Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 2/04 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Juni 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darum, ob die Erstattung von Kosten für den Erwerb eines Führerscheins zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt gehört.
Die Klägerin ist ein Unternehmen, das Postdienstleistungen erbringt. In mehreren Niederlassungen veranlasste sie zahlreiche Beschäftigte, Führerscheine der Klassen 3 (PKW) und 2 (LKW) zu erwerben, und erstattete ihnen hierfür Kosten.
Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) führte im Dezember 1999 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Mit Bescheid vom 5. September 2000 setzte sie Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 44.920,04 DM auf die erstatteten Führerscheinkosten fest. Deren Erstattung durch den Arbeitgeber stelle beitragspflichtiges Arbeitsentgelt dar. Im Hinblick auf das immer auch vorhandene Eigeninteresse des Arbeitnehmers am Erwerb eines Führerscheins könne sie nicht als steuerfreier Auslagenersatz angesehen werden. Die Erstattungen seien als Werbungskostenersatz dem steuerpflichtigen Arbeitslohn zuzurechnen. Werbungskostenersatz werde nicht dadurch zum Auslagenersatz, dass ein Tarifvertrag bzw eine Betriebs- oder Arbeitsvereinbarung diese Kosten dem Arbeitgeber zuweise. Den Widerspruch, der sich vor allem gegen die Beurteilung der Erstattungen für den Führerschein der Klasse 2 richtete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2001 zurück.
Die Klägerin hat Klage erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 24. Januar 2002 den Bescheid der Beklagten vom 5. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. März 2001 aufgehoben, soweit die Beklagte von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge auf die Erstattungen für den Erwerb des Führerscheins der Klasse 2 fordert. Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat drei Beschäftigte der Klägerin (Beigeladene zu 1 bis 3), die Bundesanstalt für Arbeit (BA, heute: Bundesagentur für Arbeit - Beigeladene zu 4), die Betriebskrankenkasse (BKK) Post (heute: Deutsche BKK - Beigeladene zu 5), deren Pflegekasse (Beigeladene zu 8) sowie die Landesversicherungsanstalten (LVA) Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein (Beigeladene zu 6 und 7) beigeladen. Die in den Jahren 1998 und 1999 erstatteten Kosten des LKW-Führerscheins betrugen für den Beigeladenen zu 1) etwa 4.480 DM, für die Beigeladene zu 2) 3.835 DM und für den Beigeladenen zu 3) etwa 2.650 DM; hierauf entfallen Beiträge in Höhe von 4.553,90 DM. Während des Berufungsverfahrens haben sich die Klägerin und die Beklagte darauf geeinigt, dass die sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Erstattungen für den Erwerb des LKW-Führerscheins der in den angefochtenen Bescheiden aufgeführten weiteren Beschäftigten so zu erfolgen habe, wie sich das als Folge dieses Rechtsstreits für die Beigeladenen 1) bis 3) ergebe, und dass Erstattungen für den Erwerb des Führerscheins der Klasse 3 der Beitragspflicht unterlägen. Mit Urteil vom 26. Juni 2003 hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Die Erstattungen stellten kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt dar.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 14 Abs 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV). Entgegen der Ansicht des LSG sei ein Fall steuerfreien Auslagenersatzes nicht gegeben, weil die Beigeladenen zu 1) bis 3) ein maßgebliches Eigeninteresse am Erwerb des LKW-Führerscheins gehabt hätten. Dieses liege in der Verbesserung ihrer beruflichen Qualifikation, die auch außerhalb des Betriebes der Klägerin verwertbar sei. Der Führerscheinerwerb habe außerdem ganz konkret dazu gedient, den Vollarbeitsplatz der Beigeladenen zu 1) bis 3) zu erhalten. Die Klägerin sei infolge von Rationalisierungsmaßnahmen gezwungen gewesen, gegenüber Beschäftigten mit einem Arbeitsvertrag über 38 Stunden eine Änderungskündigung auszusprechen und ihnen einen Arbeitsplatz mit nur 18 Stunden anzubieten. Änderungskündigungen hätten allerdings vermieden werden können, wenn Beschäftigte sich bereit erklärt hätten, als Briefzusteller zu arbeiten oder den Führerschein der Klasse 2 zu erwerben, um im Paketzustelldienst eingesetzt zu werden. Gegen eine Beurteilung als steuerfreier Auslagenersatz spreche schließlich, dass die Kosten für den Erwerb des Führerscheins der Klasse 2 lediglich in Höhe von maximal 2.700 DM erstattet worden und die verbleibenden Kosten von den Arbeitnehmern selbst getragen worden seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 26. Juni 2003 und das Urteil des SG vom 24. Januar 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit Beiträge auf die Kostenerstattung für den Erwerb der Führerscheinklasse 2 durch die Beigeladenen zu 1) bis 3) erhoben worden sind.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beigeladenen zu 4) und 6) schließen sich der Revisionsbegründung der Beklagten an. Nach Auffassung der Beigeladenen zu 5) und 8) handelt es sich bei der Erstattung der Kosten für den Führerschein der Klasse 2 nicht um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt.
