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2013 zurück. Der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit weiteren Funktionseinschränkungen verrichten. Bei einer noch vorhandenen Leistungsfähigkeit von mindestens sechs Stunden täglich sei der Arbeitsmarkt nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nicht verschlossen. Die Vermittlung eines seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatzes falle in den Aufgabenbereich der Arbeitsverwaltung. Der Kläger sei nicht voll erwerbsgemindert. Hiervon sei der bisherige Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht berührt.

Am 15. Juli 2013 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Halle erhoben und sein Begehren weiterverfolgt. Sein Gesundheitszustand habe sich ständig verschlechtert. Er leide unter allgemeiner Mattigkeit und Abgeschlagenheit. Desweiteren träten Luftnot bei normaler Belastung und zeitweise Schmerzzustände auf. Eine verminderte körperliche Leistungsfähigkeit sei infolge der bestehenden Herzerkrankung, als auch durch die Sprunggelenks- und Fibularfraktur vorhanden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 19. März 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. November 2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält den erlassenen Bescheid für zutreffend. Der Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bleibe dabei unberührt.

Das Gericht hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt und die Begutachtung des Klägers durch die Fachärztin für Innere Medizin, Sozialmedizin und Betriebsmedizin Dr ... veranlasst.

Nach umfassender Untersuchung des Klägers am 15. September 2015 hat Dr ... ihr Gutachten am 25. Oktober 2015 erstattet. Danach leide der Kläger unter folgenden Erkrankungen:

Koronare Herzkrankheit (1-Gefäßerkrankung), Zustand nach Herzinfarkt der Hinterwand 2008 mit Lyse-Therapie und Stent-Implantation der rechten Herzkranzgefäßarterie, Herzkatheter-Diagnostik 2009 ohne Anhalt für ein Fortschreiten der Erkrankung.

Bluthochdruck mit Linksherzbeteiligung ohne hypertensive Krisen.

Arterielle Durchblutungsstörung der Halsgefäße, Patchplastik an linker innerer Halsschlagader 2014 (A. carotis interna) mit postoperativ regelrechten Durchblutungsverhältnissen und ohne intrazerebralen Herdbefund.

Posttraumatische Arthrose des linken Kniegelenks mit Strecksteife, Beugedefizit und Gangstörung durch Schonhinken als Folgezustand nach Schienbeinkopftrümmerfraktur 2002 durch Wegeunfall (MdE 30 % anerkannt).

Kniebinnenschaden und Arthrose des rechten Kniegelenkes mit leichtgradiger Funktionsstörung bei Zustand nach arthroskopischer Meniskusresektion 2006.

Sekundäres Wirbelsäulenschmerzsyndrom durch geringe, kompensatorische Skoliose infolge Beckenschiefstand bei Beinverkürzung links (laut Kläger derzeit 2,5 cm) und bei geringen degenerativen Veränderungen.

Bei der klinischen Untersuchung hätten keine Hinweise auf eine kardiopulmonale Insuffizienz Vorgelegen. Dem Ruhe-EKG waren Hinweise auf den durchgemachten Hinterwandinfarkt (2008) zu entnehmen. Der Hinterwandinfarkt 2008 habe zeitgerecht mit einer Lysetherapie und anschließender 2-fach-Stent-lmplantation behandelt werden können. Eine Herzkatheter-Kontrolle 2009 habe kein Fortschreiten des koronaren Gefäßleidens ergeben. Ergometrisch erreichte der Kläger bei 75 Watt die submaximale Ausbelastungsfrequenz. Der Abbruch sei nicht aus kardialen Gründen, sondern wegen zunehmender Beschwerden der Kniegelenke geschehen. Die Kreislaufregulation sei lastadäquat und ohne Zeichen einer Belastungskoronarinsuffizienz erfolgt. Farbdopple- rechokardiografisch sei die Pumpfunktion des Herzens nicht reduziert. Spirometrisch bestünde keine Ventilationsstörung der Lungenfunktion. Auch der Auskultationsbefund sei unauffällig gewesen. An der kardiopulmonalen Dauerbelastbarkeit für körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Anforderungen bestünden anhand der klinischen und apparativen Befunde keine Zweifel. Nachtschichteneinsatz sollte wegen des Bluthochdrucks nicht abverlangt werden. Der Funktionszustand der Wirbelsäule sei nicht eingeschränkt gewesen. Beschwerden habe der Kläger bei gezielter Bewegungsprüfung der Wirbelsäule nicht vorgetragen. Sensomotorische Ausfälle seien nicht nachgewiesen. Die Strecksteife, das Beugedefizit und die Varusachsenfehlstellung am linken Kniegelenk mit der resultierenden Beinverkürzung und der Gangstörung seien

