S 62 AL 2918/13

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 62 AL 2918/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AL 202/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. September 2015 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, unter Änderung des Bescheids vom 23. April 2013 in der Fassung des Bescheides vom 16. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. August 2013 der Klägerin für die Zeit vom 3. April 2013 bis zum 2. April 2015 Arbeitslosengeld I nach Qualifikationsstufe 2 zu gewähren. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten, ihr für die Zeit vom 3. April 2013 bis zum 2. April 2015 höheres Arbeitslosengeld (Alg) zu gewähren.

Die 1955 geborene Klägerin absolvierte vom 26. August 1974 bis zum 16. Juni 1976 in B eine Ausbildung, die sie mit einer Urkunde über die staatliche Anerkennung als Erzieher vom 14. August 1977 erfolgreich abschloss. Sie war von September 2005 bis März 2009 Angestellte in der Z - zu Hause im K gGmbH. Laut Arbeitszeugnis der Z vom 09. April 2009, auf das hinsichtlich der Einzelheiten der Beschreibung der Tätigkeit verwiesen wird, war die Klägerin in der Zeit vom 26. September 2005 bis zum 31. März 2009 als Lehrkraft für den Veranstaltungsbereich der O mit einer Wochenarbeitszeit von 19,25 Stunden hauptamtlich tätig und leitete eine Qualifizierungsmaßnahme für langzeitarbeitslose Menschen mit chronischer Erkrankung. Das Beschäftigungsverhältnis endete am 31. März 2009, da die Qualifizierung der Langzeitarbeitslosen Ende 2008 eingestellt werden musste. Im Anschluss war die Klägerin seit dem 01. September 2010 als Angestellte im Veranstaltungsmanagement bis zum 31. August 2011 bei der Firma B A beschäftigt und bezog nach einem Arbeitsunfall am 23. Februar 2011 in Zeitraum vom 06. April 2011 bis zum 22. August 2012 Verletztengeld von der Berufsgenossenschaft und anschließend bis zum 02. April 2013 Verletztengeld von der DAK Gesundheit.

Die Klägerin meldete sich bei der Beklagten am 2. April mit Wirkung zum 03. April 2013 arbeitslos und gab an, dass sie sich aus gesundheitlichen Gründen bei bestimmten Beschäftigungen zeitlich auf 30 Stunden wöchentlich beschränken müsse.

Mit Bescheid vom 23. April 2013 gewährte die Beklagte der Klägerin Alg für den Zeitraum vom 3. April 2013 bis zum 02. April 2015 mit einem täglichen Leistungsbetrag von 23,29 EUR als Vorschuss nach § 42 Erstes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB I).

Ausweislich eines Verbis-Vermerks vom 03. Mai 2013 betreffend die fiktive Bemessung des Alg habe die Klägerin nach einer Tätigkeit als Event-Managerin gesucht, die zumindest eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetze. Bei einem Vermittlungsgespräch am 03. Mai 2013 unterzeichnete die Klägerin eine vom Sachbearbeiter vorbereitete Erklärung zur Verfügbarkeit. Hierin war unter III. "nach Belehrung über die Rechtsfolgen" angekreuzt das Kästchen: "Ich bin bereit, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen/an zumutbaren Maßnahmen zur beruflichen Bildung teilzunehmen" sowie den vom Sachbearbeiter zuvor angebrachten handschriftlichen Vermerk: "Für 30 Std/wtl. als Eventmanagerin".

