L 6 VG 3905/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 VG 2930/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 3905/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. August 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsrecht.

Er ist deutscher Staatsangehöriger, wurde 1968 geboren und 1975 eingeschult. Wegen häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten wiederholte er die dritte Klasse der Grundschule. Den Hauptschulabschluss erreichte er 1985 mit dem Notendurchschnitt 2,6. Anschließend besuchte er die Berufsfachschule Elektrotechnik, auf der er die Mittlere Reife anstrebte. Diese brach er nach einem Jahr ab. Nach einer begonnenen Lehre als Bäcker, die er nach wenigen Wochen beendete, nahm er im Frühjahr 1987 eine Ausbildung zum Kraftfahrzeugelektriker auf, welche er im zweiten Jahr nicht fortsetzte. Von April bis Juli 1989 leistete er den Grundwehrdienst bei der Bundeswehr, bevor er angeblich wegen orthopädischer Beschwerden ausgemustert wurde. Von Mitte 1989 bis Ende 1990 war er in einer Spielhalle beschäftigt und erzielte fortan zudem immer wieder Einnahmen aus einer Tätigkeit als Discjockey. Von Januar 1991 bis Oktober 1992 arbeitete er in einem Kraftfahrzeugbetrieb, ohne sein früheres Ausbildungsverhältnis fortzuführen. Wegen eines Leistenbruches, welcher in der Allgemeinen Chirurgie mit Poliklinik des Universitätsklinikums F. im Oktober 1992 behandelt wurde, wurde ihm krankheitsbedingt gekündigt. Bis Januar 1993 war er arbeitsunfähig erkrankt.

Am 27. Januar 1993 gerieten der Kläger und sein damaliger Bekannter H.B. kurz vor 22:30 Uhr nach dem Besuch einer Geburtstagsfeier in der R.-Straße in F. in eine tätliche Auseinandersetzung mit J.H. und J.S., welche sie nicht kannten. Mit seiner Strafanzeige von März 1993 beschuldigte der Kläger Ersteren der gefährlichen Körperverletzung, weil er ihm mittels eines Messers Schnittverletzungen am rechten Oberschenkel und am Rücken zugefügt habe. Dieser äußerte sich nicht. In der mündlichen Verhandlung im Herbst 2013 stellte das Amtsgericht F. das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft F. gemäß § 153a Abs. 2 Satz 1 Strafprozessordnung (StPO) vorläufig ein und erteilte J.H. Auflagen, was die Strafverfolgungsbehörde im November 1993 dokumentierte.

Anschließend zog der Kläger von F. ins M. nach M. in eine gemeinsame Wohnung mit seiner damaligen Freundin. 1998 wurde sein Führerschein wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln beschlagnahmt. In einem gerichtlichen Verfahren wegen des anschließenden mehrfachen Fahrens ohne Fahrerlaubnis wurde er zu einer Geldstrafe von 4.500 DM verurteilt. Erst 2014 war er wieder berechtigt, ein Kraftfahrzeug (Kfz) zu führen. Wegen dieses Verkehrsdelikts sowie der Zuwiderhandlung einer gerichtlichen Maßnahme zum Schutz einer früheren Partnerin vor Gewalt und Nachstellungen war er zudem nach eigenen Angaben inhaftiert. Von Zeiten der Arbeitslosigkeit unterbrochen arbeitete er ab April 1998 als Tankwart und ab April 1999 als Kraftfahrzeuglackierer. Wegen Unstimmigkeiten mit seinen Vorgesetzten und Allergien kündigte er. Ab Januar 2001 war er als Industriemechaniker beschäftigt, bevor ihm vom Arbeitgeber gekündigt wurde. Von 2007 an betrieb der Kläger mit seiner dreizehn Jahre jüngeren Partnerin V., die er Ende 2006 kennenlernte und 2011 heiratete, welche einen Sohn mit in die Ehe brachte, das A. Fotoatelier, über das auch Kleidung, Fotoaccessoires und Requisiten vertrieben werden, wobei er als Geschäftsleitung und Ansprechpartner auftritt. Von Januar 2011 bis zu einem Tinnitus links Ende 2012 arbeitete er zudem in einem Call-Center für die D.T. AG. Anfang 2018 war er kurzzeitig über ein Unternehmen der Personaldienstleistung für einen Zulieferer in der Kabelkonfektion tätig. Aus der Ehe des Klägers gingen ein Sohn und eine Tochter hervor. Zu seiner im März 2001 geborenen Tochter aus einer früheren Beziehung besteht kein Kontakt.

Am 1. April 2014 hatte er beim Landratsamt K. wegen des Ereignisses vom 27. Januar 1993, welches zu einer posttraumatischen Belastungsstörung geführt habe, die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG) beantragt. Der Fahrer eines Personenkraftwagens (Pkw), J.H., sei sehr rasant in F. von der K.-Straßee in die R.-Straße eingebogen, weshalb er und sein Bekannter B. genötigt gewesen seien, abrupt stehen zu bleiben, um nicht von dem Auto erfasst zu werden. Er habe seinen Begleiter am Arm zurückgehalten, damit dieser nicht erfasst werde. Das Kfz habe ihn dennoch mit dem Außenspiegel am rechten Arm leicht berührt. Während er geflucht habe, habe der Fahrer den Wagen gestoppt, er sei nach etwa 25 m zum Stehen gekommen. Er sei in dessen Richtung gegangen. Weil er das Fenster geöffnet gehabt habe, habe er ihn ansprechen wollen. In diesem Moment habe er bemerkt, dass dieser mit einem Messer in der Hand eine schnelle Bewegung in seine Richtung gemacht habe. Den exakten Ablauf könne er wegen einer Erinnerungslücke nicht mehr wiedergeben. Er glaube jedoch, dass er den Angriff reflexartig abgewehrt habe, in dem er zurückgewichen sei und dem Fahrer mit der linken Hand einen Schlag verpasst habe. Er denke, dass er ihn getroffen habe. Von dem Fahrzeug habe er sich entfernt, um auf den gegenüberliegenden Fußweg zu flüchten. Er erinnere sich, dass der Fahrer dort plötzlich vor ihm gestanden habe. An den weiteren Ablauf könne er sich nicht mehr erinnern. Irgendwann habe sein Begleiter gerufen: "Markus, der hat mich aufgeschlitzt." Der Beifahrer, J.S., habe seinem Bekannten B. mit einem Rasiermesser den linken Oberarm zerschnitten und sei in diesem Moment auch auf ihn zugestürzt. Geistesgegenwärtig sei er nach hinten gesprungen, um dem Angriff auszuweichen, wodurch er dennoch eine tiefe Schnittwunde am rechten Oberschenkel auf Höhe der Leiste erlitten habe. Er habe ihn am Handgelenk zu packen bekommen und ihn festgehalten. Er habe versucht, ihn zu entwaffnen, was ihm nicht gelungen sei. Plötzlich sei der Fahrer mit einem Messer auf ihn zugestürzt und habe ihm in den linken Oberarm gestochen und unmittelbar später habe der Beifahrer seinen Rücken zerschnitten. Zudem sei auf ihn eingestochen worden. Irgendwann seien die Polizei und der Rettungsdienst eingetroffen. Der Kläger wurde ins Universitätsklinikum F. gebracht, wo er bis gegen 1:30 Uhr ambulant behandelt wurde.

Den Dipl.-Psychologen S., Psychotherapeut, suchte er 2002 zu zwei probatorischen Sitzungen auf, ohne dass eine psychotherapeutische Behandlung stattfand. Diagnostiziert wurden eine Anpassungsstörung (ICD-10 F43.2) und der Verdacht auf eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.3-). Am 15. Mai 2002 habe er zum zweiten Mal einen vereinbarten Termin nicht wahrgenommen, womit er mit seinen Bemühungen am Ende gewesen sei.

Dr. L., Fachärztin für Allgemeinmedizin, attestierte dem Kläger vom 26. Februar bis 31. März 2014 Arbeitsunfähigkeit wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10 F43.1).

Prof. Dr. E., Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Städtisches Klinikum K., berichtete über den stationären Aufenthalt am 25. März 2014 und dem Folgetag, es seien eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1), eine schwere depressive Episode (ICD-10 F32.2) und ein Tinnitus aurium (ICD-10 H93.1) diagnostiziert worden. Er habe sich zwei Jahre nach einem Hörsturz und zwanzig Jahre nach einem erlittenen Überfall zweimal hilfesuchend in der Krisenambulanz vorgestellt, weswegen er nach einem stattgehabten Vorgespräch stationär aufgenommen worden sei. Es habe sich das Bild einer schweren depressiven Episode mit Einschlafstörungen, einer Grübelneigung und einem wechselnden Appetit auf dem Boden einer langjährig bestehenden posttraumatischen Belastungsstörung mit persistierenden Intrusionen und Flashbacks geboten. Im Rahmen der Anamnese habe er angeführt, im Alltag plötzlich handlungsunfähig geworden zu sein. Er habe keinen Antrieb mehr gehabt, sei niedergeschlagen gewesen und habe sich völlig blockiert gefühlt. Ab und an habe er auch lebensüberdrüssige Gedanken gehabt. Vor zwanzig Jahren sei er in einer Kampfhandlung niedergestochen worden und beinahe gestorben. Den anderen habe er töten wollen, um sich zu retten. Seither beschäftige er sich ständig damit, dass er auch jemanden ermorden könne. Er mache sich permanent Vorwürfe und frage sich, ob er die Situation, welcher er immer wieder erlebe, hätte vermeiden können. Aus F. sei er fluchtartig weggezogen und habe am Abend eine Panikattacke bekommen. Er sei dann gegenüber seiner damaligen Freundin gewalttätig geworden, wenn sie etwas von ihm gefordert habe. Zu jener Zeit habe er phasenweise in einem Auto gelebt, sich nicht mehr wohlgefühlt und finanzielle Probleme bekommen. Noch heute habe er Schulden aus dieser Zeit. Briefe von Behörden könne er nicht bearbeiten. Er fühle sich nicht ernstgenommen und teilweise verhöhnt. Seit einem Hörsturz sei bei ihm "die Luft raus". Menschenansammlungen lösten in ihm Angst aus. Er bekomme Schweißausbrüche. Mit seinem "Bruder" habe er etwa ein Jahr nach dem Überfall eine Kneipe eröffnen wollen. Kurz zuvor sei er jedoch in einen Verkehrsunfall mit einer Polizeistreife verwickelt gewesen. Seither leide er an Migräne, weswegen er das Geschäft nicht habe eröffnen können, wodurch er viel Geld verloren habe. Seine Partnerschaft sei dadurch beendet worden, weshalb er damals suizidal gewesen sei. Nach dem psychischen Befund habe sich eine inhaltliche Grübelneigung gezeigt. Die Berichterstattung sei teilweise sehr offen, teilweise widersprüchlich und auch verbergend geblieben. Der Kläger habe von Intrusionen und Flashbacks berichtet. Einen Hinweis für ein wahnhaftes Erleben oder eine Ich-Störung hätten sich nicht gezeigt. Im Kontakt habe er bei hoher Ambivalenz hilfesuchend gewirkt. Im Affekt sei er herabgestimmt gewesen. Die Schwingungsfähigkeit sei reduziert gewesen. Bei situationsadäquater Psychomotorik sei der Antrieb vermindert gewesen. Der Kläger habe große Schwierigkeiten gehabt, sich auf das Setting des Behandlungskonzeptes einzulassen. Einer Routineblutentnahme habe er selbst nach einer Bedenkzeit nicht zugestimmt. Wegen der mangelnden Kooperationsfähigkeit sei die Fortsetzung der Therapie nicht sinnvoll gewesen. Daher sei seine Entlassung in die ambulante Weiterbehandlung erfolgt.