als Folgezustand der Schienbeinkopftrümmerfraktur des Wegeunfalls 2002 aufzufassen. Wegen des Wirbelsäulensyndroms und der Arthrose in beiden Kniegelenken seien schwere und mittelschwere Arbeiten, Hocken, Knien und Bücken, Besteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Gehen auf unebenem Gelände und Expositionen gegenüber Kälte, Nässe und Zugluft nicht mehr abzuverlangen.

Aus der durchgemachten Sprunggelenkfraktur links ergäben sich keine zusätzlichen Einschränkungen. Die Gelenke der oberen Extremitäten seien frei beweglich gewesen.

Ein Anhalt für eine relevante psychische Störung habe sich nicht ergeben. Der Kläger habe keine Orientierungsstörung zu Zeit, Ort, Situation und zur eigenen Person aufgewiesen. Bei der Exploration und den Untersuchungen habe er sich kooperativ verhalten. Der Gedankengang sei inhaltlich und formal nicht gestört gewesen. Das Umstellungsvermögen sei nicht eingeschränkt. Während der Exploration hätten Ausdauer, Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit nicht nachgelassen. Die Stimmungslage habe ausgeglichen gewirkt. Der Antrieb sei nicht reduziert gewesen. Zusätzliche Leistungseinschränkungen ergäben sich wegen des Zustandes nach depressiver Episode nicht.

Der Kläger sei in der Lage, noch mindestens sechs Stunden täglich zumindest leichte körperliche Tätigkeiten ohne Nacht- und Wechselschichten mit durchschnittlichen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit zu verrichten. Vermieden werden sollten Arbeiten unter Zeitdruck, im Akkord und am Fließband. Die Greiffunktion der Hände sei nicht beeinträchtigt gewesen. Mit der demonstrierten Kraftentwicklung sei der Kläger sogar körperlich schweren Anforderungen gewachsen. Die Gehfähigkeit des Klägers sei nicht relevant eingeschränkt. Er könne 4 x arbeitstäglich Fußwege von knapp mehr als 500 Metern in weniger als 20 Minuten zurücklegen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der Beratung der Kammer gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG).

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Nach § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Versicherte sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI teilweise erwerbsgemindert, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbarer Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein bzw. nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI voll erwerbsgemindert sind, wenn sie unter diesen Bedingungen außerstande sind, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger ist nicht erwerbsgemindert in diesem Sinne, weil er nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seit Antragstellung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.

Dabei geht die Kammer von folgendem Leistungsbild aus: Der Kläger kann noch sechs Stunden täglich leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten mit einem Haltungswechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen verrichten. Zu vermeiden sind einseitige körperliche Belastungen bzw. Zwangshaltungen, häufiges Bücken oder Knien, Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, die Einwirkung von Nässe, Zugluft und Arbeiten auf Gerüsten oder Leitern, unter Zeitdruck,

im Akkord, am Fließband oder in Nacht- bzw. Wechselschichteinsatz. Die geistig- psychisch-mnestischen Fähigkeiten und das Seh- und Hörvermögen des Klägers genügen durchschnittlichen Anforderungen.

