Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 35/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 U 44/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) (Lungenkrebs in Verbindung mit Asbestose, in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachten Erkrankungen der Pleura oder bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren).
Der am xxxxx 1951 geborene Kläger war während seiner beruflichen Tätigkeit nach den Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten einer kumulativen Asbestfaserstaubdosis von 1,2 und 2,7 Faserjahren ausgesetzt. Dr. S. diagnostizierte in einem lungenfachärztlichen Gutachten vom 7. Mai 2010 Asbeststaubinhalationsfolgen nach beruflicher Asbeststaubexposition. Es liege zudem eine als schwergradig einzuschätzende chronisch obstruktive Lungenerkrankung mit pulmonalem Emphysem vor, die als schädigungsunabhängig einzuschätzen sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage aufgrund der Folgen der Inhalation von Asbeststaub 0 v. H.
Mit Bescheid vom 21. Juni 2010 stellte die Beklagte eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4103 der Anlage 1 zur BKV (Asbeststaublungenerkrankung – Asbestose) fest. Ansprüche auf Leistungen wegen der Berufskrankheit bestünden nicht. Eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung mit pulmonalem Emphysem liege unabhängig von der Berufskrankheit vor. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2010 zurückgewiesen. Im hiergegen durchgeführten Klageverfahren erstattete der Arzt für Innere Medizin und Arbeitsmedizin, Lungen und Bronchialheilkunde und Umweltmedizin Dr. S1 am 30. Oktober 2010 ein Gutachten. Bei dem Kläger lägen asbestassoziierte Pleuraveränderungen beidseits im Sinne der BK Nr. 4103, eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung GOLD III mit ausgedehntem Lungenemphysem und ausgedehnte pleurale und intrapulmonale Residuen links vor. Lungenfunktionell finde sich eine von der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung abzugrenzende restriktive Ventilationsstörung. Letztere sei Folge der beschriebenen radiologischen Veränderungen in Projektion auf die linke Lunge. Angesichts der Hinweise in der Akte auf eine frühere Lungenentzündung und eine Tuberkulose ließen sich diese Veränderungen somit derzeit nicht eindeutig der Asbestbelastung zuordnen. Der Kläger nahm daraufhin in der mündlichen Verhandlung am 30. November 2012 die Klage zurück und stellte einen Antrag nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X).
Im Rahmen weiterer Ermittlungen wurde im Befundbericht der Radiologischen Allianz vom 27. Februar 2014 mitgeteilt, dass beim Kläger im Vergleich zur Voruntersuchung vom 6. März 2013 im rechten Unterlappen hilusnah ein dem Bronchus unmittelbar anliegender Herdbefund von 17 mm, solide und mit unscharfer Begrenzung und zarten strahligen Ausläufern bestehe. Dieser Befund habe in der Voruntersuchung noch 3 mm gemessen. Der Befund sei aufgrund seiner Entwicklung im Verlauf als tumorsuspekt zu werten und sollte weiter abgeklärt werden.
Die weitere Abklärung sollte in der L. erfolgen, die in einem vorläufigen Arztbrief vom 10. April 2014 ausführte, dass bei dem Kläger eine pulmonale Raumforderung im rechten zentralen Unterlappen mit einem radiologisch hochgradigen Verdacht auf ein Lungenkarzinom bestehe. Mittels Bronchoskopie und endobronchialem Ultraschall sei leider kein sicherer Gewebenachweis gelungen, so dass die Operabilität geprüft worden sei. Im CCT zeige sich ein unauffälliger Befund. In der Spiroergometrie zeige sich eine eingeschränkte Operabilität, so dass nach der interdisziplinären Konferenz von Seiten der Chirurgen eine Perfusionsszintigraphie erforderlich geworden sei. Dabei habe sich eine bessere Durchblutung auf der zu operierenden Seite gezeigt, so dass unverändert ein erhöhtes Operationsrisiko bestehe. Um alle Möglichkeiten der nicht-invasiven Diagnostik auszuschöpfen und bei vermutlich bestehender Inoperabilität des Patienten sei eine PET-CT Untersuchung angemeldet worden.
Dr. I. und Dr. W. erstatteten am 11. April 2014 ein internistisch-pneumologisches Gutachten. Es bestünden der Verdacht auf ein Bronchialkarzinom im rechten Unterlappen hilusnah mit Verdacht auf das Vorliegen einer BK Nr. 4104 (bei bislang ausstehendem histologischem Nachweis, entsprechende Untersuchungen seien eingeleitet worden), eine Pleuritis calcarea mit einem Mischbild aus asbestassoziierten Pleuraveränderungen beidseits im Sinne einer BK Nr. 4103 linksseitig überlagert durch ausgedehnte pleurale und auch intrapulmonale postspezifische Residuen, am ehesten als Folge einer inapparent durchgemachten Lungentuberkulose, eine COPD III° Gruppe D nach GOLD mit ausgedehntem Lungenemphysem, vorbefundlich eine leicht- bis mittelgradige Instabilität des linken Hauptbronchus, eine durchgemachte Mittellappenpneumonie 4/2013, ein Zustand nach Unterlappenpneumonie rechts 1995 und ein anhaltendes Inhalationsrauchen. Es bestehe in der Verlaufsbeurteilung im Rahmen der aktuellen Begutachtung der Verdacht auf ein rechtshiläres Bonchialkarzinom. Der Befund müsse in Würdigung der unstrittigen Asbestose als BK Nr. 4104 bei entsprechender Bestätigung des Verdachts durch eingeleitete histologische Untersuchungen bewertet werden, wenngleich der Patient langjähriger Inhalationsraucher sei. In den vorliegenden Gutachten sei der medizinisch-funktionelle Anteil der berufsbedingten Krankheitserscheinungen an der MdE mit 0 v. H. beziffert worden, dies werde insbesondere im letzten Gutachten von Dr. S1 trotz vorliegender restriktiver Komponente der Ventilationsstörung eingehend differenziert begründet. Ein wesentlich neuer Aspekt ergebe sich aus dem jetzt bestehenden Verdacht auf das Vorliegen eines Bronchialkarzinoms. Soweit sich die diesbezügliche radiologische Vermutung histologisch bestätige, sei ab Datum der Computertomografie desThorax (CT) vom 11. Februar 2014 abhängig vom Ergebnis der jetzt eingeleiteten Untersuchungen in der Lungenklinik bei Nachweis eines Lungenkarzinoms im Sinne einer BK Nr. 4104 abhängig vom Tumorstadium nach UICC gemäß Falkensteiner Tabelle eine MdE von 80 bis 100 v. H. abhängig vom Tumorstadium in den nächsten 5 Jahren anzusetzen.
