Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SB 4022/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1333/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 23.02.2017 sowie der Bescheid des Beklagten vom 19.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2015 abgeändert und der GdB mit 50 ab dem 22.11.2014 festgestellt.
Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers hat der Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens vollumfänglich und die Kosten des Klageverfahrens zu 1/3 zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB).
Der 1965 geborene Kläger beantragte bei dem Versorgungsamt H. am 12.11.1992 (Blatt 4 Verwaltungsakte) erstmals die Feststellung des GdB. Mit Bescheid vom 26.08.1993 (Blatt 23 VA) stellte das Versorgungsamt einen GdB von 20 ab dem 20.11.1992 unter Berücksichtigung einer Fußfehlform, eine Haglundferse rechts sowie eines chronischen Wirbelsäulensyndroms fest.
Auf den Neufeststellungsantrag vom 18.10.1993 (Blatt 27 VA) stellte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 25.11.1993 (Blatt 35 VA) ein Orthostase-Syndrom und eine Hypertonie fest, der GdB wurde weiterhin mit 20 festgestellt. Den Widerspruch vom 09.12.1993 (Blatt 36 VA) wies das Landesversorgungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.1994 (Blatt 41 VA) zurück.
Auf das als Neufeststellungsantrag gewertete Schreiben des Klägers vom 18.04.1994 (Blatt 42 und 46 VA) stellte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 07.07.1994 einen GdB von 30 seit dem 19.04.1994 unter Berücksichtigung folgender Behinderungen fest: - Funktionsstörung am Stütz- und Bewegungsapparat - Orthostase-Syndrom, Hypertonie, psychovegetative Störung - Tinnitus links
Am 24.10.2011 beantragte der Kläger bei dem Landratsamt R. (LRA) die Neufeststellung des GdB sowie die Feststellung des Merkzeichens "RF" (Blatt 67 VA). Nach Einholung von Befundberichten erstattete Dr. S. die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 23.11.2011 (Blatt 81 VA) und empfahl die Feststellung eines GdB von 50 ab dem 24.10.2011 unter Berücksichtigung folgender Funktionseinschränkungen: - Erkrankungen des lymphatischen Systems (Einzel-GdB 30) - Psychovegetative Störungen (Einzel-GdB 20) - Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat (Einzel-GdB 20) - Ohrgeräusche linksseitig (Einzel-GdB 10) - Refluxkrankheit der Speiseröhre (Einzel-GdB 10) Gestützt hierauf hob der Beklagte den Bescheid vom 07.07.1994 mit Bescheid vom 12.12.2011 (Blatt 84 VA) auf und stellte einen GdB von 50 ab dem 24.10.2011 fest. Die Feststellung des Merkzeichens "RF" lehnte er ab.
Am 15.10.2012 (Blatt 92 VA) beantragte der Kläger die Neufeststellung des GdB, wobei unter anderem der Reha-Entlassungsbericht über die in der Zeit vom 07.03.2012 bis 27.03.2012 in der W.klinik durchgeführte stationäre Rehabilitation (Blatt 121 VA) vorgelegt wurde. Nach versorgungsärztlicher Stellungnahme des Dr. R. vom 17.11.2012 (Blatt 123 VA) lehnte das LRA den Antrag mit Bescheid vom 05.12.2012 ab, da eine wesentliche Veränderung in den Verhältnissen nicht eingetreten sei. Auf den Widerspruch vom 10.12.2012 (Blatt 130 VA) erstattete Dr. W. die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 16.03.2013 (Blatt 140 VA) und empfahl die Feststellung eines GdB von 70 ab dem 01.04.2011 wobei er die Erkrankung des lymphatischen Systems (in Heilungsbewährung) mit einem Einzel-GdB von 50 bewertete.
Mit Teil-Abhilfebescheid vom 02.04.2013 stellte das LRA den GdB ab dem 01.04.2011 mit 70 fest (Blatt 142 VA), der Widerspruch wurde daraufhin für erledigt erklärt (Blatt 143 VA).
Am 18.11.2013 (Blatt 153 VA) beantragte der Kläger die Neufeststellung des GdB auf 100 und die Feststellung von Merkzeichen, dem Antrag wurde unter anderem der Bericht der Dipl. Psychologin S. vom 05.11.2013 (Blatt 155 VA) beigefügt, wonach eine posttraumatische Belastungsstörung und eine mittelschwere bis schwere depressive Episode bestehe.
Dr. A. erstattete die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 26.11.2013 (Blatt 157 VA) und legte dar, dass es sich um eine mittelschwere bis schwere depressive Episode handele. Der derzeit schlechte Zustand könne nicht als dauerhaft angesehen werden und sei nicht über ein halbes Jahr hinaus anzunehmen. Der Einzel-GdB für 1.02 Posttraumatische Belastungsstörung, Depressive Verstimmung, könne mit 30 bewertet werden, die Gesamteinschätzung ändere sich hierdurch nicht. Mit Bescheid vom 08.01.2014 (Blatt 163 VA) lehnte der Beklagte die Neufeststellung des GdB ab, da eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen nicht eingetreten sei. Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 13.01.2014 (Blatt 165 VA) Widerspruch.
Am 26.06.2014 (Blatt 188 VA) beantragte der Kläger die Neufeststellung des GdB und die Feststellung des Merkzeichens "G".
Dr. M. erstattete die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 20.08.2014 (Blatt 204 VA) und führte aus, dass ein Bluthochdruck ohne Organschäden und mit guter kardialer Belastbarkeit keinen Einzel-GdB von mindestens 10 bedinge, ebenso folge aus einer Laktoseintoleranz kein zusätzlicher GdB. Die psychische Erkrankung mit Verschlimmerung bei Scheidung und anhängigem Strafverfahren sei im Sinne einer stärker behindernden seelischen Störung eingestuft worden, welche in der Gesamtschau im Sinne eines Durchschnitts-GdB zutreffend bewertet sei. An den bisherigen Feststellungen sei festzuhalten.