Mit Änderungsbescheid vom 16. Mai 2013 nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bewilligte die Beklagte der Klägerin abschließend Alg ab dem 03. April 2013 bis zum 02. April 2015 in Höhe eines täglichen Leistungsbetrags von 23,29 EUR.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück und führte aus, dass im Fall der Klägerin, für die keine 150 Tage mit Anspruch auf Alg festzustellen seien, ein fiktives Arbeitsentgelt nach der Qualifikationsgruppe 3 zugrundezulegen sei, weil sich die Vermittlungsbemühungen in erster Linie auf Beschäftigungen dieser Qualifikationsgruppe erstreckt hätten. Für die Qualifikationsgruppe 3 ergebe sich bei einer Bezugsgröße nach § 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) von jährlich 32.341,50 EUR ein tägliches Bemessungsentgelt von 71,87 EUR, welches sich bei einer Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 30 Stunden nach § 151 Abs. 5 SGB III auf täglich 55,28 EUR mindere, wobei sich bei der maßgeblichen Lohnsteuerklasse I unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge ein Leistungsentgelt i.H.v. 38,82 EUR ergebe. Da bei der Klägerin nach § 149 SGB III kein Kind zu berücksichtigen sei, habe sie Anspruch auf Alg nach dem allgemeinen Leistungssatz von 60 % des Leistungsentgeltes, also täglich 23,29 EUR.

Mit ihrer gegen den Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2013 am 14. Juni 2013 beim Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Bescheide seien fehlerhaft, weil sie lediglich in die Qualifikationsgruppe 3 eingeordnet worden sei, jedoch einem Fachschulabschluss im Sinne der Qualifikationsgruppe 2 des § 152 SGB III habe. Ausweislich des Arbeitszeugnisses vom 9. April 2009 der Z gGmbH - zu Hause im K - sei sie als Lehrkraft für den Veranstaltungsbereich des Arbeitgebers tätig gewesen. Diese Tätigkeit habe sie nur deswegen ausüben können, da sie eine staatliche Anerkennung als Erzieherin am 14. August 1977 erworben habe. Da sie zuletzt auch im Beruf der Erzieherin tätig gewesen sei, entspreche sie dem Bereich der Qualifikationsgruppe 2. Die Beklagte habe beim Beratungsgespräch nicht nachgefragt, welche Qualifikationen und Ausbildungsstufen sie gehabt habe, sonst hätte sie ihr Erzieherzeugnis vorgelegt. Sie habe erstmals von der Möglichkeit der Berücksichtigung des Fachschulabschlusses durch ihren Rechtsanwalt erfahren, insofern liege auch ein Beratungsverschulden vor. Sie sei von der Beklagten auch als Erzieherin vermittelt worden, so sei sie beispielsweise im Jahr 2013 an die Sozialeinrichtung C. (Gemein. Qualifizierungsges. für Umweltschutz, B Damm in B) als Anleiterin und auch als Projektassistentin (2013/2014), die Tätigkeit habe eine Fachschulausbildung als Erzieherin vorausgesetzt, allerdings sei es zu keinem Vertragsabschluss gekommen. Weiterhin habe die Agentur für Arbeit ihr im September 2014 eine Stelle in Lichtenberg als Sozialarbeiterin in einem interkulturellen Bildungszentrum bei einer vietnamesischen Begegnungsstätte mit Voraussetzung Fachschulausbildung vorgeschlagen und im September 2014 eine Sozialassistentinnenstelle, auch hier sei eine Fachschulausbildung notwendig gewesen. Auf ihre Bewerbung habe sie jedoch keine Antwort erhalten. Die Beklagte habe sie auch im August 2015 darüber hinaus als Erzieherin zur P, professionelle Wohn-und Betreuungsgesellschaft, vermittelt. Auch sie selbst habe in den Jahren 2014 und 2015 diverse eigene Bewerbungen als Erzieherin vorgenommen, u.a. Sozialassistentin als Erzieherin für Flüchtlingseinrichtungen für traumatisierte Kinder, ferner mit einer Bewerbung an das W-Krankenhaus als Erzieherin, in einem jüdischen Kindergarten, im P-F-Haus sowie in der British School W und im englischen Kindergarten L, immer als Erzieherin. Hier sei sogar ein Praktikum absolviert worden, es sei aber zu keinem weiteren vertraglichen Abschluss gekommen. Sie habe sich auch im D Kulturkindergarten im U B beworben und habe mehrere bilinguale Kindergärten angeschrieben, habe sich als Familienhelferin mit der Voraussetzung einer Ausbildung zur Erzieherin/Sozialarbeiterin und im Seniorenstift als Betreuerin beworben, jeweils aber Absagen erhalten. Sie habe immer als Erzieherin zur Verfügung gestanden, das sei ihre Profession und stehe immer noch als Erzieherin zur Verfügung.