Im Befundbericht des P. Zentrum H. vom 22. April 2014 wurde ausgeführt, dass im F18-FDG-PET/CT vom 17. April 2014 der pulmonale Herd zentral im rechten Lungenunterlappen eine intensive Anreicherung des Radiopharmakons zeige. Unter Berücksichtigung der erheblichen Größenzunahme in der CT innerhalb der letzten 12 Monate sei von einem primären bronchopulmonalen Karzinom auszugehen. Es zeige sich eine fragliche pleurale Infiltration im großen Interlob.
Dr. S1 führte in einer Stellungnahme vom 23. Mai 2014 aus, dass derzeit der Vollbeweis für das Vorliegen eines primären Bronchialkarzinoms noch nicht vorliege. Zu fordern sei eine histologische Sicherung. Das FDG-PET habe eine Sensitivität von 90 Prozent, die Spezifizität liege hingegen bei 78 Prozent.
In einem Befundbericht der L. vom 25. April 2014 gab diese das Tumorstadium nach dem PET-CT mit cT1b NO M0 an. Aufgrund der eingeschränkten Lungenfunktionsreserven und in Würdigung des Lungenperfusionsszintigramms sei eine chirurgische Intervention mit einem unvertretbar hohen Risiko verbunden. Daher werde eine Strahlentherapie avisiert. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 19. Juni 2014 gab die L. an, dass die Diagnose Lungenkrebs bei dem Kläger bisher nicht zytologisch oder histologisch gesichert sei. In Würdigung der bildgebenden Verfahren würden sie aber von einem Lungenkarzinom auf der rechten Seite ausgehen.
Der Beratungsarzt der Beklagten, Dr. D. (Lungen- und Bronchialheilkunde) vertrat in einer Stellungnahme vom 25. Juni 2014 die Ansicht, dass noch kein Vollbeweis für das Vorliegen eines primären Bronchialkarzinoms vorliege. Die Spezifität eines PET liege bei 78 Prozent. In diesem Fall könne es sich – wie offenbar bereits 2013 – um einen infektiösen Prozess handeln, eine Tuberkulose sei nicht ausgeschlossen, obwohl wenig wahrscheinlich. In Anbetracht des schlechten Gesundheitszustands seien weitere eingehende Untersuchungen wohl nicht möglich.
Im CT des Thorax vom 14. Juli 2014 zeigte sich nach der Radiotherapie bis zum 30. Mai 2014 eine Regredienz des Herdbefundes von vorher 1,8 auf 1,2 cm. Es lagen keine neuen Herdbefunde vor.
Mit Bescheid vom 15. Juli 2014 stellte die Beklagte fest, dass die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Lungenerkrankung als BK nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur BKV nicht erfüllt seien. Die Erkrankung Lungenkrebs sei nicht vollbeweislich gesichert. Eine feingewebliche Untersuchung des Lungengewebes zur Feststellung, dass ein Lungenkrebs vorliege und dieser dort entstanden sei, sei daher unabdingbar. Die bisherigen Untersuchungen hätten den Verdacht auf eine Lungenkrebserkrankung zwar bekräftigt, ein histologischer oder zytologischer Nachweis eines primären Lungenkrebses habe aber nicht erbracht werden können.
Der Bevollmächtigte des Klägers legte gegen den Bescheid am 30. Juli 2014 Widerspruch ein. Der Kläger habe sich mehrere Monate in einer Chemotherapie wegen seines Lungenkrebses befunden.
Die L. berichtete der Beklagten am 24. September 2014, dass eine Probenentnahme sowohl aus dem Herdbefund als auch aus mediastinalen und rechtshilären Lymphknoten erfolgt sei, die jedoch nicht diagnostisch gewesen sei. Eine histologische Diagnosesicherung wäre somit nur durch einen thoraxchirurgischen Eingriff erreichbar gewesen, dieser habe sich jedoch aufgrund der eingeschränkten funktionellen Reserven des Patienten verboten. Weitere Untersuchungen zur Beweissicherung erschienen wegen des hohen Operationsrisikos nicht vertretbar. Die Wahrscheinlichkeit, dass aufgrund des PET-CT´s ein bronchopulmonales Carcinom vorliege, sei aufgrund der Größenzunahme in kurzer Zeit und der deutlichen FDG-Mehrspeicherung als hoch anzusehen.
