L 6 AS 2261/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 33 AS 2790/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 2261/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 24.09.2014 geändert. Der Beklagte wird unter entsprechender Änderung des Bescheides vom 26.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2011 verurteilt, die Bescheide vom 22.10.2009 und vom 26.02.2010, geändert durch Bescheid vom 30.08.2010, teilweise zurückzunehmen und dem Kläger einen Zuschuss zur privaten Krankenversicherung und Pflegeversicherung für September 2009 i.H.v. 183,51 EUR und 39,61 EUR, für die Zeit vom 01.10. bis 31.12.2009 i.H.v. 262,16 EUR und 56,59 EUR monatlich und für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.08.2010 i.H.v. 277,40 EUR und 56,83 EUR monatlich unter Anrechnung bereits bewilligter Zuschüsse zu gewähren. Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Zahlung weiterer Zuschüsse für Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung im Wege der Überprüfung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Der 1950 geborene Kläger war als Steinmetz selbstständig erwerbstätig. Das Gewerbe wurde im Februar 2009 abgemeldet. Am 09.09.2009 beantragte der Kläger beim Beklagten erstmals Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er gab an, er sei Eigentümer einer Wohnimmobilie in der F 82 in H, wo sich auch die Betriebsstätte befinde. Die Immobilie falle in die Insolvenzmasse und werde vom Insolvenzverwalter geführt. Er habe daraus weder Einnahmen noch Ausgaben. Er wohne zur Zeit mietfrei. Betriebskosten fielen nicht an. Kosten entstünden nur durch den Kauf von Gasflaschen zur Beheizung der Wohnung, da die Elektroheizung ausgefallen sei. Sein 1985 geborener Sohn T habe mittlerweile den Betrieb übernommen. Es sei geplant, dass dieser ihn in Zukunft geringfügig beschäftige.

Für den Kläger besteht seit dem 01.11.2009 Versicherungsschutz bei der Hanse- Merkur-Versicherungsgruppe in Form einer Krankheitskostenvollversicherung sowie einer Pflegepflichtversicherung, die nach Art und Umfang den Leistungen der jeweiligen gesetzlichen Versicherung entsprechen. Der den Versicherungsschutz begründende Vertrag wurde 2009 zwischen der Hanse-Merkur-Versicherungsgruppe und dem Sohn des Klägers geschlossen. Seit 01.07.2013 ist der Kläger selbst Vertragspartner und Versicherungsnehmer.

Mit Bescheid vom 22.10.2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig Leistungen für die Zeit ab Antragstellung bis zum 31.03.2010, mit Bescheid vom 26.02.2010 für den Folgezeitraum bis zum 31.08.2010. Neben dem Regelbedarf iHv monatlich 359 EUR übernahm er Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 56,50 EUR. Zudem bewilligte er einen Zuschuss zur privaten Krankenversicherung iHv monatlich 124,32 EUR und zur privaten Pflegeversicherung iHv 17,79 EUR monatlich. Mit zwei Änderungsbescheiden vom 30.09.2010 änderte der Beklagte diese Bescheide ab und berücksichtigte nunmehr Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 61,50 EUR. Hinsichtlich des Bescheides vom 22.10.2009 entfiel der Vorläufigkeitsvorbehalt.

Am 28.02.2011 beantragte der Kläger gem. § 44 SGB X die Überprüfung der in der Vergangenheit ergangenen Bewilligungsbescheide des Beklagten. Er machte geltend, aus einer neuen Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) folge die Verpflichtung des Beklagten, die Kosten der Krankenversicherung bis zur Höhe des Basistarifes zu übernehmen. Dieser betrage nach Auskunft der Hanse-Merkur monatlich insgesamt 632,08 EUR. Die tatsächlich gezahlten Beiträge hätten in den Jahren 2009 und 2010 mit monatlich 353,63 EUR und im Jahr 2011 mit 326,63 EUR noch unterhalb des Basistarifes gelegen. Ihm stehe die Differenz zwischen den gewährten Leistungen und dem genannten Tarif zu.