Mit der Klägerin wurden von der Beklagten am 3. Mai, 07. November 2013, 11. April und 26. September 2014 (gültig bis zum 26. März 2015) Eingliederungsvereinbarungen mit geschlossen. Das jeweils vereinbarte Ziel betraf die Aufnahme einer Beschäftigung am 1. Arbeitsmarkt: (Tätigkeit als Event-Managerin am lokalen Arbeitsmarkt). Bei einem persönlichen Kontakt am 11. April 2014 gab die Klägerin an, dass sie sich auch auf ausgeschriebene Stellen bei der Sozialeinrichtung C. als Erzieherin beworben habe.

Mit Änderungsbescheid vom 3. August 2013 hat die Beklagte die der Klägerin gewährten Leistungen aufgrund einer Änderung im Einkommensteuergesetz gemäß § 48 SGB X neu berechnet; es ergab sich nunmehr ein täglicher Leistungsbetrag von 23,34 EUR.

Mit Gerichtsbescheid vom 25. September 2015 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf monatlich höheres Alg auf der Grundlage einer fiktiven Bemessung mit Zuordnung nach Qualifikationsgruppe 2 sowie mit mehr als 30 Wochenarbeitsstunden (§§ 152 Abs. 2, 151 Abs. 5 SGB III). Gemäß § 136 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG, analog) werde auf die für zutreffend erachteten Erwägungen der Beklagten in den angegriffenen Bescheiden sowie in den Schreiben im Klageverfahren vom 9. Juli 2013, 6. und 30. August 2013 und 15. September 2015 verwiesen. Die Klägerin habe selbst wiederholt betont, dass sie wegen gesundheitlicher Einschränkungen nur für 30 Wochenstunden der Beklagten zur Verfügung stehe, auch in der Vergangenheit vor dem Unfall sei sie nicht mehr als 30 Stunden tätig gewesen. Noch in der zwischen den Beteiligten geschlossenen Eingliederungsvereinbarung vom 24. März 2015 (gültig bis zum 24. September 2015 - bei Ablauf von Alg am 02. April 2015) sei das Ziel der Aufnahme einer Beschäftigung der Klägerin im Ausbildungsberuf nicht vorgesehen gewesen (Tätigkeit als Empfangskraft am lokalen Arbeitsmarkt). Die von der Klägerin zuletzt in Bezug genommenen und im Erörterungstermin zur Einsicht überreichten Vermittlungsvorschläge seien ihr im August 2015 unterbreitet worden und bezögen sich auf die Zeit nach dem 02. April 2015.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten am 30. September 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 29. Oktober 2015 Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt, mit der sie ihr Begehren auf Zuordnung zur Qualifikationsgruppe 2 nach § 152 Abs. 2 SGB III unter Verweis auf ihren erstinstanzlichen Vortrag weiterverfolgt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. September 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 23. April 2013 in der Fassung des Bescheids vom 16. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2013 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 3. August 2013 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 3. April 2013 bis zum 2. April 2015 Arbeitslosengeld I unter Berücksichtigung der Qualifikationsstufe 2 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen in erstinstanzlichen Gerichtsbescheid. Bei der fiktiven Bemessung nach § 152 SGB III gehe es um die Qualifikation, die für die Beschäftigung erforderlich sei, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen in erster Linie zu erstrecken habe. Für den gesamten streitigen Zeitraum habe die Beklagte in Abstimmung und Übereinstimmung mit der Klägerin ihre Vermittlungsbemühungen auf die Tätigkeit einer Event-Managerin gerichtet. Der Abschluss als Erzieherin im Jahr 1977 habe darauf keinen Einfluss gehabt. Es sei bisher weder vorgetragen noch erkennbar, aus welchen Gründen sich die Klägerin bei der Arbeitsvermittlung als Event-Managerin zur Verfügung gestellt habe und erst später bei der Bemessung des Alg eine weitere Qualifikation für so relevant gehalten habe, dass rückwirkend eine Vermittlung auch in diese Richtung für angemessen bzw. geboten gehalten würde. In einem weiteren Schriftsatz vom 19. Mai 2016 hat die Beklagte die Einzelheiten der Berechnung des Alg nach Qualifikationsgruppe 3 bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden dargelegt.

