Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 32 RJ 968/97-21
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 RJ 27/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. März 2001 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren und die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1) im Verfahren erster und zweiter Instanz. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) und die Rechtswirksamkeit entrichteter Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Die 1961 geborene Klägerin hatte keine Berufsausbildung absolviert. Ab 1. April 1982 war sie im Studiengang Chemie immatrikuliert, und zwar bis 31. März 1984 bei der Technischen Universität (TU) Berlin, vom 1. April 1984 bis 30. September 1986 bei der Freien Universität (FU) Berlin und vom 1. Oktober 1988 bis 30. September 1989 erneut an der TU Berlin. Die vorgeschriebene Abschlussprüfung hatte sie nicht abgelegt. Seit dem 1. Januar 1991 wurden für die Klägerin fortlaufend bis November 1997 Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung aus jährlichen Arbeitsentgelten in Höhe von 15.600,- DM entrichtet.
Die Beiträge wurden von dem Beigeladenen zu 1., dem Vater der Klägerin, für eine Tätigkeit als Hilfe in dessen Haushalt an die zuständige Einzugsstelle abgeführt. Die Klägerin ist seit dem 9. Mai 1996 fortlaufend arbeitsunfähig krank und bezog vom 20. Juni 1996 bis 6. November 1997 Krankengeld.
Im Mai 1996 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Sie legte diverse ärztliche Unterlagen vor, u.a. einen Entlassungsbericht des Krankenhauses N vom 13. Juli 1995 (stationäre Behandlung vom 6. Juni bis 19. Juni 1995), einen Bericht des Zf AU e.V. vom 5. Juli 1995 (Dr. W), einen Befundbericht des Radiologen Dr. M vom 7. Dezember 1995 und ein Attest der behandelnden Ärztinnen für Innere Medizin Dres. K/B/V vom 9. August 1996. Die Klägerin gab an, seit ihrem Krankenhausaufenthalt vom Juni 1995 ständig auf Betreuung und Versorgung durch ihre Mutter angewiesen zu sein. Die Beklagte ließ die Klägerin durch die Ärztin für Innere Medizin und Rheumatologie R untersuchen und begutachten. Diese Ärztin bescheinigte der Klägerin bei erheblicher Bewegungsunfähigkeit ein derart eingeschränktes Leistungsvermögen bei aufgehobener Wegefähigkeit, dass Arbeit von wirtschaftlichem Wert nicht zu erwarten sei. Eine Zeitberentung werde empfohlen (massives psychosomatisches Syndrom mit Manifestation am Bewegungsapparat - Fibromyalgie-Syndrom -, isolierte Arthritis am rechten Sprunggelenk nach zweimaligem Umknicken 1993 und 1995, allergische Diathese, chronische unspezifische Colitis; Gutachten vom 6. September 1996). Die Beeinträchtigung des Leistungsvermögens bestehe seit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit (AU) am 9. Mai 1996.
Mit Bescheid vom 7. Januar 1997 beanstandete die Beklagte die für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1995 entrichteten Pflichtbeiträge als nicht rechtswirksam mit der Begründung, dass die Klägerin in diesem Zeitraum nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen sei. Die Mitarbeit im elterlichen Haushalt sei nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erfolgt, sondern stelle lediglich eine familienhafte Mithilfe dar. Den Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Januar 1997 mangels Erfüllung der allgemeinen Wartezeit ab. Die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 7. Januar 1997 und 13. Januar 1997 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 9. Juni 1997 zurück.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klagen gegen beide Bescheide zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (Beschluss vom 10. Dezember 1997). Das SG hat sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin (MDK) vom 26. März 1997 (Arzt S) und 22. August 1997 (Dr. R beigezogen und einen Befundbericht von Dr. V-W vom 17. Februar 1999 erstatten lassen. Das SG hat den Internisten und Rheumatologen Dr. H als Sachverständigen eingesetzt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 21. März 2000 (Untersuchung am 12. November 1999) bei der Klägerin die folgenden Leiden diagnostiziert: posttraumatische Arthrose des rechten Sprunggelenkes und Mittelfußes mit chronisch-entzündlichem Reizzustand, Störung des Schmerzerlebens, der Schmerz- und Krankheitsverarbeitung, Verdacht auf neurotische Fehlhaltung mit zwanghaften Aspekten, Verdacht auf Konversionsneurose, anamnestisch vasculäre Cephalgien bzw. Migräne, Cervikalsyndrom, Lumbalsyndrom, Reizzustand der Ileosakralgelenke, Allergieneigung.
Für ein Fibromyalgiesyndrom bzw. eine rheumatische Systemerkrankung bestehe kein Anhalt. Die Klägerin könne noch täglich regelmäßig und vollschichtig körperlich leichte Arbeiten - unter Beachtung der dargelegten qualitativen Leistungseinschränkungen - verrichten. Fußwege von mehr als 200 Metern könne sie viermal täglich nicht in adäquater Zeit zurücklegen. Die genaue Beurteilung müsse einem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vorbehalten bleiben. Das SG hat den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. A als Sachverständigen mit der Untersuchung und Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 22. Juni 2000 (Untersuchungen am 15. Mai und 19. Mai 2000) die folgenden Leiden mitgeteilt: schwere Somatisierungsstörung mit multiplem Schmerzsyndrom, hypochondrisch-wahnhaftem Verarbeiten von allergischen Reaktionen, unspezifische Colitis. Die Klägerin sei aufgrund der schweren chronifizierten psychiatrischen Erkrankungen „zur Zeit“ nicht in der Lage, körperliche oder geistige Arbeiten jeglicher Art zu verrichten.
Das SG hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12. März 2001 die Mutter der Klägerin, DB, als Zeugin vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12. März 2001 Bezug genommen. Mit Urteil vom 19. März 2001 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 7. Januar 1997 und 13. Januar 1997 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. Juni 1997 verurteilt, der Klägerin ab Juni 1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit „zu zahlen“. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei begründet. Die für die Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1995 entrichteten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung seien rechtswirksam. Die Klägerin habe daher im Hinblick auf die im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten Gutachten, ausgehend vom Eintritt der EU mit Beginn der AU am 9. Mai 1996, gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen EU ab Juni 1996. In dem in Rede stehenden Zeitraum habe Versicherungspflicht in der Rentenversicherung bestanden, weil die Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne von § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) eine entgeltliche Tätigkeit als Haushaltshilfe verrichtet habe. Hierbei handele es sich zur Überzeugung des Gerichts nicht um ein Scheinarbeitsverhältnis. Nach den glaubhaften Angaben der Zeugin B und des Beigeladenen zu 1. sei die Klägerin aufgrund der beruflichen Belastung der Zeugin Bab Januar 1991 eingestellt worden und habe die in der dem Schriftsatz vom 5. Juli 1997 beigefügten Anlage im Einzelnen aufgelisteten Arbeiten verrichtet. Diese Tätigkeiten hätten eine fremde Arbeitskraft ersetzt und seien in einer Höhe entlohnt worden, die deutlich über bloße Unterhaltsleistungen wie freie Kost und Taschengeld hinausgegangen sei. Auch die Tatsache, dass mehrfach AU der Klägerin vorgelegen habe, stehe der Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen.
Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Sie trägt vor: Entgegen der Auffassung des SG sei nicht erwiesen, dass die Voraussetzungen für die Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in dem in Rede stehenden Zeitraum vorgelegen hätten. Es habe sich vielmehr lediglich um eine familienhafte Mithilfe der Klägerin gehandelt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag liege nicht vor. Zudem habe die Klägerin widersprüchliche Angaben zum Umfang der Arbeitsleistung und der erfolgten Entlohnung gemacht. Soweit die Klägerin im elterlichen Haushalt gelebt habe, sei auch zu prüfen, ob es sich bei den geleisteten Diensten nicht um eine Unterhaltsleistung gehandelt habe. Die von der Klägerin durchgeführten Reinigungsarbeiten dürften in einer kleinen Neubauwohnung kaum 21 bzw. 22 Wochenstunden erfordert haben. Es sei auch nicht festgestellt worden, dass ein angemessenes Verhältnis zwischen Arbeitsleistung und Arbeitslohn bestanden habe. Im Übrigen sei ausgehend vom Vorbringen der Klägerin im Verwaltungsverfahren anzunehmen, dass diese spätestens seit Juni 1995 gesundheitlich nicht mehr in der Lage gewesen sei, in dem Haushalt ihrer Eltern den genannten Tätigkeiten nachzugehen. Steuerrechtlich seien die Aufwendungen des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin zwar als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt worden, das Finanzamt habe aber - abgesehen von der Vorlage der jeweiligen Lohnsteuerkarte - nicht geprüft, ob ein ernsthaftes Arbeitsverhältnis und ein eigener Haushalt der Klägerin existiert hätten. Nach Auskunft des Landeseinwohneramtes (LEA) Berlin vom 16. Januar 2002 habe die Klägerin aber bis zum 4. Juni 1996 ihre Hauptwohnung im selben Haushalt wie der Beigeladene zu 1. und die Zeugin B gehabt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. März 2001 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Der Senat hat die Einkommensteuerbescheide der Klägerin und des Beigeladenen zu 1. für die Jahre 1991 bis 1995 sowie das Studienbuch der Klägerin beigezogen; auf diese Unterlagen wird Bezug genommen. Der Senat hat eine Meldeauskunft des LEA Berlin über die Klägerin vom 16. Januar 2002 eingeholt, auf deren Inhalt verwiesen wird. Der Beigeladene zu 1. hat ein Schreiben des Finanzamtes Neukölln-Süd zur steuerrechtlichen Behandlung der von ihm geltend gemachten Aufwendungen für die Beschäftigung einer Haushaltshilfe vom 21. Mai 2002 vorgelegt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, wegen der medizinischen Feststellungen auf die zum Verfahren eingeholten Befundberichte und die Sachverständigengutachten von Dr. Hund Dr. A Bezug genommen.
Die Einkommensteuerakten des Finanzamtes Neukölln-Süd für den Beigeladenen zu 1., die Verwaltungsakten der Beklagten (Rehabilitations- und Rentenakten), die Akte des SG Berlin S 29 RJ 1081/97 und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen EU - wie sich aus Tenor und Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils noch mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt - ab 1. Juni 1996 unter Berücksichtigung rechtswirksamer Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1995. Denn sie ist seit dem Eintritt der AU am 9. Mai 1996 auf Dauer erwerbsunfähig und erfüllt, bezogen auf diesen Zeitpunkt des Eintritts von EU, auch die weiteren Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen EU. Damit erweist sich auch die von der Beklagten mit Bescheid vom 7. Januar 1997 verfügte Beanstandung der für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1995 entrichteten Pflichtbeiträge als rechtswidrig. Die Klägerin stand in diesem Zeitraum bei ihren Eltern in einem abhängigen und entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis, das Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründete.
Der von der Klägerin erhobene Anspruch bestimmt sich noch nach § 44 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (im Folgenden ohne Zusatz zitiert), weil die Klägerin ihren Rentenantrag im Mai 1996 gestellt hat und ihr Rente wegen EU (auch) für Zeiträume vor dem 1. Januar 2001 zusteht (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI).
Die Vorschrift des § 44 SGB VI setzt zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl. § 50 Abs. 1, § 51 Abs. 1 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der rentenrechtlich erheblichen Erwerbsminderung voraus (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI). Darüber hinaus muss EU vorliegen (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Erwerbsunfähig sind gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, die wegen Erkrankung oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,- DM bzw. den entsprechenden Gegenwert in Euro übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI).
Die Klägerin ist seit Mai 1996 auf Dauer erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Denn sie verfügt seit diesem Zeitpunkt nicht mehr über ein Leistungsvermögen und damit erst Recht nicht über ein vollschichtiges Leistungsvermögen, mit dem sie regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachgehen und damit auf dem Arbeitsmarkt ein monatliches Einkommen von mehr als 630,- DM bzw. den entsprechenden Gegenwert in Euro erzielen kann. Die Klägerin war und ist seit Mai 1996 nicht mehr in der Lage, Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert im Erwerbsleben in einem nennenswerten Umfang nachzugehen. Bezüglich der Beurteilung des Restleistungsvermögens der Klägerin und des Zeitpunktes, zu dem diese Leistungsminderung eingetreten ist, folgt der Senat dem vorliegenden Gutachten der Ärztin R und dem Sachverständigengutachten von Dr. A. Die genannten Gutachten dokumentieren eine sorgfältige Meinungsbildung nach umfassender Befunderhebung und Untersuchung sowie eingehender Würdigung der im Einzelnen dokumentierten Vorbefunde, und die Begründung der im Wesentlichen übereinstimmenden Ergebnisse ist jeweils schlüssig und nachvollziehbar aus den getroffenen medizinischen Feststellungen hergeleitet. Aus dem Sachverständigengutachten von Dr. H folgt keine andere Beurteilung, weil dieser seine Leistungsbeurteilung ausdrücklich nur aufgrund der Leiden abgegeben hat, die in sein Fachgebiet fallen. Er hat aber ausdrücklich darauf verwiesen, dass die genaue Leistungseinschätzung einem neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachten vorbehalten bleiben müsse, weil auf diesem Fachgebiet auch nach seiner Auffassung eine Leistungseinschränkung zu vermuten war. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine Leistungsminderung des dargestellten Umfangs bei der Klägerin bereits vor Mai 1996 vorgelegen hatte, sind nicht ersichtlich. Zwar befand sich die Klägerin vom 6. Juni bis 19. Juni 1995 in stationärer Behandlung des Krankenhauses N. Zudem hatte sie im Verwaltungsverfahren mit Schreiben vom 28. August 1996 ausgeführt, seit diesem Krankenhausaufenthalt ständig auf Betreuung und Versorgung durch ihre Mutter angewiesen gewesen zu sein und erst seit Mitte März 1996 eine - wenngleich erheblich eingeschränkte - Gehfähigkeit wieder erlangt zu haben. Diese Angaben sind aber durch entsprechende gutachterliche Einschätzungen zum Leistungsvermögen der Klägerin nicht untermauert worden. Erst im Attest der behandelnden Internistin Dr. V-Wvom 9. August 1996 findet sich der Hinweis, dass die Klägerin aufgrund einer Fibromyalgie und heftigster Schmerzen nur liegend transportiert werden könne. Zu diesen Zeitpunkt lag aber bereits - seit dem 9. Mai 1996 - AU vor.
In der Person der Klägerin ist ausgehend vom Eintritt der EU im Mai 1996 auch die besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung der sog. Drei-Fünftel-Belegung im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erfüllt. Denn sie hat im danach maßgebenden Fünf-Jahres-Zeitraum vom 9. Mai 1991 bis 8. Mai 1996 (Tag des Eintritts von AU am 9. Mai 1996) 61 Monate mit Pflichtbeiträgen zurückgelegt und erreicht damit die vom Gesetz vorausgesetzten 36 Pflichtbeitragsmonate. Die Pflichtbeiträge vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1995 sind rechtswirksam und durften von der Beklagten gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 SGB IV daher nicht beanstandet werden. Es handelt sich nicht um zu Unrecht entrichtete Beiträge. Denn sie wurden aufgrund eines abhängigen und entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses, das Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründete, entrichtet (vgl. § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 7 Abs. 1 SGB IV). Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Klägerin in dem in Rede stehenden Zeitraum im Rahmen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses eine Tätigkeit als Haushaltshilfe verrichtet hat, bei der es sich nicht um eine versicherungs- und beitragsfreie familienhafte Mithilfe handelte.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hängt die Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und familienhafter Mithilfe von den gesamten tatsächlichen Umständen des Einzelfalles ab (vgl. zum Ganzen: BSGE 3, 30, 40; BSGE 17, 1, 3; BSGE 12, 153, 156; BSG, Urteil vom 19. Februar 1987 - 12 RK 45/85 = SozR 2200 § 165 RVO Nr. 90). Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liegt dann vor, wenn der Beschäftigte auf die Verwertung seiner Arbeitskraft angewiesen ist, er in den Betrieb nach Art eines Arbeitnehmers eingegliedert und dementsprechend dem Weisungsrecht des Betriebsinhabers - wenn gleich in abgeschwächter Form - unterworfen ist und schließlich für seine Mitarbeit ein Arbeitsentgelt bezieht, das den Charakter einer Gegenleistung für geleistete Arbeit hat und über einen etwa gewährten freien Unterhalt, ein Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht. Die Zahlung verhältnismäßig nicht geringfügiger laufender Bezüge, insbesondere des ortsüblichen oder des tariflichen Lohnes, ist ein wesentliches Merkmal für das Bestehen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses. Ein wichtiger Anhalt ist auch die steuerliche Behandlung (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 1987 - 12 RK 45/85 = SozR 2200 § 165 RVO Nr. 90).
Bereits die steuerliche Behandlung spricht vorliegend für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Wie sich aus den vorliegenden Steuerbescheiden der Klägerin und des Beigeladenen zu 1. sowie dessen Einkommensteuerakten entnehmen lässt, entrichtete die Klägerin von dem bezogenen Entgelt durchgehend Lohnsteuer und der Beigeladene zu 1. konnte die gezahlten Entgelte steuerrechtlich im zulässigen Umfang als außergewöhnliche Belastung für die Beschäftigung einer Haushaltshilfe geltend machen. Dies ist aber überhaupt nur dann möglich, wenn die Hilfe im Haushalt nicht auf familienrechtlicher Grundlage erfolgt (vgl. BFH BStBl. 1961 III S. 549).
Es ist auch nicht anzunehmen, dass die von der Klägerin geleisteten Dienste Ausfluss einer allgemeinen zivilrechtlichen Unterhaltspflicht waren. Denn die Klägerin verfügte in dem hier streitbefangenen Zeitraum über einen eigenen, voll funktionsfähigen Haushalt in der T Straße 16 bis 18 in Berlin. Dies ergibt sich aus dem glaubhaften Vorbringen des Beigeladenen zu 1. in dessen Schriftsatz vom 29. Oktober 2002. Dass die Klägerin daneben beim LEA Berlin mit einem Hauptwohnsitz unter der Anschrift W 50, der Wohnung ihrer Eltern bzw. ihrer Mutter, gemeldet war, ändert hieran nichts. Denn aufgrund der melderechtlichen Behandlung der Wohnsitze der Klägerin in Berlin kann nicht unterstellt werden, dass die Klägerin im Haushalt ihrer Eltern bzw. ihrer Mutter ihren Lebensmittelpunkt hatte. Die Klägerin war auch auf die Verwertung ihrer Arbeitskraft angewiesen, weil sie in den streitigen Jahren keine sonstigen Einkünfte hatte. Jedenfalls bei Begründung des Beschäftigungsverhältnisses war die Klägerin zudem hierzu gesundheitlich auch in der Lage.
Denn erste wesentlich leistungslimitierende Leiden der Klägerin sind frühestens im Jahr 1993 (Distorsion des rechten Sprunggelenkes) dokumentiert.
Ausschlaggebend für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sind jedoch vor allem Art und Umfang der für die Arbeitsleistung der Klägerin erbrachten Gegenleistung. Die Klägerin bezog von dem Beigeladenen zu 1. während des gesamten in Rede stehenden Zeitraumes ein regelmäßiges monatliches Entgelt in Höhe von 1.300,- DM. Diese Entlohnung geht über die Gewährung von freiem Unterhalt einschließlich eines geringfügigen Taschengeldes erheblich hinaus. Sie entspricht dem seinerzeitigen Tariflohn für vergleichbare Tätigkeiten. Nach dem Entgelttarifvertrag zwischen der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft und verschiedenen Trägern von Rehabilitationskliniken, gültig ab 1. April 1991, waren für Tätigkeiten der Vergütungsgruppen 1 bzw. 2 - Küchenhilfe, Reinigungskräfte, Arbeiter ohne Berufsausbildung, Hilfsköche und Küchenhilfen, Pflegehelfer - Grundvergütungen in Höhe von monatlich 2.098,- bzw. 2.342,- DM zu zahlen. Ähnliche Grundgehälter finden sich in der Vergütungstabelle zum Manteltarifvertrag zwischen der Patienten-Heimversorgung - Gemeinnützige Stiftung - und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr vom 23. Oktober 1990, gültig ab 1. November 1990. Im Hinblick auf die der Klägerin regelmäßig obliegende Wochenarbeitszeit von 21 bzw. 22 Stunden entspricht das monatliche Entgelt von 1.300,- DM ohne Weiteres einem tariflich zu zahlenden Lohn und stellt daher ein angemessenes Entgelt für die von der Klägerin erbrachten Arbeitsleistungen dar. Art und Inhalt der zu erbringenden Arbeitsleistungen hat die Klägerin in der Anlage zu dem im Verfahren S 24 RJ 1081/97 eingereichten Schriftsatz vom 5. Juli 1997 im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt. Die dort gemachten Angaben zu Art und Umfang der jedenfalls bis Juni 1995 erbrachten Arbeitsleistungen sind plausibel und überzeugend. Demgegenüber ist nicht nachvollziehbar, weshalb - wie die Beklagte meint - in einer „kleinen Neubauwohnung“ die wöchentlichen Reinigungs- und Haushaltsarbeiten nicht einen Umfang von 21 bzw. 22 Stunden erfordern dürften, zumal die Klägerin auch mit der Erledigung der Wäsche und Einkäufen betraut war. Dass nach Art und Inhalt der zu verrichtenden Dienste die Weisungen des Arbeitgebers nicht ins Einzelne zu gehen brauchten, liegt auf der Hand. Dies ändert aber nichts daran, dass die unverzichtbaren Mindestanforderungen an ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegend erfüllt sind.
Selbst wenn im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin im Verwaltungsverfahren und das Sachverständigengutachten von Dr. Hauer, der von einer erheblich eingeschränkten Gehfähigkeit der Klägerin bereits seit 1993 ausgeht, von einem Eintritt der EU bereits im Jahre 1993 bzw. im Juni 1995 (stationärer Krankenhausaufenthalt im Krankenhaus N) auszugehen wäre, wären die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen EU erfüllt. In diesem Fall bedürfte es keiner Drei-Fünftel-Belegung, weil die EU dann aufgrund eines Tatbestandes eingetreten wäre, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (vgl. § 44 Abs. 4 i.V.m. § 43 Abs. 4 SGB VI). Gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung ist die allgemeine Wartezeit auch vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung erwerbsunfähig geworden sind und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Da die Klägerin ihre Hochschulausbildung mit Ablauf des 30. September 1989 beendet hatte, wäre die EU dann bei einem Leistungsfall bis September 1995 jedenfalls innerhalb von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung eingetreten. Auch das Erfordernis von einem Jahr Pflichtbeiträgen in den letzten zwei Jahren vor Eintritt der EU wäre dann erfüllt. Es kann unter diesem Gesichtspunkt auch dahinstehen, ob die Klägerin nach ihrer Sprunggelenksdistorsion bzw. nach dem Krankenhausaufenthalt vom Juni 1995 gesundheitlich überhaupt noch in der Lage war, ihren Verpflichtungen aus dem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig nachzukommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) und die Rechtswirksamkeit entrichteter Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Die 1961 geborene Klägerin hatte keine Berufsausbildung absolviert. Ab 1. April 1982 war sie im Studiengang Chemie immatrikuliert, und zwar bis 31. März 1984 bei der Technischen Universität (TU) Berlin, vom 1. April 1984 bis 30. September 1986 bei der Freien Universität (FU) Berlin und vom 1. Oktober 1988 bis 30. September 1989 erneut an der TU Berlin. Die vorgeschriebene Abschlussprüfung hatte sie nicht abgelegt. Seit dem 1. Januar 1991 wurden für die Klägerin fortlaufend bis November 1997 Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung aus jährlichen Arbeitsentgelten in Höhe von 15.600,- DM entrichtet.
Die Beiträge wurden von dem Beigeladenen zu 1., dem Vater der Klägerin, für eine Tätigkeit als Hilfe in dessen Haushalt an die zuständige Einzugsstelle abgeführt. Die Klägerin ist seit dem 9. Mai 1996 fortlaufend arbeitsunfähig krank und bezog vom 20. Juni 1996 bis 6. November 1997 Krankengeld.
Im Mai 1996 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Sie legte diverse ärztliche Unterlagen vor, u.a. einen Entlassungsbericht des Krankenhauses N vom 13. Juli 1995 (stationäre Behandlung vom 6. Juni bis 19. Juni 1995), einen Bericht des Zf AU e.V. vom 5. Juli 1995 (Dr. W), einen Befundbericht des Radiologen Dr. M vom 7. Dezember 1995 und ein Attest der behandelnden Ärztinnen für Innere Medizin Dres. K/B/V vom 9. August 1996. Die Klägerin gab an, seit ihrem Krankenhausaufenthalt vom Juni 1995 ständig auf Betreuung und Versorgung durch ihre Mutter angewiesen zu sein. Die Beklagte ließ die Klägerin durch die Ärztin für Innere Medizin und Rheumatologie R untersuchen und begutachten. Diese Ärztin bescheinigte der Klägerin bei erheblicher Bewegungsunfähigkeit ein derart eingeschränktes Leistungsvermögen bei aufgehobener Wegefähigkeit, dass Arbeit von wirtschaftlichem Wert nicht zu erwarten sei. Eine Zeitberentung werde empfohlen (massives psychosomatisches Syndrom mit Manifestation am Bewegungsapparat - Fibromyalgie-Syndrom -, isolierte Arthritis am rechten Sprunggelenk nach zweimaligem Umknicken 1993 und 1995, allergische Diathese, chronische unspezifische Colitis; Gutachten vom 6. September 1996). Die Beeinträchtigung des Leistungsvermögens bestehe seit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit (AU) am 9. Mai 1996.
Mit Bescheid vom 7. Januar 1997 beanstandete die Beklagte die für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1995 entrichteten Pflichtbeiträge als nicht rechtswirksam mit der Begründung, dass die Klägerin in diesem Zeitraum nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen sei. Die Mitarbeit im elterlichen Haushalt sei nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erfolgt, sondern stelle lediglich eine familienhafte Mithilfe dar. Den Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Januar 1997 mangels Erfüllung der allgemeinen Wartezeit ab. Die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 7. Januar 1997 und 13. Januar 1997 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 9. Juni 1997 zurück.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klagen gegen beide Bescheide zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (Beschluss vom 10. Dezember 1997). Das SG hat sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin (MDK) vom 26. März 1997 (Arzt S) und 22. August 1997 (Dr. R beigezogen und einen Befundbericht von Dr. V-W vom 17. Februar 1999 erstatten lassen. Das SG hat den Internisten und Rheumatologen Dr. H als Sachverständigen eingesetzt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 21. März 2000 (Untersuchung am 12. November 1999) bei der Klägerin die folgenden Leiden diagnostiziert: posttraumatische Arthrose des rechten Sprunggelenkes und Mittelfußes mit chronisch-entzündlichem Reizzustand, Störung des Schmerzerlebens, der Schmerz- und Krankheitsverarbeitung, Verdacht auf neurotische Fehlhaltung mit zwanghaften Aspekten, Verdacht auf Konversionsneurose, anamnestisch vasculäre Cephalgien bzw. Migräne, Cervikalsyndrom, Lumbalsyndrom, Reizzustand der Ileosakralgelenke, Allergieneigung.
Für ein Fibromyalgiesyndrom bzw. eine rheumatische Systemerkrankung bestehe kein Anhalt. Die Klägerin könne noch täglich regelmäßig und vollschichtig körperlich leichte Arbeiten - unter Beachtung der dargelegten qualitativen Leistungseinschränkungen - verrichten. Fußwege von mehr als 200 Metern könne sie viermal täglich nicht in adäquater Zeit zurücklegen. Die genaue Beurteilung müsse einem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vorbehalten bleiben. Das SG hat den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. A als Sachverständigen mit der Untersuchung und Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 22. Juni 2000 (Untersuchungen am 15. Mai und 19. Mai 2000) die folgenden Leiden mitgeteilt: schwere Somatisierungsstörung mit multiplem Schmerzsyndrom, hypochondrisch-wahnhaftem Verarbeiten von allergischen Reaktionen, unspezifische Colitis. Die Klägerin sei aufgrund der schweren chronifizierten psychiatrischen Erkrankungen „zur Zeit“ nicht in der Lage, körperliche oder geistige Arbeiten jeglicher Art zu verrichten.
Das SG hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12. März 2001 die Mutter der Klägerin, DB, als Zeugin vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12. März 2001 Bezug genommen. Mit Urteil vom 19. März 2001 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 7. Januar 1997 und 13. Januar 1997 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. Juni 1997 verurteilt, der Klägerin ab Juni 1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit „zu zahlen“. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei begründet. Die für die Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1995 entrichteten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung seien rechtswirksam. Die Klägerin habe daher im Hinblick auf die im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten Gutachten, ausgehend vom Eintritt der EU mit Beginn der AU am 9. Mai 1996, gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen EU ab Juni 1996. In dem in Rede stehenden Zeitraum habe Versicherungspflicht in der Rentenversicherung bestanden, weil die Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne von § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) eine entgeltliche Tätigkeit als Haushaltshilfe verrichtet habe. Hierbei handele es sich zur Überzeugung des Gerichts nicht um ein Scheinarbeitsverhältnis. Nach den glaubhaften Angaben der Zeugin B und des Beigeladenen zu 1. sei die Klägerin aufgrund der beruflichen Belastung der Zeugin Bab Januar 1991 eingestellt worden und habe die in der dem Schriftsatz vom 5. Juli 1997 beigefügten Anlage im Einzelnen aufgelisteten Arbeiten verrichtet. Diese Tätigkeiten hätten eine fremde Arbeitskraft ersetzt und seien in einer Höhe entlohnt worden, die deutlich über bloße Unterhaltsleistungen wie freie Kost und Taschengeld hinausgegangen sei. Auch die Tatsache, dass mehrfach AU der Klägerin vorgelegen habe, stehe der Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen.
Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Sie trägt vor: Entgegen der Auffassung des SG sei nicht erwiesen, dass die Voraussetzungen für die Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in dem in Rede stehenden Zeitraum vorgelegen hätten. Es habe sich vielmehr lediglich um eine familienhafte Mithilfe der Klägerin gehandelt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag liege nicht vor. Zudem habe die Klägerin widersprüchliche Angaben zum Umfang der Arbeitsleistung und der erfolgten Entlohnung gemacht. Soweit die Klägerin im elterlichen Haushalt gelebt habe, sei auch zu prüfen, ob es sich bei den geleisteten Diensten nicht um eine Unterhaltsleistung gehandelt habe. Die von der Klägerin durchgeführten Reinigungsarbeiten dürften in einer kleinen Neubauwohnung kaum 21 bzw. 22 Wochenstunden erfordert haben. Es sei auch nicht festgestellt worden, dass ein angemessenes Verhältnis zwischen Arbeitsleistung und Arbeitslohn bestanden habe. Im Übrigen sei ausgehend vom Vorbringen der Klägerin im Verwaltungsverfahren anzunehmen, dass diese spätestens seit Juni 1995 gesundheitlich nicht mehr in der Lage gewesen sei, in dem Haushalt ihrer Eltern den genannten Tätigkeiten nachzugehen. Steuerrechtlich seien die Aufwendungen des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin zwar als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt worden, das Finanzamt habe aber - abgesehen von der Vorlage der jeweiligen Lohnsteuerkarte - nicht geprüft, ob ein ernsthaftes Arbeitsverhältnis und ein eigener Haushalt der Klägerin existiert hätten. Nach Auskunft des Landeseinwohneramtes (LEA) Berlin vom 16. Januar 2002 habe die Klägerin aber bis zum 4. Juni 1996 ihre Hauptwohnung im selben Haushalt wie der Beigeladene zu 1. und die Zeugin B gehabt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. März 2001 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Der Senat hat die Einkommensteuerbescheide der Klägerin und des Beigeladenen zu 1. für die Jahre 1991 bis 1995 sowie das Studienbuch der Klägerin beigezogen; auf diese Unterlagen wird Bezug genommen. Der Senat hat eine Meldeauskunft des LEA Berlin über die Klägerin vom 16. Januar 2002 eingeholt, auf deren Inhalt verwiesen wird. Der Beigeladene zu 1. hat ein Schreiben des Finanzamtes Neukölln-Süd zur steuerrechtlichen Behandlung der von ihm geltend gemachten Aufwendungen für die Beschäftigung einer Haushaltshilfe vom 21. Mai 2002 vorgelegt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, wegen der medizinischen Feststellungen auf die zum Verfahren eingeholten Befundberichte und die Sachverständigengutachten von Dr. Hund Dr. A Bezug genommen.
Die Einkommensteuerakten des Finanzamtes Neukölln-Süd für den Beigeladenen zu 1., die Verwaltungsakten der Beklagten (Rehabilitations- und Rentenakten), die Akte des SG Berlin S 29 RJ 1081/97 und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen EU - wie sich aus Tenor und Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils noch mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt - ab 1. Juni 1996 unter Berücksichtigung rechtswirksamer Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1995. Denn sie ist seit dem Eintritt der AU am 9. Mai 1996 auf Dauer erwerbsunfähig und erfüllt, bezogen auf diesen Zeitpunkt des Eintritts von EU, auch die weiteren Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen EU. Damit erweist sich auch die von der Beklagten mit Bescheid vom 7. Januar 1997 verfügte Beanstandung der für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1995 entrichteten Pflichtbeiträge als rechtswidrig. Die Klägerin stand in diesem Zeitraum bei ihren Eltern in einem abhängigen und entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis, das Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründete.
Der von der Klägerin erhobene Anspruch bestimmt sich noch nach § 44 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (im Folgenden ohne Zusatz zitiert), weil die Klägerin ihren Rentenantrag im Mai 1996 gestellt hat und ihr Rente wegen EU (auch) für Zeiträume vor dem 1. Januar 2001 zusteht (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI).
Die Vorschrift des § 44 SGB VI setzt zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl. § 50 Abs. 1, § 51 Abs. 1 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der rentenrechtlich erheblichen Erwerbsminderung voraus (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI). Darüber hinaus muss EU vorliegen (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Erwerbsunfähig sind gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, die wegen Erkrankung oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,- DM bzw. den entsprechenden Gegenwert in Euro übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI).
Die Klägerin ist seit Mai 1996 auf Dauer erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Denn sie verfügt seit diesem Zeitpunkt nicht mehr über ein Leistungsvermögen und damit erst Recht nicht über ein vollschichtiges Leistungsvermögen, mit dem sie regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachgehen und damit auf dem Arbeitsmarkt ein monatliches Einkommen von mehr als 630,- DM bzw. den entsprechenden Gegenwert in Euro erzielen kann. Die Klägerin war und ist seit Mai 1996 nicht mehr in der Lage, Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert im Erwerbsleben in einem nennenswerten Umfang nachzugehen. Bezüglich der Beurteilung des Restleistungsvermögens der Klägerin und des Zeitpunktes, zu dem diese Leistungsminderung eingetreten ist, folgt der Senat dem vorliegenden Gutachten der Ärztin R und dem Sachverständigengutachten von Dr. A. Die genannten Gutachten dokumentieren eine sorgfältige Meinungsbildung nach umfassender Befunderhebung und Untersuchung sowie eingehender Würdigung der im Einzelnen dokumentierten Vorbefunde, und die Begründung der im Wesentlichen übereinstimmenden Ergebnisse ist jeweils schlüssig und nachvollziehbar aus den getroffenen medizinischen Feststellungen hergeleitet. Aus dem Sachverständigengutachten von Dr. H folgt keine andere Beurteilung, weil dieser seine Leistungsbeurteilung ausdrücklich nur aufgrund der Leiden abgegeben hat, die in sein Fachgebiet fallen. Er hat aber ausdrücklich darauf verwiesen, dass die genaue Leistungseinschätzung einem neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachten vorbehalten bleiben müsse, weil auf diesem Fachgebiet auch nach seiner Auffassung eine Leistungseinschränkung zu vermuten war. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine Leistungsminderung des dargestellten Umfangs bei der Klägerin bereits vor Mai 1996 vorgelegen hatte, sind nicht ersichtlich. Zwar befand sich die Klägerin vom 6. Juni bis 19. Juni 1995 in stationärer Behandlung des Krankenhauses N. Zudem hatte sie im Verwaltungsverfahren mit Schreiben vom 28. August 1996 ausgeführt, seit diesem Krankenhausaufenthalt ständig auf Betreuung und Versorgung durch ihre Mutter angewiesen gewesen zu sein und erst seit Mitte März 1996 eine - wenngleich erheblich eingeschränkte - Gehfähigkeit wieder erlangt zu haben. Diese Angaben sind aber durch entsprechende gutachterliche Einschätzungen zum Leistungsvermögen der Klägerin nicht untermauert worden. Erst im Attest der behandelnden Internistin Dr. V-Wvom 9. August 1996 findet sich der Hinweis, dass die Klägerin aufgrund einer Fibromyalgie und heftigster Schmerzen nur liegend transportiert werden könne. Zu diesen Zeitpunkt lag aber bereits - seit dem 9. Mai 1996 - AU vor.
In der Person der Klägerin ist ausgehend vom Eintritt der EU im Mai 1996 auch die besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung der sog. Drei-Fünftel-Belegung im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erfüllt. Denn sie hat im danach maßgebenden Fünf-Jahres-Zeitraum vom 9. Mai 1991 bis 8. Mai 1996 (Tag des Eintritts von AU am 9. Mai 1996) 61 Monate mit Pflichtbeiträgen zurückgelegt und erreicht damit die vom Gesetz vorausgesetzten 36 Pflichtbeitragsmonate. Die Pflichtbeiträge vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1995 sind rechtswirksam und durften von der Beklagten gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 SGB IV daher nicht beanstandet werden. Es handelt sich nicht um zu Unrecht entrichtete Beiträge. Denn sie wurden aufgrund eines abhängigen und entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses, das Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründete, entrichtet (vgl. § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 7 Abs. 1 SGB IV). Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Klägerin in dem in Rede stehenden Zeitraum im Rahmen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses eine Tätigkeit als Haushaltshilfe verrichtet hat, bei der es sich nicht um eine versicherungs- und beitragsfreie familienhafte Mithilfe handelte.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hängt die Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und familienhafter Mithilfe von den gesamten tatsächlichen Umständen des Einzelfalles ab (vgl. zum Ganzen: BSGE 3, 30, 40; BSGE 17, 1, 3; BSGE 12, 153, 156; BSG, Urteil vom 19. Februar 1987 - 12 RK 45/85 = SozR 2200 § 165 RVO Nr. 90). Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liegt dann vor, wenn der Beschäftigte auf die Verwertung seiner Arbeitskraft angewiesen ist, er in den Betrieb nach Art eines Arbeitnehmers eingegliedert und dementsprechend dem Weisungsrecht des Betriebsinhabers - wenn gleich in abgeschwächter Form - unterworfen ist und schließlich für seine Mitarbeit ein Arbeitsentgelt bezieht, das den Charakter einer Gegenleistung für geleistete Arbeit hat und über einen etwa gewährten freien Unterhalt, ein Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht. Die Zahlung verhältnismäßig nicht geringfügiger laufender Bezüge, insbesondere des ortsüblichen oder des tariflichen Lohnes, ist ein wesentliches Merkmal für das Bestehen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses. Ein wichtiger Anhalt ist auch die steuerliche Behandlung (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 1987 - 12 RK 45/85 = SozR 2200 § 165 RVO Nr. 90).
Bereits die steuerliche Behandlung spricht vorliegend für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Wie sich aus den vorliegenden Steuerbescheiden der Klägerin und des Beigeladenen zu 1. sowie dessen Einkommensteuerakten entnehmen lässt, entrichtete die Klägerin von dem bezogenen Entgelt durchgehend Lohnsteuer und der Beigeladene zu 1. konnte die gezahlten Entgelte steuerrechtlich im zulässigen Umfang als außergewöhnliche Belastung für die Beschäftigung einer Haushaltshilfe geltend machen. Dies ist aber überhaupt nur dann möglich, wenn die Hilfe im Haushalt nicht auf familienrechtlicher Grundlage erfolgt (vgl. BFH BStBl. 1961 III S. 549).
Es ist auch nicht anzunehmen, dass die von der Klägerin geleisteten Dienste Ausfluss einer allgemeinen zivilrechtlichen Unterhaltspflicht waren. Denn die Klägerin verfügte in dem hier streitbefangenen Zeitraum über einen eigenen, voll funktionsfähigen Haushalt in der T Straße 16 bis 18 in Berlin. Dies ergibt sich aus dem glaubhaften Vorbringen des Beigeladenen zu 1. in dessen Schriftsatz vom 29. Oktober 2002. Dass die Klägerin daneben beim LEA Berlin mit einem Hauptwohnsitz unter der Anschrift W 50, der Wohnung ihrer Eltern bzw. ihrer Mutter, gemeldet war, ändert hieran nichts. Denn aufgrund der melderechtlichen Behandlung der Wohnsitze der Klägerin in Berlin kann nicht unterstellt werden, dass die Klägerin im Haushalt ihrer Eltern bzw. ihrer Mutter ihren Lebensmittelpunkt hatte. Die Klägerin war auch auf die Verwertung ihrer Arbeitskraft angewiesen, weil sie in den streitigen Jahren keine sonstigen Einkünfte hatte. Jedenfalls bei Begründung des Beschäftigungsverhältnisses war die Klägerin zudem hierzu gesundheitlich auch in der Lage.
Denn erste wesentlich leistungslimitierende Leiden der Klägerin sind frühestens im Jahr 1993 (Distorsion des rechten Sprunggelenkes) dokumentiert.
Ausschlaggebend für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sind jedoch vor allem Art und Umfang der für die Arbeitsleistung der Klägerin erbrachten Gegenleistung. Die Klägerin bezog von dem Beigeladenen zu 1. während des gesamten in Rede stehenden Zeitraumes ein regelmäßiges monatliches Entgelt in Höhe von 1.300,- DM. Diese Entlohnung geht über die Gewährung von freiem Unterhalt einschließlich eines geringfügigen Taschengeldes erheblich hinaus. Sie entspricht dem seinerzeitigen Tariflohn für vergleichbare Tätigkeiten. Nach dem Entgelttarifvertrag zwischen der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft und verschiedenen Trägern von Rehabilitationskliniken, gültig ab 1. April 1991, waren für Tätigkeiten der Vergütungsgruppen 1 bzw. 2 - Küchenhilfe, Reinigungskräfte, Arbeiter ohne Berufsausbildung, Hilfsköche und Küchenhilfen, Pflegehelfer - Grundvergütungen in Höhe von monatlich 2.098,- bzw. 2.342,- DM zu zahlen. Ähnliche Grundgehälter finden sich in der Vergütungstabelle zum Manteltarifvertrag zwischen der Patienten-Heimversorgung - Gemeinnützige Stiftung - und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr vom 23. Oktober 1990, gültig ab 1. November 1990. Im Hinblick auf die der Klägerin regelmäßig obliegende Wochenarbeitszeit von 21 bzw. 22 Stunden entspricht das monatliche Entgelt von 1.300,- DM ohne Weiteres einem tariflich zu zahlenden Lohn und stellt daher ein angemessenes Entgelt für die von der Klägerin erbrachten Arbeitsleistungen dar. Art und Inhalt der zu erbringenden Arbeitsleistungen hat die Klägerin in der Anlage zu dem im Verfahren S 24 RJ 1081/97 eingereichten Schriftsatz vom 5. Juli 1997 im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt. Die dort gemachten Angaben zu Art und Umfang der jedenfalls bis Juni 1995 erbrachten Arbeitsleistungen sind plausibel und überzeugend. Demgegenüber ist nicht nachvollziehbar, weshalb - wie die Beklagte meint - in einer „kleinen Neubauwohnung“ die wöchentlichen Reinigungs- und Haushaltsarbeiten nicht einen Umfang von 21 bzw. 22 Stunden erfordern dürften, zumal die Klägerin auch mit der Erledigung der Wäsche und Einkäufen betraut war. Dass nach Art und Inhalt der zu verrichtenden Dienste die Weisungen des Arbeitgebers nicht ins Einzelne zu gehen brauchten, liegt auf der Hand. Dies ändert aber nichts daran, dass die unverzichtbaren Mindestanforderungen an ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegend erfüllt sind.
Selbst wenn im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin im Verwaltungsverfahren und das Sachverständigengutachten von Dr. Hauer, der von einer erheblich eingeschränkten Gehfähigkeit der Klägerin bereits seit 1993 ausgeht, von einem Eintritt der EU bereits im Jahre 1993 bzw. im Juni 1995 (stationärer Krankenhausaufenthalt im Krankenhaus N) auszugehen wäre, wären die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen EU erfüllt. In diesem Fall bedürfte es keiner Drei-Fünftel-Belegung, weil die EU dann aufgrund eines Tatbestandes eingetreten wäre, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (vgl. § 44 Abs. 4 i.V.m. § 43 Abs. 4 SGB VI). Gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung ist die allgemeine Wartezeit auch vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung erwerbsunfähig geworden sind und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Da die Klägerin ihre Hochschulausbildung mit Ablauf des 30. September 1989 beendet hatte, wäre die EU dann bei einem Leistungsfall bis September 1995 jedenfalls innerhalb von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung eingetreten. Auch das Erfordernis von einem Jahr Pflichtbeiträgen in den letzten zwei Jahren vor Eintritt der EU wäre dann erfüllt. Es kann unter diesem Gesichtspunkt auch dahinstehen, ob die Klägerin nach ihrer Sprunggelenksdistorsion bzw. nach dem Krankenhausaufenthalt vom Juni 1995 gesundheitlich überhaupt noch in der Lage war, ihren Verpflichtungen aus dem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig nachzukommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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