II
Die Revision der Beklagten ist im Sinn der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Die bisher getroffenen Feststellungen reichen für eine abschließende Beurteilung, ob die Erstattungen der Führerscheinkosten beitragspflichtiges Arbeitsentgelt und deshalb der Beitragserhebung zu Grunde zu legen sind, nicht aus.
1. In der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung wurde in den Jahren 1998 und 1999, um die es hier geht, bei versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung das Arbeitsentgelt zu Grunde gelegt (§ 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), § 57 Abs 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI), § 162 Nr 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI), § 342 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III)). Arbeitsentgelt sind nach § 14 Abs 1 SGB IV (seit dem 1. April 1999: § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV) alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. In § 17 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB IV wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung, insbesondere zur Vereinfachung des Beitragseinzugs, zu bestimmen, dass einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, ganz oder teilweise nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind. Nach § 17 Abs 1 Satz 2 SGB IV ist dabei eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen. Von der Ermächtigung des § 17 Abs 1 SGB IV hat die Bundesregierung durch Erlass der Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) Gebrauch gemacht.
Zu dem weitgefassten und beitragspflichtigen Arbeitsentgelt in dem genannten Sinne hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung gerechnet: Verloste Reisen (SozR 2100 § 14 Nr 19), Auflassungsgebühren von Notariatsangestellten (SozR 3-2400 § 14 Nr 8), Prämien für Verbesserungsvorschläge (SozR 3-2400 § 14 Nr 15) sowie den Gegenwert einer kostenlosen Kontenführung bei einer Sparkasse (BSGE 89, 158 = SozR 3-2400 § 28f Nr 3) und verbilligter Flüge bei einer Fluggesellschaft (SozR 3-2400 § 14 Nr 23). Zu den beiden letztgenannten Entscheidungen ist ab 2003 indes die Änderung des § 23a Abs 1 SGB IV durch Art 2 Nr 7a des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl I 4621) zu beachten. Mit Urteil vom 26. Mai 2004 - B 12 KR 2/03 R - (zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen) hat der Senat auch das Instrumentengeld von Musikern zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt gezählt.
In einem Verfahren, in dem es ebenfalls um die Beitragspflicht einer Kostenerstattung für den Erwerb eines Führerscheins der Klasse 2 ging, hat der Senat mit Urteil vom 26. Mai 2004 - B 12 KR 5/04 R - (zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen) entschieden, dass die Erstattung unter den dort gegebenen Verhältnissen kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt war. Der Senat brauche nicht zu entscheiden, ob diese Erstattung zu den in § 14 Abs 1 SGB IV genannten Einnahmen zähle. Denn träfe dieses zu, ergebe sich deren Beitragsfreiheit aus § 1 ArEV. Die Kostenerstattung für den LKW-Führerschein gehöre zu den einmaligen Einnahmen iS der § 17 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB IV, § 1 ArEV, die zusätzlich zu Löhnen und Gehältern gewährt würden. Ob sie dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sei, beurteile sich danach, ob sie steuerpflichtigen Arbeitslohn darstelle. Zur steuerrechtlichen Beurteilung einer durch den Arbeitgeber vorgenommenen Erstattung von Führerscheinkosten durch den Bundesfinanzhof (BFH) hat der Senat in dem genannten Urteil ausgeführt:
Im Steuerrecht ist die vergleichbare Frage, ob eine Erstattung von Führerscheinkosten zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehört, schon mehrfach entschieden worden. Der BFH hatte dabei zu beurteilen, ob sich bei wertender Gesamtbetrachtung aller den Vorgang prägenden Umstände ein Kostenersatz durch den Arbeitgeber als Erstattung von Kosten privater Lebensführung bzw Werbungskostenersatz (dann steuerbarer Arbeitslohn) oder als Auslagenersatz nach § 3 Nr 50, zweite Alternative Einkommensteuergesetz (EStG) (kein steuerbarer Arbeitslohn) darstellte. In seiner jüngeren Rechtsprechung hat der BFH die Kriterien für die Einordnung einer Zuwendung als Arbeitslohn präzisiert (BFHE 203, 53, 56 = BStBl II 2003, 886, 887 f; BFHE 199, 322, 326 = BStBl II 2002, 829, 831 f; BFHE 195, 373, 375 = BStBl II 2001, 671, 672; BFHE 192, 299, 301 f = BStBl II 2000, 690, 691). Danach sind solche Vorteile nicht als steuerbarer Arbeitslohn, sondern als Auslagenersatz anzusehen, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen (BFHE 203, 53, 56 = BStBl II 2003, 886, 887). Vorteile haben danach keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie in ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Das trifft nach der Rechtsprechung des BFH dann zu, wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den Vorteil zu erlangen, deshalb vernachlässigt werden kann. Das in der Regel ebenfalls vorhandene eigene Interesse des Arbeitnehmers an einer Verbesserung seiner beruflichen Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt und die theoretische Möglichkeit privater Nutzung schließen ein überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers nicht aus (vgl Drenseck in Schmidt, EStG, 23. Aufl 2004, § 19 RdNr 50 "Betriebliche Weiterbildung"). Weil es für die Beurteilung der Zuwendung als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt auf die Zeit des Führerscheinerwerbs und die Kostenerstattung ankommt, macht es für die Gewichtung des privaten Interesses keinen Unterschied, ob eine solche berufliche Qualifikation später genutzt werden kann oder nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH besteht zwischen dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers und der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses eine Wechselwirkung mit der Folge, dass das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers umso geringer erscheint, je höher die Bereicherung des Arbeitnehmers ist (BFHE 203, 53, 57 = BStBl II 2003, 886, 888; BFHE 159, 513, 517 = BStBl II 1990, 472, 474). In Anwendung dieser Grundsätze hat der BFH in einem Verfahren sogar ersparte Aufwendungen für einen Führerschein der Klasse 3 nicht als Arbeitslohn angesehen, weil sich dieser unter den dort gegebenen Verhältnissen im Kern nur als bloße Dreingabe darstellte und damals das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers ganz erheblich überwog (BFHE 203, 53, 58 = BStBl II 2003, 886, 888). Im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten um die Abzugsfähigkeit als Werbungskosten haben die Finanzgerichte in der Vergangenheit für den Erwerb des Führerscheins der Klasse 2 zur Aufnahme einer Berufstätigkeit entschieden, dass dessen private Nutzung nach der Lebenserfahrung von untergeordneter Bedeutung ist (BFHE 95, 433, 435 = BStBl II 1969, 433, 434; FG Münster EFG 1998, 941; FG Baden-Württemberg EFG 1991, 661).
2. Die Entscheidung des LSG, die Erstattung der Führerscheinkosten habe für die Beigeladenen zu 1) bis 3) nicht zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt gehört, hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Würdigung des LSG, das eigenbetriebliche Interesse der Klägerin am Führerscheinerwerb habe deutlich überwogen, beruht auf einer Gesamtschau von Umständen, die zum Teil nicht in der erforderlichen Weise anhand von konkreten Tatsachen festgestellt sind.
Das LSG ist in seinem Urteil unter Hinweis auf die Rechtsprechung der Finanzgerichte zutreffend davon ausgegangen, dass die Erstattung von Kosten für den Erwerb eines Führerscheins steuerrechtlich keinen Arbeitslohn darstellt, wenn der Führerscheinerwerb im ganz überwiegenden Interesse des Arbeitgebers erfolgt ist. Es hat das deutliche Überwiegen des eigenbetrieblichen Interesses der Klägerin damit begründet, dass diese gewünscht habe, ihre Arbeitnehmer nach einem Erwerb des Führerscheins der Klasse 2 flexibler, insbesondere auch im Paketzustelldienst, einsetzen zu können. Welche betriebsbedingten Erfordernisse die Klägerin bei ihrem Wunsch nach einem flexibleren Personaleinsatz geleitet haben, und die weiteren Begleitumstände des Führerscheinerwerbs gerade durch die Beigeladenen zu 1) bis 3) lassen die bisherigen Feststellungen des LSG indes offen. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 24. Januar 2002 hatte die Klägerin angegeben, infolge von Rationalisierungsmaßnahmen gezwungen gewesen zu sein, gegenüber Beschäftigten mit einem Arbeitsvertrag über 38 Stunden eine Änderungskündigung auszusprechen und ihnen einen Arbeitsplatz mit nur 18 Stunden anzubieten, wenn sie nicht bereit und in der Lage waren, als Briefzusteller zu arbeiten oder den Führerschein der Klasse 2 zu erwerben. Die Klägerin hatte weiter ausgeführt, dass einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hätten, den LKW-Führerschein zu erwerben, um einer Änderungskündigung zu entgehen und damit weiterhin für sie mit einem geänderten Arbeitsvertrag zu arbeiten. Diese Darlegungen der Klägerin hätten es nahegelegt, den Zusammenhang zwischen dem Führerscheinerwerb durch die Beigeladenen zu 1) bis 3) und den betrieblichen Zielsetzungen der Klägerin näher aufzuklären. Vom Ergebnis dieser Prüfung hängt ab, welcher Art der verfolgte betriebliche Zweck war, ob sich die Aufforderung zum Erwerb des LKW-Führerscheins im Hinblick hierauf als geeignete Maßnahme und notwendige Begleiterscheinung erwies und mit welchem Gewicht das eigenbetriebliche Interesse der Klägerin in die vorzunehmende Gesamtbetrachtung einzustellen ist.