Ausweislich eines Aktenvermerks vom 28.08.2014 (Blatt 206 VA) ging der Beklagte davon aus, dass hinsichtlich des Bescheides vom 02.04.2013 die Frage einer Heilungsbewährung zu klären sei, sodass eine nochmalige Vorlage an den ärztlichen Dienst erfolgen solle. Dr. A. erstattete sodann die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 06.10.2014 (Blatt 212 VA) und führte aus, dass hinsichtlich der Erkrankung des lymphatischen Systems ab 05/2014 eine Heilungsbewährung eingetreten sei, das Lymphom befinde sich in kompletter Remission, es bestehe kein Anhalt für ein Rezidiv. Die Posttraumatische Belastungsstörung und depressive Verstimmung sei weiterhin mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten, sodass sich ein Gesamt-GdB von 40 ergebe.
Mit Schreiben vom 27.10.2014 (Blatt 215 VA) hörte das LRA den Kläger zu einer Herabsetzung des GdB auf 40 an und führte aus, dass den Feststellungen im maßgebenden Bescheid vom 08.01.2014 eine Gesundheitsstörung im Stadium der Heilungsbewährung zu Grunde gelegt worden sei. Bei Gesundheitsstörungen, die zu Rezidiven neigten, sei für einen bestimmten Zeitraum die Feststellung eines höheren GdB gerechtfertigt, als bei isolierter Beurteilung der tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigungen zutreffend sei. Der Kläger legte den Entlassungsbericht der Dr. B. B. Klinik vom 22.09.2014 (Blatt 226 VA) über den stationären Aufenthalt vom 09.09.2014 bis 16.09.2014 vor. Dr. A. erstattete die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 18.11.2014 (Blatt 228 VA) und führte aus, dass die Bewertung des GdB vor Ablauf der Heilungsbewährung befundgerecht erfolgt sei, nach Ablauf der Heilungsbewährung sei der GdB zu reduzieren. Die nebenbefundlich geltend gemachte Depression sei mit einem GdB 30 entsprechend bewertet, sodass ein Gesamt-GdB von 40 vorzuschlagen sei.
Mit Bescheid vom 19.11.2014 (Blatt 231 VA) hob das LRA den Bescheid vom 02.04.2013 auf und stellte ab dem 22.11.2014 einen GdB von 40 fest. Zur Begründung führte es aus, dass eine Gesundheitsstörung im Stadium der Heilungsbewährung zugrunde gelegt worden sei. Bezüglich der Gesundheitsstörung "Erkrankung des lymphatischen Systems" sei mehr als drei Jahre nach der Vollremission keine Neuerkrankung bzw. Reaktivierung aufgetreten, sodass eine Heilungsbewährung vorliege. Die Bewertung des GdB richte sich daher nur noch nach den tatsächlichen Funktionseinbußen.
Mit Bescheid vom 20.11.2014 (Blatt 234 VA) lehnte das LRA die Feststellung des Merkzeichens "G" ab.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2014 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 08.01.2014 und den Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.11.2014 zurück und führte hinsichtlich der Herabsetzung des GdB aus, dass bei Gesundheitsstörungen, die zu Rezidiven neigten, für einen bestimmten Zeitraum (Zeitraum der Heilungsbewährung) die Feststellung eines höheren GdB gerechtfertigt sei, als bei isolierter Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse zutreffend sei. Über den GdB sei letztmals mit Bescheid vom 02.04.2013 entschieden worden, seinerzeit sei ein GdB von 70 festgestellt worden. Eine wesentliche Änderung, die eine höheren GdB rechtfertigen würde, liege nicht vor, durch die Heilungsbewährung liege allerdings eine wesentliche Änderung vor, die einen GdB von nur noch 40 rechtfertige.
Der Kläger erhob am 19.12.2014 Klage zum Sozialgericht Mannheim und machte unter anderem geltend, dass bei Erkrankungen, bei denen eine Heilungsbewährungszeit zuerkannt werde, die seelischen und psychischen Auswirkungen mit berücksichtigt werden müssten.
Der Beklagte legte die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. W. vom 30.07.2015 (Blatt 78 SG-Akte) vor, in der dieser ausführte, dass der angenommene Teil-GdB von 30 bereits eine stärker behindernde seelische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit berücksichtige. Der vorgelegte Entlassungsbericht spreche gegen die Annahme von wesentlichen Funktionseinschränkungen von Seiten des Bewegungsapparates.
Das SG holte sachverständige Zeugenauskünfte bei den behandelnden Ärzten Dr. A. (Blatt 97 SG-Akte), Dr. M. (Blatt 124 SG-Akte), Dr. L. (Blatt 126 SG-Akte) und Dr. H. (Blatt 96 SG-Akte) und Prof. Dr. W.-H. /Dr. L. (Bl. 190 SG-Akte) ein. Der Beklagte legte die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. R. vom 12.05.2016 (Blatt 161 SG-Akte) vor, wonach der Tenor um einen Bandscheibenvorfall zu ergänzen sei. Der Kardiologe habe keine Funktionsstörungen bestätigt, aus dem Bericht der U.klinik H. ergebe sich, dass eine Rezidivfreiheit bestehe. Auch unter Berücksichtigung des Bandscheibenvorfalls sei der Einzel-GdB mit 20 zu bemessen, sodass der Gesamt-GdB unverändert bleibe.
