L 1 RA 268/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 RA 28/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 RA 268/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 8. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob beim Kläger für Beschäftigungszeiten im Beitrittsgebiet vom 03.04.1962 bis 02.03. 1984 die Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach dem AAÜG festzustellen (§ 8 Abs. 1 AAÜG) und ihm eine entsprechende Mitteilung zu erteilen ist (§ 8 Abs. 2 AAÜG).

Der 1937 geborene und im März 1984 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelte Kläger macht als Pflichtbeitragszeiten seine Tätigkeiten als Diplomingenieur bei der VEB Zentrale Entwicklung und Konstruktion (ZEK) Dieselmotoren (03.04.1962 bis 30.01.1964), bei der VEB Industriewerke L. , VEB I. Automobilwerke (03.02.1964 bis 20.03.1966), bei der I. GmbH, Deutsche Warenkontrollgesellschaft (28.03.1966 bis 31.03.1967) und bei der S. VEB Zementanlagenbau D. bzw. M. (03.04.1967 bis 02.03.1984) geltend.

Die Beklagte als Zusatzversorgungsträger lehnte den am 01.03. 2002 bei der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken gestellten Antrag mit Bescheid vom 29.05.2002 ab. Eine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 AAÜG zu dem Zusatzversorgungssystem der Technischen Intelligenz sei nicht entstanden. Weder habe eine positive Versorgungszusage (Anwartschaft) zu Zeiten der DDR vorgelegen, noch sei vom Kläger am 30.06.1990 (Schließung der Zusatzversorgungssysteme) eine Beschäftigung ausgeübt worden, die aus bundesrechtlicher Sicht dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre. Das AAÜG sei nicht anwendbar (Urteil des BSG vom 09.04. 2002, Az: B 4 RA 36/01 R und vom 10.04.2002, Az: B 4 RA 31/01 R und B 4 RA 34/01 R). Den im Wesentlichen damit begründeten Widerspruch des Klägers, dass er für die Ausbürgerung aus der DDR im Jahre 1984 jetzt nachträglich bestraft werde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2002 zurück. Der Kläger habe im Juni 1990 keine Beschäftigung mehr im Beitrittsgebiet ausgeübt. Damit sei er auch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) oder einem gleichgestellten Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung vom 24.05.1951 beschäftigt gewesen. Nur eine bundesrechtskonforme Auslegung, die aber erst für den Zeitraum ab Schließung der Versorgungssysteme (Stichtag) erfolgen könne, könnte dazu führen, dass trotz des Verbots der Neueinbeziehung, welches bereits die DDR erlassen habe, auch die Personen bundesrechtliche Versorgungsanwartschaften erwerben würden, die aufgrund der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage bereits einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt haben.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und seinen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung in das Zusatzsystem "Altersversorgung der Technischen Intelligenz" erneut damit begründet, daß er Tätigkeiten in verschiedenen volkseigenen Betrieben jeweils seiner Ausbildung entsprechend als Diplom-Ingenieur verrichtet habe und deswegen zu dem Perso-nenkreis gehöre, für den dieses Zusatzversorgungssystem ursprünglich vorgesehen gewesen sei. Die Argumentation der Beklagten, dass nur derjenige Anspruch auf Zusatzversorgung habe, der bis zum letzten Tag dieses Versorgungssystems die dafür vorausgesetzte Tätigkeit ausgeübt habe (Stichtagsregelung 30.06.1990) sei eine Fehlinterpretation, die weder nach dem Inhalt noch nach der Formulierung des Gesetzes einer genauen juristischen Prüfung standhalte.