Dr. W. gab mit Stellungnahme vom 4. Oktober 2014 gegenüber der Beklagten an, dass sich nach den Falkensteiner Empfehlungen ein Tumorstadium IA ergebe. Es werde eine MdE von 80 Prozent unter einer Heilungsbewährung von 5 Jahren vorgeschlagen. Es liege der Nachweis einer tumorsuspekten Läsion im rechten Unterlappen vor, die in Würdigung der Gesamtkonstellation die Kriterien einer BK 4104 erfülle, wobei ein histologischer Nachweis infolge der funktionell eingeschränkten Operabilität nicht zu erbringen sei. Da die Läsion mittlerweile bestrahlt und somit potentiell kurativ behandelt worden sei, sei mit einem solchen Nachweis nur dann noch zu rechnen, wenn es zu einer erneuten Tumorprogression kommen sollte.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2015 zurück. Ein Primärtumor der Lunge sei nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis, also mit dem Grad der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Allein der Bildbefund sei hierfür nicht ausreichend. Den Falkensteiner Empfehlungen folgend sei es erforderlich, den Primärtumor der Lunge durch histologische bzw. zytologische Diagnostik zu sichern. Die von der L. verschiedentlich durchgeführten bronchoskopischen Probenentnahmen aus dem Herdbefund und den mediastinalen und rechtshilären Lymphknoten mit zytologischer Befundung hätten keinen gesicherten Nachweis eines bösartigen Tumorgeschehens erbracht. Eine histologische Diagnosesicherung durch thoraxchirurgischen Eingriff sei wegen des erhöhten Operationsrisikos bei berufsunabhängig bestehenden eingeschränkten Lungenreserven nicht vertretbar.
Der Bevollmächtigte des Klägers hat am 16. Februar 2015 Klage erhoben. Bei dem Kläger habe auf der rechten Seite ein Lungenkarzinom vorgelegen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch die Beklagte der Auffassung sei, dass ein thoraxchirurgischer Eingriff beim Kläger medizinisch nicht zu verantworten sei, sei er der Auffassung, dass ihm die Möglichkeit gegeben werden müsse, auf anderem Wege den notwendigen Beweis zu führen. Aufgrund des beruflichen Werdegangs des Klägers und der bereits anerkannten Asbestose komme ernsthaft keine andere Diagnose als die eines Lungenkarzinoms in Betracht. Der Kläger hat den Befundbericht der Radiologischen Allianz vom 24. Mai 2016 zur Akte gereicht. Im CT ergebe sich ein stabiler Befund. Ausgedehnte Veränderungen bestünden im Rahmen der bekannten pleuralen Asbestose. Es liege kein neu aufgetretener pulmonaler Herd und kein aktuell entzündliches Gewebe vor.
Die Beklagte hat sich weiterhin darauf berufen, dass ein Bronchialkarzinom weder zytologisch noch histologisch gesichert sei. Des Weiteren hat sie ein Gutachten von Dr. I. und Dr. W. vom 4. Oktober 2016 übersandt, die ausführen, dass sich im P. vom 5. Dezember 2016 ein hochgradiger malignitätsverdächtiger Herdbefund im apikalen Lungenoberlappen links zeige. Eine sichere Differenzierung zwischen pulmonalem und pleuralem Ursprung sei nicht möglich. Nach stereodaktischer Radiotherapie des bronchialkarzinom-typischen Befundes im rechten Unterlappen lägen aktuell keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein Rezidiv vor. Aus der aktuellen radioonkologischen Nachsorge resultiere der Verdacht auf ein bronchopulmonales Zweitkarzinom im linken Oberlappen möglicherweise einem Narbenkarzinom. Es sollte ein erneuter Versuch einer Histologiegewinnung durch Bronchoskopie erfolgen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht Hamburg die Klage mit Gerichtsbescheid vom 7. September 2017 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Feststellung einer BK nach der Nr. 4104 der Anlage 1 zur BKV. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger an einer dort genannten Lungenkrebserkrankung leide, da diese bisher nicht im Vollbeweis festgestellt sei. Eine Krankheit könne nur als BK anerkannt werden, wenn diese im Vollbeweis gesichert sei; das wahrscheinliche oder mögliche Vorliegen einer Erkrankung reiche nicht aus, um einen Berufskrankheitentatbestand zu erfüllen. Der "klinische" und möglicherweise "röntgenologische" Verdacht auf ein Lungenkarzinom stelle aber nicht den erforderlichen juristischen Vollbeweis der Erkrankung dar, wie es das Berufskrankheitenrecht erfordere. Die ärztliche Vermutung der Gutachter und des Klägers ersetze insoweit nicht den histologisch bzw. zytologisch zu erbringenden Vollbeweis des Vorliegens der Tumorerkrankung.
Der Bevollmächtigte des Klägers hat gegen den ihm am 21. September 2017 zugestellten Gerichtsbescheid am Montag, den 23. Oktober 2017 Berufung eingelegt. In Anbetracht der Tatsache, dass mehrere Ärzte und Gutachter das Vorliegen eines Karzinoms beim Kläger diagnostiziert hätten und dass der Kläger einer monatelangen Strahlentherapie unterzogen worden sei, hätte das Gericht zu dem Ergebnis kommen müssen, dass tatsächlich ein Lungenkarzinom vorliege. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass beim Kläger eine histologische oder zytologische Beweissicherung von ärztlicher Seite aus für nicht verantwortbar gehalten worden sei, hätten die ärztlichen Diagnosen im Rahmen der Beweiswürdigung besonders berücksichtigt werden müssen.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 7. September 2017 sowie den Bescheid vom 15. Juli 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Januar 2015 aufzuheben und festzustellen, dass die Lungenerkrankung beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass ein Bronchialkarzinom bislang weder zytologisch noch histologisch habe bestätigt werden können. Auch wenn die übrigen Befunde für einen Lungenkrebs sprechen würden, liege der Vollbeweis, wie er in den Falkensteiner Empfehlungen gefordert werde, nicht vor.