Die Klage wies das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 23.02.2017 ab und führte zur Begründung aus, dass die führende Behinderung bei der Feststellung eines GdB von 70 mit Bescheid vom 02.04.2013 die Erkrankung des lymphatischen Systems in Heilungsbewährung gewesen sei, für das allein ein Teil-GdB von 50 veranschlagt worden sei. Die psychovegetativen Störungen hätten sich gegenüber 2013 verschlimmert und seien jetzt mit einem Teil-GdB von 30 zu veranschlagen.
Gegen den am 06.03.2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 05.04.2017 Berufung zum Landessozialgericht Baden- Württemberg (LSG) eingelegt. Er macht geltend, dass der Ablehnungsbescheid vom 08.01.2014 nicht weiter angegriffen werde, seinerzeit sei eine Erhöhung des GdB von 70 auf 100 beantragt worden, hieran werde nicht mehr festgehalten. Der Teilaufhebungsbescheid vom 19.11.2014 sei bereits formell rechtswidrig, da es an einer gesetzeskonformen Anhörung mangele. Es sei nicht dargelegt worden, von welchen Einzel-GdB ausgegangen werde, sondern nur der Gesamt-GdB mit 40 mitgeteilt worden.
Der Kläger beantragt (Blatt 20 Senatsakte),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 23.02.2017 und den Bescheid des Beklagten vom 19.11.2014, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.04.2018 (Bl. 27 der Senatsakte) ergänzend darauf hin, dass bei lokalisierten Non-Hodgkin-Lymphomen nach Vollremission (Beseitigung des Tumors) für die Dauer von 3 Jahren eine Heilungsbewährungsfrist anzunehmen sei. Nach Ablauf von drei Jahren ohne Hinweis auf ein Rezidiv sei im Rahmen der Widerspruchsbearbeitung ab April 2014 der Eintritt von Heilungsbewährung zu prüfen, mit der Folge, den GdB herabzusetzen. Es sei somit ein Gesamt-GdB von 40 festzustellen gewesen, die nach § 24 SGB X erforderliche Anhörung sei ordnungsgemäß durchgeführt worden, an die Teil-GdB-Werte bestehe keine Bindung. Die posttraumatische Belastungsstörung sei mit einem Teil-GdB von 30 anzusetzen, das Wirbelsäulenleiden weiterhin mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten, sodass ein höherer GdB nicht in Betracht komme.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Absatz 1, 124 Absatz 2 SGG) entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und begründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 19.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2014, soweit der Beklagte den GdB auf weniger als 50 abgesenkt hat, da der Kläger seine Berufung hierauf beschränkt hat. Der Ablehnungsbescheid vom 08.01.2014 über die Ablehnung einer höheren Neufeststellung des GdB ist nicht weiter angegriffen worden, weiterhin verfolgt der Kläger nur noch die Anfechtung der Herabsetzung eines GdB von unter 50. Im streitgegenständlichen Umfang ist die Berufung in vollem Umfang begründet.
Rechtsgrundlage für die Herabsetzung des GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden. Das Begehren des Klägers ist im Wege der reinen Anfechtungsklage zu verfolgen, sodass es auf den Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, mithin den Erlass des Widerspruchsbescheides, ankommt (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, § 54 Rn. 33).
Der Senat konnte eine wesentliche Änderung dahingehend feststellen, dass Heilungsbewährung eingetreten ist, sodass die pauschale GdB-Bemessung weggefallen ist. Sowohl dem Befundbericht des Prof. Dr. S. vom 24.02.2014 (Blatt 199 VA) als auch dem Bericht des Prof. Dr. W.-H. vom 01.06.2015 (Blatt 114/15 SG) Akte konnte der Senat entnehmen, dass kein Rezidiv vorgelegen hat und insbesondere keine vergrößerten Lymphknoten zu tasten gewesen sind. Der Umstand, dass das erneute Auftreten von Rezidiven nicht ausgeschlossen ist, worauf Prof. Dr. W.-H. verweist, ändert am Eintritt der Heilungsbewährung und der damit verbundenen wesentlichen Änderung der Verhältnisse nichts. Das Risiko eines Rezidivs begründet eine wesentliche Funktionseinschränkung, die für die Bemessung des GdB relevant sein könnte, nicht.
Der Beklagte war somit berechtigt, den GdB von 70 herabzusetzen, allerdings durfte dieser nicht mit weniger als 50 festgestellt werden. Der Feststellung eines unter 50 liegenden GdB steht nämlich der bestandskräftige Bescheid vom 12.12.2011 (Blatt 84 VA) entgegen. Der Senat konnte feststellen, dass mit diesem Bescheid der Bescheid vom 07.07.1994 aufgehoben und ein GdB von 50 seit dem 24.10.2011 feststellt worden ist, wobei im Bescheid unter Funktionsbeeinträchtigungen eine Erkrankung des lymphatischen Systems (Blatt 83 VA) vermerkt ist und sich aus der dazugehörigen versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. S. vom 23.11.2011 (Blatt 81 VA) ergibt, dass von einem Einzel-GdB von 30 für die Erkrankung des lymphatischen Systems ausgegangen wurde, mithin keine Heilungsbewährung berücksichtigt worden ist. Eine solche liegt erst dem Teil-Abhilfebescheid vom 02.04.2013 (Blatt 142 VA) zu Grunde, der den Bescheid vom 12.12.2011 nicht ausdrücklich aufhebt, sondern eine weitergehende Regelung (GdB 70 ab 01.04.2011, somit einem früheren, vor dem im Bescheid vom 12.12.2011 auf den 24.10.2011 festgesetzten Zeitpunkt) trifft. Der Teil-Abhilfebescheid ersetzte somit vollends den bestandskräftigen Bescheid vom 12.12.2011, indem damit sinngemäß eine Zugunstenentscheidung nach § 44 SGB X für dessen gänzlichen Regelungsbereich getroffen worden war.