Mit Bescheid vom 26.08.2011 lehnte der Beklagte den Antrag ab, half dem dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers aber im Widerspruchsbescheid vom 28.10.2011 teilweise ab. Die Abhilfe betraf die Zeiten vom 01.09.2010 bis zum 28.02.2011 und vom 01.03.2011 bis zum 31.08.2011, für die er dem Antrag des Klägers in vollem Umfang entsprach. Für die davor liegenden Zeiträume wies er den Widerspruch zurück. Zwar sei nach dem vom Kläger angesprochenen Urteil des BSG bei Vorliegen einer privaten Krankenversicherung ein Zuschuss maximal in Höhe des halben Basistarifs anzuerkennen. Allerdings gelte für das Überprüfungsverfahren die Besonderheit; dass die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes, der auf einer Rechtsnorm beruhe, die nach Erlass des zur Überprüfung gestellten Verwaltungsaktes in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden sei, nur mit Wirkung für die Zeit ab Bestehen der ständigen Rechtsprechung in Betracht komme. Eine ständige Rechtsprechung gäbe es hier erst ab dem BSG-Urteil vom 18.01.2011. Erst ab diesem Zeitpunkt komme eine Rücknahme entsprechender Bescheide in Betracht. Soweit die davorliegenden Zeitabschnitte vom 09.09.2009 bis zum 31.03.2010 und vom 01.04.2010 bis zum 31.08.2010 betroffen seien, verbleibe es deshalb dabei, dass für diese Zeiträume nur ein Zuschuss in Höhe des Beitrages zu zahlen sei, der an Leistungsberechtigte zu erbringen sei, die in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung pflichtversichert seien.

Mit der am 30.11.2011 beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, sein Sohn habe den Versicherungsvertrag abgeschlossen, da er selbst wegen seiner eigenen Insolvenz keinen Vertrag habe abschließen können. Es sei aber vereinbart gewesen, dass er die vom Beklagten gezahlten Beiträge an den Sohn weiterleite.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Überprüfungsbescheides vom 26.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2011 zu verpflichten, die Bescheide vom 22.10.2009 und vom 26.02.2010, jeweils in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 30.08.2010, dahingehend abzuändern, dass ihm Leistungen nach dem SGB II unter Übernahme der tatsächlichen Kosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung gewährt werden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die getroffene Entscheidung weiterhin für zutreffend gehalten.

Auf Anfrage des SG hat die Hanse-Merkur-Versicherungsgruppe mit Schreiben vom 13.05.2014 die Höhe des individuellen Basistarifs sowie die Höhe der für den Versicherungsschutz des Klägers anfallenden monatlichen Beiträge im Zeitraum ab 01.11.2009 angegeben. Mit weiteren Schreiben vom 13.01.2015 und 15.01.2015 hat sie mitgeteilt, dass das Vertragsverhältnis mit dem Sohn T T begründet worden sei, der auch verpflichtet gewesen sei, die Versicherungsbeiträge zu zahlen. Dies habe er im Zeitraum vom 01.11.2009 bis zum 15.07.2010 regelmäßig getan, danach seien nur unvollständige Zahlungen erfolgt. Zum 01.07.2013 habe ein Versicherungsnehmerwechsel stattgefunden. Ab diesem Zeitpunkt bestehe ein Vertragsverhältnis mit dem Kläger.