Mit Beschluss vom 12. Mai 2017 ist der Rechtsstreit der Berichterstatterin zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen worden (§ 153 Abs. 5 SGG).

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Verwaltungsakten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die die nunmehr zuständige Berichterstatterin entsprechend dem Beschluss des Senats vom 12. Mai 2017 als Einzelrichterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet (§ 153 Abs. 5 SGG), ist begründet. Das SG Berlin hat die Klage mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 25. September 2015 zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind teilweise rechtswidrig. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von höherem Alg für die Zeit vom 3. April 2013 bis zum 2. April 2015 unter Berücksichtigung eines fiktiven Bemessungsentgelts nach § 152 Abs. 2 Nr. 3 SGB III nach der Qualifikationsgruppe 2.

Nach § 149 Nr. 2 SGB III in der ab dem 1. April 2012 geltenden Fassung beträgt das Alg nach dem allgemeinen Leistungssatz 60 Prozent des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Der Bemessungszeitraum umfasst nach § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr (§ 150 Abs. 1 Satz 2 SGB III) und wird nach § 150 Abs. 3 Nr. 1 SGB III auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Alg enthält. Innerhalb des erweiterten Bemessungsrahmens können nur versicherungspflichtige Beschäftigungen berücksichtigt werden. Vorliegend konnte ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden. Die Klägerin war weder innerhalb des einjährigen (3. April 2012 – 2. April 2013) noch des zweijährigen Bemessungsrahmens (3. April 2011 – 2. April 2013) keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen und hatte kein Arbeitsentgelt zu beanspruchen - sie hatte vielmehr Verletztengeld bezogen, woraus ihr grundsätzlicher Anspruch auf Alg resultiert. Da sie mithin keine 150 Tage mit dem Bezug von Arbeitsentgelt aufzuweisen hat, war nach § 152 Abs. 1 SGB III als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen.

Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts ist der Arbeitslose nach § 152 Abs. 2 Satz 1 SGB III der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit ihre Vermittlungsbemühungen in erster Linie zu erstrecken hat. Dabei ist nach § 152 Abs. 2 Satz 2 SGB III zugrunde zu legen für Beschäftigungen, die 1. eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 1), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertstel der Bezugsgröße, 2. einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meisterin oder Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordern (Qualifikationsgruppe 2), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertsechzigstel der Bezugsgröße, 3. eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordern (Qualifikationsgruppe 3), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße, 4. keine Ausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 4), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße.

Die Qualifikationsgruppen des § 152 Abs. 2 Satz 2 SGB III sind ihrer Grundstruktur nach so angelegt, dass einem bestimmten Ausbildungsniveau des Betroffenen ein bestimmtes Entgelt zugeordnet ist. In welche der Qualifikationsgruppen der Arbeitslose einzustufen ist, bestimmt sich in erster Linie nach der Beschäftigung, auf die die Beklagte ihre Vermittlungsbemühungen unter Berücksichtigung des in Betracht kommenden Arbeitsangebotes zu erstrecken hat (vgl. BT- Drucks 15/1515 S. 73 ff., 86). Welche Beschäftigung der Arbeitslose anstreben kann, hängt danach von seiner beruflichen Qualifikation ab, so dass diese das wesentliche Kriterium für die Eingruppierung ist. Für eine fiktive Bemessung ist indes nicht die Gesamtheit der möglichen Beschäftigungen heranzuziehen, sondern jene Tätigkeiten, mit denen der Arbeitslose bestmöglich wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden kann, wobei die Beklagte das gesamte in Betracht kommende Arbeitsangebot zu berücksichtigen hat (vgl. §§ 35 ff. Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Daneben sind auch Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen (§ 35 Abs. 2 S. 2 SGB III). Die Arbeitsverwaltung betrifft hier eine im gerichtlichen Verfahren in vollem Umfang überprüfbare Prognoseentscheidung (BSG, Urteil vom 09.11.1989 - 11/7 RAr 63/87 – juris).