Der Kläger nahm von April 2013 bis November 2014 familientherapeutische Hilfe in Anspruch. Der Familientherapeut S. berichtete über die Zeit bis Mai 2014, die fünfköpfige Familie lebe in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung. Das Miteinander auf beengtem Raum sei nicht einfach. Eskalierend sei im April 2013 ein Streit der Eltern hinzugekommen. Es sei zu Handgreiflichkeiten gekommen, weswegen der Kläger und seine Ehefrau Unterstützung gesucht hätten. Aus ihrer Sicht sei er sehr streng und unnachgiebig im Verhalten zu ihrem Sohn D ... Er wünsche sich in Erziehungsfragen mehr Schulterschluss mit ihr. Beide hätten ein "schweres Paket" aus der Vergangenheit mit sich zu schleppen. Beiden sei eine Therapie empfohlen worden, insbesondere zur Bearbeitung der beim Kläger aufgetretenen traumatisierenden Vorfälle in der Vergangenheit. Im September 2013 habe D. mehrfach gezündelt. Im gleichen Monat sei es zu einem sexuellen Übergriff von ihm auf L. gekommen, weshalb Ersterer in Obhut genommen worden sei. Die Weggabe des Kindes sei von der Ehefrau des Klägers ambivalent erlebt worden. L. sei durch das übergriffige Ereignis nach ihrer Einschätzung nicht erkennbar belastet worden. Die Dipl.-Sozialarbeiterin B. berichtete im November 2014 über die zweite Hälfte der Therapie, der Kläger habe sich auf breiter Front damit beschäftigt, die Schatten seiner Vergangenheit zu verscheuchen. Hierzu habe er nach eigener Schilderung unterschiedliche Vorgehensweisen genutzt und sich inzwischen auch zu rechtlichen Themen sehr großes Fachwissen angeeignet. Sie habe den Eindruck gehabt, dass er in der Bewältigung der Belastungen nicht mehr ausschließlich von Wut getrieben gewesen sei, sondern einen kanalisierten Weg der Vergangenheitsbewältigung beschritten habe. Geplant sei, dass D. dauerhaft in die Familie zurückkehre. Das Zusammenwirken des Klägers und seiner Ehefrau sowie ihr Bemühen um eine Stabilisierung der Familie sei erkennbar. Ein Streit werde immer noch temperamentvoll ausgetragen, jedoch sei es nicht mehr zu Handgreiflichkeiten gekommen.

Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie L. hatte der Kläger ab Mitte August 2014 aufgesucht. Beim Erstkontakt habe er berichtet, er leide seit etwa zwei Jahren immer wieder an depressiven Verstimmungen, Ängsten und Schlafstörungen. Seit einem Hörsturz vor zwei Jahren habe er einen Tinnitus, der ihn sehr belaste. Seit Jahresbeginn sei es ihm zunehmend schlechter gegangen, weswegen ihn seine Hausärztin seit März krankgeschrieben habe. Er habe die traumatischen Erlebnisse vor etwa zwanzig Jahren, welche er bisher noch nicht habe verarbeiten können, als Ursache der Symptomatik angesehen.

Bei der Dipl.-Psychologin E. fanden ab Oktober 2014 acht orientierende Sitzungen statt, woraufhin sie eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD-10 F33.1) diagnostizierte. Auf ihre Veranlassung hin verfasste der Kläger eine Kurzbiografie, in der er sich in der Vergangenheit als ganz normalen, kleinen Jungen sah. Er sei in den wilden 1970er-Jahren in einer der ersten Patchworkfamilien der Nachkriegsgeneration als kleinster gemeinsamer Nenner aufgewachsen. Seine Mutter habe aus zwei geschiedenen Ehen drei Kinder in diejenige mit seinem Vater gebracht, der selbst einen Sohn aus einer früheren Beziehung habe, welcher nicht in der Familie gelebt habe. Seine Kindheit sei keine einfache gewesen. Er habe sich oft mit seinen Geschwistern gestritten. Streit habe es auch zwischen seinen Eltern gegeben, wenn sein Vater betrunken nach Hause gekommen und laut geworden sei. Dieser sei sehr streng und ehrgeizig gewesen. Als er in der dritten Klasse der Grundschule gewesen sei, sei er der Auffassung gewesen, mit ihm selbst in seinem betrunkenen Zustand nach 21 Uhr für die Schule lernen zu müssen. Selbst wenn er schon geschlafen habe, sei er nicht um die Nachhilfe herumgekommen, die nicht selten mit einem "blauen Hintern" geendet habe. In diesem Zustand habe er am jeweils nächsten Tag nicht in die Schule gehen können, weshalb er oft krank gewesen sei und das Schuljahr habe wiederholen müssen. Schöne Momente habe er in den Sommerferien auf einem Bauernhof in der L. Bucht mit anderen Kindern aus Großfamilien erlebt. Auf der Hin- und Rückfahrt sowie oft in den Ferien habe er seine Großeltern in F. besucht, die seine heimlichen Helden und Vorbilder gewesen seien. Am Ende der Grundschule habe er eine Empfehlung für das Gymnasium bekommen, was bedeutet hätte, lernen zu müssen. Diese Erfahrung habe er bereits in der dritten Klasse gemacht. Die von ihm ausgesuchte Realschule habe er nicht besuchen dürfen, weshalb er das fünfte Schuljahr sabotiert habe und anschließend auf die Hauptschule gewechselt sei. Nach deren Abschluss habe er wiederum nicht seine Vorstellungen umsetzen können, stattdessen hätten in seine Eltern auf der Berufsschule für Elektrotechnik angemeldet.

Das Landratsamt K. zog von der A., wo der Kläger bis 1999 gegen Krankheit gesetzlich versichert war, und von der S., wo in der Folgezeit dieser Versicherungsschutz bestand, die Leistungsverzeichnisse bei.

Mit Bescheid vom 2. Juli 2014 lehnte dieser Verwaltungsträger das Begehren auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG ab. Die anspruchsbegründenden Tatsachen eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffes seien nicht nachgewiesen. Es stehe lediglich fest, dass er und sein Begleiter am 27. Januar 1993 bei einer tätlichen Auseinandersetzung verletzt worden seien. Wie es hierzu gekommen sei, könne mangels Zeugen nicht festgestellt werden. Im Falle des Klägers könnten der Auslöser, der Geschehensablauf und die gesundheitliche Schädigung objektiv nicht nachvollzogen werden, weil sich Zweifel an der Tatbestandsmäßigkeit nicht zur sicheren Überzeugung hätten ausräumen lassen. Der Widerspruch wurde vom Regierungspräsidium S. mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2014 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 3. September 2014 beim Sozialgericht K. (SG) Klage erhoben. In diesem Verfahren hat er ein im Folgemonat an die damalige Bundesministerin für Arbeit und Soziales N. gerichtetes Schreiben vorgelegt. Die am 27. Januar 1993 herbeigerufene Polizei habe die Täter am Tatort ermitteln, aber scheinbar keine Tatwaffen sicherstellen können. Noch in derselben Nacht habe er Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung erstattet. Zu seinem Entsetzen und Unverständnis habe das Verfahren mit einem "Freispruch" geendet, weil einer der Täter nicht zur Verhandlung erschienen sei sowie der zweite Täter nicht eindeutig habe identifiziert und mit einer Tatwaffe in Verbindung gebrachten werden können. Mit seinen letzten finanziellen Rücklagen habe er Mitte April 1994 mit einem befreundeten Koch ein Bistro an einem See eröffnen wollen. Er habe insbesondere bereits in die Renovierung investiert gehabt, als er am 2. April 1994 mit einem zivilen Einsatzfahrzeug der Polizei kollidiert sei. Dieser zweite schwere Schicksalsschlag habe bei ihm eine schwere Depression ausgelöst, weswegen er das Geschäft nicht habe eröffnen können. Ohne Lebensmut und aufgrund vieler Albträume wegen der Gewalttat sei ihm sein Leben mehr und mehr entglitten. Letzten Endes habe er versucht, es sich mit Schlaftabletten zu nehmen. 1998 sei er wieder in einem Teufelskreis gewesen. Er habe keine Arbeit bekommen, weil er keine Wohnung gehabt habe, und umgekehrt. Der Rückschlag habe wieder eine Depression in ihm ausgelöst. Daher habe er sich mit einem viel zu stumpfen Messer die Pulsadern aufschneiden wollen. Bedingt durch den immerwährenden posttraumatischen Stress und seine Albträume sei er 2003 wiederum in eine schwere Lebenskrise mit schweren Konflikten innerhalb der Partnerschaft gekommen, welche zerbrochen sei. Er habe erneut seine Arbeit und seine Wohnung verloren. Starke Depressionen seien aufgetreten. 2006 sei er endlich zur Ruhe gekommen und habe seither Stück für Stück begonnen, sein Leben zu ordnen. Ende 2012 habe er erneut einen "Belastungskollaps" erlebt, welcher sich in Form eines Hörsturzes bemerkbar gemacht habe. Statt wegen der Beziehungskrise zu resignieren, habe er nun eine Familientherapie begonnen. Es sei ihm psychisch jedoch so schlecht gegangen, dass er im Mai 2013 endgültig keiner Beschäftigung mehr habe nachgehen können. Während der Therapie hätten sich die typischen Symptome eines Gewalttraumas herauskristallisiert, welche wegen der Verkettung der Ereignisse nicht richtig behandelt worden seien. Während seiner Beschäftigung mit diesem Thema sei ihm das OEG in den Blick geraten.