Von den noch durchzuführenden Ermittlungen wird außerdem abhängen, ob der Erwerb des LKW-Führerscheins neben einem betrieblichen Interesse der Klägerin auch Eigeninteressen der Beigeladenen zu 1) bis 3) diente, weil er diesen möglicherweise dazu verhalf, eine Änderungskündigung abzuwenden und den bisherigen Vollzeitarbeitsplatz zu erhalten. Das LSG hat sich in seinem Urteil mit der Darlegung begnügt, dass der Erwerb eines Führerscheins zu diesem Zweck keinen geldwerten Vorteil begründe, weil der Vorteil lediglich ein mittelbarer bzw immaterieller sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Das gewöhnliche Eigeninteresse eines Beschäftigten an der Verbesserung seiner beruflichen Qualifikation kann gesteigert sein, wenn eine Qualifizierungsmaßnahme wie der Erwerb des LKW-Führerscheins aus Anlass eines unmittelbar bevorstehenden Arbeitsplatzverlustes bzw einer Arbeitsplatzsuche oder im Zusammenhang damit ergriffen wird. Entscheidend ist dann, ob dieses besondere Eigeninteresse so sehr in den Vordergrund tritt, dass ein damit einhergehendes eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers vernachlässigt werden kann. In diesem Zusammenhang wird das LSG auch zu klären haben, ob die Beigeladenen zu 1) bis 3) einer Verschlechterung ihrer beruflichen Situation im Betrieb der Klägerin nur durch den Erwerb des LKW-Führerscheins oder auch auf andere Weise entgehen konnten, etwa durch die Aufnahme einer Tätigkeit als Briefzusteller. Für das Vorhandensein oder Fehlen eines Eigeninteresses kann auch von Bedeutung sein, ob die Beigeladenen zu 1) bis 3) Erstattung von Führerscheinkosten nur teilweise oder in vollem Umfang erhalten haben.
Ergibt sich auf der Grundlage dieser nachzuholenden Feststellungen ein privates Interesse der Beigeladenen zu 1) bis 3) am Erwerb des LKW-Führerscheins, so hat das LSG dieses bei seiner Gesamtbetrachtung mit dem ihm zukommenden Gewicht zu berücksichtigen. Ein solches Eigeninteresse der Beigeladenen zu 1) bis 3) würde allerdings nicht durch weitere Vorteile des Führerscheinerwerbs im privaten Bereich verstärkt. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass den Beigeladenen zu 1) bis 3) ein Fahrzeug, für das sie den Führerschein der Klasse 2 benötigten, zum Zeitpunkt des Führerscheinerwerbs privat nicht zur Verfügung stand, und daraus den Schluss gezogen, dass die Führerscheine nicht dazu erworben wurden, um sie auch privat nutzen zu können. Das LSG hat außerdem zutreffend darauf hingewiesen, dass allein die theoretische Möglichkeit privater Nutzung für die Annahme der Lohnsteuerpflichtigkeit der Kostenerstattungen nicht ausreiche.
Weil der Senat im Hinblick auf die fehlenden Feststellungen hier - anders als in dem Verfahren B 12 KR 5/04 R - nicht zu beurteilen vermag, ob die Erstattungen der Führerscheinkosten beitragspflichtiges Arbeitsentgelt sind, war das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Berufungsgerichts vorbehalten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darum, ob die Erstattung von Kosten für den Erwerb eines Führerscheins zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt gehört.