Die Aufhebung des Bescheides vom 12.12.2011 ist auch mit dem streitgegenständlichen Herabsetzungsbescheid vom 19.11.2015 weder konkludent erfolgt, noch ergibt sich eine solche durch Auslegung (Senatsurteil vom 26.02.2016 – L 8 SB 2215/15, n.v.). Insoweit ist zunächst festzustellen, dass der Beklagte zu einer Herabsetzung des GdB wegen des Eintritts einer Heilungsbewährung angehört hat (Blatt 163 VA), auch wenn in der Anhörung der Bescheid vom 08.01.2014 genannt worden ist, mit dem nur die Neufeststellung des GdB abgelehnt worden ist, der somit aber keine Regelung mit Dauerwirkung – hier zur Höhe des GdB – im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X trifft. Jedoch wird in den Begründungen zum Bescheid vom 19.11.2014 und Widerspruchsbescheid jeweils auf eine Heilungsbewährung abgestellt, sodass allein die Feststellung eines GdB von (nur) noch 40 keinen hinreichend deutlichen Verwaltungsakt darstellt, der eine Aufhebung des vorherigen Feststellungsbescheides entbehrlich macht oder aus der sich eine konkludente Aufhebung ergibt. Der Herabsetzungsbescheid vom 19.11.2014 hebt in seinem Entscheidungssatz den Teil-Abhilfebescheid vom 02.04.2013 vollständig auf – entgegen der Anhörung zur Aufhebung des Bescheids vom 08.01.2014 –. Damit ist aber auch die im Bescheid vom 02.04.2013 erfolgte rückwirkende Aufhebung nach § 44 SGB X des Bescheids vom 12.12.2011 aufgehoben worden. Eine Abänderung/Teilaufhebung dieses Bescheids ist im Herabsetzungsbescheid nicht verfügt worden, so dass die GdB-Festsetzung von 40 ohne die Aufhebung des jetzt maßgebenden Bescheids vom 12.12.2011 erfolgt ist und bereits insoweit rechtswidrig wäre. Der Senat lässt dies aber dahinstehen, denn auch die GdB-Bewertung nach Ablauf der Heilungsbewährung ist im angefochtenen Bescheid vom 19.11.2014 unzutreffend, da die früheren und aktuellen medizinischen Befunde nach den Vorgaben der VG einen GdB unter 50 nicht rechtfertigen.
Der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. S. vom 23.11.2011 (Blatt 81 VA) entnimmt der Senat nämlich, dass der Gesamt-GdB von 50 aus Einzel-GdB Werten von 30 für die Erkrankung des lymphatischen Systems, 20 für psychovegetative Störungen, 20 für Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat, 10 für Ohrgeräusche und 10 für eine Refluxkrankheit der Speiseröhre gebildet worden ist. Daraus ergibt sich, dass die Beurteilung auf VG Teil B Nr. 16.3.1 beruht, wonach bei chronischer lymphatischer Leukämie und anderen generalisierten niedrigmalignen Non-Hodgkin-Lymphomen mit geringen Auswirkungen (keine wesentlichen Beschwerden, keine Allgemeinsymptome, keine Behandlungsbedürftigkeit, keine wesentliche Progredienz) ein Einzel-GdB von 30 bis 40 anzunehmen ist und zwar unabhängig von einer Heilungsbewährung. Eine solche wird nur bei einem lokalisierten Non-Hodgkin-Lymphome nach Vollremission (Beseitigung des Tumors) für die Dauer von drei Jahren beschrieben und der GdB mit 50 bewertet (VG Teil B Nr. 16.3.1 a.E.). Aus der Bewertung der VG folgt somit, dass auch bei fehlenden Beeinträchtigungen und fehlender Behandlungsbedürftigkeit bereits der Ansatz eines GdB von 30 bis 40 in Betracht kommt und eine Heilungsbewährung nur bei Beseitigung des Tumors angenommen werden kann. Auch ist der sachverständigen Zeugenauskunft des Prof. Dr. W.-H. vom 25.10.2016 zu entnehmen, dass die Gesundheitsstörung eines niedrig malignen B-Zell Non-Hodgkin-Lymphom vom MALT Typ mit Befall des Colon ascendens, Stadium I E, ED 04/2011 weiterhin besteht, wenn auch ohne Behandlungsbedürftigkeit, sodass den Befundberichten auch nicht ohne weiteres entnommen werden kann, dass die Voraussetzungen für die Feststellung eines Einzel-GdB von 30 bis 40 nicht mehr vorliegen, nachdem Beschwerden und Behandlungsbedürftigkeit gerade keine Voraussetzungen sind.
Auf orthopädischem Gebiet ist für Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule ein Einzel-GdB von 20 zu berücksichtigen, auf kardiologischem Fachgebiet kommt kein höherer Einzel-GdB als 10 in Betracht und der Einzel-GdB für das neurologisch-psychiatrische Fachgebiet ist jedenfalls auf 30 zu erhöhen, wie das SG im Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt hat. Hierauf nimmt der Senat nach eigener Prüfung Bezug (§ 153 Absatz 2 SGG). Aus den beiden Einzel-GdB 30 für die Erkrankung des lympathischen Systems und die neurologisch/psychische Beeinträchtigung sowie des Einzel GdB von 20 für die Wirbelsäulenerkrankungen ergibt sich ein Gesamt-GdB von 50.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 23.02.2017 sowie der Bescheid des Beklagten vom 19.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2014 waren daher dahingehend abzuändern, dass ein GdB von 50 ab dem 22.11.2014 festgestellt wird.
Nachdem der Kläger im Berufungsverfahren nur noch einen GdB von 50 und damit eine Teilaufhebung des Herabsetzungsbescheides begehrt hat, hatte die Berufung in vollem Umfang Erfolg.