Die Beklagte hat weitere medizinische Befunde übersandt. Der Kläger hat sich vom 16. bis 22. Dezember 2016 in stationärer Behandlung in der L. befunden. Der Kläger sei zur Abklärung einer neuen Raumforderung im linken Oberlappen bei Zustand nach stereotaktischer Bestrahlung einer ungesichert, hochgradig tumorverdächtigen Läsion des rechten Unterlappens aufgenommen worden. Bronchoskopisch lasse sich aufgrund der peripheren Lage der Befund im linken Oberlappen nicht sichern. Jedoch zeige sich eine ausgeprägte eitrige Hypersekretion. Es sei daher eine antibiotische Therapie begonnen worden. Nach Besprechung in der Tumorkonferenz sei zunächst eine CT-Kontrolle Mitte Februar empfohlen worden. Bei Persistenz oder Progredienz sollte eine stereotaktische Bestrahlung erwogen werden, weil sich der Kläger für eine operative Abklärung aufgrund der pulmonalen Erkrankung nicht eigne. Im Verlaufsbericht der Radiologischen Allianz vom 17. Februar 2017 hat sich gezeigt, dass der Querdurchmesser der pulmonalen Verdichtung im Rahmen pulmonaler Narbenzüge am Lungenapex links im Verlauf rückläufig gewesen ist. Sofern tatsächlich lediglich eine Antibiose durchgeführt worden sei, könnte dies nach Auffassung der behandelnden Ärzte in der Radiologischen Allianz für einen entzündlichen Prozess sprechen. Es lägen kein Rezidivtumorgeschehen im rechten Unterlappen oder neu aufgetretene pulmonale Herdbefunde vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Sitzungsniederschrift vom 27. Juni 2018 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) und auch im Übrigen zulässige Berufung, die insbesondere auch form- und fristgerecht eingelegt worden ist (§ 151 SGG), ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Lungenerkrankung als BK nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur BKV. Nach § 9 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheiten ursächlich waren oder sein können. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber mit Nr. 4104 der Anlage 1 zur BKV dahingehend Gebrauch gemacht, dass als Berufskrankheit ein Lungenkrebs in Verbindung mit Asbestose, in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachten Erkrankungen der Pleura oder bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren anerkannt wird.
Für die Anerkennung einer Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur BKV müsste bei dem Versicherten Lungenkrebs vorliegen, der durch Asbeststaub verursacht worden ist, dessen Einwirkung der Versicherte infolge seiner versicherten Tätigkeit ausgesetzt war. Dabei ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung erforderlich (BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 5/05 R, BSGE 96, 297). Die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß müssen im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (BSG, a.a.O.).
Ein Lungenkarzinom liegt bei dem Kläger nicht im Vollbeweis vor. Nach den Falkensteiner Empfehlungen (Empfehlung für die Begutachtung asbestbedingter Erkrankungen - Falkensteiner Empfehlung, S. 71) ist die Diagnose eines Lungenkarzinoms in der Regel histopathologisch zu stellen. Bei passenden klinischen und bildgebenden Befunden und einem entsprechenden Verlauf könnte auch eine rein zytologische Diagnostik ausreichend sein. Bei dem Kläger konnte die Raumforderung im rechten unteren Lungenlappen weder histologisch noch zytologisch gesichert werden. Es ergab sich lediglich im FDG-PET eine Mehranreicherung im betreffenden Gebiet der Lunge. Die Falkensteiner Empfehlungen verweisen auf die AWMF-S3 Leitlinie. In der entsprechenden Leitlinie Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms von Februar 2018 wird zur nuklearmedizinischen Diagnostik mittels FDG-PET ausgeführt, dass diese eine Sensitivität von 90 Prozent und eine Spezifität von 78 Prozent erreiche. Die Malignität von Herden mit über 10 mm Durchmesser werde mit einer Sensitivität von 96 Prozent erfasst. Limitationen der Dignitätsbeurteilung von Lungenherden mittels FDG-PET bestünden aufgrund der vermehrten Anreicherung von FDG in entzündlichen Veränderungen, wodurch die Spezifität der Methode reduziert werde. Diese Werte sind nicht ausreichend, um von einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ausgehen zu können, dass bei dem Kläger tatsächlich ein Lungenkrebs bestanden hat. Die Einschätzung der behandelnden Ärzte, die bei ihrer Therapieempfehlung auch das Ausmaß der Folgen einer möglicherweise zu Unrecht unterbliebenen Therapie berücksichtigen müssen, können einen Vollbeweis nicht ersetzen. Die Beweislast liegt allein beim Kläger. Aufgrund der erfolgten Strahlentherapie könnten erst dann neue Erkenntnisse erlangt werden, wenn die Raumforderung erneut progredient wäre, dies ist bislang nicht der Fall.
Während des Klageverfahrens wurde bei dem Kläger eine weitere Raumforderung festgestellt, und zwar im linken Lungenlappen. Ein Karzinom konnte wieder weder histologisch noch zytologisch nachgewiesen werden. Die Raumforderung zeigte sich im FDG-PET ebenfalls mit einer erhöhten Speicherung. Nach einer antibiotischen Therapie war die Raumforderung allerdings rückläufig, so dass nach den letzten vorliegenden Befunden von einem entzündlichen Prozess auszugehen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) (Lungenkrebs in Verbindung mit Asbestose, in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachten Erkrankungen der Pleura oder bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren).