Die Klägerin ist ein Unternehmen, das Postdienstleistungen erbringt. In mehreren Niederlassungen veranlasste sie zahlreiche Beschäftigte, Führerscheine der Klassen 3 (PKW) und 2 (LKW) zu erwerben, und erstattete ihnen hierfür Kosten.
Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) führte im Dezember 1999 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Mit Bescheid vom 5. September 2000 setzte sie Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 44.920,04 DM auf die erstatteten Führerscheinkosten fest. Deren Erstattung durch den Arbeitgeber stelle beitragspflichtiges Arbeitsentgelt dar. Im Hinblick auf das immer auch vorhandene Eigeninteresse des Arbeitnehmers am Erwerb eines Führerscheins könne sie nicht als steuerfreier Auslagenersatz angesehen werden. Die Erstattungen seien als Werbungskostenersatz dem steuerpflichtigen Arbeitslohn zuzurechnen. Werbungskostenersatz werde nicht dadurch zum Auslagenersatz, dass ein Tarifvertrag bzw eine Betriebs- oder Arbeitsvereinbarung diese Kosten dem Arbeitgeber zuweise. Den Widerspruch, der sich vor allem gegen die Beurteilung der Erstattungen für den Führerschein der Klasse 2 richtete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2001 zurück.
Die Klägerin hat Klage erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 24. Januar 2002 den Bescheid der Beklagten vom 5. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. März 2001 aufgehoben, soweit die Beklagte von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge auf die Erstattungen für den Erwerb des Führerscheins der Klasse 2 fordert. Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat drei Beschäftigte der Klägerin (Beigeladene zu 1 bis 3), die Bundesanstalt für Arbeit (BA, heute: Bundesagentur für Arbeit - Beigeladene zu 4), die Betriebskrankenkasse (BKK) Post (heute: Deutsche BKK - Beigeladene zu 5), deren Pflegekasse (Beigeladene zu 8) sowie die Landesversicherungsanstalten (LVA) Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein (Beigeladene zu 6 und 7) beigeladen. Die in den Jahren 1998 und 1999 erstatteten Kosten des LKW-Führerscheins betrugen für den Beigeladenen zu 1) etwa 4.480 DM, für die Beigeladene zu 2) 3.835 DM und für den Beigeladenen zu 3) etwa 2.650 DM; hierauf entfallen Beiträge in Höhe von 4.553,90 DM. Während des Berufungsverfahrens haben sich die Klägerin und die Beklagte darauf geeinigt, dass die sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Erstattungen für den Erwerb des LKW-Führerscheins der in den angefochtenen Bescheiden aufgeführten weiteren Beschäftigten so zu erfolgen habe, wie sich das als Folge dieses Rechtsstreits für die Beigeladenen 1) bis 3) ergebe, und dass Erstattungen für den Erwerb des Führerscheins der Klasse 3 der Beitragspflicht unterlägen. Mit Urteil vom 26. Juni 2003 hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Die Erstattungen stellten kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt dar.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 14 Abs 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV). Entgegen der Ansicht des LSG sei ein Fall steuerfreien Auslagenersatzes nicht gegeben, weil die Beigeladenen zu 1) bis 3) ein maßgebliches Eigeninteresse am Erwerb des LKW-Führerscheins gehabt hätten. Dieses liege in der Verbesserung ihrer beruflichen Qualifikation, die auch außerhalb des Betriebes der Klägerin verwertbar sei. Der Führerscheinerwerb habe außerdem ganz konkret dazu gedient, den Vollarbeitsplatz der Beigeladenen zu 1) bis 3) zu erhalten. Die Klägerin sei infolge von Rationalisierungsmaßnahmen gezwungen gewesen, gegenüber Beschäftigten mit einem Arbeitsvertrag über 38 Stunden eine Änderungskündigung auszusprechen und ihnen einen Arbeitsplatz mit nur 18 Stunden anzubieten. Änderungskündigungen hätten allerdings vermieden werden können, wenn Beschäftigte sich bereit erklärt hätten, als Briefzusteller zu arbeiten oder den Führerschein der Klasse 2 zu erwerben, um im Paketzustelldienst eingesetzt zu werden. Gegen eine Beurteilung als steuerfreier Auslagenersatz spreche schließlich, dass die Kosten für den Erwerb des Führerscheins der Klasse 2 lediglich in Höhe von maximal 2.700 DM erstattet worden und die verbleibenden Kosten von den Arbeitnehmern selbst getragen worden seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 26. Juni 2003 und das Urteil des SG vom 24. Januar 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit Beiträge auf die Kostenerstattung für den Erwerb der Führerscheinklasse 2 durch die Beigeladenen zu 1) bis 3) erhoben worden sind.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beigeladenen zu 4) und 6) schließen sich der Revisionsbegründung der Beklagten an. Nach Auffassung der Beigeladenen zu 5) und 8) handelt es sich bei der Erstattung der Kosten für den Führerschein der Klasse 2 nicht um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt.