Die Kostentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren den Herabsetzungsbescheid vollumfänglich angegriffen und die Feststellung eines über 70 hinausgehenden GdB unter Aufhebung des Bescheides vom 08.01.2014 beansprucht hat.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers hat der Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens vollumfänglich und die Kosten des Klageverfahrens zu 1/3 zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB).
Der 1965 geborene Kläger beantragte bei dem Versorgungsamt H. am 12.11.1992 (Blatt 4 Verwaltungsakte) erstmals die Feststellung des GdB. Mit Bescheid vom 26.08.1993 (Blatt 23 VA) stellte das Versorgungsamt einen GdB von 20 ab dem 20.11.1992 unter Berücksichtigung einer Fußfehlform, eine Haglundferse rechts sowie eines chronischen Wirbelsäulensyndroms fest.
Auf den Neufeststellungsantrag vom 18.10.1993 (Blatt 27 VA) stellte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 25.11.1993 (Blatt 35 VA) ein Orthostase-Syndrom und eine Hypertonie fest, der GdB wurde weiterhin mit 20 festgestellt. Den Widerspruch vom 09.12.1993 (Blatt 36 VA) wies das Landesversorgungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.1994 (Blatt 41 VA) zurück.
Auf das als Neufeststellungsantrag gewertete Schreiben des Klägers vom 18.04.1994 (Blatt 42 und 46 VA) stellte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 07.07.1994 einen GdB von 30 seit dem 19.04.1994 unter Berücksichtigung folgender Behinderungen fest: - Funktionsstörung am Stütz- und Bewegungsapparat - Orthostase-Syndrom, Hypertonie, psychovegetative Störung - Tinnitus links
Am 24.10.2011 beantragte der Kläger bei dem Landratsamt R. (LRA) die Neufeststellung des GdB sowie die Feststellung des Merkzeichens "RF" (Blatt 67 VA). Nach Einholung von Befundberichten erstattete Dr. S. die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 23.11.2011 (Blatt 81 VA) und empfahl die Feststellung eines GdB von 50 ab dem 24.10.2011 unter Berücksichtigung folgender Funktionseinschränkungen: - Erkrankungen des lymphatischen Systems (Einzel-GdB 30) - Psychovegetative Störungen (Einzel-GdB 20) - Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat (Einzel-GdB 20) - Ohrgeräusche linksseitig (Einzel-GdB 10) - Refluxkrankheit der Speiseröhre (Einzel-GdB 10) Gestützt hierauf hob der Beklagte den Bescheid vom 07.07.1994 mit Bescheid vom 12.12.2011 (Blatt 84 VA) auf und stellte einen GdB von 50 ab dem 24.10.2011 fest. Die Feststellung des Merkzeichens "RF" lehnte er ab.
Am 15.10.2012 (Blatt 92 VA) beantragte der Kläger die Neufeststellung des GdB, wobei unter anderem der Reha-Entlassungsbericht über die in der Zeit vom 07.03.2012 bis 27.03.2012 in der W.klinik durchgeführte stationäre Rehabilitation (Blatt 121 VA) vorgelegt wurde. Nach versorgungsärztlicher Stellungnahme des Dr. R. vom 17.11.2012 (Blatt 123 VA) lehnte das LRA den Antrag mit Bescheid vom 05.12.2012 ab, da eine wesentliche Veränderung in den Verhältnissen nicht eingetreten sei. Auf den Widerspruch vom 10.12.2012 (Blatt 130 VA) erstattete Dr. W. die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 16.03.2013 (Blatt 140 VA) und empfahl die Feststellung eines GdB von 70 ab dem 01.04.2011 wobei er die Erkrankung des lymphatischen Systems (in Heilungsbewährung) mit einem Einzel-GdB von 50 bewertete.
Mit Teil-Abhilfebescheid vom 02.04.2013 stellte das LRA den GdB ab dem 01.04.2011 mit 70 fest (Blatt 142 VA), der Widerspruch wurde daraufhin für erledigt erklärt (Blatt 143 VA).
Am 18.11.2013 (Blatt 153 VA) beantragte der Kläger die Neufeststellung des GdB auf 100 und die Feststellung von Merkzeichen, dem Antrag wurde unter anderem der Bericht der Dipl. Psychologin S. vom 05.11.2013 (Blatt 155 VA) beigefügt, wonach eine posttraumatische Belastungsstörung und eine mittelschwere bis schwere depressive Episode bestehe.
Dr. A. erstattete die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 26.11.2013 (Blatt 157 VA) und legte dar, dass es sich um eine mittelschwere bis schwere depressive Episode handele. Der derzeit schlechte Zustand könne nicht als dauerhaft angesehen werden und sei nicht über ein halbes Jahr hinaus anzunehmen. Der Einzel-GdB für 1.02 Posttraumatische Belastungsstörung, Depressive Verstimmung, könne mit 30 bewertet werden, die Gesamteinschätzung ändere sich hierdurch nicht. Mit Bescheid vom 08.01.2014 (Blatt 163 VA) lehnte der Beklagte die Neufeststellung des GdB ab, da eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen nicht eingetreten sei. Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 13.01.2014 (Blatt 165 VA) Widerspruch.
Am 26.06.2014 (Blatt 188 VA) beantragte der Kläger die Neufeststellung des GdB und die Feststellung des Merkzeichens "G".
Dr. M. erstattete die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 20.08.2014 (Blatt 204 VA) und führte aus, dass ein Bluthochdruck ohne Organschäden und mit guter kardialer Belastbarkeit keinen Einzel-GdB von mindestens 10 bedinge, ebenso folge aus einer Laktoseintoleranz kein zusätzlicher GdB. Die psychische Erkrankung mit Verschlimmerung bei Scheidung und anhängigem Strafverfahren sei im Sinne einer stärker behindernden seelischen Störung eingestuft worden, welche in der Gesamtschau im Sinne eines Durchschnitts-GdB zutreffend bewertet sei. An den bisherigen Feststellungen sei festzuhalten.