Der am xxxxx 1951 geborene Kläger war während seiner beruflichen Tätigkeit nach den Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten einer kumulativen Asbestfaserstaubdosis von 1,2 und 2,7 Faserjahren ausgesetzt. Dr. S. diagnostizierte in einem lungenfachärztlichen Gutachten vom 7. Mai 2010 Asbeststaubinhalationsfolgen nach beruflicher Asbeststaubexposition. Es liege zudem eine als schwergradig einzuschätzende chronisch obstruktive Lungenerkrankung mit pulmonalem Emphysem vor, die als schädigungsunabhängig einzuschätzen sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage aufgrund der Folgen der Inhalation von Asbeststaub 0 v. H.
Mit Bescheid vom 21. Juni 2010 stellte die Beklagte eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4103 der Anlage 1 zur BKV (Asbeststaublungenerkrankung – Asbestose) fest. Ansprüche auf Leistungen wegen der Berufskrankheit bestünden nicht. Eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung mit pulmonalem Emphysem liege unabhängig von der Berufskrankheit vor. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2010 zurückgewiesen. Im hiergegen durchgeführten Klageverfahren erstattete der Arzt für Innere Medizin und Arbeitsmedizin, Lungen und Bronchialheilkunde und Umweltmedizin Dr. S1 am 30. Oktober 2010 ein Gutachten. Bei dem Kläger lägen asbestassoziierte Pleuraveränderungen beidseits im Sinne der BK Nr. 4103, eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung GOLD III mit ausgedehntem Lungenemphysem und ausgedehnte pleurale und intrapulmonale Residuen links vor. Lungenfunktionell finde sich eine von der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung abzugrenzende restriktive Ventilationsstörung. Letztere sei Folge der beschriebenen radiologischen Veränderungen in Projektion auf die linke Lunge. Angesichts der Hinweise in der Akte auf eine frühere Lungenentzündung und eine Tuberkulose ließen sich diese Veränderungen somit derzeit nicht eindeutig der Asbestbelastung zuordnen. Der Kläger nahm daraufhin in der mündlichen Verhandlung am 30. November 2012 die Klage zurück und stellte einen Antrag nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X).
Im Rahmen weiterer Ermittlungen wurde im Befundbericht der Radiologischen Allianz vom 27. Februar 2014 mitgeteilt, dass beim Kläger im Vergleich zur Voruntersuchung vom 6. März 2013 im rechten Unterlappen hilusnah ein dem Bronchus unmittelbar anliegender Herdbefund von 17 mm, solide und mit unscharfer Begrenzung und zarten strahligen Ausläufern bestehe. Dieser Befund habe in der Voruntersuchung noch 3 mm gemessen. Der Befund sei aufgrund seiner Entwicklung im Verlauf als tumorsuspekt zu werten und sollte weiter abgeklärt werden.
Die weitere Abklärung sollte in der L. erfolgen, die in einem vorläufigen Arztbrief vom 10. April 2014 ausführte, dass bei dem Kläger eine pulmonale Raumforderung im rechten zentralen Unterlappen mit einem radiologisch hochgradigen Verdacht auf ein Lungenkarzinom bestehe. Mittels Bronchoskopie und endobronchialem Ultraschall sei leider kein sicherer Gewebenachweis gelungen, so dass die Operabilität geprüft worden sei. Im CCT zeige sich ein unauffälliger Befund. In der Spiroergometrie zeige sich eine eingeschränkte Operabilität, so dass nach der interdisziplinären Konferenz von Seiten der Chirurgen eine Perfusionsszintigraphie erforderlich geworden sei. Dabei habe sich eine bessere Durchblutung auf der zu operierenden Seite gezeigt, so dass unverändert ein erhöhtes Operationsrisiko bestehe. Um alle Möglichkeiten der nicht-invasiven Diagnostik auszuschöpfen und bei vermutlich bestehender Inoperabilität des Patienten sei eine PET-CT Untersuchung angemeldet worden.
Dr. I. und Dr. W. erstatteten am 11. April 2014 ein internistisch-pneumologisches Gutachten. Es bestünden der Verdacht auf ein Bronchialkarzinom im rechten Unterlappen hilusnah mit Verdacht auf das Vorliegen einer BK Nr. 4104 (bei bislang ausstehendem histologischem Nachweis, entsprechende Untersuchungen seien eingeleitet worden), eine Pleuritis calcarea mit einem Mischbild aus asbestassoziierten Pleuraveränderungen beidseits im Sinne einer BK Nr. 4103 linksseitig überlagert durch ausgedehnte pleurale und auch intrapulmonale postspezifische Residuen, am ehesten als Folge einer inapparent durchgemachten Lungentuberkulose, eine COPD III° Gruppe D nach GOLD mit ausgedehntem Lungenemphysem, vorbefundlich eine leicht- bis mittelgradige Instabilität des linken Hauptbronchus, eine durchgemachte Mittellappenpneumonie 4/2013, ein Zustand nach Unterlappenpneumonie rechts 1995 und ein anhaltendes Inhalationsrauchen. Es bestehe in der Verlaufsbeurteilung im Rahmen der aktuellen Begutachtung der Verdacht auf ein rechtshiläres Bonchialkarzinom. Der Befund müsse in Würdigung der unstrittigen Asbestose als BK Nr. 4104 bei entsprechender Bestätigung des Verdachts durch eingeleitete histologische Untersuchungen bewertet werden, wenngleich der Patient langjähriger Inhalationsraucher sei. In den vorliegenden Gutachten sei der medizinisch-funktionelle Anteil der berufsbedingten Krankheitserscheinungen an der MdE mit 0 v. H. beziffert worden, dies werde insbesondere im letzten Gutachten von Dr. S1 trotz vorliegender restriktiver Komponente der Ventilationsstörung eingehend differenziert begründet. Ein wesentlich neuer Aspekt ergebe sich aus dem jetzt bestehenden Verdacht auf das Vorliegen eines Bronchialkarzinoms. Soweit sich die diesbezügliche radiologische Vermutung histologisch bestätige, sei ab Datum der Computertomografie desThorax (CT) vom 11. Februar 2014 abhängig vom Ergebnis der jetzt eingeleiteten Untersuchungen in der Lungenklinik bei Nachweis eines Lungenkarzinoms im Sinne einer BK Nr. 4104 abhängig vom Tumorstadium nach UICC gemäß Falkensteiner Tabelle eine MdE von 80 bis 100 v. H. abhängig vom Tumorstadium in den nächsten 5 Jahren anzusetzen.