Der Kläger hat die Antwort des Amtsgerichts F. mittels E-Mail vom 17. März 2014 vorgelegt, wonach die Akten des Strafverfahrens nach Freispruch vernichtet worden seien.

Das SG hat Dr. L. sowie die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie L. als sachverständige Zeuginnen befragt, welche im Oktober 2014 und im Folgemonat geantwortet haben. Dr. L. hat ausgeführt, den Kläger seit Mai 2009 bis aktuell, seit 2014 etwa ein- bis zweimal im Monat, zu behandeln. Es sei immer um psychosoziale Probleme gegangen. Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie L. hat kundgetan, sie habe eine Angst und Depression gemischt (ICD-10 F41.2) und eine Insomnie (ICD-10 F51.0) diagnostiziert. Nach den Angaben des Klägers bestünden die Symptome seit mehr als zwei Jahren. Es sei durchaus möglich, dass aktuell festzustellende Gesundheitsstörungen im Zusammenhang mit lang zurückliegenden, traumatisierenden Erlebnissen stünden. Ob dies vorliegend der Fall sei, könne sie nicht beurteilen.

In der nichtöffentlichen Sitzung beim SG am 29. Februar 2016 ist der Kläger gehört worden. Er habe am linken Oberschenkel eine Stichwunde und am rechten, im Bereich der Leiste, eine Schnittwunde. Am linken Oberarm sowie am Rücken auf der linken Seite in Höhe des Herzens und der Lunge habe er eine Stichwunde. Eine etwa 30 cm lange Schnittwunde befinde sich zudem im Rücken-/Schulterbereich links. Ferner ist H.B. als Zeuge vernommen worden. Dieser hat ausgesagt, plötzlich sei der Beifahrer, möglicherweise auch der Fahrer, auf ihn zugekommen und habe ihn mit dem Rasiermesser verletzt, woraufhin es zu einer Rangelei gekommen sei, bei der er ihn gegen ein Schaufenster gestoßen habe, welches zu Bruch gegangen sei. Dem Kläger habe er nicht zu Hilfe kommen können, er habe selbst mit einem der Angreifer zu tun gehabt. Er erinnere sich, dass der Kläger eine Stichwunde am Bein gehabt habe. Hierbei habe es sich wohl um die stärkste Verletzung gehandelt, welche mit einer Drainage versorgt worden sei. Eine Zigarette, welche noch in der sich in der Hosentasche befindenden Schachtel gewesen sei, sei mit dem eingesetzten Messer in der Mitte durchgeschnitten worden. Die damalige Bevollmächtigte des Klägers hat kundgetan, das strafrechtliche Ermittlungsverfahren sei gegen beide Beschuldigte geführt worden, das Strafverfahren hingegen nur gegen J.H., weil der andere wohl schon in sein Heimatland ausgereist gewesen sei.

Auf Nachfrage des SG hat die Dipl.-Psychologin E. im Juli 2016 mitgeteilt, der Kläger habe sich mit einer längerdauernden depressiven Reaktion, starken Stimmungsschwankungen wegen des ausstehenden Gerichtsverfahrens und dem Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung bei ihr vorgestellt. Es habe sich zwar eine behandlungsbedürftige psychische Störung gezeigt. Trotz des offensichtlich hohen Leidensdruckes sei der Behandlungsbeginn jedoch auf die Zeit nach der Beendigung des Gerichtsverfahrens verschoben worden. Es sei unwahrscheinlich, dass währenddessen ein Behandlungserfolg eintrete. Patienten stünden unter Beweisdruck, ihre psychische Not zu dokumentieren, was einer Heilung entgegenstehe. Von Prof. Dr. N., der den Kläger hausärztlich betreut hat, sind im Oktober 2016 auf gerichtliche Anforderung die Krankenunterlagen über ihn übersandt worden.

Das SG hat Prof. Dr. S., Chefarzt der Klinik Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik I des Psychiatrischen Zentrums N. in W., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach den ambulanten Untersuchungen am 29. September und 4. November 2016 sowie 3. Januar 2017 hat er ausgeführt, er habe eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ (ICD-10 F60.30) mit passiv-aggressiven Zügen und eine Neurasthenie (ICD-10 F48.0) diagnostiziert. Erstere habe zu anhaltenden Funktionsbeeinträchtigungen sowohl in psychisch-emotionaler wie auch in sozial-kommunikativer Weise geführt. Gleichzeitig sei der Kläger sozial eingebunden und nehme ausweislich der differenzierten familientherapeutischen Berichte von 2014 verantwortungsvoll in einem schwierigen Umfeld familiäre Verpflichtungen wahr. Der Schweregrad sei als mittelschwer zu beurteilen. Die festgestellte neurotische Störung habe zu verschiedenen körperlich-funktionellen Beschwerden mit einer im Vordergrund stehenden erhöhten subjektiven Erschöpfbarkeit, Spannungskopfschmerzen und Benommenheitsgefühlen geführt. Die somatoformen Beschwerden lägen dabei weitgehend im Subjektiven. Die daraus resultierenden Funktionsauswirkungen auf den psychisch-emotionalen Bereich seien als geringfügig zu bezeichnen.

Eine posttraumatische Belastungsstörung sei demgegenüber nicht erwiesen. Das A- oder Trauma-Kriterium sei zwar als erfüllt zu betrachten. Nach den Angaben des Klägers und den Vorgaben des Gerichts sei er von zwei Personen mit Messern angegriffen worden, wobei er sich Schnitt- und Stichverletzungen an den Oberschenkeln, am Oberarm sowie im Rücken- und Schulterbereich zugezogen habe. Weiterhin habe er bei einem Zweikampf eine Lebensbedrohung erfahren. Werde dieser Beschreibung zum Tatablauf gefolgt, so habe bei lebensnaher Betrachtung sicher eine außergewöhnliche Bedrohung vorgelegen, welche praktisch auf jeden Betroffenen tiefgreifend erschütternd wirken würde. Die Erfüllung des B- oder Wiedererinnerungs-Kriteriums sei hingegen nicht im Vollbeweis gesichert. Der Kläger habe bei der gutachtlichen Untersuchung von unwillkürlichen Wiedererinnerungen der traumatischen Belastung von mindestens 30 Sekunden bis zu einer mehrminütigen Dauer berichtet. Gegenwärtig seien sie in der Häufigkeit ein- bis zweimal in der Woche aufgetreten. Auf Nachfrage habe er von auslösenden Reizen für solche Erinnerungen berichtet, etwa, wenn er die Narbe auf seinem linken Oberschenkel sehe. Wenn er an das Geschehen von Januar 1993 denke, laufe der komplette Film bei ihm ab. Flashbacks im engeren Sinne, also szenische Wiedererinnerungen von besonders lebendiger, halluzinationsähnlicher Qualität, seien von ihm nicht beschrieben worden. Solche seien nach dem Übergriff 1993 anfangs täglich aufgetreten, später weniger oft, ohne dass der Kläger habe genau bezeichnen können, was und in welcher Weise die Häufigkeit nachgelassen habe. Erstmals habe er sie gegenüber Dr. N. erwähnt. Der Behandlungsdokumentation von Dr. L. über den Zeitraum von Mai 2009 bis März 2016 seien keine szenischen Wiedererinnerungen von belastender Qualität zu entnehmen. Von Prof. Dr. E. sei erwähnt worden, der Kläger habe Intrusionen und Flashbacks angeführt. In dem von ihm erhobenen psychischen Befund sei jedoch dokumentiert, dass es eine teilweise sehr offene, teilweise widersprüchliche und auch verbergende Berichterstattung gewesen sei. Inwieweit er im Anschluss in der Lage gewesen sein soll, tatsächlich Krankheitswerte einschließlich Wiedererinnerungen zu explorieren, sei seinem Entlassungsbericht mangels detaillierter Ausführungen nicht klar zu entnehmen. Wegen der Kürze des stationären Aufenthaltes von zwei Tagen könne keine Validierung der Beschwerdeangaben durch eine klinische Beobachtung zu unterschiedlichen Tageszeiten und in verschiedenen situativen Kontexten stattgefunden haben. Die Inhalte der vom Kläger damals angegeben szenischen Wiedererinnerungen seien in dem Bericht nicht explizit wiedergegeben. Der psychische Befund sei damit unscharf geblieben. Demgegenüber habe keiner der den Kläger über mehrere Termine behandelnde oder untersuchende Facharzt oder Psychotherapeut einen belastbaren klinischen Befund erhoben, welcher die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung stütze. Insbesondere seien von den ihn längerfristig behandelnden Psychiatern und Psychologen keine intrusiven Wiedererinnerungen dokumentiert worden. Dies stehe im Widerspruch zu den Angaben des Klägers bei der aktuellen gutachtlichen Untersuchung, seit dem Schädigungsereignis massiv und in hoher Frequenz solche Erinnerungen gehabt zu haben, unter denen er bis heute angeblich leide. Das C- oder Vermeidungskriterium sei ebenfalls nicht erfüllt. Zwar seien Messer für den Kläger ein absolutes Tabu, womit er Pfadfindermesser gemeint habe, wovon eine Gefahr ausgehen könne. Hiermit habe er jedoch kein psychopathologisches Vermeidungsverhalten, vielmehr ein adäquates, maximal ein etwas übervorsichtiges Sicherungsgebaren beschrieben. Dass er bei seinem zweiten Selbsttötungsversuch 1998 zu einem Messer gegriffen habe, um sich die Pulsadern zu öffnen, spreche ebenfalls gegen ein psychopathologisches Meiden von Messern. Als weitere Verhaltensweisen habe er erwähnt, nicht auf Feste zu gehen und körperliche Nähe zu anderen Menschen in der Öffentlichkeit zu meiden. Ferner kontaktiere er keine Ärzte, was er auf das in Rede stehende Ereignis zurückgeführt habe. Er habe gemeint, von irgendwoher müsse es ja kommen. Diese Situationen seien jedoch entweder völlig unabhängig von der traumatischen Belastung im Januar 1993 oder sie stellten ein Vermeidungsverhalten dar, welches sich erst in jüngerer Zeit entwickelt habe. Immerhin habe er lebendig von seiner praktizierten Tätigkeit als Discjockey bis hin zu einer körperlichen Auseinandersetzung 1995/1996 berichtet, wo ihn jemand habe zu Boden ringen wollen. Ein traumaspezifisches Vermeidungsverhalten sei hierin jedoch nicht zu erkennen. Bei einer etwas weiten Auslegung sei das D- oder Amnesie-/Hypersensibilitätskriterium wegen der plausibel dokumentierten Schlafstörungen und der Reizbarkeit als erfüllt zu betrachten. Das E- oder Zeitkriterium verlange, dass die Kriterien B, C und D innerhalb von sechs Monaten nach der Belastung erfüllt sein müssten. Angesichts der Unsicherheit in Bezug auf die B- und C-Kriterien sei auch das E-Kriterium nicht erfüllt. Die Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung seien folglich nicht erwiesen.