Ausweislich eines Aktenvermerks vom 28.08.2014 (Blatt 206 VA) ging der Beklagte davon aus, dass hinsichtlich des Bescheides vom 02.04.2013 die Frage einer Heilungsbewährung zu klären sei, sodass eine nochmalige Vorlage an den ärztlichen Dienst erfolgen solle. Dr. A. erstattete sodann die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 06.10.2014 (Blatt 212 VA) und führte aus, dass hinsichtlich der Erkrankung des lymphatischen Systems ab 05/2014 eine Heilungsbewährung eingetreten sei, das Lymphom befinde sich in kompletter Remission, es bestehe kein Anhalt für ein Rezidiv. Die Posttraumatische Belastungsstörung und depressive Verstimmung sei weiterhin mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten, sodass sich ein Gesamt-GdB von 40 ergebe.
Mit Schreiben vom 27.10.2014 (Blatt 215 VA) hörte das LRA den Kläger zu einer Herabsetzung des GdB auf 40 an und führte aus, dass den Feststellungen im maßgebenden Bescheid vom 08.01.2014 eine Gesundheitsstörung im Stadium der Heilungsbewährung zu Grunde gelegt worden sei. Bei Gesundheitsstörungen, die zu Rezidiven neigten, sei für einen bestimmten Zeitraum die Feststellung eines höheren GdB gerechtfertigt, als bei isolierter Beurteilung der tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigungen zutreffend sei. Der Kläger legte den Entlassungsbericht der Dr. B. B. Klinik vom 22.09.2014 (Blatt 226 VA) über den stationären Aufenthalt vom 09.09.2014 bis 16.09.2014 vor. Dr. A. erstattete die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 18.11.2014 (Blatt 228 VA) und führte aus, dass die Bewertung des GdB vor Ablauf der Heilungsbewährung befundgerecht erfolgt sei, nach Ablauf der Heilungsbewährung sei der GdB zu reduzieren. Die nebenbefundlich geltend gemachte Depression sei mit einem GdB 30 entsprechend bewertet, sodass ein Gesamt-GdB von 40 vorzuschlagen sei.
Mit Bescheid vom 19.11.2014 (Blatt 231 VA) hob das LRA den Bescheid vom 02.04.2013 auf und stellte ab dem 22.11.2014 einen GdB von 40 fest. Zur Begründung führte es aus, dass eine Gesundheitsstörung im Stadium der Heilungsbewährung zugrunde gelegt worden sei. Bezüglich der Gesundheitsstörung "Erkrankung des lymphatischen Systems" sei mehr als drei Jahre nach der Vollremission keine Neuerkrankung bzw. Reaktivierung aufgetreten, sodass eine Heilungsbewährung vorliege. Die Bewertung des GdB richte sich daher nur noch nach den tatsächlichen Funktionseinbußen.
Mit Bescheid vom 20.11.2014 (Blatt 234 VA) lehnte das LRA die Feststellung des Merkzeichens "G" ab.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2014 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 08.01.2014 und den Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.11.2014 zurück und führte hinsichtlich der Herabsetzung des GdB aus, dass bei Gesundheitsstörungen, die zu Rezidiven neigten, für einen bestimmten Zeitraum (Zeitraum der Heilungsbewährung) die Feststellung eines höheren GdB gerechtfertigt sei, als bei isolierter Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse zutreffend sei. Über den GdB sei letztmals mit Bescheid vom 02.04.2013 entschieden worden, seinerzeit sei ein GdB von 70 festgestellt worden. Eine wesentliche Änderung, die eine höheren GdB rechtfertigen würde, liege nicht vor, durch die Heilungsbewährung liege allerdings eine wesentliche Änderung vor, die einen GdB von nur noch 40 rechtfertige.
Der Kläger erhob am 19.12.2014 Klage zum Sozialgericht Mannheim und machte unter anderem geltend, dass bei Erkrankungen, bei denen eine Heilungsbewährungszeit zuerkannt werde, die seelischen und psychischen Auswirkungen mit berücksichtigt werden müssten.
Der Beklagte legte die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. W. vom 30.07.2015 (Blatt 78 SG-Akte) vor, in der dieser ausführte, dass der angenommene Teil-GdB von 30 bereits eine stärker behindernde seelische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit berücksichtige. Der vorgelegte Entlassungsbericht spreche gegen die Annahme von wesentlichen Funktionseinschränkungen von Seiten des Bewegungsapparates.
Das SG holte sachverständige Zeugenauskünfte bei den behandelnden Ärzten Dr. A. (Blatt 97 SG-Akte), Dr. M. (Blatt 124 SG-Akte), Dr. L. (Blatt 126 SG-Akte) und Dr. H. (Blatt 96 SG-Akte) und Prof. Dr. W.-H. /Dr. L. (Bl. 190 SG-Akte) ein. Der Beklagte legte die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. R. vom 12.05.2016 (Blatt 161 SG-Akte) vor, wonach der Tenor um einen Bandscheibenvorfall zu ergänzen sei. Der Kardiologe habe keine Funktionsstörungen bestätigt, aus dem Bericht der U.klinik H. ergebe sich, dass eine Rezidivfreiheit bestehe. Auch unter Berücksichtigung des Bandscheibenvorfalls sei der Einzel-GdB mit 20 zu bemessen, sodass der Gesamt-GdB unverändert bleibe.
Die Klage wies das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 23.02.2017 ab und führte zur Begründung aus, dass die führende Behinderung bei der Feststellung eines GdB von 70 mit Bescheid vom 02.04.2013 die Erkrankung des lymphatischen Systems in Heilungsbewährung gewesen sei, für das allein ein Teil-GdB von 50 veranschlagt worden sei. Die psychovegetativen Störungen hätten sich gegenüber 2013 verschlimmert und seien jetzt mit einem Teil-GdB von 30 zu veranschlagen.
Gegen den am 06.03.2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 05.04.2017 Berufung zum Landessozialgericht Baden- Württemberg (LSG) eingelegt. Er macht geltend, dass der Ablehnungsbescheid vom 08.01.2014 nicht weiter angegriffen werde, seinerzeit sei eine Erhöhung des GdB von 70 auf 100 beantragt worden, hieran werde nicht mehr festgehalten. Der Teilaufhebungsbescheid vom 19.11.2014 sei bereits formell rechtswidrig, da es an einer gesetzeskonformen Anhörung mangele. Es sei nicht dargelegt worden, von welchen Einzel-GdB ausgegangen werde, sondern nur der Gesamt-GdB mit 40 mitgeteilt worden.
Der Kläger beantragt (Blatt 20 Senatsakte),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 23.02.2017 und den Bescheid des Beklagten vom 19.11.2014, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.04.2018 (Bl. 27 der Senatsakte) ergänzend darauf hin, dass bei lokalisierten Non-Hodgkin-Lymphomen nach Vollremission (Beseitigung des Tumors) für die Dauer von 3 Jahren eine Heilungsbewährungsfrist anzunehmen sei. Nach Ablauf von drei Jahren ohne Hinweis auf ein Rezidiv sei im Rahmen der Widerspruchsbearbeitung ab April 2014 der Eintritt von Heilungsbewährung zu prüfen, mit der Folge, den GdB herabzusetzen. Es sei somit ein Gesamt-GdB von 40 festzustellen gewesen, die nach § 24 SGB X erforderliche Anhörung sei ordnungsgemäß durchgeführt worden, an die Teil-GdB-Werte bestehe keine Bindung. Die posttraumatische Belastungsstörung sei mit einem Teil-GdB von 30 anzusetzen, das Wirbelsäulenleiden weiterhin mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten, sodass ein höherer GdB nicht in Betracht komme.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Absatz 1, 124 Absatz 2 SGG) entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und begründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 19.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2014, soweit der Beklagte den GdB auf weniger als 50 abgesenkt hat, da der Kläger seine Berufung hierauf beschränkt hat. Der Ablehnungsbescheid vom 08.01.2014 über die Ablehnung einer höheren Neufeststellung des GdB ist nicht weiter angegriffen worden, weiterhin verfolgt der Kläger nur noch die Anfechtung der Herabsetzung eines GdB von unter 50. Im streitgegenständlichen Umfang ist die Berufung in vollem Umfang begründet.
Rechtsgrundlage für die Herabsetzung des GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden. Das Begehren des Klägers ist im Wege der reinen Anfechtungsklage zu verfolgen, sodass es auf den Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, mithin den Erlass des Widerspruchsbescheides, ankommt (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, § 54 Rn. 33).
Der Senat konnte eine wesentliche Änderung dahingehend feststellen, dass Heilungsbewährung eingetreten ist, sodass die pauschale GdB-Bemessung weggefallen ist. Sowohl dem Befundbericht des Prof. Dr. S. vom 24.02.2014 (Blatt 199 VA) als auch dem Bericht des Prof. Dr. W.-H. vom 01.06.2015 (Blatt 114/15 SG) Akte konnte der Senat entnehmen, dass kein Rezidiv vorgelegen hat und insbesondere keine vergrößerten Lymphknoten zu tasten gewesen sind. Der Umstand, dass das erneute Auftreten von Rezidiven nicht ausgeschlossen ist, worauf Prof. Dr. W.-H. verweist, ändert am Eintritt der Heilungsbewährung und der damit verbundenen wesentlichen Änderung der Verhältnisse nichts. Das Risiko eines Rezidivs begründet eine wesentliche Funktionseinschränkung, die für die Bemessung des GdB relevant sein könnte, nicht.
Der Beklagte war somit berechtigt, den GdB von 70 herabzusetzen, allerdings durfte dieser nicht mit weniger als 50 festgestellt werden. Der Feststellung eines unter 50 liegenden GdB steht nämlich der bestandskräftige Bescheid vom 12.12.2011 (Blatt 84 VA) entgegen. Der Senat konnte feststellen, dass mit diesem Bescheid der Bescheid vom 07.07.1994 aufgehoben und ein GdB von 50 seit dem 24.10.2011 feststellt worden ist, wobei im Bescheid unter Funktionsbeeinträchtigungen eine Erkrankung des lymphatischen Systems (Blatt 83 VA) vermerkt ist und sich aus der dazugehörigen versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. S. vom 23.11.2011 (Blatt 81 VA) ergibt, dass von einem Einzel-GdB von 30 für die Erkrankung des lymphatischen Systems ausgegangen wurde, mithin keine Heilungsbewährung berücksichtigt worden ist. Eine solche liegt erst dem Teil-Abhilfebescheid vom 02.04.2013 (Blatt 142 VA) zu Grunde, der den Bescheid vom 12.12.2011 nicht ausdrücklich aufhebt, sondern eine weitergehende Regelung (GdB 70 ab 01.04.2011, somit einem früheren, vor dem im Bescheid vom 12.12.2011 auf den 24.10.2011 festgesetzten Zeitpunkt) trifft. Der Teil-Abhilfebescheid ersetzte somit vollends den bestandskräftigen Bescheid vom 12.12.2011, indem damit sinngemäß eine Zugunstenentscheidung nach § 44 SGB X für dessen gänzlichen Regelungsbereich getroffen worden war.