II
Die Revision der Beklagten ist im Sinn der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Die bisher getroffenen Feststellungen reichen für eine abschließende Beurteilung, ob die Erstattungen der Führerscheinkosten beitragspflichtiges Arbeitsentgelt und deshalb der Beitragserhebung zu Grunde zu legen sind, nicht aus.
1. In der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung wurde in den Jahren 1998 und 1999, um die es hier geht, bei versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung das Arbeitsentgelt zu Grunde gelegt (§ 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), § 57 Abs 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI), § 162 Nr 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI), § 342 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III)). Arbeitsentgelt sind nach § 14 Abs 1 SGB IV (seit dem 1. April 1999: § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV) alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. In § 17 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB IV wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung, insbesondere zur Vereinfachung des Beitragseinzugs, zu bestimmen, dass einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, ganz oder teilweise nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind. Nach § 17 Abs 1 Satz 2 SGB IV ist dabei eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen. Von der Ermächtigung des § 17 Abs 1 SGB IV hat die Bundesregierung durch Erlass der Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) Gebrauch gemacht.
Zu dem weitgefassten und beitragspflichtigen Arbeitsentgelt in dem genannten Sinne hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung gerechnet: Verloste Reisen (SozR 2100 § 14 Nr 19), Auflassungsgebühren von Notariatsangestellten (SozR 3-2400 § 14 Nr 8), Prämien für Verbesserungsvorschläge (SozR 3-2400 § 14 Nr 15) sowie den Gegenwert einer kostenlosen Kontenführung bei einer Sparkasse (BSGE 89, 158 = SozR 3-2400 § 28f Nr 3) und verbilligter Flüge bei einer Fluggesellschaft (SozR 3-2400 § 14 Nr 23). Zu den beiden letztgenannten Entscheidungen ist ab 2003 indes die Änderung des § 23a Abs 1 SGB IV durch Art 2 Nr 7a des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl I 4621) zu beachten. Mit Urteil vom 26. Mai 2004 - B 12 KR 2/03 R - (zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen) hat der Senat auch das Instrumentengeld von Musikern zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt gezählt.
In einem Verfahren, in dem es ebenfalls um die Beitragspflicht einer Kostenerstattung für den Erwerb eines Führerscheins der Klasse 2 ging, hat der Senat mit Urteil vom 26. Mai 2004 - B 12 KR 5/04 R - (zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen) entschieden, dass die Erstattung unter den dort gegebenen Verhältnissen kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt war. Der Senat brauche nicht zu entscheiden, ob diese Erstattung zu den in § 14 Abs 1 SGB IV genannten Einnahmen zähle. Denn träfe dieses zu, ergebe sich deren Beitragsfreiheit aus § 1 ArEV. Die Kostenerstattung für den LKW-Führerschein gehöre zu den einmaligen Einnahmen iS der § 17 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB IV, § 1 ArEV, die zusätzlich zu Löhnen und Gehältern gewährt würden. Ob sie dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sei, beurteile sich danach, ob sie steuerpflichtigen Arbeitslohn darstelle. Zur steuerrechtlichen Beurteilung einer durch den Arbeitgeber vorgenommenen Erstattung von Führerscheinkosten durch den Bundesfinanzhof (BFH) hat der Senat in dem genannten Urteil ausgeführt:
Im Steuerrecht ist die vergleichbare Frage, ob eine Erstattung von Führerscheinkosten zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehört, schon mehrfach entschieden worden. Der BFH hatte dabei zu beurteilen, ob sich bei wertender Gesamtbetrachtung aller den Vorgang prägenden Umstände ein Kostenersatz durch den Arbeitgeber als Erstattung von Kosten privater Lebensführung bzw Werbungskostenersatz (dann steuerbarer Arbeitslohn) oder als Auslagenersatz nach § 3 Nr 50, zweite Alternative Einkommensteuergesetz (EStG) (kein steuerbarer Arbeitslohn) darstellte. In seiner jüngeren Rechtsprechung hat der BFH die Kriterien für die Einordnung einer Zuwendung als Arbeitslohn präzisiert (BFHE 203, 53, 56 = BStBl II 2003, 886, 887 f; BFHE 199, 322, 326 = BStBl II 2002, 829, 831 f; BFHE 195, 373, 375 = BStBl II 2001, 671, 672; BFHE 192, 299, 301 f = BStBl II 2000, 690, 691). Danach sind solche Vorteile nicht als steuerbarer Arbeitslohn, sondern als Auslagenersatz anzusehen, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen (BFHE 203, 53, 56 = BStBl II 2003, 886, 887). Vorteile haben danach keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie in ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Das trifft nach der Rechtsprechung des BFH dann zu, wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den Vorteil zu erlangen, deshalb vernachlässigt werden kann. Das in der Regel ebenfalls vorhandene eigene Interesse des Arbeitnehmers an einer Verbesserung seiner beruflichen Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt und die theoretische Möglichkeit privater Nutzung schließen ein überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers nicht aus (vgl Drenseck in Schmidt, EStG, 23. Aufl 2004, § 19 RdNr 50 "Betriebliche Weiterbildung"). Weil es für die Beurteilung der Zuwendung als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt auf die Zeit des Führerscheinerwerbs und die Kostenerstattung ankommt, macht es für die Gewichtung des privaten Interesses keinen Unterschied, ob eine solche berufliche Qualifikation später genutzt werden kann oder nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH besteht zwischen dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers und der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses eine Wechselwirkung mit der Folge, dass das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers umso geringer erscheint, je höher die Bereicherung des Arbeitnehmers ist (BFHE 203, 53, 57 = BStBl II 2003, 886, 888; BFHE 159, 513, 517 = BStBl II 1990, 472, 474). In Anwendung dieser Grundsätze hat der BFH in einem Verfahren sogar ersparte Aufwendungen für einen Führerschein der Klasse 3 nicht als Arbeitslohn angesehen, weil sich dieser unter den dort gegebenen Verhältnissen im Kern nur als bloße Dreingabe darstellte und damals das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers ganz erheblich überwog (BFHE 203, 53, 58 = BStBl II 2003, 886, 888). Im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten um die Abzugsfähigkeit als Werbungskosten haben die Finanzgerichte in der Vergangenheit für den Erwerb des Führerscheins der Klasse 2 zur Aufnahme einer Berufstätigkeit entschieden, dass dessen private Nutzung nach der Lebenserfahrung von untergeordneter Bedeutung ist (BFHE 95, 433, 435 = BStBl II 1969, 433, 434; FG Münster EFG 1998, 941; FG Baden-Württemberg EFG 1991, 661).
2. Die Entscheidung des LSG, die Erstattung der Führerscheinkosten habe für die Beigeladenen zu 1) bis 3) nicht zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt gehört, hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Würdigung des LSG, das eigenbetriebliche Interesse der Klägerin am Führerscheinerwerb habe deutlich überwogen, beruht auf einer Gesamtschau von Umständen, die zum Teil nicht in der erforderlichen Weise anhand von konkreten Tatsachen festgestellt sind.
Das LSG ist in seinem Urteil unter Hinweis auf die Rechtsprechung der Finanzgerichte zutreffend davon ausgegangen, dass die Erstattung von Kosten für den Erwerb eines Führerscheins steuerrechtlich keinen Arbeitslohn darstellt, wenn der Führerscheinerwerb im ganz überwiegenden Interesse des Arbeitgebers erfolgt ist. Es hat das deutliche Überwiegen des eigenbetrieblichen Interesses der Klägerin damit begründet, dass diese gewünscht habe, ihre Arbeitnehmer nach einem Erwerb des Führerscheins der Klasse 2 flexibler, insbesondere auch im Paketzustelldienst, einsetzen zu können. Welche betriebsbedingten Erfordernisse die Klägerin bei ihrem Wunsch nach einem flexibleren Personaleinsatz geleitet haben, und die weiteren Begleitumstände des Führerscheinerwerbs gerade durch die Beigeladenen zu 1) bis 3) lassen die bisherigen Feststellungen des LSG indes offen. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 24. Januar 2002 hatte die Klägerin angegeben, infolge von Rationalisierungsmaßnahmen gezwungen gewesen zu sein, gegenüber Beschäftigten mit einem Arbeitsvertrag über 38 Stunden eine Änderungskündigung auszusprechen und ihnen einen Arbeitsplatz mit nur 18 Stunden anzubieten, wenn sie nicht bereit und in der Lage waren, als Briefzusteller zu arbeiten oder den Führerschein der Klasse 2 zu erwerben. Die Klägerin hatte weiter ausgeführt, dass einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hätten, den LKW-Führerschein zu erwerben, um einer Änderungskündigung zu entgehen und damit weiterhin für sie mit einem geänderten Arbeitsvertrag zu arbeiten. Diese Darlegungen der Klägerin hätten es nahegelegt, den Zusammenhang zwischen dem Führerscheinerwerb durch die Beigeladenen zu 1) bis 3) und den betrieblichen Zielsetzungen der Klägerin näher aufzuklären. Vom Ergebnis dieser Prüfung hängt ab, welcher Art der verfolgte betriebliche Zweck war, ob sich die Aufforderung zum Erwerb des LKW-Führerscheins im Hinblick hierauf als geeignete Maßnahme und notwendige Begleiterscheinung erwies und mit welchem Gewicht das eigenbetriebliche Interesse der Klägerin in die vorzunehmende Gesamtbetrachtung einzustellen ist.