Durch Urteil vom 8. Oktober 2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gälten Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden sei, als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung. §§ 8, 5 AAÜG seien jedoch im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil der Kläger nicht vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG im Sinne des § 1 AAÜG erfasst sei. Am 01.08.1991 (AAÜG vom 25.07.1991 in Kraft ab 01.08.1991) habe eine "Zugehörigkeit" zu einem Versorgungssystem grundsätzlich nur bestanden, wenn jemand durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakt (im bundesrechtlichen Sinn) der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitatierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EV (wieder) in ein Versorgungssystem eingezogen worden war. Der EV (Art. 19 Abs. 2 i.V.m. Anl. II Kap. VIII Sachgebiet H Abschn. III Nr. 9, Sammlung Schenk, S. 121 unter Randnr. 5) habe Neueinbeziehungen ab 03.10.1990 aus-drücklich untersagt (a.a.O. Nr. 9 Buchst.a S. 1). Die Anordnung, bis zum 31.12.1991 "die leistungsrechtlichen Regelungen der jeweiligen Versorgungssysteme weiter anzuwenden", habe sich daher grundsätzlich nur auf Personen bezogen, die am Tag vor dem 01.07.1990 in ein Versorgungssystem konkret einbezogen waren (stRspr BSGE 72, 50, 61 ff. = SozR 3 8570 § 10 Nr. 1), zudem auf solche, die an diesem Stichtag in eine Versorgungsanwartschaft im Sinne von EinigVtr Nr. 9 ohne spezifische Versorgungszusage einbezogen waren, weil in dem System ein besonderer Akt der Einbeziehung nicht vorgesehen war (BSG SozR 3 8120 Kap. VIII H III Nr. 9, dort Nr. 2). Unter anderem deswegen sei § 1 Abs. 1 AAÜG verfassungskonform ausdehnend so auszulegen, dass eine Zugehörigkeit bei am 30.06.1990 Nichteinbezogenen auch dann bestehe, wenn jemand aufgrund der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage nach der am 01.08.1991 gegebenen bundesrechtlichen Rechtslage einen "Anspruch auf Versorgungszusage " nach den bundesrechtlichen leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme gehabt hätte.

Es stehe aber fest, dass der Kläger am 01.08.1991 keine Versorgungsanwartschaft aufgrund einer "Zugehörigkeit" zum Versorgungssystem der Altersversorgung der Technischen Intelligenz innehatte. Dass der Kläger zum Zeitpunkt seiner Flucht im Jahre 1984 zum Arbeitgeber in einem unqekündiqten Arbeitsverhältnis gestanden habe, sei für die streitentscheidende Frage, ob er nach bundesrechtlichen Regeln einen Anspruch bzw. eine Anwartschaft auf eine Zusatzversorgung hatte, nicht maßgeblich. Dies ergebe sich im Umkehrschluss aus § 2 Abs. 1 der 2. Durchführungsbestimmung vom 24.05.1951, die als bundesrechtliche Regelung anwendbar und der zu entnehmen sei, dass der Anspruch auf Zusatzversorgung gemäß der Altersversorgung der Technischen Intelligenz von einem Anstellungsverhältnis zu einem volkseigenen oder ihm gleichgestellten Betrieb im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls abhängig sei.

Der Kläger sei auch nicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst, denn er sei nie vor dem 30.06.1990 in der DDR nach den damaligen Gegebenheiten in ein Versorgungssystem einbezogen gewesen. Nur in diesen Fällen fingiere § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, dass der Verlust nicht eingetreten sei, also die Unmaßgeblichkeit der Versorgungsrege-lungen über das Ausscheiden aus dem Versorgungssystem.

Hiergegen hat der Kläger am 29.12.2003 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und auf seine Argumentation im Klageverfahren verwiesen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 8. Oktober 2003 sowie des Bescheides vom 29.05.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.12.2002 zu verurteilen, die Zeit vom 03.04.1962 bis 02.03.1984 als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der Technischen Intelligenz und die dabei erzielten tatsächlichen Verdienste festzustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf ihren bisherigen Sachvortrag.

Auf den Inhalt der Akten beider Instanzen und der Beklagten sowie der Einheitsakte der BfA wird wegen Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nicht auf eine Sozialleistung gerichtete Berufung ist statthaft und zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in der Fassung des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.01.1993, BGBl. I, 50). Sie ist insbesondere auch fristgemäß eingelegt (§§ 151 Abs. 1, 153 Abs. 1, 87 Abs. 1 Satz 2, 66 Abs. 2 SGG). In der Sache hat das Rechtsmittel aber keinen Erfolg.

Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) durchsetzbaren Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz vom 03.04.1962 bis 02.03.1984 als er als Konstrukteur, stellvertretender Gruppenleiter, Gruppenleiter beim VEB S. M. , Zweigstelle D. , beschäftigt war. Er hat damit auch keinen Anspruch auf Feststellung der in diesem Zeitraum erzielten Entgelte (§§ 5 bis 8 AAÜG). Er erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 1 AAÜG und fällt nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG. Das ist nur der Fall, wenn der Betroffene zum 01.08.1991 einen Versorgungs-anspruch oder eine Versorgungsanwartschaft iS des § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG oder eine nach S. 2 a.a.O. fingierte Versorgungsanwartschaft hatte (Weiterführung von BSG vom 29.07.1997 - 4 RA 60/96 mit Urteil vom 20. Dezember 2001, Az: B 4 RA 6/01 R) bzw. die Gleichstellung mit einer fingierten Anwartschaft nach der Rechtsprechung des BSG gerechtfertigt ist (vgl. Urteile des BSG vom 9. April 2002).

Damit ist auch § 8 AAÜG - wie alle Normen dieses Gesetzes - nicht anwendbar, ebensowenig sind §§ 5 ff AAÜG im Einzelnen zu prüfen.

Wegen der einzelnen Möglichkeiten einer Zugehörigkeit zum AAÜG und deren Verneinung wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung des SG Bezug genommen und bis auf das Folgende von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§§ 153 Abs.2, 136 Abs. 3 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege).

Hervorzuheben ist nochmals der Ausgangspunkt der erweiternden Rechtsprechung des BSG zum fiktiven bundesrechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Zusage (zuletzt Urteile des BSG 18.12.2003, Az: B 4 RA 18/03 R und B 4 RA 20/03 R, zuvor vom 09. und 10.04. 2002, SozR 3-8570 § 1 Nr. 2 S. 12 f, Nr. 3 S. 20, Nr. 4 S. 26 f, Nr. 5 S. 32, Nr. 6 S. 39, Nr. 7 S. 51 f, Nr. 8 S. 73). Danach hätte ein Widerspruch in einer nach den bundesrechtlichen Kriterien des Art. 3 Abs. 1 GG sachlich nicht zu rechtfertigenden, DDR-Willkür in bundesrechtlichen Maßstabsnormen fortführenden, Unterscheidung bei Nichteinbezogenen bestanden. Es wäre nicht einzusehen, dass am 30.06.1990 nicht Zugehörige, die früher einmal einbezogen waren, aber ohne rechtswidrigen Akt der DDR nach den Regeln der Versorgungssysteme ausgeschieden waren, nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG anders behandelt werden (fiktive einbeziehung) als am 30.06.1990 Nichteinbezogene, welche nach den Regeln zwar alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatten, aber aus in den Verhältnissen DDR liegenden Gründen formell nicht einbezogen waren. Insoweit ist auch die gleiche Rechtsfolge anzunehmen wie bei ehemals Einbezogenen, die diesen Status durch rechtsstaatswidriges Verhalten der DDR verloren haben. Denn schon nach Artikel 19 Abs. 1 Satz 2,3 i.V.m. Art. 17 EV sind rechts-widriger Verwaltungsakte der DDR unbeachtlich. Ebenso kann die Einbeziehung auf Grund einer förmlichen Rehabilitierungsentscheidung geschehen (Art. 17 EV).

Unbestritten war der Kläger im Einzelfall (Versorgungszusage, Einzelentscheidung bzw. Einzelvertrag) nicht in die AVItech integriert. Damit hat er durch das Verlassen der DDR auch keine Anwartschaft nach den Regeln der Versorgungssysteme verloren. Nur in diesen Fällen fingiert § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG nach seinem klaren Wortlaut, der Verlust sei nicht eingetreten, also die Unmaßgeblichkeit der Versorgungsregelungen über das Ausscheiden aus dem Versorgungssystem (und damit einen Unterfall des Satzes 1 a.a.O.). Dadurch wird ein Nichteinbezogener auf Grund einer vor dem 30. Juni 1990 gemäß den damaligen Regelungen - also nicht durch rechtswidrigen Akt der DDR - erloschenen Einbeziehung so gestellt, als sei er einbezogen geblieben.

Der Kläger gehört aber auch nicht zu der durch verfassungsgemäße Auslegung von der Rechtsprechung entwickelten Gruppe von Betroffenen, die nach der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage auf Grund der zu Bundesrecht gewordenen zwingenden Bestimmungen der Versorgungssysteme einen Anspruch auf Einbeziehung haben müssen (s.o.). Versorgungsanwartschaften sind danach aus der Perspek-tive des am 1. August 1991 in Kraft getretenen AAÜG (Art 3 RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I S. 1606) "Erworben worden", wenn die Nichteinbezogenen rückschauend nach den Regeln der Versorgungssysteme, soweit diese aufgrund des EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 am 3. Oktober 1990 zu Bundesrecht geworden sind, praktisch und rechtsgrundsätzlich im Re-gelfall am 30. Juni 1990 (vgl. EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8, § 22 Rentenangleichungsgesetz vom 28. Juni 1990, GBl. I S. 495) hätten einbezogen werden müssen. Ob dies vorliegt, bestimmt sich zum einen nach den Regelungen der Versorgungssysteme selbst, soweit sie Bundesrecht geworden sind (obligatorisch i.S. einer "gebundenen Verwaltung" in den Kreis der Versorgungsberechtigten Einzubeziehende) sowie nach dem Vorliegen dieses Status im Zeitpunkt der Geltung von Bundesrecht bzw. der Schließung der Systeme.

Nach diesen beiden wesentlichen Aspekten stand dem Kläger am 30.06.1990 keine einzubeziehende Anwartschaft zu. Es unterliegt zwar keinerlei Zweifel, dass der Kläger zu dem Personenkreis gehört, der obligatorisch in die Versorgung der technischen Intelligenz einzubeziehen gewesen wäre (AVItech), in Verbindung mit der nach § 5 a.a.O. erlassenen Zweiten Durchführungsbestim-mung vom 24. Mai 1951 (GBl DDR S. 487) und § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom 12. April 1962, GBl DDR II S 278). Ebenso wenig ist bestritten, dass der Kläger bis zu seiner Übersiedelung nach Westdeutschland im Jahre 1984 in einem Betrieb beschäftigt war, der die Einbeziehung in das Versorgungssystem vorgesehen hat (VEB) und dass er tatsächlich den von der Versorgungsordnung erfassten Beruf ausgeübt hat.

Diese beim Kläger bis zum 02.03.1984 bestehende Option auf die Erstarkung zu einer Anwartschaft i.S. des AAÜG ist sowohl wegen der Aufgabe des Beschäftigungsverhältnisses im Beitrittsgebiet entfallen, als sie auch am 30.06.1990 nicht wieder vorgelegen war und keinesfalls durch einen Arbeitsverhältnis in der Bundesrepublik ersetzt werden kann. Dieses Ergebnis ist eine Folge der vom Gesetzgeber letztlich im Einigungsvertrag so getroffenen und von den Vertragspartnern so ausgehandelten Überführungsprogramms. Weder haben diese Regelungen die Zielsetzung, Personen wegen "Republikflucht" zu bestrafen noch handelt es sich um einen willkürlich herausgegriffenen Stichtag, um fi-nanzielle Lasten von der Rentenversicherung abzuwenden.

Das Begehren zahlreicher Kläger, in diesem Zusammenhang bundesrechtliche Gleichbehandlungsgrundsätze anzuwenden, die zu einem Abweichen von dem durch ein Willkürregime geprägten "Normalverhalten" der DDR im Bereich der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme führen würden, geht schon deshalb ins Leere, weil der EV nur die Übernahme damals bestehender Versorgungsansprüche und Versorgungsanwartschaften von Einbezogenen in das Bundesrecht versprochen und Neueinbeziehungen ausdrücklich verboten hat (§ 22 Abs. 1 RAnglG als Bundesrecht und EV Anlage II, Sachgebiet H, Abschnitt III, Nr. 9a). Diese Vorschriften sind in sich verfassungsgemäß, weil der Bundesgesetzgeber selbst an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung dieser Versorgungssysteme in der DDR ohne Willkürverstoß anknüpfen durfte. Art. 3 Abs. 1 und 3 GG gebietet nicht, von jenen historischen Fakten, aus denen sich die vorgetragenen Ungleichheiten ergeben, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen. Die Begünstigung der damals Einbezogenen hat der Deutsche Bundestag als ein Teilergebnis der Verhandlungen im EV angesichts der historischen Be-dingungen hinnehmen dürfen (vgl. BVerfGE 100, 138, 190 f). Er hat in § 1 Abs. 1 AAÜG in begrenztem Umfang DDR-Willkür - wie aufgezeigt - ausgeschaltet. Zu einer Totalrevision des mit Beginn des 31. Dezember 1991 in das Rentenversicherungsrecht des Beitrittsgebiets überführten aus der DDR stammenden Versorgungsrechts und insbesondere dessen willkürlicher Handhabung war er schon deswegen nicht verpflichtet, weil er diesen gesamten Rechtsbereich ab 1. Januar 1992 einem rechtsstaatlichen Grundsätzen im Wesentlichen genügenden Gesetz, dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch, unterstellt hat.

Im übrigen hat derjenige, der in der DDR keinen Versicherungsschein über die Einbeziehung in die AVItech erhalten hatte, keine nach deren Recht damals gesicherte Aussicht, im Versorgungsfall Versorgungsleistungen zu erhalten, die er hätte i.S. von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG verlieren können. Es gab also niemals den Zeitpunkt, in dem die DDR sich nach ihren Gegebenheiten normalerweise hätte gehalten gesehen, ihm etwas im Versorgungsfall zu leisten; Regeln, die wie § 2 Abs. 1 der 2. DB vorsahen, dass die vorgesehene Altersversorgung dem Begünstigten nur gewährt wird, wenn er sich auch im Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles in einem Anstellungsverhältnis zu einem volkseigenen oder ihm gleichgestellten Betrieb befindet, hätten für den Kläger damals keine Bedeutung gehabt, weil er nach dem Normalzustand in der DDR mangels im Versicherungsschein dokumentierter Zugehörigkeit zur AVItech sich ohnehin nicht auf Versorgungsleistungen hätte verlassen können. D.h. auch bei Weiterbestehen der DDR hätte der Kläger keine zusätzliche Al-tersversorgung erlangt.

Soweit der Kläger unter Anführung des Urteils vom 24.03.1998 (B 4 RA 27/97 R) die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nicht notwendig davon abhängig sieht, ob und wann in der DDR eine Versorgungszusage erteilt worden sei, verkennt er die dort zugrundeliegende Fallgestaltung. Die genannten Entscheidung - sowie weitere Urteile vom 30.06.1998 (B 4 RA 94/97 R und B 4 RA 11/97 R) - betreffen ausschließlich Fragestellungen nach § 5 AAÜG, bei denen zunächst grundsätzlich die personelle Einbeziehung in das AAÜG durch formale Versorgungszusagen gegeben war. Strittig waren lediglich Zeiträume vor diese Zusage. So hat der Kläger im Urteil vom 24.03.1998 mit dem Az: B 4 RA 27/97 R damit argumentiert, dass er zu denjenigen Personengruppen gehöre, die aufgrund ihrer Ausbildung und Tätigkeit einen Anspruch auf Zusatzversorgung hatten, auch wenn dessen Dokumentation erst später erfolgt sei. Ihm wurde nämlich im November 1974 auf Antrag des Direktors des Forschungszentrums von der Regierung der DDR eine Zusage über eine zusätzliche Altersver-sorgung erteilt (Urkunde vom 5. November 1974). Darin hies es, die Urkunde sei "gültig ab 01.10.1974", Leistungen würden entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen der Verordnung über die Altersversorgung der Intelligenz (AVI) von der Staatlichen Versicherung der DDR gewährt werden. In einem weiteren Fall (Urteil vom 30.06.1998 B 4 RA 11/98 R) war der Kläger, von Beruf Diplomchemiker, von Oktober 1982 bis Juni 1990 als Direktor für Forschung und Betriebsentwicklung im VEB A P beschäftigt. Mit Urkunde der Staatlichen Versicherung der DDR vom 29. März 1990 wurde ihm mitgeteilt, dass ihm die Staatliche Versicherung der DDR eine zusätzliche Altersversorgung der AVItech gewähren werde; die Versorgung trete am 1. Dezember 1989 in Kraft. Im weiteren Urteil vom 30. Juni 1998 (Az: B 4 RA 94/97 R) bestand nach einem vom Rat des Kreises F. ausgehändigten "Nachtrag zur Urkunde über die zusätzliche Versorgung der Pädagogen" vom 26. September 1988 mit Wirkung vom 1. Oktober 1988 Anspruch auf Leistungen nach der Anordnung vom 2. Mai 1988 über die zusätzliche Versorgung der Pädagogen. Dabei zeigt sich, dass es für die AVItech eines förmlichen Einbeziehungsaktes bedurfte.

Nach alledem hat der Kläger keine Versorgungsanwartschaft i.S. des § 1 AAÜG - auch nicht in erweiternder, verfassungsgemäßer Auslegung - "erworben", so dass ihm ein Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem gemäß § 5 AAÜG nicht zusteht. Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG). Die beim Kläger vorliegende Fallgestaltung ist durch die Urteile des BSG vom 09.04.2002 umfassend und aus Sicht des LSG zutreffend geklärt.
Rechtskraft
Aus
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