Vorliegend haben sich die tatsächlichen Vermittlungsbemühungen der Beklagten, wie sich aus den von den Beteiligten getroffenen Eingliederungsvereinbarungen vom 3. Mai und 7. November 2013 sowie vom 11 April und 26. September 2014 und vom 24. März 2015 ergibt, auf eine Tätigkeit der Klägerin als Event-Managerin erstreckt und allein in der Vereinbarung vom 24. März 2015 erweitert auf "Tätigkeit als Empfangskraft am lokalen Arbeitsmarkt (im Tagespendelbereich)". In internen Vermerk vom 24. März 2015 wurden Änderungen am Profiling vorgenommen: "Öffentlichkeitsarbeit, Public Relations, Event-Management: Expertenkenntnisse, Qualitätsmanagement". Zwischen den Beteiligten ist auch unstreitig, dass eine Tätigkeit als Event-Managerin, selbst wenn eine abgeschlossen Ausbildung in einem kaufmännischen Beruf gefordert wird, der Qualifikationsstufe 3 zuzuordnen ist. Nach den Angaben auf der Internetseite BERUFENet der Bundesagentur für Arbeit findet sich in der Berufsbeschreibung des Event-Managers: Sie konzipieren, planen und führen Veranstaltungen (Events) aller Art durch. Neben den organisatorischen und kaufmännischen Tätigkeiten können sie auch Aufgaben im Marketing übernehmen. Event-Manager/in ist eine Aus- bzw. Weiterbildung, die durch interne Vorschriften der Lehrgangsträger geregelt ist. Je nach Lehrgangsträger können z.B. Zugangsvoraussetzungen, Dauer der Ausbildung und Abschlussbezeichnungen unterschiedlich sein. Es besteht daneben die Möglichkeit, Event-Management an Hochschulen zu studieren. Unstreitig hat die Klägerin keinen derartigen Hochschulabschluss erworben, sie verfügt auch nicht über einen kaufmännischen Abschluss, so dass für derartige Tätigkeiten allenfalls die Qualifikationsgruppe 3 in Betracht käme.

Die Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur sind allerdings nicht automatisch auf den zuletzt ausgeübten Beruf/die zuletzt ausgeübte Tätigkeit zu konzentrieren, denn der Gesetzgeber wollte den förmlichen Abschluss über eine berufliche Qualifikation als Ausgangspunkt für eine fiktive Bemessung zugrundelegen, schon, um die Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur zu erleichtern (Vagolio, in: Hauck/Noftz, SGB III [Stand: 09/15], § 152 Rdnr. 34; Bayerisches LSG, Urteil vom 27. Mai 2009 – L 10 AL 378/07 – info also 2010, 75). Die Vermittlungsbemühungen der Beklagten hätten sich vorrangig vielmehr auf eine Tätigkeit der Klägerin erstrecken sollen, die ihrer abgeschlossenen Fachschulausbildung als Erzieherin entsprochen hätte. Denn bei der Bemessung des fiktiven Arbeitsentgelts für die Zuordnung zur jeweiligen Qualifikationsgruppe kommt es in erster Linie darauf an, ob der Arbeitslose über den für die angestrebte Beschäftigung erforderlichen Berufsabschluss verfügt (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009 – B 11 AL 42/08R –, juris Rdnr. 15; BSG, Urteil vom 18. Mai 2010 – B 7 AL 49/08 R –, juris Rdnr 18; BSG, Urteil vom 4. Juli 2012 – B 11 AL 21/11 R –, juris Rdnr. 17; Sächs. LSG, Urteil vom 7. November 2013 – L3 AL 27/11 –, juris Rdnr. 36; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Februar 2012 – L 9 AL 12/11 -, juris Rdnr 57; Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB III a.a.O.). Da der Gesetzgeber die Suche nach der insoweit maßgeblichen Beschäftigung ausdrücklich auf Tätigkeiten eingeschränkt hat, auf die sich die Vermittlungsbemühungen "in erster Linie" zu erstrecken haben, können nur diejenigen Tätigkeiten für die fiktive Bemessung relevant sein, mit denen die oder der Arbeitslose bestmöglich in den Arbeitsmarkt integriert werden kann (vgl BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009 a.a.O.). Bei mehreren Berufsabschlüssen/ Beschäftigungsalternativen ist nach dem Günstigkeitsprinzip die höhere Qualifikationsgruppe maßgebend (Valgolio, in: Hauck/Noftz, a.a.O.; SG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. August 2007 – L 7 AL 1160/07 -, juris Rdnr 21).