Im Befundbericht des P. Zentrum H. vom 22. April 2014 wurde ausgeführt, dass im F18-FDG-PET/CT vom 17. April 2014 der pulmonale Herd zentral im rechten Lungenunterlappen eine intensive Anreicherung des Radiopharmakons zeige. Unter Berücksichtigung der erheblichen Größenzunahme in der CT innerhalb der letzten 12 Monate sei von einem primären bronchopulmonalen Karzinom auszugehen. Es zeige sich eine fragliche pleurale Infiltration im großen Interlob.
Dr. S1 führte in einer Stellungnahme vom 23. Mai 2014 aus, dass derzeit der Vollbeweis für das Vorliegen eines primären Bronchialkarzinoms noch nicht vorliege. Zu fordern sei eine histologische Sicherung. Das FDG-PET habe eine Sensitivität von 90 Prozent, die Spezifizität liege hingegen bei 78 Prozent.
In einem Befundbericht der L. vom 25. April 2014 gab diese das Tumorstadium nach dem PET-CT mit cT1b NO M0 an. Aufgrund der eingeschränkten Lungenfunktionsreserven und in Würdigung des Lungenperfusionsszintigramms sei eine chirurgische Intervention mit einem unvertretbar hohen Risiko verbunden. Daher werde eine Strahlentherapie avisiert. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 19. Juni 2014 gab die L. an, dass die Diagnose Lungenkrebs bei dem Kläger bisher nicht zytologisch oder histologisch gesichert sei. In Würdigung der bildgebenden Verfahren würden sie aber von einem Lungenkarzinom auf der rechten Seite ausgehen.
Der Beratungsarzt der Beklagten, Dr. D. (Lungen- und Bronchialheilkunde) vertrat in einer Stellungnahme vom 25. Juni 2014 die Ansicht, dass noch kein Vollbeweis für das Vorliegen eines primären Bronchialkarzinoms vorliege. Die Spezifität eines PET liege bei 78 Prozent. In diesem Fall könne es sich – wie offenbar bereits 2013 – um einen infektiösen Prozess handeln, eine Tuberkulose sei nicht ausgeschlossen, obwohl wenig wahrscheinlich. In Anbetracht des schlechten Gesundheitszustands seien weitere eingehende Untersuchungen wohl nicht möglich.
Im CT des Thorax vom 14. Juli 2014 zeigte sich nach der Radiotherapie bis zum 30. Mai 2014 eine Regredienz des Herdbefundes von vorher 1,8 auf 1,2 cm. Es lagen keine neuen Herdbefunde vor.
Mit Bescheid vom 15. Juli 2014 stellte die Beklagte fest, dass die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Lungenerkrankung als BK nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur BKV nicht erfüllt seien. Die Erkrankung Lungenkrebs sei nicht vollbeweislich gesichert. Eine feingewebliche Untersuchung des Lungengewebes zur Feststellung, dass ein Lungenkrebs vorliege und dieser dort entstanden sei, sei daher unabdingbar. Die bisherigen Untersuchungen hätten den Verdacht auf eine Lungenkrebserkrankung zwar bekräftigt, ein histologischer oder zytologischer Nachweis eines primären Lungenkrebses habe aber nicht erbracht werden können.
Der Bevollmächtigte des Klägers legte gegen den Bescheid am 30. Juli 2014 Widerspruch ein. Der Kläger habe sich mehrere Monate in einer Chemotherapie wegen seines Lungenkrebses befunden.
Die L. berichtete der Beklagten am 24. September 2014, dass eine Probenentnahme sowohl aus dem Herdbefund als auch aus mediastinalen und rechtshilären Lymphknoten erfolgt sei, die jedoch nicht diagnostisch gewesen sei. Eine histologische Diagnosesicherung wäre somit nur durch einen thoraxchirurgischen Eingriff erreichbar gewesen, dieser habe sich jedoch aufgrund der eingeschränkten funktionellen Reserven des Patienten verboten. Weitere Untersuchungen zur Beweissicherung erschienen wegen des hohen Operationsrisikos nicht vertretbar. Die Wahrscheinlichkeit, dass aufgrund des PET-CT´s ein bronchopulmonales Carcinom vorliege, sei aufgrund der Größenzunahme in kurzer Zeit und der deutlichen FDG-Mehrspeicherung als hoch anzusehen.