Dieses Leistungsbild ergibt sich für die Kammer aus den Feststellungen in dem von der Beklagten eingeholten Gutachten von Dr ... vom 11. März 2013 sowie aus dem im Klageverfahren eingeholten Gutachten von Dr ... vom 25. Oktober 2015. Insbesondere Dr ... hat in ihrem sehr ausführlichen und überzeugenden Gutachten bestätigt, dass der Kläger über ein noch sechs- und mehrstündiges tägliches Leistungsvermögen für zumindest leichte körperliche Tätigkeit mit weiteren qualitativen Einschränkungen verfügt. Sie befindet sich mit ihren Feststellungen in völliger Übereinstimmung mit den Feststellungen von Dr ... in dessen Gutachten vom 11. März 2013. Der Kläger leidet unter folgenden Erkrankungen:

Koronare Herzkrankheit (1-Gefäßerkrankung), Zustand nach Herzinfarkt der Hintenwand 2008 mit Lyse-Therapie und Stent-Implantation der rechten Herzkranzgefäßarterie, Herzkatheter-Diagnostik 2009 ohne Anhalt für ein Fortschreiten der Erkrankung.

Bluthochdruck mit Linksherzbeteiligung ohne hypertensive Krisen.

Arterielle Durchblutungsstörung der Halsgefäße, Patchplastik an linker innerer Halsschlagader2014 (A. carotis interna) mit postoperativ regelrechten Durchblutungsverhältnissen und ohne intrazerebralen Herdbefund.

Posttraumatische Arthrose des linken Kniegelenks mit Strecksteife, Beugedefizit und Gangstörung durch Schonhinken als Folgezustand nach Schienbeinkopftrümmerfraktur 2002 durch Wegeunfall (MdE 30 % anerkannt).

Kniebinnenschaden und Arthrose des rechten Kniegelenkes mit leichtgradiger Funktionsstörung bei Zustand nach arthroskopischer Meniskusresektion 2006.

Sekundäres Wirbelsäulenschmerzsyndrom durch geringe, kompensatorische Skoliose infolge Beckenschiefstand bei Beinverkürzung links (laut Kläger derzeit 2,5 cm) und bei geringen degenerativen Veränderungen.

Trotz dieser Erkrankungen ist der Kläger in der Lage, zumindest leichte körperliche Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen zu verrichten. An der kardiopulmonalen Dauerbelastbarkeit für körperlich leichte bis sogar gelegentlich mittelschwere Arbeiten bestehen keine Zweifel. Bei der klinischen Untersuchung durch Dr ... haben keine Hinweise

auf eine kardiopulmonale Insuffizienz Vorgelegen. Dem Ruhe-EKG waren Hinweise auf den durchgemachten Hinterwandinfarkt (2008) zu entnehmen. Der Hinterwandinfarkt 2008 ist zeitgerecht mit einer Lysetherapie und anschließender 2-fach-Stent- Implantation behandelt worden. Eine Herzkatheter-Kontrolle 2009 hat kein Fortschreiten des koronaren Gefäßleidens ergeben. Ergometrisch erreichte der Kläger bei der Untersuchung durch Dr ... bei 75 Watt die submaximale Ausbelastungsfrequenz. Die Kreislaufregulation war lastadäquat und ist ohne Zeichen einer Belastungskoronarinsuffizienz erfolgt. Die Pumpfunktion des Herzens ist nicht reduziert gewesen. Es bestand keine Ventilationsstörung der Lungenfunktion. Auch der Auskultationsbefund ist unauffällig gewesen. Wegen des Bluthochdrucks sollte (lediglich) kein Nachtschichteinsatz abverlangt werden.