Unter Beachtung dieser Kriterien ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin ausweislich der Urkunde des Oberschulamts F vom 14. August 1977 nach erfolgreichem Besuch der Fachschule für Sozialpädagogik H berechtigt war, die Berufsbezeichnung "Staatlich anerkannter Erzieher" zu führen. Nach den Angaben im BERUFEnet der Bundesagentur betreuen und fördern Erzieher/innen betreuen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene und sind vor allem in der vorschulischen Erziehung, der Kinder- und Jugendarbeit, der Heimerziehung aber auch in Familienberatungs- und Suchtberatungsstellen, in Tagesstätten oder Wohnheimen für Menschen mit Behinderung, in Erholungs- und Ferienheimen tätig. Erzieher/in ist eine landesrechtlich geregelte schulische Aus- bzw. Weiterbildung an Fachschulen, Fachakademien, Berufsfachschulen und Berufskollegs. Sie dauert in Vollzeit 2-4 Jahre, in Teilzeit 3-6 Jahre und führt zu einer staatlichen Abschlussprüfung. Dass eine abgeschlossene Ausbildung als Erzieherin grundsätzlich in die Qualifikationsgruppe 2 einzuordnen wäre, bestreitet auch die Beklagte nicht.

Es besteht auch kein Zweifel, dass die Klägerin über den Abschluss als "Geprüfte Erzieherin" verfügt und diesen gegenüber der Beklagten nachgewiesen hat. Zwar muss eine in der Vergangenheit erworbene berufliche Qualifikation nicht immer allein maßgeblich dafür sein, auf welche künftigen Beschäftigungen die Agentur für Arbeit ihre Vermittlungsbemühungen zu erstrecken hat; dennoch wird in der Regel die Feststellung der in Betracht kommenden Beschäftigung in hohem Maße von dem förmlichen Berufsabschluss bestimmt. Es trifft zwar zu, dass die Klägerin die staatliche Prüfung - ihrem Lebensalter entsprechend - bereits im Jahr 1977 abgelegt hat. Auch eine längere Abwesenheit vom Beruf führt nicht automatisch zum Verlust der entsprechenden Qualifikation. Grundqualifikationen, wie sie im Erzieherberuf verlangt werden, etwa Interesse an sozial-beratenden, kreativ-gestaltenden und praktisch-konkreten Tätigkeiten und Eigenschaften wie Einfühlsamkeit, Verständnis, Geduld, Zuverlässigkeit, Organisationsvermögen vermindern sich nicht zwingend durch längere Abwesenheitszeiten vom Beruf. Auch ist die seit der letzten Beschäftigung der Klägerin im sozialen Bereich bei der Z - zu Hause in K – gGmbH, die zum 31. März 2009 endete, bis zur Verwaltungsentscheidung im Mai 2013 vergangene Zeit nicht so beträchtlich, dass ihre Wiedereingliederung in einen Beruf im sozialen Bereich realistischerweise nicht mehr zu erwarten gewesen wäre oder dass man hierin eine berufliche Lösung vom Sektor der Erzieherarbeit sehen könnte. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil es sich nicht um eine kurzfristige Beschäftigung handelte, sondern die Klägerin als Lehrkraft für den Veranstaltungsbereich von September 2005 bis März 2009 eingesetzt war, nach dem sie bei demselben Arbeitgeber bereits in der Zeit von Oktober 2003 bis September 2005 in der Organisation von Kulturveranstaltungen geringfügig beschäftigt gewesen war. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Vermittlung in eine der vielfältigen Tätigkeiten auf dem Gebiet der sozialen Arbeit, die eine Erzieherausbildung voraussetzt, unter Berücksichtigung des individuellen Leistungsprofils der Klägerin (vgl. hierzu Bayerisches LSG, Urteil vom 15.06.2011 – L 10 AL 225/09 -, juris) unrealistisch gewesen wäre. Eine Tätigkeit im sozialen Bereich hätte der Neigung der Klägerin entsprochen, worauf sie mehrfach, und auch im Verhandlungstermin vor dem LSG hingewiesen und mit einer Vielzahl von eigenen Initiativbewerbungen in diesem Bereich belegt hat.

Nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Klägerin hat die Beklagte ihre Bemühungen, wenn auch ohne Erfolg, u.a. auch auf mögliche Beschäftigungen im sozialen Bereich erstreckt. So seien Bemühungen um Vermittlung beispielsweise im Jahr 2013 an die Sozialeinrichtung C. als Anleiterin und auch als Projektassistentin (2013/2014) erfolgt - eine Tätigkeit, die eine Fachschulausbildung als Erzieherin vorausgesetzt hatte, des Weiteren im September 2014 bezüglich einer Stelle in Lichtenberg als Sozialarbeiterin in einem interkulturellen Bildungszentrum bei einer vietnamesischen Begegnungsstätte mit Voraussetzung einer Fachschulausbildung, des Weiteren sei ihr von der Agentur für Arbeit Nord im September 2014 eine Sozialassistentinnenstelle vorgeschlagen worden, auch hier sei eine Fachschulausbildung notwendig gewesen.

Zwar kommt bei einigen Arbeitslosen auch eine Vermittlung in Tätigkeiten, die nicht dem formalen Ausbildungsniveau entsprechen, dann in Betracht, wenn zu erwarten ist, dass der Arbeitslose angesichts der zuletzt ausgeübten niedrigrangigen Arbeit mit höchster Wahrscheinlichkeit wieder Zugang zum Arbeitsmarkt finden könnte. Dies setzt jedoch voraus, dass die Beklagte zumindest prüft, ob die Einsatzmöglichkeiten im erlernten Beruf etwa angesichts eines viele Jahre zurückliegenden Abschlusses/einer zurückliegenden Tätigkeit im erlernten Beruf und verringerter Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt so gering sind, dass die Vermittlung in die letzte, ungelernte Tätigkeit eine wesentlich höhere Erfolgswahrscheinlichkeit erwarten lässt. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die Beklagte macht auch nicht geltend und es ergibt sich auch nicht aus ihren Verwaltungsakten, dass sie die seinerzeitige allgemeine Arbeitsmarktlage für Erzieher fachkundig eingeschätzt und zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass die Klägerin bedingt durch eine schwierige Arbeitsmarktsituation für soziale Berufe und fehlender für eine erfolgversprechende Vermittlung erforderlicher Berufspraxis als Erzieherin nicht mehr vermittelbar gewesen wäre. Die Beklagte hatte vielmehr ausweislich der Erklärung zur Verfügbarkeit von 3. Mai 2013 vorrangig ihre Bemühungen auf die letzte ausgeübte Tätigkeit der Klägerin beschränkt und der Sachbearbeiter hatte im Fragebogen unter III. bereits ausgefüllt: "für 30 Stunden/wtl. als Eventmanagerin". Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft angegeben, dies deshalb unterschrieben zu haben, weil sie der Ansicht gewesen sei, das müsse so sein. Erst später sei ihr – fachkundig beraten – klar geworden, dass dieser Vermerk Einfluss auf die Höhe ihres Alg haben könnte.

Nach alledem ist die Klägerin der Qualifikationsgruppe 2 zuzuordnen. Die Ermittlung des zutreffenden Leistungsentgelts im Sinne des § 153 SGB III bleibt angesichts des auf die Zuordnung zur Qualifikationsgruppe 2 beschränkten Klageantrags der Beklagten überlassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor, denn das Gericht hat seine Entscheidung unter Würdigung des Akteninhalts, der Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung sowie auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung getroffen.
Rechtskraft
Aus
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