Keine der diagnostizierten psychischen Gesundheitsstörungen sei mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis von Januar 1993 zurückzuführen. Nach gegenwärtigem wissenschaftlichem Erkenntnisstand resultierten Persönlichkeitsstörungen aus einem multifaktoriellen Bedingungsgeflecht, wobei neben genetischen Faktoren frühkindliche Bindungserfahrungen und Bedingungen der Primärsozialisation mit etwaigen Belastungserfahrungen kausal relevant seien. Genetischen Faktoren werde nach gegenwärtigem Kenntnisstand mit einer Erheblichkeit von bis zu 60 % eine hohe Bedeutung zugemessen. Der Kläger habe von massiven Gewalterfahrungen durch den zum Alkoholkonsum neigenden Vater berichtet. Das Erleben körperlicher Gewalt sei nach epidemiologischem Kenntnisstand dicht verknüpft mit einer Vielzahl von im späteren Erwachsenenalter auftretenden psychischen Erkrankungen. Körperliche Gewalterfahrungen würden als starke Risikofaktoren sowohl für die Entwicklung von emotional instabilen wie auch von passiv-aggressiven Persönlichkeitsstörungen gelten. Eine einzelne erlebte Gewaltepisode im Sinne eines einmaligen äußeren Ereignisses im Erwachsenenalter führe demgegenüber nicht zu einer andauernden Persönlichkeitsänderung. Anders sei dies etwa bei Langzeittraumatisierungen in der Kindheit oder im Erwachsenenalter. Bei der beim Kläger diagnostizierten emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ mit passiv-aggressiven Zügen handele es sich um eine schädigungsunabhängig vorbestehende psychische Erkrankung. Die bei ihm erkannte Neurasthenie mit einem im Vordergrund stehenden Gefühl der Benommenheit, einer raschen Erschöpfbarkeit sowie einer fehlenden Erholungsfunktion des Schlafes und des Ruhens sei im Kontext einer langjährigen aktenkundigen Neigung zu multiplen körperlich-funktionellen Störungen zu sehen. Eine solche sei auch der Behandlungsdokumentation von Dr. L. zu entnehmen. Daraus ergebe sich für den Zeitraum von Oktober 2010 bis Februar 2012 eine "psychonervöse Erschöpfung" und im März 2013 eine "somatoforme Störung" mit "multiplen somatischen Erscheinungen". Während darin erstmals ab Oktober 2010 solche körperlich-funktionellen Störungen von Krankheitswert erwähnt seien, habe der Kläger bei der aktuellen gutachtlichen Untersuchung körperliche Beschwerden wie Kopf- und Nackenschmerzen, Zerstreutheit sowie Antriebs- und Lustlosigkeit bereits unmittelbar nach dem Verkehrsunfall 1994 angeführt. Im Folgejahr sei es zu einem Stresskollaps gekommen, als alles um ihn herum zusammengebrochen sei. Seine Freundin habe ihn verlassen, die Wohnung habe er verloren, das Auto sei weggewesen und er habe kein Geld mehr gehabt. Formal könnten diese Beschwerdeangaben auch im Kontext einer somatoformen Störung gesehen werden. Zu beachten sei jedoch, dass der Kläger selbst angegeben habe, der Verkehrsunfall 1994, welchen er als seinen zweiten schweren Schicksalsschlag eingeordnet habe, habe bei ihm eine schwere Depression ausgelöst. Als weitere Erklärung für diese Beschwerden komme grundsätzlich auch der von ihm erwähnte Konsum von Cannabis in Betracht. Er habe von 1994 bis 1998 täglich 1 g eingenommen, möglicherweise auch schon nach der Messerstecherei und vor dem Autounfall. Ab 1999 habe er es nur noch sporadisch und zuletzt 2011 konsumiert. Eine initial eine Depression auslösende und bei fortgesetztem Genuss häufig eine solche Erkrankung induzierende Wirkung dieses Rauschmittels sei bekannt. Nach gegenwärtigem fachwissenschaftlichem Kenntnisstand sei es ein ganzes Bündel von Faktoren, welche zur Disposition, Auslösung oder Aufrechterhaltung von somatoformen Störungen, zu denen die Neurasthenie zähle, führten. Wissenschaftlich gut belegt sei der Einfluss von genetischen Faktoren und belastenden Kindheits-, insbesondere Gewalterfahrungen. Eine besondere Bedeutung komme persönlichkeitsgebundenen Wahrnehmungsstilen zu. Im Kern gehe es dabei um eine erhöhte Bereitschaft, körpereigene Reize zu entdecken, also die somatosensorische Verstärkung interozeptiver Reize, weshalb mittels einer selektiven Aufmerksamkeitszuwendung und Fehlbewertung an sich harmlose Reize mit als bedrohlich oder intolerabel empfundenen einhergingen. Vorliegend lasse sich weder ein zeitlicher noch ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen dem in Rede stehenden Schädigungsereignis und der seit Oktober 2010 dokumentierten somatoformen Erkrankungen festmachen. Für die Zeit des hochintensiven Cannabiskonsums sei es nicht möglich, retrospektiv eine somatoforme Störung zu identifizieren. Ob spätere Ermüdungserscheinungen im Zusammenhang mit vereinzelt diagnostizierten depressiven Verstimmungen oder aber als Ausdruck der seit 2010 dokumentierten somatoformen Störungen zu sehen seien, müsse offenbleiben. Ausgehend von dem Wissen um die Ätiopathogenese von somatoformen Störungen sei jedenfalls ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Ereignis von Januar 1993 und solchen Gesundheitsstörungen nicht wahrscheinlich zu machen. Für die verschiedentlich diagnostizierten depressiven Störungen gelte ebenfalls, dass weder zeitlich noch inhaltlich mit dem Schädigungsereignis von Januar 1993 ein Zusammenhang wahrscheinlich zu machen sei.

Im Rahmen der Anamnese habe der Kläger erwähnt, dass sein Vater schwierig gewesen sei. Er sei alkoholisiert und aggressiv gewesen. Aus der Sicht eines Kindes sei es schrecklich gewesen. Er habe an ihm rächen wollen, was er in seinem eigenen Leben nicht erreicht habe. Sein Motto sei gewesen, wer bei der Arbeit nicht schmutzig werde, schaffe nichts. Im alkoholisierten Zustand habe ihn sein Vater selbst bei einem nichtigen Anlass geprügelt. In der dritten Klasse der Grundschule sei er von seinen Eltern wiederholt nicht zur Schule geschickt worden, damit die blauen Flecken nicht aufgefallen seien. Aufgrund der Fehlzeiten, welche auf die Folgen der elterlichen Misshandlung zurückgingen, sei ihm schließlich empfohlen worden, das dritte Schuljahr zu wiederholen. Die Beziehung seiner Eltern sei laut, streitsüchtig und gewalttätig, also schwierig, gewesen. Die Gewalt sei teilweise auch von seiner Mutter ausgegangen. Um eine Skizzierung seines Selbstbildes gebeten, habe der Kläger beschrieben, dass ihn der schwierige Kontakt zu seinem Vater stark beeinflusst habe. Dieser habe ihn so geprägt, dass er gedacht habe, er müsse in seinem eigenen Leben die Zähne zusammenbeißen, um seine Ziele zu erreichen. Er sei kämpferisch, ehrgeizig und noch zielstrebiger geworden. In beruflicher Hinsicht habe er seine Ziele nicht erreicht. Aufzugeben komme für ihn jedoch nicht in Betracht, was er anfange, bringe er zu Ende. Auf Nachfrage habe er sich ergänzend als selbstkritisch, selbstzweifelnd, phantasiereich und emotional beschrieben. Er sei sehr einfühlungsvermögend und versuche immer diplomatisch zu sein, gleichwohl sei er auch impulsiv und aufbrausend. Letzteres habe er erstmals 1994 im Kontakt mit seiner damaligen Partnerin gemerkt. 1995 oder im Folgejahr habe ihn jemand in einer Diskothek zu Boden ringen wollen. Dieser habe schließlich bewusstlos auf dem Boden gelegen. Er sei über seine Brutalität gegenüber dem Angreifer erschrocken gewesen. Während der Kindergartenzeit habe er gelispelt und deswegen Logopädie erhalten, was sich nach der Einschulung gelegt habe. Er habe im September 1993 das Elternhaus verlassen und habe mit seiner damaligen Partnerin eine Wohnung bezogen. Zur Trennung sei es Ende 1994 beziehungsweise Anfang 1995 gekommen, woraufhin sie die Unterkunft "aufgelöst" hätten. Er habe mehrere Wochen in seinem Pkw gelebt, bevor er bei einem Freund untergekommen sei. Seinen ersten Selbsttötungsversuch habe er in diesem Jahr unternommen. Er habe damals praktisch alles Materielle verloren und im Auto gelebt. Ende 1998 habe er sich zum zweiten Mal das Leben nehmen wollen. Im März 1993 habe er eine Anstellung in einem anderen Kraftfahrzeugbetrieb in Aussicht gehabt, zu der er es wegen der Gewalttat nicht gekommen sei. Aktuell lebten er und seine Familie von den Einnahmen aus dem Fotostudio. Das Gewerbe laufe auf seinen Namen, er trage aber nicht zum Einkommen bei. Er habe zur Fotografie keinen Zugang mehr.