Dr. W. gab mit Stellungnahme vom 4. Oktober 2014 gegenüber der Beklagten an, dass sich nach den Falkensteiner Empfehlungen ein Tumorstadium IA ergebe. Es werde eine MdE von 80 Prozent unter einer Heilungsbewährung von 5 Jahren vorgeschlagen. Es liege der Nachweis einer tumorsuspekten Läsion im rechten Unterlappen vor, die in Würdigung der Gesamtkonstellation die Kriterien einer BK 4104 erfülle, wobei ein histologischer Nachweis infolge der funktionell eingeschränkten Operabilität nicht zu erbringen sei. Da die Läsion mittlerweile bestrahlt und somit potentiell kurativ behandelt worden sei, sei mit einem solchen Nachweis nur dann noch zu rechnen, wenn es zu einer erneuten Tumorprogression kommen sollte.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2015 zurück. Ein Primärtumor der Lunge sei nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis, also mit dem Grad der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Allein der Bildbefund sei hierfür nicht ausreichend. Den Falkensteiner Empfehlungen folgend sei es erforderlich, den Primärtumor der Lunge durch histologische bzw. zytologische Diagnostik zu sichern. Die von der L. verschiedentlich durchgeführten bronchoskopischen Probenentnahmen aus dem Herdbefund und den mediastinalen und rechtshilären Lymphknoten mit zytologischer Befundung hätten keinen gesicherten Nachweis eines bösartigen Tumorgeschehens erbracht. Eine histologische Diagnosesicherung durch thoraxchirurgischen Eingriff sei wegen des erhöhten Operationsrisikos bei berufsunabhängig bestehenden eingeschränkten Lungenreserven nicht vertretbar.
Der Bevollmächtigte des Klägers hat am 16. Februar 2015 Klage erhoben. Bei dem Kläger habe auf der rechten Seite ein Lungenkarzinom vorgelegen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch die Beklagte der Auffassung sei, dass ein thoraxchirurgischer Eingriff beim Kläger medizinisch nicht zu verantworten sei, sei er der Auffassung, dass ihm die Möglichkeit gegeben werden müsse, auf anderem Wege den notwendigen Beweis zu führen. Aufgrund des beruflichen Werdegangs des Klägers und der bereits anerkannten Asbestose komme ernsthaft keine andere Diagnose als die eines Lungenkarzinoms in Betracht. Der Kläger hat den Befundbericht der Radiologischen Allianz vom 24. Mai 2016 zur Akte gereicht. Im CT ergebe sich ein stabiler Befund. Ausgedehnte Veränderungen bestünden im Rahmen der bekannten pleuralen Asbestose. Es liege kein neu aufgetretener pulmonaler Herd und kein aktuell entzündliches Gewebe vor.
Die Beklagte hat sich weiterhin darauf berufen, dass ein Bronchialkarzinom weder zytologisch noch histologisch gesichert sei. Des Weiteren hat sie ein Gutachten von Dr. I. und Dr. W. vom 4. Oktober 2016 übersandt, die ausführen, dass sich im P. vom 5. Dezember 2016 ein hochgradiger malignitätsverdächtiger Herdbefund im apikalen Lungenoberlappen links zeige. Eine sichere Differenzierung zwischen pulmonalem und pleuralem Ursprung sei nicht möglich. Nach stereodaktischer Radiotherapie des bronchialkarzinom-typischen Befundes im rechten Unterlappen lägen aktuell keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein Rezidiv vor. Aus der aktuellen radioonkologischen Nachsorge resultiere der Verdacht auf ein bronchopulmonales Zweitkarzinom im linken Oberlappen möglicherweise einem Narbenkarzinom. Es sollte ein erneuter Versuch einer Histologiegewinnung durch Bronchoskopie erfolgen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht Hamburg die Klage mit Gerichtsbescheid vom 7. September 2017 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Feststellung einer BK nach der Nr. 4104 der Anlage 1 zur BKV. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger an einer dort genannten Lungenkrebserkrankung leide, da diese bisher nicht im Vollbeweis festgestellt sei. Eine Krankheit könne nur als BK anerkannt werden, wenn diese im Vollbeweis gesichert sei; das wahrscheinliche oder mögliche Vorliegen einer Erkrankung reiche nicht aus, um einen Berufskrankheitentatbestand zu erfüllen. Der "klinische" und möglicherweise "röntgenologische" Verdacht auf ein Lungenkarzinom stelle aber nicht den erforderlichen juristischen Vollbeweis der Erkrankung dar, wie es das Berufskrankheitenrecht erfordere. Die ärztliche Vermutung der Gutachter und des Klägers ersetze insoweit nicht den histologisch bzw. zytologisch zu erbringenden Vollbeweis des Vorliegens der Tumorerkrankung.
Der Bevollmächtigte des Klägers hat gegen den ihm am 21. September 2017 zugestellten Gerichtsbescheid am Montag, den 23. Oktober 2017 Berufung eingelegt. In Anbetracht der Tatsache, dass mehrere Ärzte und Gutachter das Vorliegen eines Karzinoms beim Kläger diagnostiziert hätten und dass der Kläger einer monatelangen Strahlentherapie unterzogen worden sei, hätte das Gericht zu dem Ergebnis kommen müssen, dass tatsächlich ein Lungenkarzinom vorliege. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass beim Kläger eine histologische oder zytologische Beweissicherung von ärztlicher Seite aus für nicht verantwortbar gehalten worden sei, hätten die ärztlichen Diagnosen im Rahmen der Beweiswürdigung besonders berücksichtigt werden müssen.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 7. September 2017 sowie den Bescheid vom 15. Juli 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Januar 2015 aufzuheben und festzustellen, dass die Lungenerkrankung beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass ein Bronchialkarzinom bislang weder zytologisch noch histologisch habe bestätigt werden können. Auch wenn die übrigen Befunde für einen Lungenkrebs sprechen würden, liege der Vollbeweis, wie er in den Falkensteiner Empfehlungen gefordert werde, nicht vor.