Die Aufhebung des Bescheides vom 12.12.2011 ist auch mit dem streitgegenständlichen Herabsetzungsbescheid vom 19.11.2015 weder konkludent erfolgt, noch ergibt sich eine solche durch Auslegung (Senatsurteil vom 26.02.2016 – L 8 SB 2215/15, n.v.). Insoweit ist zunächst festzustellen, dass der Beklagte zu einer Herabsetzung des GdB wegen des Eintritts einer Heilungsbewährung angehört hat (Blatt 163 VA), auch wenn in der Anhörung der Bescheid vom 08.01.2014 genannt worden ist, mit dem nur die Neufeststellung des GdB abgelehnt worden ist, der somit aber keine Regelung mit Dauerwirkung – hier zur Höhe des GdB – im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X trifft. Jedoch wird in den Begründungen zum Bescheid vom 19.11.2014 und Widerspruchsbescheid jeweils auf eine Heilungsbewährung abgestellt, sodass allein die Feststellung eines GdB von (nur) noch 40 keinen hinreichend deutlichen Verwaltungsakt darstellt, der eine Aufhebung des vorherigen Feststellungsbescheides entbehrlich macht oder aus der sich eine konkludente Aufhebung ergibt. Der Herabsetzungsbescheid vom 19.11.2014 hebt in seinem Entscheidungssatz den Teil-Abhilfebescheid vom 02.04.2013 vollständig auf – entgegen der Anhörung zur Aufhebung des Bescheids vom 08.01.2014 –. Damit ist aber auch die im Bescheid vom 02.04.2013 erfolgte rückwirkende Aufhebung nach § 44 SGB X des Bescheids vom 12.12.2011 aufgehoben worden. Eine Abänderung/Teilaufhebung dieses Bescheids ist im Herabsetzungsbescheid nicht verfügt worden, so dass die GdB-Festsetzung von 40 ohne die Aufhebung des jetzt maßgebenden Bescheids vom 12.12.2011 erfolgt ist und bereits insoweit rechtswidrig wäre. Der Senat lässt dies aber dahinstehen, denn auch die GdB-Bewertung nach Ablauf der Heilungsbewährung ist im angefochtenen Bescheid vom 19.11.2014 unzutreffend, da die früheren und aktuellen medizinischen Befunde nach den Vorgaben der VG einen GdB unter 50 nicht rechtfertigen.
Der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. S. vom 23.11.2011 (Blatt 81 VA) entnimmt der Senat nämlich, dass der Gesamt-GdB von 50 aus Einzel-GdB Werten von 30 für die Erkrankung des lymphatischen Systems, 20 für psychovegetative Störungen, 20 für Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat, 10 für Ohrgeräusche und 10 für eine Refluxkrankheit der Speiseröhre gebildet worden ist. Daraus ergibt sich, dass die Beurteilung auf VG Teil B Nr. 16.3.1 beruht, wonach bei chronischer lymphatischer Leukämie und anderen generalisierten niedrigmalignen Non-Hodgkin-Lymphomen mit geringen Auswirkungen (keine wesentlichen Beschwerden, keine Allgemeinsymptome, keine Behandlungsbedürftigkeit, keine wesentliche Progredienz) ein Einzel-GdB von 30 bis 40 anzunehmen ist und zwar unabhängig von einer Heilungsbewährung. Eine solche wird nur bei einem lokalisierten Non-Hodgkin-Lymphome nach Vollremission (Beseitigung des Tumors) für die Dauer von drei Jahren beschrieben und der GdB mit 50 bewertet (VG Teil B Nr. 16.3.1 a.E.). Aus der Bewertung der VG folgt somit, dass auch bei fehlenden Beeinträchtigungen und fehlender Behandlungsbedürftigkeit bereits der Ansatz eines GdB von 30 bis 40 in Betracht kommt und eine Heilungsbewährung nur bei Beseitigung des Tumors angenommen werden kann. Auch ist der sachverständigen Zeugenauskunft des Prof. Dr. W.-H. vom 25.10.2016 zu entnehmen, dass die Gesundheitsstörung eines niedrig malignen B-Zell Non-Hodgkin-Lymphom vom MALT Typ mit Befall des Colon ascendens, Stadium I E, ED 04/2011 weiterhin besteht, wenn auch ohne Behandlungsbedürftigkeit, sodass den Befundberichten auch nicht ohne weiteres entnommen werden kann, dass die Voraussetzungen für die Feststellung eines Einzel-GdB von 30 bis 40 nicht mehr vorliegen, nachdem Beschwerden und Behandlungsbedürftigkeit gerade keine Voraussetzungen sind.
Auf orthopädischem Gebiet ist für Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule ein Einzel-GdB von 20 zu berücksichtigen, auf kardiologischem Fachgebiet kommt kein höherer Einzel-GdB als 10 in Betracht und der Einzel-GdB für das neurologisch-psychiatrische Fachgebiet ist jedenfalls auf 30 zu erhöhen, wie das SG im Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt hat. Hierauf nimmt der Senat nach eigener Prüfung Bezug (§ 153 Absatz 2 SGG). Aus den beiden Einzel-GdB 30 für die Erkrankung des lympathischen Systems und die neurologisch/psychische Beeinträchtigung sowie des Einzel GdB von 20 für die Wirbelsäulenerkrankungen ergibt sich ein Gesamt-GdB von 50.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 23.02.2017 sowie der Bescheid des Beklagten vom 19.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2014 waren daher dahingehend abzuändern, dass ein GdB von 50 ab dem 22.11.2014 festgestellt wird.
Nachdem der Kläger im Berufungsverfahren nur noch einen GdB von 50 und damit eine Teilaufhebung des Herabsetzungsbescheides begehrt hat, hatte die Berufung in vollem Umfang Erfolg.
Die Kostentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren den Herabsetzungsbescheid vollumfänglich angegriffen und die Feststellung eines über 70 hinausgehenden GdB unter Aufhebung des Bescheides vom 08.01.2014 beansprucht hat.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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