Zusammenfassend sei festzuhalten, dass der Kläger bei den Körperverletzungen im Januar 1993 einer subjektiven Lebensbedrohung ausgesetzt gewesen sei. Körperlich habe er eine vergleichsweise geringe Schädigung davongetragen. Der Gesundheitsschaden sei nach den aktuellen eigenanamnestischen Angaben des Klägers rückblickend betrachtet weder lebensbedrohlich gewesen noch Ursache für die anhaltenden relevanten funktionellen Beeinträchtigungen. Die von ihm mitgeteilte Komplikation der Notwendigkeit der Wundversorgung mit einer Drainage am Folgetag sei eine nicht ungewöhnliche Komplikation, welche vorliegend nicht zu einer wesentlichen Folge geführt habe. Der subjektive Schweregrad des Ereignisses sei sicherlich höher gewesen als der objektive. Ein körperlicher Primärschaden im Sinne einer tiefgreifenden seelischen Erschütterung sei, wenn den eigenanamnestischen Angaben des Klägers gefolgt werde, sicher gegeben gewesen. Überzeugende Hinweise für einen psychischen Sekundärschaden im Sinne einer misslungenen Anpassung an das traumatische Erlebnis oder an die körperlichen Folgen seien hingegen nicht zu erheben gewesen. Konkurrierende Belastungsfaktoren, welche jederzeit auch depressive Verstimmungen bedingt haben könnten, seien in nicht unerheblicher Zahl und Ausprägung gegeben gewesen. Als Nacherkrankung sei ein Hörsturz Ende 2012 mit einem daraus resultierenden, den Kläger bis heute belastenden Tinnitus links mit Grad III aufgetreten. An schädigungsfremden Faktoren, die für die Entwicklung psychischer Belastungen verantwortlich sein könnten, habe der punitive Erziehungsstil im Elternhaus vorgelegen, aufgrund dessen der Kläger wiederholt schwere körperliche Misshandlungen erfahren habe. Nach dem Ereignis im Januar 1993 sei die von ihm berichtete Konfrontation mit einer für ihn inadäquat ausgegangenen Gerichtsverhandlung im Oktober 1993 belastend gewesen. Deren Erleben und die Erfahrung mit einer für ihn nicht nachvollziehbaren Einstellung des Verfahrens seien gleichwohl nicht als Teil der Schädigungseinwirkung zu sehen. Weiterhin sei der Verkehrsunfall von April 1994 zu nennen, welcher vom Kläger als zweiter schwerer Schicksalsschlag eingeordnet worden sei, der bei ihm eine schwere Depression ausgelöst habe. Zusammenfassend sei es nicht möglich gewesen, eine aktuell vorhandene psychische Störung zu identifizieren, für die ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Geschehen von Januar 1993 zu belegen wäre.

Nach der mündlichen Verhandlung am 24. August 2017, bei welcher der Kläger anwesend gewesen ist, hat das SG die Klage durch Urteil abgewiesen. Unter Berücksichtigung der besonderen Beweiserleichterung des Glaubhafterscheinens sei er zwar am 27. Januar 1993 Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffes geworden. Die Beweiserleichterung komme zum Tragen, weil die vermeintlichen Schädiger vom Gericht nicht aufzufinden gewesen seien, so dass diese nicht als Zeugen hätten befragt werden können. Die Aussage des Zeugen B. habe zwar grundsätzlich das Vorbringen des Klägers gestützt. Es fehle jedoch an weiteren Beweismitteln. Zudem seien die Einzelheiten des Vorfalls ungeklärt geblieben. Für einen Anspruch des Klägers fehle es gleichwohl am erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen einem Primärschaden und der bei ihm angeblich vorliegenden Gesundheitsstörungen. Es lägen somit auch keine schädigungsbedingten Funktionsbeeinträchtigungen vor, welche einen rentenberechtigenden Grad der Schädigungsfolgen (GdS) begründen könnten, was die Kammer dem Gutachten von Prof. Dr. S. entnehme.

Gegen die der früheren Bevollmächtigten des Klägers am 1. September 2017 zugestellten Entscheidung hat dieser am Montag, 2. Oktober 2017 beim SG Berufung eingelegt.

Er trägt im Wesentlichen vor, der Sachverständige sei lediglich in Bezug auf seine Kurzbiografie, welche er im Zusammenhang mit einer psychotherapeutischen Sitzung bei der Dipl.-Psychologin E. verfasst habe, zu massiven Gewalterfahrungen in seiner Kindheit gekommen. Er habe darin gerade einmal drei Sätze hierzu verloren. Es sei nicht nachvollziehbar, dass er sich dermaßen auf so wenige Worte eingeschossen habe, um zu einem nicht plausiblen und für ihn nachteiligen gutachtlichen Ergebnis zu kommen. Die dritte Grundschulklasse habe er freiwillig wiederholt. Grund sei nicht gewesen, dass er aufgrund von Schlägen öfters blaue Flecken am Po gehabt habe, sondern weil er an den Kinderkrankheiten Mumps, Röteln und Scharlach gelitten habe. Er habe deshalb viel vom Unterrichtsstoff versäumt und besonders im Fach Mathematik nicht mehr mithalten können. Der Sachverständige habe bei den drei persönlichen Gesprächen seine eigenen Fragen gestellt und die Beantwortung nur insoweit zugelassen, bis er das zu hören bekommen habe, was aus seiner Sichtweise ein Muster ergeben habe. Er sei nicht nach den Beweggründen dazu befragt worden, weshalb er in der Kindheit und Jugend Entscheidungen getroffen habe. Er habe eine ausgewogene Kindheit gehabt, was sich den übrigen Passagen seiner Kurzbiografie entnehmen lasse. Insoweit sei ferner relevant, dass seine Eltern 1985 die Pflegschaft für seine damals fünfzehnjährige Freundin vom Jugendamt zugesprochen bekommen hätten, was nicht der Fall gewesen wäre, wenn in seiner Familie Missstände geherrscht hätten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts K. vom 24. August 2017 und den Bescheid vom 2. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2014 aufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen des Ereignisses vom 27. Januar 1993 Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz ab 1. April 2014 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor, selbst nach der Vernehmung des Zeugen B. bestünden erhebliche Zweifel am Ablauf des Geschehens im Januar 1993. Dem Begehren des Klägers stünden ohnehin die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist am Montag, 2. Oktober 2017 form- und fristgerecht beim SG (§ 151 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 64 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.

Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist das Urteil des SG vom 24. August 2017, mit dem die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und 4 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - B 9 VS 2/98 R -, SozR 3-3200 § 81 Nr. 16, S. 72 f.) erhobene Klage, mit welcher der Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2014 die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem OEG in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen des Ereignisses vom 27. Januar 1993 verfolgt hat, abgewiesen wurde. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist für diese Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 - B 6 KA 34/08 R -, BSGE 104, 116 (124); Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34), welche am 19. April 2018 stattfand.

Die Berufung ist mangels Begründetheit der Klage unbegründet, mit welcher der Kläger die Gewährung einer Beschädigtenversorgung, insbesondere eine Beschädigtengrundrente, erstrebt hat. Der Bescheid vom 2. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2014, mit dem ihm dies versagt wurde, ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), da er keine Leistung beanspruchen kann.

Rechtsgrundlage für den von ihm geltend gemachten Anspruch ist § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1, § 30, § 31 BVG. Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, unter anderem auch Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs. 1 BVG, wer im Geltungsbereich des OEG oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Die Versorgung umfasst nach dem insoweit entsprechend anwendbaren § 9 Abs. 1 Nr. 3 BVG die Beschädigtenrente (§§ 29 ff. BVG). Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der GdS - bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl I S. 2904) am 21. Dezember 2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bezeichnet - nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30. Liegt der GdS unter 25 besteht kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung (vgl. Urteil des Senats vom 18. Dezember 2014 - L 6 VS 413/13 -, juris, Rz. 42; Dau, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 31 BVG, Rz. 2).

Für einen Anspruch des Klägers auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG sind folgende rechtlichen Grundsätze maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 V 1/12 R -, BSGE 113, 205 (208 ff.)):

Ein Versorgungsanspruch setzt zunächst voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG gegeben sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 VG 1/08 R -, juris, Rz. 27 m. w. N). Danach erhält eine natürliche Person ("wer"), die im Geltungsbereich des OEG durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Somit besteht der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander verbunden sind.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist bei der Auslegung des Rechtsbegriffes "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen; von subjektiven Merkmalen, wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht, hat sich die Auslegung insoweit weitestgehend gelöst (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, Rz. 32 m. w. N.). Dabei sind je nach Fallkonstellation unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und verschiedene Gesichtspunkte hervorgehoben worden. Leitlinie ist insoweit der sich aus dem Sinn und Zweck des OEG ergebende Gedanke des Opferschutzes. Das Vorliegen eines tätlichen Angriffes hat das BSG daher aus der Sicht von objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden. Allgemein ist es in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass als tätlicher Angriff grundsätzlich eine in feindseliger oder rechtsfeindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen ist, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer - jedenfalls versuchten - vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 17, Rz. 25 m. w. N.). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des § 240 Strafgesetzbuch (StGB) zeichnet sich der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG durch eine körperliche Gewaltanwendung (Tätlichkeit) gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen ein (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, Rz. 36 m. w. N.). Ein solcher Angriff setzt eine unmittelbar auf den Körper einer anderen Person zielende, gewaltsame physische Einwirkung voraus; die bloße Drohung mit einer wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung reicht hierfür demgegenüber nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 1/13 R -, juris, Rz. 23 ff.).

Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennen das soziale Entschädigungsrecht und damit auch das OEG drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit. Nach Maßgabe des § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß § 6 Abs. 3 OEG anzuwenden ist, sind bei der Entscheidung die Angaben der Antragstellenden, die sich auf die mit der Schädigung, also insbesondere auch mit dem tätlichen Angriff im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.

Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller, a. a. O., § 128 Rz. 3b m. w. N.). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2010 - B 11 AL 35/09 R -, juris, Rz. 21). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller, a. a. O.).

Der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ist dann gegeben, wenn nach der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14 m. w. N.). Diese Definition ist der Fragestellung nach dem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, juris, Rz. 18 ff.) angepasst, die nur entweder mit ja oder mit nein beantwortet werden kann. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden. Für die Wahrscheinlichkeit ist ein "deutliches" Übergewicht für eine der Möglichkeiten erforderlich. Sie entfällt, wenn eine andere Möglichkeit ebenfalls ernstlich in Betracht kommt.

Bei dem "Glaubhafterscheinen" im Sinne des § 15 Satz 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller, a. a. O., Rz. 3d m. w. N.), also der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14 f. m. w. N.). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, also es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (vgl. Keller, a. a. O.), weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses, aber kein deutliches Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Tatsachengericht ist allerdings mit Blick auf die Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) im Einzelfall grundsätzlich darin nicht eingeengt, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 15). Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend - seit Juli 2004 - den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Teil C, Nrn. 1 bis 3 und 12 der Anlage zu § 2 VersMedV; vgl. BR-Drucks 767/1/08 S. 3, 4) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, juris, Rz. 17).

Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Beschädigtenversorgung wegen der behaupteten Gewalthandlungen gegen ihn in der R.-Straße in F. am 27. Januar 1993, worüber der beklagte Verwaltungsträger eine Entscheidung getroffen hat. Der Ursachenzusammenhang zwischen einem tätlichen Angriff, einer dadurch erlittenen gesundheitlichen Schädigung und einer Schädigungsfolge ist nicht wahrscheinlich.

Der Anwendungsbereich von § 15 Satz 1 KOVVfG ist nicht eröffnet. Danach sind die Angaben der Antragstellenden, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, der Entscheidung zugrunde zu legen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden der Antragstellenden oder ihrer Hinterbliebenen verlorengegangen sind, soweit die Angaben nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. Die Beweiserleichterung des § 15 Satz 1 KOVVfG ist auch dann anwendbar, wenn für den schädigenden Vorgang keine Zeugen vorhanden sind (vgl. BSG, Urteil vom 31. Mai 1989 - 9 RVg 3/89 -, BSGE 65, 123 (125)). Nach dem Sinn und Zweck des § 15 Satz 1 KOVVfG sind damit nur Tatzeugen gemeint, die zu den zu beweisenden Tatsachen aus eigener Wahrnehmung Angaben machen können. Personen etwa, die von ihrem gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 383 ff. Zivilprozessordnung - ZPO) Gebrauch gemacht haben, sind dabei nicht als solche Zeugen anzusehen. Denn die Beweisnot des Opfers, auf die sich § 15 Satz 1 KOVVfG bezieht, ist in diesem Fall nicht geringer, als wenn Angreifende unerkannt geblieben oder flüchtig sind (BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 V 1/12 R -, juris, Rz. 41 m. w. N.). Ob Entsprechendes bezogen auf eine für die Tatbegehung in Betracht kommende Person gilt, die eine schädigende Handlung bestreitet, und die Beweiserleichterung des § 15 Satz 1 KOVVfG damit auch zur Anwendung gelangt, wenn sich die Aussagen des Opfers und des den behaupteten schädigenden Vorgang bestreitenden vermeintlichen Täters gegenüberstehen sowie Tatzeugen nicht vorhanden sind (BSG, a. a. O.), ist zweifelhaft (Bayerisches LSG, Urteil vom 30. April 2015 - L 15 VG 24/09 -, juris, Rz. 61; Urteil des Senats vom 22. September 2016 - L 6 VG 1927/16 -, juris, Rz. 72 f.). Es kann jedoch offenbleiben, ob § 15 Satz 1 KOVVfG in dieser Konstellation heranzuziehen ist, da mit dem Tatzeugen B., welcher vom SG vernommen wurde, ein Beweismittel zur Verfügung stand, so dass keine hinreichende Beweisnot geherrscht hat. Die Beweiserleichterung kommt bereits aus diesem Grund nicht zum Tragen, was das SG übersehen hat.

Zur Überzeugung des Senats steht nach der Strafanzeige des Klägers von März 1993 und ausweislich des im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Protokolls der nichtöffentlichen Sitzung beim SG über die Vernehmung des Zeugen B. (vgl. Huber, in: Musielak/Voit, Kommentar zur ZPO, 15. Aufl. 2018, § 415 Rz. 8) fest, dass der Kläger bei der Auseinandersetzung am 27. Januar 1993 in der R.-Straße in F. eine Stichwunde am linken Oberschenkel sowie eine Stich- und eine Schnittverletzung am Rücken auf der linken Seite in der Nähe der Schulter und in Höhe des Herzens und der Lunge erlitt, wobei die Versorgung ambulant bis gegen 1:30 Uhr des Folgetages im Universitätsklinikum F. erfolgte. Die Verletzung am linken Oberschenkel wurde mittels einer Drainage versorgt. Insoweit stimmen die Angaben des Klägers, welcher bei der nichtöffentlichen Sitzung beim SG in Bezug auf die Rückenverletzung lediglich eine Konkretisierung vornahm, und des Zeugen B. überein, wobei dieser sich detailreich und mit Komplikationen verbunden und damit glaubhaft noch an die Verletzung am linken Oberschenkel, welche er als stärkste Verletzung beschrieb, erinnern konnte. Demgegenüber steht nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass sich der Kläger Ende Januar 1993 auch am rechten Oberschenkel und am linken Oberarm Schnitt- oder Stichwunden zuzog. Weder nach dem SGG noch nach der ZPO gibt es zwar eine Beweisregel in dem Sinne, dass frühere Aussagen oder Angaben grundsätzlich einen höheren Beweiswert besitzen als spätere; im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 286 ZPO) sind vielmehr alle Aussagen, Angaben und sonstigen Einlassungen zu würdigen. Gleichwohl kann das Gericht im Rahmen der Gesamtwürdigung den zeitlich früheren aufgrund der Gesichtspunkte, dass die Erinnerung hierbei noch frischer war oder sie von irgendwelchen Überlegungen, die darauf abzielen, das Klagebegehren zu begünstigen, noch unbeeinflusst waren, einen höheren Beweiswert als den späteren zumessen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2003 - B 2 U 41/02 R -, SozR 4-2700 § 4 Nr. 1, Rz. 12; Urteile des Senats vom 12. August 2014 - L 6 VH 5821/10 ZVW - juris, Rz. 144 und vom 21. Mai 2015 - L 6 U 1053/15 -, juris, Rz. 34). Hiervon geht der Senat vorliegend aus, zumal sich der Kläger erstmals in seinem das Verwaltungsverfahren einleitenden Antrag von April 2014 und später bei seiner gerichtlichen Anhörung im Februar 2016 dahingehend einließ. Ausgeblendet, dass der Beitrag des Klägers bei der Auseinandersetzung möglicherweise selbst strafrechtlich relevant schien, weshalb das Verfahren nach § 153a Abs. 2 Satz 1 StPO vorläufig eingestellt worden sein könnte und J.H. lediglich Auflagen erteilt wurden, konnte Letzterem die Tat nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. Freigesprochen wurde er, anders als dem Kläger in der E-Mail vom 17. März 2014 mitgeteilt, ausweislich der zeitnahen Dokumentation der Staatsanwaltschaft F. über den Ausgang des Verfahrens jedenfalls nicht. Ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff gegen seine Person im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG, von dem der Senat zugunsten des Klägers ausgeht, liegt daher vor.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht in Bezug auf den zu fordernden Vollbeweis für eine Schädigungsfolge fest, dass der Kläger seit der Antragstellung im April 2014 als materiell-rechtlicher Voraussetzung (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2008 - B 9/9a VG 1/07 R -, SozR 4-3100 § 60 Nr. 5, Rz. 17) auf psychiatrischem Fachgebiet an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ (ICD-10-GM-2018 F60.30) mit passiv-aggressiven Zügen und einer Neurasthenie (ICD-10-GM-2018 F48.0) leidet, wie sie der Sachverständige Prof. Dr. S. jeweils schlüssig diagnostiziert hat. Erstere hat zu anhaltenden Funktionsbeeinträchtigungen sowohl in psychisch-emotionaler wie auch in sozial-kommunikativer Weise geführt. Gleichzeitig ist der Kläger sozial eingebunden und nimmt ausweislich der differenzierten familientherapeutischen Berichte von 2014 verantwortungsvoll in einem schwierigen Umfeld familiäre Verpflichtungen wahr. Der Schweregrad ist als mittelschwer zu beurteilen. Die festgestellte neurotische Störung hat zu verschiedenen körperlich-funktionellen Beschwerden mit einer im Vordergrund stehenden erhöhten subjektiven Erschöpfbarkeit, Spannungskopfschmerzen und Benommenheitsgefühlen geführt. Die somatoformen Beschwerden liegen dabei weitgehend im Subjektiven. Die daraus resultierenden Funktionsauswirkungen auf den psychisch-emotionalen Bereich sind geringfügig.

Eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10-GM-2018 F43.1), welche von Dr. L. und Prof. Dr. E. als gesichert angenommen worden ist, steht nicht zur Überzeugung des Senats fest. Diese Erkrankung ist nach der von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenen Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme in ihrer aktuellen und international gültigen Ausgabe ICD-10, Version 2018 (ICD-10-GM-2018) als "F43.1" kodiert und bezeichnet eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Albträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (ICD-10-GM-2017 F62.0) über. Kriterien für die Diagnosestellung sind (vgl. Schnyder, MedSach 2003, S. 142 (143 f.)) ein Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalem Ausmaß, das nahezu bei jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde (A-Kriterium), Wiedererleben: Erinnerungen tagsüber, Träume, Flashbacks, Bedrängnis bei Konfrontation mit ähnlichen Ereignissen (B-Kriterium), Vermeidung von Umständen, welche der Belastung ähneln (C-Kriterium), Amnesie oder erhöhte Sensitivität und Erregung: mindestens zwei der folgenden Merkmale: Schlafstörungen, Reizbarkeit oder Wutausbrüche, Konzentrationsstörungen, Hypervigilanz, erhöhte Schreckhaftigkeit (D-Kriterium) sowie das Auftreten in der Regel innerhalb von sechs Monaten nach dem Ereignis (E-Kriterium). Nach diesem Diagnosesystem orientiert sich die vertragsärztliche Behandlung (Urteil des Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14 -, juris, Rz. 36). Es ist daher in erster Linie auch von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten sowie den Sachverständigen anzuwenden, da es die nachvollziehbare Feststellung einer konkreten psychischen Gesundheitsstörung unter Verwendung eines üblichen Diagnosesystems sowie des dortigen Schlüssels und der Bezeichnungen ermöglicht. Zur Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung herangezogen wird auch das von der American Psychiatric Association in den Vereinigten Staaten von Amerika herausgegebene Diagnostische und statistische Manual psychischer Störungen, seit 1996 auch auf Deutsch; die Textrevision der vierten Auflage wurde 2000 veröffentlicht (DSM-IV-TR). Nach DSM-IV-TR 309.81 ist das so genannte "Traumakriterium", das A-Kriterium, eingängiger gefasst. Danach ist Hauptmerkmal der posttraumatischen Belastungsstörung die Entwicklung charakteristischer Symptome nach der Konfrontation mit einem extrem traumatischen Ereignis. Das traumatische Ereignis beinhaltet unter anderem das direkte persönliche Erleben einer Situation, die mit dem Tod oder der Androhung des Todes, einer schweren Verletzung oder einer anderen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit zu tun hat (A1-Kriterium). Es muss ein extremes, lebensbedrohliches Ereignis tatsächlich stattgefunden haben (Foerster/Leonhardt, MedSach 2003, S. 146 (147)). Bezüglich des Erlebnisses ist eine Reaktion von Angst, Hilflosigkeit oder Grauen zu verlangen (A2-Kriterium). Weitere Kriterien sind (vgl. Schnyder, a. a. O.) ständiges Wiedererleben des traumatischen Ereignisses (B-Kriterium), anhaltendes Vermeiden spezifischer Stimuli, welche an das Trauma erinnern (C-Kriterium), Angst oder erhöhtes Erregungsniveau (D-Kriterium), Dauer mindestens ein Monat (E-Kriterium) sowie erhebliches Leiden oder Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Bereichen (F-Kriterium). Die seit Mai 2013 dem DSM-IV-TR folgende, nunmehr in deutscher Sprache vorliegende 5. Auflage des Diagnostischen und statistischen Manuals (DSM-5) steht dem an sich nicht entgegen (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14 -, juris, Rz. 40; Widder/Dreßing/Gonschorek/Tegenthoff/Drechsel-Schlund, MedSach 2016, S. 156 ff.). Unter das A-Kriterium wird nunmehr allerdings auch die Erfahrung wiederholter oder extremer Konfrontation mit aversiven Details von einem oder mehreren derartigen traumatischen Ereignissen (z. B. Ersthelfer, die menschliche Leichenteile aufsammeln, oder Polizisten, die wiederholt mit schockierenden Details von Kindesmissbrauch konfrontiert werden) gefasst. Damit löst sich, ohne dies deutlich zu machen, die DSM-5 deutlich von der historischen Entwicklung der Erfassung seelischer Folgen schwerer Traumatisierung in den psychiatrischen Klassifikationsschemata, welche nicht zuletzt unter dem Druck der Veteranen des 1955 begonnenen Vietnamkrieges erfolgte, denen ganz unzweifelhaft permanente lebensbedrohliche Ereignisse widerfuhren und die Gräueltaten mit anblicken mussten (vgl. Hirschmüller, MedSach 2003, S. 137 (140)). Hiervon unterscheidet sich der Fall des Klägers gravierend. An dem Diagnosesystem DSM-5 wird im fachmedizinischen Schrifttum zudem die fehlende Validität bemängelt (Urteil des Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14 -, juris, Rz. 41). Da die exakte psychische Diagnose es nachvollziehbar machen muss, warum und in welchem Ausmaß eine Person psychisch krank ist, ist das DSM-5 besonders bei der posttraumatischen Belastungsstörung nicht geeignet, diese Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten (Urteil des Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14 -, juris, Rz. 42).

Nach beiden Diagnosesystemen, also nach ICD-10-GM-2017 und DSM-IV-TR fehlt es vorliegend an den Voraussetzungen für eine Diagnosestellung (vgl. hierzu auch Urteile des Senats vom 26. Juni 2014 - L 6 VU 2236/13 ZVW -, vom 23. Juni 2016 - L 6 VH 4633/14 -, und vom 28. Juli 2016 - L 6 U 1013/15 -, jeweils juris), wie Prof. Dr. S. überzeugend herausgearbeitet hat. Das A- oder Trauma-Kriterium ist zwar ob der erwiesenen Schnitt- und Stichverletzungen am rechten Oberschenkel sowie am Rücken auf der linken Seite in der Nähe der Schulter und in Höhe des Herzens und der Lunge als erfüllt zu betrachten. Bei dem vorangegangenen Zweikampf erfuhr der Kläger eine Lebensbedrohung. Bei lebensnaher Betrachtung lag damit eine außergewöhnliche Situation vor, welche praktisch auf jeden Betroffenen tiefgreifend erschütternd wirken würde. Die Erfüllung des B- oder Wiedererinnerungs-Kriteriums ist hingegen nicht im Vollbeweis gesichert. Der Kläger berichtete bei der gutachtlichen Untersuchung von unwillkürlichen Wiedererinnerungen der traumatischen Belastung von mindestens 30 Sekunden bis zu einer mehrminütigen Dauer. Gegenwärtig traten sie in der Häufigkeit ein- bis zweimal in der Woche auf. Auf Nachfrage berichtete er von auslösenden Reizen für solche Erinnerungen, etwa, wenn er die Narbe auf seinem linken Oberschenkel sieht, welche nicht als Schädigungsfolge erwiesen ist. Wenn er an das Geschehen von Januar 1993 denkt, läuft der komplette Film bei ihm ab. Flashbacks im engeren Sinne, also szenische Wiedererinnerungen von besonders lebendiger, halluzinationsähnlicher Qualität, wurden von ihm nicht beschrieben. Solche sind angeblich nach dem Übergriff 1993 anfangs täglich aufgetreten, später weniger oft, ohne dass der Kläger genau bezeichnen konnte, was und in welcher Weise die Häufigkeit nachließ. Erstmals habe er sie gegenüber Dr. N. erwähnt. Der Behandlungsdokumentation von Dr. L. über den Zeitraum von Mai 2009 bis März 2016 sind indes keine szenischen Wiedererinnerungen von belastender Qualität zu entnehmen. Von Prof. Dr. E. wurde erwähnt, der Kläger habe Intrusionen und Flashbacks angeführt. In dem von ihm erhobenen psychischen Befund ist jedoch dokumentiert, dass es eine teilweise sehr offene, teilweise widersprüchliche und auch verbergende Berichterstattung war. Inwieweit er im Anschluss in der Lage gewesen sein soll, tatsächlich Krankheitswerte einschließlich Wiedererinnerungen zu explorieren, ist seinem Entlassungsbericht mangels detaillierter Ausführungen nicht klar zu entnehmen. Wegen der Kürze des stationären Aufenthaltes von zwei Tagen schließt der Senat in Anknüpfung an die Ausführungen des Sachverständigen aus, dass eine Validierung der Beschwerdeangaben durch eine klinische Beobachtung zu unterschiedlichen Tageszeiten und in verschiedenen situativen Kontexten stattfand. Die Inhalte der vom Kläger damals angegeben szenischen Wiedererinnerungen sind in dem Bericht nicht explizit wiedergegeben. Der psychische Befund ist damit unscharf geblieben. Demgegenüber hat keiner der den Kläger über mehrere Termine behandelnde oder untersuchende Facharzt oder Psychotherapeut einen belastbaren klinischen Befund erhoben, welcher die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung stützt, auch nicht Dr. L., welche im Übrigen keine Fachärztin für Psychiatrie ist. Insbesondere sind von den ihn längerfristig behandelnden Psychiatern und Psychologen keine intrusiven Wiedererinnerungen dokumentiert worden. Dies steht im Widerspruch zu den Angaben des Klägers bei den gutachtlichen Untersuchungen durch Prof. Dr. S., seit dem Schädigungsereignis massiv und in hoher Frequenz solche Erinnerungen gehabt zu haben, unter denen er bis heute angeblich leidet. Das C- oder Vermeidungskriterium ist ebenfalls nicht erfüllt. Zwar sind Messer für den Kläger ein absolutes Tabu, womit er Pfadfindermesser meinte, wovon eine Gefahr ausgehen könne. Hiermit beschrieb er jedoch kein psychopathologisches Vermeidungsverhalten, vielmehr ein adäquates, maximal ein etwas übervorsichtiges Sicherungsgebaren. Dass er bei seinem zweiten Selbsttötungsversuch 1998 zu einem Messer griff, um sich die Pulsadern zu öffnen, spricht ebenfalls gegen ein psychopathologisches Meiden von Messern. Als weitere Verhaltensweisen erwähnte er, nicht auf Feste zu gehen und körperliche Nähe zu anderen Menschen in der Öffentlichkeit zu meiden. Ferner kontaktiere er keine Ärzte, was er auf das in Rede stehende Ereignis zurückführte. Diese Situationen sind jedoch entweder völlig unabhängig von der traumatischen Belastung im Januar 1993 zu sehen oder sie stellen ein Vermeidungsverhalten dar, welches sich erst, wie die unterbliebenen Konsultationen von Ärzten, allenfalls in jüngerer Zeit entwickelt hat. Zudem berichtete er lebendig von seiner praktizierten Tätigkeit als Discjockey bis hin zu einer körperlichen Auseinandersetzung 1995/1996, als ihn jemand zu Boden ringen wollte. Ein traumaspezifisches Vermeidungsverhalten ist hierin nicht zu erkennen. Bei weiter Auslegung ist das D- oder Amnesie-/Hypersensibilitätskriterium wegen der plausibel dokumentierten Schlafstörungen und der Reizbarkeit als erfüllt zu betrachten. Das E- oder Zeitkriterium verlangt, dass die Kriterien B, C und D innerhalb von sechs Monaten nach der Belastung erfüllt sein müssen. Angesichts der Unsicherheit in Bezug auf die B- und C-Kriterien ist damit auch das E-Kriterium nicht erfüllt. Die Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung sind folglich nicht erwiesen.