Die Beklagte hat weitere medizinische Befunde übersandt. Der Kläger hat sich vom 16. bis 22. Dezember 2016 in stationärer Behandlung in der L. befunden. Der Kläger sei zur Abklärung einer neuen Raumforderung im linken Oberlappen bei Zustand nach stereotaktischer Bestrahlung einer ungesichert, hochgradig tumorverdächtigen Läsion des rechten Unterlappens aufgenommen worden. Bronchoskopisch lasse sich aufgrund der peripheren Lage der Befund im linken Oberlappen nicht sichern. Jedoch zeige sich eine ausgeprägte eitrige Hypersekretion. Es sei daher eine antibiotische Therapie begonnen worden. Nach Besprechung in der Tumorkonferenz sei zunächst eine CT-Kontrolle Mitte Februar empfohlen worden. Bei Persistenz oder Progredienz sollte eine stereotaktische Bestrahlung erwogen werden, weil sich der Kläger für eine operative Abklärung aufgrund der pulmonalen Erkrankung nicht eigne. Im Verlaufsbericht der Radiologischen Allianz vom 17. Februar 2017 hat sich gezeigt, dass der Querdurchmesser der pulmonalen Verdichtung im Rahmen pulmonaler Narbenzüge am Lungenapex links im Verlauf rückläufig gewesen ist. Sofern tatsächlich lediglich eine Antibiose durchgeführt worden sei, könnte dies nach Auffassung der behandelnden Ärzte in der Radiologischen Allianz für einen entzündlichen Prozess sprechen. Es lägen kein Rezidivtumorgeschehen im rechten Unterlappen oder neu aufgetretene pulmonale Herdbefunde vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Sitzungsniederschrift vom 27. Juni 2018 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) und auch im Übrigen zulässige Berufung, die insbesondere auch form- und fristgerecht eingelegt worden ist (§ 151 SGG), ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Lungenerkrankung als BK nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur BKV. Nach § 9 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheiten ursächlich waren oder sein können. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber mit Nr. 4104 der Anlage 1 zur BKV dahingehend Gebrauch gemacht, dass als Berufskrankheit ein Lungenkrebs in Verbindung mit Asbestose, in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachten Erkrankungen der Pleura oder bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren anerkannt wird.
Für die Anerkennung einer Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur BKV müsste bei dem Versicherten Lungenkrebs vorliegen, der durch Asbeststaub verursacht worden ist, dessen Einwirkung der Versicherte infolge seiner versicherten Tätigkeit ausgesetzt war. Dabei ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung erforderlich (BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 5/05 R, BSGE 96, 297). Die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß müssen im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (BSG, a.a.O.).
Ein Lungenkarzinom liegt bei dem Kläger nicht im Vollbeweis vor. Nach den Falkensteiner Empfehlungen (Empfehlung für die Begutachtung asbestbedingter Erkrankungen - Falkensteiner Empfehlung, S. 71) ist die Diagnose eines Lungenkarzinoms in der Regel histopathologisch zu stellen. Bei passenden klinischen und bildgebenden Befunden und einem entsprechenden Verlauf könnte auch eine rein zytologische Diagnostik ausreichend sein. Bei dem Kläger konnte die Raumforderung im rechten unteren Lungenlappen weder histologisch noch zytologisch gesichert werden. Es ergab sich lediglich im FDG-PET eine Mehranreicherung im betreffenden Gebiet der Lunge. Die Falkensteiner Empfehlungen verweisen auf die AWMF-S3 Leitlinie. In der entsprechenden Leitlinie Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms von Februar 2018 wird zur nuklearmedizinischen Diagnostik mittels FDG-PET ausgeführt, dass diese eine Sensitivität von 90 Prozent und eine Spezifität von 78 Prozent erreiche. Die Malignität von Herden mit über 10 mm Durchmesser werde mit einer Sensitivität von 96 Prozent erfasst. Limitationen der Dignitätsbeurteilung von Lungenherden mittels FDG-PET bestünden aufgrund der vermehrten Anreicherung von FDG in entzündlichen Veränderungen, wodurch die Spezifität der Methode reduziert werde. Diese Werte sind nicht ausreichend, um von einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ausgehen zu können, dass bei dem Kläger tatsächlich ein Lungenkrebs bestanden hat. Die Einschätzung der behandelnden Ärzte, die bei ihrer Therapieempfehlung auch das Ausmaß der Folgen einer möglicherweise zu Unrecht unterbliebenen Therapie berücksichtigen müssen, können einen Vollbeweis nicht ersetzen. Die Beweislast liegt allein beim Kläger. Aufgrund der erfolgten Strahlentherapie könnten erst dann neue Erkenntnisse erlangt werden, wenn die Raumforderung erneut progredient wäre, dies ist bislang nicht der Fall.
Während des Klageverfahrens wurde bei dem Kläger eine weitere Raumforderung festgestellt, und zwar im linken Lungenlappen. Ein Karzinom konnte wieder weder histologisch noch zytologisch nachgewiesen werden. Die Raumforderung zeigte sich im FDG-PET ebenfalls mit einer erhöhten Speicherung. Nach einer antibiotischen Therapie war die Raumforderung allerdings rückläufig, so dass nach den letzten vorliegenden Befunden von einem entzündlichen Prozess auszugehen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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