Der Funktionszustand der Wirbelsäule des Klägers ist nicht eingeschränkt. Wegen des Wirbelsäulensyndroms und der Arthrose in beiden Kniegelenken sind lediglich schwere und mittelschwere Arbeiten sowie Hocken, Knien und Bücken, Besteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, das Gehen auf unebenem Gelände und die Expositionen gegenüber Kälte, Nässe und Zugluft zu vermeiden. Auch aus der durchgemachten Sprunggelenkfraktur links ergeben sich nach den überzeugenden Feststellungen von Dr ... keine zusätzlichen Einschränkungen. Die Gelenke der oberen Extremitäten sind frei beweglich. Anhalte für eine relevante psychische Störung des Klägers ergaben sich ebenfalls nicht. Die Greiffunktion der Hände war nicht beeinträchtigt. Mit der demonstrierten Kraftentwicklung wäre der Kläger sogar schweren Anforderungen gewachsen. Die Gehfähigkeit ist nicht relevant eingeschränkt. Das Gangbild des Klägers wirkte zwar dysharmonisch. Er bewegte sich jedoch im normalen Tempo fort. An relevanten Funktionsstörungen bestand lediglich das bekannte Streck- und Beugedefizit des linken Kniegelenkes. Der Kraftgrad der Beine war seitengleich und nicht eingeschränkt. Auch das geistige Leistungsvermögen ist bei durchschnittlichen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Zuverlässigkeit nicht eingeschränkt. Der Gedankengang des Klägers war inhaltlich und formal nicht gestört. Die Stimmungslage wirkte ausgeglichen. Der Antrieb war nicht gestört.

Bei dem Kläger liegen auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die trotz des Leistungsvermögens von mehr als sechs Stunden täglich zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würden. Das Restleistungsvermögen des Klägers reicht vielmehr noch für zumindest leichte körperliche Verrichtungen im Wechsel der

Haltungsarten wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, das Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten aus (vgl. die Aufzählungen im Beschluss des Großen Senates (GS) des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33 ff.).

Auch liegt im Fall des Klägers kein Seltenheits- oder Katalogfall vor, der zur Pflicht der Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes führen würde (vgl. BSG, GS, a.a.O. =

S. 35). Der Arbeitsmarkt gilt unter anderem als verschlossen, wenn einem Versicherten die sog. Wegefähigkeit fehlt. Ein sog. Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehsrmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen benutzen kann. Der Kläger ist zur Überzeugung der Kammer in der Lage, die erforderlichen Wegstrecken in der vorgenannten Dauer viermal täglich zurückzulegen. Diese Fähigkeit hat zuletzt Dr ... in Ihrem Gutachten vom 25. August 2015 bestätigt.

Der Kläger ist mehrfach im Verfahren darauf hingewiesen worden, dass unstreitig ist, dass er seinen erlernten Beruf als Konditor nicht mehr ausüben kann. Daher erhält er die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Eine wie in der Klagebegründung vom 12. Juni 2013 begehrte "volle Rente nach § 240 SGB VI" gibt es nicht. Die Rente nach § 240 SGB VI ist per Gesetz immer eine teilweise Erwerbsminderungsrente. Der Kammer erschließt sich daher nicht, weshalb der Kläger bei der hier im Verfahren anzuwendenden Vorschrift des § 43 SGB VI (immer wieder) auf die Voraussetzungen des § 240 SGB VI Bezug nimmt.

Für die hier im Verfahren beanspruchte volle Erwerbsminderungsrente nach § 43 SGB VI liegen die Voraussetzungen nicht vor, da der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten kann (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist hierbei nicht zu berücksichtigen. Die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu finden, ist bei der Beurteilung einer Erwerbsminderung ausdrücklich nicht zu beachten. Dass der Kläger vor dem 2. Januar 1961 geboren ist und seinen erlernten Beruf als Konditor nicht mehr ausüben kann, ist bereits durch die bewilligte teilweise Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI festgestellt worden und hat bei der hier anzuwendenden Norm des § 43 SGB VI keine Relevanz.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved