L 13 RA 279/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 RA 118/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 279/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 127/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 8. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Strittig ist, ob für den Kläger aus der Zeit vom 01.03.1968 bis 06.09.1989 wegen der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem der Anlage 1 zum Anwartschafts- und Anspruchsüberführungsgesetz (AAÜG) eine Überführung von Anwartschaften vorzunehmen (§ 8 Abs. 1 AAÜG) und ihm eine entsprechende Mitteilung zu erteilen ist (§ 8 Abs. 2 AAÜG).

Der 1942 geborene Kläger erlangte nach einer Hochschulausbildung von 1962 bis 1968 den Abschluß als Dipl.-Ingenieur und war bis 06.09.1989 als Konstrukteur, stellvertretender Gruppenleiter sowie Gruppenleiter seiner Qualifikation entsprechend beim VEB S. M. , Zweigstelle D. , beschäftigt. In der DDR war der Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) versichert. Eine Versorgungszusage für ein Zusatz- oder Sondersystem lag nicht vor. Nach Übersiedelung in die Bundesrepublik Deutschland begründete der Kläger am 06.10.1989 durch Aufnahme einer Beschäftigung ein Versicherungsverhältnis zur gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten.

Am 08.12.2000 beantragte der Kläger unter Bezugnahme auf Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24.03.1998 und 30.06.1998 die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der Technischen Intelligenz (AVItech, Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950, GBl. DDR I S. 844) mit der Begründung, er habe aufgrund dieser Tätigkeit nach der einschlägigen Versorgungsordnung dem Grunde nach Anspruch auf Einbeziehung in die Altersversorgung der Technischen Intelligenz gehabt. Wegen der angeführten Rechtsprechung des BSG sei er nunmehr hinsichtlich seiner Rentenansprüche so zu stellen, wie wenn er in der DDR eine Versorgungszusage erhalten hätte.

Mit Bescheid vom 17.09.2002 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, eine Versorgungsanwartschaft im Sinne des AAÜG sei nicht entstanden. Weder habe eine positive Versorgungszusage zu Zeiten der DDR vorgelegen noch sei eine solche erweiternder Auslegung anzunehmen. Zum Zeitpunkt der Schließung der Zusatzversorgungssysteme (30.06.1990) sei keine Beschäftigung im Beitrittsgebiet ausgeübt worden, die - aus bundesrechtlicher Sicht - zur Zugehörigkeit in der AVItech führte. Den hiergegen mit der Begründung eingelegten Widerspruch, die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem sei durch eine Tätigkeit als Dipl.-Ingenieur in einem volkseigenen Betrieb obligatorisch gegeben, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.03.2003 zurück. Dem Kläger habe bei Inkrafttreten des AAÜG am 01.08.1991 eine Versorgungsanwartschaft nicht zugestanden, da er zum Zeitpunkt der Schließung der Versorgungssysteme keine Beschäftigung im Beitrittsgebiet ausgeübt habe. Damit sei er nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) oder einem gleichgestellten Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung vom 24.05.1951 beschäftigt gewesen.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und zusätzlich vorgetragen, dass ihm Mitte der 80iger Jahr ein Vorgesetzter eine Versorgungszusage in Aussicht gestellt habe. Auch wenn er die DDR nur wenige Monate vor der Grenzöffnung (im Rahmen einer Besuchsreise in die Bundesrepublik Deutschland) verlassen habe, dürfe er jetzt nicht durch Verweigerung einer Überführungsentscheidung im nachhinein dafür bestraft werden, dass er sich vor der nicht absehbaren Wiedervereinigung in den Westen abgesetzt habe und sich nicht weiter dem totalitären System der ehemaligen DDR habe unterordnen wollen. Auch habe er am 05.12.2000 unverzüglich, nachdem er Kenntnis davon erhalten habe, dass ein Anspruch bestehen könnte, bei der Beklagten einen Antrag auf Anerkennung von Pflichtbeitragszeiten nach dem AAÜG gestellt und u.a. auf zwei einschlägige Urteile des BSG aus dem Jahre 1998 Bezug genommen. Bei schnellerer Bearbeitungsdauer hätte sich die Beklagte nicht auf ein Urteil des BSG vom April 2002 beziehen und daraus ableiten können, daß Personen, die bis zum 30.06.1990 keine Zusage erhalten haben und zu dieser Zeit auch nicht mehr in einem VEB-Betrieb beschäftigt gewesen seien, keinen Anspruch auf Anerkennung hätten. Des weiteren hänge nach § 5 AAÜG - entsprechend den erwähnten Urteilen des BSG - die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nicht notwendig davon ab, ob und wann in der ehemaligen DDR eine Versorgungszusage erteilt worden sei. Zugehörigkeitszeiten im Sinne des Gesetzes lägen auch dann vor, wenn konkret eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden sei, derentwegen ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen gewesen sei. Ähnlich sei dies auch in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG geregelt, wonach ein Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall unbeachtlich sei. Im übrigen stelle eine Stichtagsregelung, wonach eine Beschäftigung in einem volkseigenen Betrieb zum 30.06.1990 erforderlich sei, eine nicht zu rechtfertigende Diskriminierung dar. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, daß er eine Tätigkeit als Dipl. Ingenieur am 30. Juni 1990 in einem West-Betrieb ausgeführt habe und daher die ehemaligen volkseigenen Betriebe der DDR und vergleichbare West-Betriebe ungerechtfertigt ungleich behandelt würden. Als er im Übrigen die DDR am 06.09.1989 verlassen habe, sei er in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zum VEB-S. , Zweigstelle D. , gestanden.

Durch Urteil vom 8. Oktober 2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nicht vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG im Sinne des § 1 AAÜG erfaßt. Dieses gelte nur für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden seien und bei dessen Inkrafttreten am 01.08.1991 bestanden bzw. irgendwann einmal bestanden hätten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Nachträgliche Einbeziehungen seien nach Schließung der Versorgungssysteme nicht mehr zulässig. Ausgehend von der Fiktion des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG bzw. möglicher Korrekturen von Unrechtsakten durch Art. 19 Satz 2 und 3 Einigungsvertrag (EV) sowie durch Rehabilitierungsentscheidungen habe die Rechtsprechung zur Vermeidung eines Wertungswiderspruches zwischen rechtswidrig nicht einbezogenen Personen und nicht rechtswidrig aber am 30.06.1990 einbeziehungswürdigen Personen über den Gesetzeswortlaut hinaus § 1 Abs. 1 AAÜG verfassungskonform ausdehnend ausgelegt. Danach besteht nun auch eine Versorgungsanwartschaft "aufgrund der Zugehörigkeit" ohne konkreten Einbeziehungsakt, wenn jemand aufgrund der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage nach der am 01.08.1991 gegebenen bundesrechtlichen Rechtslage einen Anspruch auf Versorgungszusage nach den bundesrechtlichen leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme gehabt hätte.

Entgegen der Auffassung des Klägers sei damit die Sachlage am 30.06.1990, d.h. am letzten Tag vor Schließung der Zusatzversorgungssysteme, maßgeblich. Der Kläger sei zwar bis 06.09.1989 als Dipl.-Ingenieur in einem volkseigenen Produktionsbetrieb tätig gewesen. Er habe bis dahin jedoch keine Versorgungszusage (keinen Versicherungsschein über die Einbeziehung in die Altersversorgung der Technischen Intelligenz) erworben. Damit habe keine nach dem Recht der DDR gesicherte Aussicht bestanden, im Versorgungsfall Leistungen zu erhalten, die er hätte im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG verlieren können. Darüber hinaus seien nach Sinn und Zweck des § 1 Abs. 1 AAÜG nur solche Versicherte vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfaßt, deren Ansprüche bzw. Anwartschaften zum Zeitpunkt der Schließung des Versorgungssystemes am 30.06.1990 von der gesetzlichen Rentenversicherung hätten übernommen werden können. Eine eventuelle Anwartschaft des Klägers auf Zusatzversorgung gegen die ehemalige DDR sei aber mit seiner Flucht endgültig erloschen. Verstösse gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) seien damit nicht ersichtlich. Denn Versicherte, die vor dem 30.06.1990 aus der DDR geflohen und in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt seien, seien grundsätzlich in der Lage gewesen, Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland zu erwerben. Wegen anderer mit gleichem Sachverhalt angeblich von der Beklagten anders entschiedener Fälle dürfe keine Gleichbehandlung im Unrecht verlangt werden.

Soweit der Kläger vortrage, daß eine Betriebsrentenzusage nach Bundesrecht unverfallbar sei, wenn sie mindestens zehn Jahre bestanden habe, handele es sich nicht um vergleichbare Sachverhalte. Art. 3 Abs. 1 und 3 GG gebieten nicht, von jenen historischen Fakten, aus denen sich die vorgetragenen Ungleichheiten ergeben, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen. Zutreffend habe der Bundesgesetzgeber an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme in der DDR ohne Willkürverstoß anknüpfen dürfen. Zu einer Totalrevision des mit Beginn des 31.12.1991 in das Rentenversicherungsrecht des Beitrittsgebiets überführten aus der DDR stammenden Versorgungsrechts und insbesondere dessen willkürlicher Handhabung war der Bundesgesetzgeber schon deswegen nicht verpflichtet, weil er diesen gesamten Rechtsbereich ab 01.01.1992 einem rechtsstaatlichen Grundsätzen im wesentlichen genügenden Gesetz, dem SGB VI, unterstellt hat. Eine Perpetuierung von Willkür im Rentenversicherungsrecht liegt auch im Fall des Klägers nicht vor, denn seine in der Sozialpflichtversicherung der DDR versicherten Entgelte würden bis zur allgemeinen bundesrechtlichen Beitragsbemessungsgrenze aufgewertet auf "West-Niveau" berücksichtigt.

Hiergegen hat der Kläger am 29.12.2003 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und diese mit den bisher schon vorgetragenen Argumenten begründet. Hervorgehoben wird dabei, dass es für seine Ansprüche nicht darauf ankomme, ob ihm durch Verwaltungsakt zu irgendeinem Zeitpunkt eine Versorgung in der DDR zugesagt worden sei (Bezugnahme auf Urteil des BSG vom 12.06.2001). Die Stichtagsregelung sei so zu verstehen, daß der 30.06.1990 einen Endpunkt darstelle, an dem letztmals Anwartschaften erworben werden könnten, wohingegen der Kläger diese schon zuvor erworben habe.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 08.10.2003 und den Bescheid der Beklagten vom 17.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 01.03.1968 bis zum 06.09.1989 als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG oder anderen einschlägigen Vorschriften) und die dabei erzielten tatsächlichen Verdienste festzustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass der Kläger im Beitrittsgebiet keine Beschäftigung mehr zum Stichtag in einem volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) oder einem gleichgestellten Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung vom 24.05.1951 ausgeübt habe. Ermittlungen und weitere Ausführungen dahingehend, ob vor dem 30.06.1990 eine entgeltliche Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt worden seien, die ihrer Art nach von einem am 30.06.1990 in der DDR bestehenden Versorgungssystem erfaßt gewesen seien, seien daher entbehrlich. Die jüngsten Entscheidungen des Bundessozialgerichts hätten die Entscheidung vom 17.09.2002 bestätigt. Sofern der Versorgungsträger in der Vergangenheit eine andere Rechtsauffassung vertreten habe, könne hieraus kein Rechtsanspruch hergeleitet werden, weil kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht bestehe.

Auf den Inhalt der Akten beider Instanzen und der Beklagten sowie der Einheitsakte der BfA wird wegen Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nicht auf eine Sozialleistung gerichtete Berufung ist statthaft und zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in der Fassung des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.01.1993, BGBl. I, 50). Sie ist auch fristgemäß eingelegt (§§ 151 Abs. 1, 153 Abs. 1, 87 Abs. 1 Satz 2, 66 Abs. 2 SGG) sowie auch ansonsten zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel aber keinen Erfolg.

Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) durchsetzbaren Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz für den Zeitraum vom 01.03.1968 bis 06.09.1989, als er als Konstrukteur, stellvertretender Gruppenleiter und Gruppenleiter beim VEB S. M. , Zweigstelle D. beschäftigt war. Er hat damit auch keinen Anspruch auf Feststellung der in diesem Zeitraum erzielten Entgelte (§§ 5 bis 8 AAÜG). Er erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 1 AAÜG und fällt nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG. Das ist nur der Fall, wenn der Betroffene zum 01.08.1991 einen Versorgungsanspruch oder eine Versorgungsanwartschaft iS des § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG oder eine nach S. 2 a.a.O. fingierte Versorgungsanwartschaft hatte (Weiterführung von BSG vom 29.07. 1997 - 4 RA 60/96 mit Urteil vom 20. Dezember 2001, Az: B 4 RA 6/01 R) bzw. die Gleichstellung mit einer fingierten Anwartschaft nach der Rechtsprechung des BSG gerechtfertigt ist (vgl. Urteile des BSG vom 9. April 2002).

Damit ist auch § 8 AAÜG - wie alle Normen dieses Gesetzes - nicht anwendbar, ebensowenig sind §§ 5 ff AAÜG im Einzelnen zu prüfen.

Wegen der einzelnen Möglichkeiten einer Zugehörigkeit zum AAÜG und deren Verneinung wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung des SG Bezug genommen und bis auf das Folgende von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§§ 153 Abs.2, 136 Abs. 3 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege).

Hervorzuheben ist aber nochmals der Ausgangspunkt der erweiternden Rechtsprechung des BSG zum fiktiven bundesrechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Zusage (zuletzt Urteile des BSG 18.12.2003, Az: B 4 RA 18/03 R und B 4 RA 20/03 R, zuvor vom 09.04.2002 und 10.04.2002, SozR 3-8570 § 1 Nr. 2 S. 12 f, Nr. 3 S. 20, Nr. 4 S. 26 f, Nr. 5 S. 32, Nr. 6 S. 39, Nr. 7 S. 51 f, Nr. 8 S. 73). Danach hätte ein Widerspruch in einer nach den bundesrechtlichen Kriterien des Art. 3 Abs. 1 GG sachlich nicht zu rechtfertigenden, DDR-Willkür in den der bundesrechtlichen Maßstabsnormen fortführenden Unterscheidung bei Nichteinbezogenen bestanden. Es wäre nicht einzusehen, dass am 30.06.1990 nicht Zugehörige, die früher einmal einbezogen waren, aber ohne rechtswidrigen Akt der DDR nach den Regeln der Versorgungssysteme ausgeschieden waren, nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG anders behandelt werden (fiktive einbeziehung) als am 30.06.1990 Nichteinbezogene, welche nach den Regeln zwar alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatten, aber aus in den Verhältnissen DDR liegenden Gründen formell nicht einbezogen waren. Insoweit ist auch die gleiche Rechtsfolge anzunehmen wie bei ehemals Einbezogen, die diesen Status durch rechtsstaatswidriges Verhalten der DDR verloren haben. Denn schon nach Artikel 19 Abs. 1 Satz 2, 3 i.V.m. Art. 17 EV vom 23.09.1990 sind rechtswidriger Verwaltungsakte der DDR unbeachtlich. Ebenso kann die Einbeziehung auf Grund einer förmlichen Rehabilitierungsentscheidung geschehen (Art. 17 EV).

Unbestritten war der Kläger im Einzelfall (Versorgungszusage, Einzelentscheidung, Einzelvertrag) nicht in die AVItech integriert. Eine Urkunde wurde ihm lediglich in Aussicht gestellt. Damit hat er durch das Verlassen der DDR auch keine Anwartschaft nach den Regeln der Versorgungssysteme verloren. Nur in diesen Fällen fingiert § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG nach seinem klaren Wortlaut, der Verlust sei nicht eingetreten, also die Unmaßgeblichkeit der Versorgungsregelungen über das Ausscheiden aus dem Versorgungssystem (und damit einen Unterfall des Satzes 1 a.a.O.). Dadurch wird ein Nichteinbezogener auf Grund einer vor dem 30. Juni 1990 gemäß den damaligen Regelungen - also nicht durch rechtswidrigen Akt der DDR - erloschenen Einbeziehung so gestellt, als sei er einbezogen geblieben.

Der Kläger gehört aber auch nicht zu der nach der Rechtsprechung durch verfassungsgemäße Auslegung entwickelten Gruppe vom Betroffenen, die nach der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage auf Grund der zu Bundesrecht gewordenen zwingenden Bestimmungen der Versorgungssysteme einen Anspruch auf Einbeziehung haben müssen (s.o.). Versorgungsanwartschaften sind danach aus der Perspektive des am 1. August 1991 in Kraft getretenen AAÜG (Art 3 RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I S. 1606) "Erworben worden", wenn die Nichteinbezogenen rückschauend nach den Regeln der Versorgungssysteme, soweit diese aufgrund des EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 am 3. Oktober 1990 zu Bundesrecht geworden sind, praktisch und rechtsgrundsätzlich im Regelfall am 30. Juni 1990 (vgl. EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8, § 22 Rentenangleichungsgesetz vom 28. Juni 1990, GBl. I S. 495) hätten einbezogen werden müssen. Ob dies vorliegt, bestimmt sich zum einen nach den Regelungen der Versorgungssysteme selbst, soweit sie Bundesrecht geworden sind (obligatorisch i.S. einer "gebundenen Verwaltung" in den Kreis der Versorgungsberechtigten Einzubeziehende) sowie nach dem Vorliegen dieses Status im Zeitpunkt der Geltung von Bundesrecht bzw. der Schließung der Systeme.

Nach diesen beiden wesentlichen Aspekten stand dem Kläger am 30.06.1990 keine einzubeziehende Anwartschaft zu. Es unterliegt zwar keinerlei Zweifel, dass der Kläger zu dem Personenkreis gehört, der obligatorisch in die Versorgung der technischen Intelligenz einzubeziehen gewesen wäre (AVItech in Verbindung mit der nach § 5 a.a.O. erlassenen Zweiten Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 und § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom 12. April 1962, GBl. DDR II S 278). Ebenso wenig ist bestritten, dass der Kläger bis zu seiner Übersiedelung nach Westdeutschland am 06.09.1989 in einem Betrieb beschäftigt war, der die Einbeziehung in das Versorgungssystem vorgesehen hat (VEB) und dass er tatsächlich den von der Versorgungsordnung erfassten Beruf ausgeübt hat. Diese bis zum 06.09.1989 bestehende Option auf die Erstarkung zu einer Anwartschaft i.S. des AAÜG ist sowohl wegen der Aufgabe des Beschäftigungsverhältnisses im Beitrittsgebiet entfallen, als sie auch am 30.06.1990 nicht wieder vorgelegen war und keinesfalls - wie der Kläger in Verkennung der Ausgangslage des Einigungsvertrags meint - durch einen Arbeitsverhältnis in der Bundesrepublik ersetzt werden kann. Dieses Ergebnis ist eine Folge der vom Gesetzgeber letztlich im Einigungsvertrag so getroffenen und von den Vertragspartnern so ausgehandelten Überführungsprogrammes. Weder haben diese Regelungen die Zielsetzung, Personen wegen "Republikflucht " zu bestrafen, noch handelt es sich um einen willkürlich herausgegriffenen Stichtag, um finanzielle Lasten von der Rentenversicherung abzuwenden.

Das Begehren zahlreicher Kläger, in diesem Zusammenhang bundesrechtliche Gleichbehandlungsgrundsätze anzuwenden, die zu einem Abweichen von dem durch ein Willkürregime geprägten "Normalverhalten" der DDR im Bereich der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme führen würden, geht schon deshalb ins Leere, weil der EV nur die Übernahme damals bestehender Versorgungsansprüche und Versorgungsanwartschaften von Einbezogenen in das Bundesrecht versprochen und Neueinbeziehungen ausdrücklich verboten hat (§ 22 Abs. 1 RAnglG als Bundesrecht und EV Anlage II, Sachgebiet H, Abschnitt III, Nr. 9a). Diese Vorschriften sind in sich verfassungsgemäß, weil der Bundesgesetzgeber selbst an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung dieser Versorgungssysteme in der DDR ohne Willkürverstoß anknüpfen durfte. Art. 3 Abs. 1 und 3 GG gebietet nicht, von jenen historischen Fakten, aus denen sich die vorgetragenen Ungleichheiten ergeben, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen. Die Begünstigung der damals Einbezogenen hat der Deutsche Bundestag als ein Teilergebnis der Verhandlungen im EV angesichts der historischen Bedingungen hinnehmen dürfen (vgl. BVerfGE 100, 138, 190 f). Er hat in § 1 Abs. 1 AAÜG in begrenztem Umfang DDR-Willkür - wie aufgezeigt - ausgeschaltet. Zu einer Totalrevision des mit Beginn des 31. Dezember 1991 in das Rentenversicherungsrecht des Beitrittsgebiets überführten aus der DDR stammenden Versorgungsrechts und insbesondere dessen willkürlicher Handhabung war er schon deswegen nicht verpflichtet, weil er diesen gesamten Rechtsbereich ab 1. Januar 1992 einem rechtsstaatlichen Grundsätzen im Wesentlichen genügenden Gesetz, dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch, unterstellt hat.

Im Übrigen hat derjenige, der in der DDR keinen Versicherungsschein über die Einbeziehung in die AVItech erhalten hatte, keine nach deren Recht damals gesicherte Aussicht, im Versor-gungsfall Versorgungsleistungen zu erhalten, die er hätte i.S. von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG verlieren können (siehe dazu oben S. 10). Es gab also niemals den Zeitpunkt, in dem die DDR sich nach ihren Gegebenheiten normalerweise hätte gehalten gesehen, ihm etwas im Versorgungsfall zu leisten. Regeln, die wie § 2 Abs. 1 der 2. DB vorsahen, dass die vorgesehene Altersversorgung dem Begünstigten nur gewährt wird, wenn er sich auch im Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles in einem Anstellungsverhältnis zu einem volkseigenen oder ihm gleichgestellten Betrieb befindet, hätten für den Kläger damals keine Bedeutung gehabt, weil er nach dem Normalzustand in der DDR mangels im Versicherungsschein dokumentierter Zugehörigkeit zur AVItech sich ohnehin nicht auf Versorgungsleistungen hätte verlassen können. D.h. auch bei Weiterbestehen der DDR hätte der Kläger keine zusätzliche Altersversorgung erlangt.

Soweit der Kläger unter Anführung der Urteile vom 24.03.1998 Az.: B 4 RA 27/97 R und 30.06.1998, Az.: B 4 RA 94/97 R und B 4 RA 11/97 R, die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nicht notwendig davon abhängig sieht, ob und wann in der DDR eine Versorgungszusage erteilt worden sei, verkennt er die dort zugrundeliegenden Fallgestaltungen. Die genannten Entscheidungen betreffen ausschließlich Fragestellungen nach § 5 AAÜG, bei denen zunächst grundsätzlich die personelle Einbeziehung in das AAÜG durch formale Versorgungszusagen gegeben war. Strittig waren lediglich Zeiträume vor diese Zusage. So hat der Kläger im Urteil vom 24.03.1998, Az.: B 4 RA 27/97 R, damit argumentiert, daß er zu denjenigen Personengruppen gehöre, die aufgrund ihrer Ausbildung und Tätigkeit einen Anspruch auf Zusatzversorgung hatten, auch wenn dessen Dokumentation erst später erfolgt sei. Ihm wurde nämlich im November 1974 auf Antrag des Direktors des Forschungszentrums von der Regierung der DDR eine Zusage über eine zusätzliche Altersversorgung erteilt (Urkunde vom 5. November 1974). Darin hies es, die Urkunde sei "gültig ab 01.10.1974", Leistungen würden entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen der Verordnung über die Altersversorgung der Intelligenz (AVI) von der Staatlichen Versicherung der DDR gewährt werden. In einem weiteren Fall (Urteil vom 30.06. 1998, Az.: B 4 RA 11/98 R) war der Kläger, von Beruf Diplomchemiker, von Oktober 1982 bis Juni 1990 als Direktor für Forschung und Betriebsentwicklung im VEB A P beschäftigt. Mit Urkunde der Staatlichen Versicherung der DDR vom 29. März 1990 wurde ihm mitgeteilt, dass ihm die Staatliche Versicherung der DDR eine zusätzliche Altersversorgung der AVItech gewähren werde; die Versorgung trete am 1. Dezember 1989 in Kraft. Im weiteren Urteil vom 30. Juni 1998, Az: B 4 RA 94/97 R, bestand nach einem vom Rat des Kreises F. ausgehändigten "Nachtrag zur Urkunde über die zusätzliche Versorgung der Pädagogen" vom 26. September 1988 mit Wirkung vom 1. Oktober 1988 Anspruch auf Leistungen nach der Anordnung vom 2. Mai 1988 über die zusätzliche Versorgung der Pädagogen. Dabei zeigt sich, dass es für die AVItech eines förmlichen Einbeziehungsaktes bedurfte.

Damit ist gleichzeitig die Behauptung des Klägers widerlegt, dass sich erst nach seiner Antragstellung Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zu seinen Ungunsten verändert haben.

Soweit der Kläger aus einer vermeintlich verzögerten Sachbehandlung Rechte herleiten will bzw. sich darauf beruft, dass eine Betriebsrentenzusage nach Bundesrecht unverfallbar ist, wenn sie mindestens zehn Jahre Bestand hätte, wird wiederum auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des SG Bezug genommen (§§ 153 Abs.2, 136 Abs. 3 SGG).

Nach alledem hat der Kläger keine Versorgungsanwartschaft i.S. des § 1 AAÜG - auch nicht in erweiternder, verfassungsgemäßer Auslegung - "erworben", so dass ihm ein Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem gemäß § 5 AAÜG nicht zusteht. Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG). Die beim Kläger vorliegende Fallgestaltung ist durch die Urteile des BSG vom 09.04.2002 umfassend und aus Sicht des Senats zutreffend geklärt.
Rechtskraft
Aus
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