Weder die emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ mit passiv-aggressiven Zügen noch die Neurasthenie als objektivierte psychische Gesundheitsstörungen sind mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis von Januar 1993 zurückzuführen, wie Prof. Dr. S. schlüssig dargelegt hat. Nach gegenwärtigem wissenschaftlichem Erkenntnisstand resultieren Persönlichkeitsstörungen aus einem multifaktoriellen Bedingungsgeflecht, wobei neben genetischen Faktoren frühkindliche Bindungserfahrungen und Bedingungen der Primärsozialisation mit etwaigen Belastungserfahrungen kausal relevant sind. Genetischen Faktoren wird mit einer Erheblichkeit von bis zu 60 % eine hohe Bedeutung zugemessen. Der Kläger hat massive Gewalterfahrungen durch seinen zum Alkoholkonsum neigenden Vater gemacht, wie er sie entgegen seinem Vortrag im Berufungsverfahren nicht nur in seiner für die Dipl.-Psychologin E. erstellten Kurzbiografie, sondern auch umfassend im Rahmen der Anamnese bei der gutachtlichen Untersuchung durch Prof. Dr. S., deren Erhebung zu den Aufgaben des Sachverständigen zählt und entgegen der Meinung des Klägers kein bestimmtes Muster ergeben sollen, beschrieben hat. Gegenüber der Dipl.-Psychologin E. beschrieb er detailliert, dass sein Vater, als er in der dritten Klasse der Grundschule war, selbst in betrunkenem Zustand nach 21 Uhr mit ihm für die Schule lernte. Selbst wenn er schon schlief, kam er gelegentlich nicht um die Nachhilfe herum, die nicht selten mit einem "blauen Hintern" endete. Gegenüber Prof. Dr. S. führte der Kläger an, sein Vater prügelte ihn im alkoholisierten Zustand selbst bei einem nichtigen Anlass. In der dritten Klasse der Grundschule wurde er von seinen Eltern wiederholt nicht zur Schule geschickt, damit die blauen Flecken nicht auffielen, weshalb er diese wiederholen musste. Dass die Eltern des Klägers nach seiner Darlegung die Pflegschaft für seine damals fünfzehnjährige Freundin vom Jugendamt zugesprochen bekommen haben, besagt nicht, dass sein Vater nicht innerhalb der Familie gewaltbereit war. Die Einlassung des Klägers im Berufungsverfahren, die dritte Grundschulklasse freiwillig wiederholt zu haben, weil er an den Kinderkrankheiten Mumps, Röteln und Scharlach gelitten habe und Unterrichtsstoff versäumt habe, hält der Senat demgegenüber für vorgeschoben, um das Klageziel zu erreichen. Das Erleben körperlicher Gewalt ist nach epidemiologischem Kenntnisstand dicht verknüpft mit einer Vielzahl von im späteren Erwachsenenalter auftretenden psychischen Erkrankungen. Körperliche Gewalterfahrungen gelten als starke Risikofaktoren sowohl für die Entwicklung von emotional instabilen wie auch von passiv-aggressiven Persönlichkeitsstörungen. Eine einzelne erlebte Gewaltepisode im Sinne eines einmaligen äußeren Ereignisses im Erwachsenenalter wie die Situation am 27. Januar 1993 führt demgegenüber nicht zu einer andauernden Persönlichkeitsänderung. Anders ist dies etwa bei Langzeittraumatisierungen in der Kindheit oder im Erwachsenenalter. Bei der beim Kläger diagnostizierten emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ mit passiv-aggressiven Zügen handelt es sich um eine schädigungsunabhängig vorbestehende psychische Erkrankung. Die bei ihm erkannte Neurasthenie mit einem im Vordergrund stehenden Gefühl der Benommenheit, einer raschen Erschöpfbarkeit sowie einer fehlenden Erholungsfunktion des Schlafes und des Ruhens ist im Kontext einer langjährigen aktenkundigen Neigung zu multiplen körperlich-funktionellen Störungen zu sehen. Eine solche ist auch der Behandlungsdokumentation von Dr. L. zu entnehmen. Daraus ergibt sich für den Zeitraum von Oktober 2010 bis Februar 2012 eine "psychonervöse Erschöpfung" und im März 2013 eine "somatoforme Störung" mit "multiplen somatischen Erscheinungen". Während darin erstmals ab Oktober 2010 solche körperlich-funktionellen Störungen von Krankheitswert erwähnt sind, hat der Kläger bei der gutachtlichen Untersuchung durch Prof. Dr. S. körperliche Beschwerden wie Kopf- und Nackenschmerzen, Zerstreutheit sowie Antriebs- und Lustlosigkeit bereits unmittelbar nach dem Verkehrsunfall 1994 angeführt. Im Folgejahr kam es zu einem Stresskollaps, als alles um ihn herum zusammenbrach. Seine Freundin verließ ihn, die Wohnung verlor er, das Auto war weg und er hatte kein Geld mehr. Formal können diese Beschwerdeangaben auch im Kontext einer somatoformen Störung gesehen werden. Zu beachten ist jedoch, dass der Kläger selbst angegeben hat, der Verkehrsunfall 1994, welchen er als seinen zweiten schweren Schicksalsschlag einordnet, löste bei ihm aus seiner Laiensicht eine schwere Depression aus. Als weitere Erklärung für diese Beschwerden kommt grundsätzlich auch der von ihm erwähnte Konsum von Cannabis in Betracht. Er nahm jedenfalls von 1994 bis 1998 täglich 1 g ein. Ab 1999 konsumierte er es nur noch sporadisch und zuletzt 2011. Eine initial eine Depression auslösende und bei fortgesetztem Genuss häufig eine solche Erkrankung induzierende Wirkung dieses Rauschmittels ist medizinisch bekannt. Nach gegenwärtigem fachwissenschaftlichem Kenntnisstand liegt ein ganzes Bündel an Faktoren vor, welche zur Disposition, Auslösung oder Aufrechterhaltung von somatoformen Störungen, zu denen die Neurasthenie zählt, führen. Wissenschaftlich gut belegt ist der Einfluss von genetischen Faktoren und belastenden Kindheits-, insbesondere Gewalterfahrungen. Eine besondere Bedeutung kommt persönlichkeitsgebundenen Wahrnehmungsstilen zu. Im Kern geht es dabei um eine erhöhte Bereitschaft, körpereigene Reize zu entdecken, also die somatosensorische Verstärkung interozeptiver Reize, weshalb mittels einer selektiven Aufmerksamkeitszuwendung und Fehlbewertung an sich harmlose Reize mit als bedrohlich oder intolerabel empfundenen einhergehen. Vorliegend lässt sich weder ein zeitlicher noch ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen dem in Rede stehenden Schädigungsereignis und den seit Oktober 2010 dokumentierten somatoformen Erkrankungen festmachen. Für die Zeit des hochintensiven Cannabiskonsums ist es nicht möglich, retrospektiv eine somatoforme Störung zu identifizieren. Ob spätere Ermüdungserscheinungen im Zusammenhang mit vereinzelt diagnostizierten depressiven Verstimmungen oder aber als Ausdruck der seit 2010 dokumentierten somatoformen Störungen zu sehen sind, steht nicht fest. Ausgehend von dem Wissen um die Ätiopathogenese von somatoformen Störungen ist jedenfalls ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Ereignis von Januar 1993 und solchen Gesundheitsstörungen nicht wahrscheinlich zu machen. Für die verschiedentlich diagnostizierten depressiven Störungen gilt ebenfalls, dass weder zeitlich noch inhaltlich mit dem Schädigungsereignis von Januar 1993 ein Zusammenhang wahrscheinlich ist. Das Erleben und die Erfahrung mit einer für den Kläger nicht nachvollziehbaren Einstellung des strafgerichtlichen Verfahrens sind nach den nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. S. ebenfalls nicht auf die schädigende Gewalteinwirkung zurückzuführen (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 7. Dezember 2017 - L 6 VG 6/17 -, juris).

Die Stich- und Schnittverletzungen am linken Oberschenkel und Rücken waren jedenfalls bis April 2014 ausgeheilt. Eine Kausalität zwischen dem schädigenden Vorgang und den sonstigen Krankheiten, an denen der Kläger aktuell leidet, insbesondere Kopfschmerzen, wird von ihm nicht näher dargelegt und liegt mangels Anhaltspunkt zudem fern.

Für eine Beschädigtengrundrente wie auch sonstige Versorgungsleistungen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i. V. m. § 9 Abs. 1 BVG) fehlt es daher bereits am jeweiligen Ursachenzusammenhang zwischen dem tätlichen Angriff, dem der Kläger am 27. Januar 1993 ausgesetzt war, und einem Gesundheitsschaden als jeweilige Anspruchsvoraussetzung.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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