Von den noch durchzuführenden Ermittlungen wird außerdem abhängen, ob der Erwerb des LKW-Führerscheins neben einem betrieblichen Interesse der Klägerin auch Eigeninteressen der Beigeladenen zu 1) bis 3) diente, weil er diesen möglicherweise dazu verhalf, eine Änderungskündigung abzuwenden und den bisherigen Vollzeitarbeitsplatz zu erhalten. Das LSG hat sich in seinem Urteil mit der Darlegung begnügt, dass der Erwerb eines Führerscheins zu diesem Zweck keinen geldwerten Vorteil begründe, weil der Vorteil lediglich ein mittelbarer bzw immaterieller sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Das gewöhnliche Eigeninteresse eines Beschäftigten an der Verbesserung seiner beruflichen Qualifikation kann gesteigert sein, wenn eine Qualifizierungsmaßnahme wie der Erwerb des LKW-Führerscheins aus Anlass eines unmittelbar bevorstehenden Arbeitsplatzverlustes bzw einer Arbeitsplatzsuche oder im Zusammenhang damit ergriffen wird. Entscheidend ist dann, ob dieses besondere Eigeninteresse so sehr in den Vordergrund tritt, dass ein damit einhergehendes eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers vernachlässigt werden kann. In diesem Zusammenhang wird das LSG auch zu klären haben, ob die Beigeladenen zu 1) bis 3) einer Verschlechterung ihrer beruflichen Situation im Betrieb der Klägerin nur durch den Erwerb des LKW-Führerscheins oder auch auf andere Weise entgehen konnten, etwa durch die Aufnahme einer Tätigkeit als Briefzusteller. Für das Vorhandensein oder Fehlen eines Eigeninteresses kann auch von Bedeutung sein, ob die Beigeladenen zu 1) bis 3) Erstattung von Führerscheinkosten nur teilweise oder in vollem Umfang erhalten haben.
Ergibt sich auf der Grundlage dieser nachzuholenden Feststellungen ein privates Interesse der Beigeladenen zu 1) bis 3) am Erwerb des LKW-Führerscheins, so hat das LSG dieses bei seiner Gesamtbetrachtung mit dem ihm zukommenden Gewicht zu berücksichtigen. Ein solches Eigeninteresse der Beigeladenen zu 1) bis 3) würde allerdings nicht durch weitere Vorteile des Führerscheinerwerbs im privaten Bereich verstärkt. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass den Beigeladenen zu 1) bis 3) ein Fahrzeug, für das sie den Führerschein der Klasse 2 benötigten, zum Zeitpunkt des Führerscheinerwerbs privat nicht zur Verfügung stand, und daraus den Schluss gezogen, dass die Führerscheine nicht dazu erworben wurden, um sie auch privat nutzen zu können. Das LSG hat außerdem zutreffend darauf hingewiesen, dass allein die theoretische Möglichkeit privater Nutzung für die Annahme der Lohnsteuerpflichtigkeit der Kostenerstattungen nicht ausreiche.
Weil der Senat im Hinblick auf die fehlenden Feststellungen hier - anders als in dem Verfahren B 12 KR 5/04 R - nicht zu beurteilen vermag, ob die Erstattungen der Führerscheinkosten beitragspflichtiges Arbeitsentgelt sind, war das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Berufungsgerichts vorbehalten.
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