Das SG hat durch Urteil vom 24.09.2014 die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf teilweise Rücknahme der zu überprüfenden Bescheide, denn diese seien rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X lägen nicht vor. Dem Kläger stünden für die noch streitige Zeit vom 01.11.2009 bis 31.08.2010 keine höheren Leistungen unter weitergehender Berücksichtigung eines Zuschusses zu den Versicherungsbeiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung zu. Der Beklagte habe den Kläger gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II in der Fassung bis zum 31.03.2011 iVm § 12 Abs. 1c S. 5, S. 6 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) keinen höheren Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen für eine private Kranken- und Pflegeversicherung zu gewähren, als mit den zur Überprüfung gestellten Bescheiden geschehen. Ein Anspruch des Klägers scheitere schon daran, dass der Kläger keinen entsprechenden Bedarf nachgewiesen habe. Voraussetzung für die Übernahme von Versicherungsbeiträgen nach § 26 SGB II sei das Bestehen eines entsprechenden Bedarfes, also das Vorliegen von Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seinen privaten Versicherungsschutz. Grundsätzlich lägen diese Aufwendungen darin begründet, dass der Leistungsberechtigte dem privaten Versicherungsunternehmen gegenüber aufgrund des abgeschlossenen Versicherungsvertrages zur Zahlung von Versicherungsbeiträgen verpflichtet sei. Eine solche Zahlungspflicht des Klägers gegenüber dem privaten Versicherungsunternehmen habe im streitigen Zeitraum jedoch nicht bestanden. Der Kläger habe vielmehr erst seit 01.07.2013 einen eigenständigen Vertrag mit dem Unternehmen geschlossen, aufgrund dessen er zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet gewesen sei. Im streitigen Zeitraum sei der Versicherungsschutz des Klägers vielmehr über einen Versicherungsvertrag hergestellt, der von seinem Sohn, dem Zeugen T T, abgeschlossen worden war. Wie sich aus den Mitteilungen der Hanse-Merkur-Versicherungsgruppe und den Bekundungen des Zeugen im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.09.2014 ergebe, habe der Zeuge einen Vertrag mit dem Versicherungsunternehmen geschlossen, der ihm selbst Versicherungsschutz vermittelte und auch die Versicherung des Klägers beinhaltete. Die Zahlung der Beiträge sei über den Zeugen erfolgt, dieser sei gegenüber dem Versicherungsunternehmen als Vertragsnehmer zur Zahlung verpflichtet gewesen. Die Vertragsgestaltung sei zivilrechtlich ein Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Aufwendungen des Klägers im Sinne eines Bedarfes könnten nur dann vorliegen, wenn der Kläger dem Zeugen gegenüber zivilrechtlich wirksam zur Zahlung bzw. Erstattung der an den Versicherer geleisteten Beiträge verpflichtet gewesen wäre. Dabei sei zu beachten, dass der Kläger nach eigener Aussage die vom Beklagten gezahlten Beträge an den Zeugen weitergeleitet habe. Ein noch verbleibender, ungedeckter Bedarf des Klägers könne also nur bestehen, wenn er dem Zeugen gegenüber verpflichtet gewesen wäre, die nach Abzug der vom Beklagten geleisteten Beiträge verbleibende Deckungslücke gegenüber dem Zeugen auszugleichen. Diese den Anspruch begründende Tatsache habe der Kläger im Wege nachzuweisen. Eine solche Überzeugung habe sich das Gericht nicht bilden können. Es verblieben gewichtige Zweifel daran, dass der Kläger dem Zeugen gegenüber verpflichtet war bzw. immer noch sei, über die weitergeleiteten Beträge hinaus Zahlungen bzw. Erstattungen zu leisten. Es beständen insoweit Unstimmigkeiten zwischen klägerischen Angaben und Bekundungen des Zeugen. So habe der Kläger angegeben, die vom Beklagten gezahlten Beträge an den Kläger weitergeleitet zu haben. Diese Beträge (monatlich 142,11 EUR) deckten jedoch nicht den vollen Monatsbeitrag von 353,63 EUR ab. Es verblieb danach eine Lücke von 211,52 EUR. Der Zeuge habe sich allerdings im Verhandlungstermin nicht mehr daran erinnern können, ob der Kläger nur Teilzahlungen geleistet oder sogar den gesamten Betrag gezahlt habe, den das Versicherungsunternehmen verlangt habe. Zudem habe der Zeuge erklärt, dass er sich nicht mehr daran erinnern könne, ob der Kläger noch Rückstände habe, die daraus resultierten, dass er die Beiträge für ihn gezahlt habe. Es wäre angesichts der beträchtlichen monatlichen Deckungslücke zu erwarten gewesen, dass der Zeuge einen bestehenden Zahlungsrückstand mit der entsprechenden Deutlichkeit benennen könne. Insgesamt bestünden gewichtige Zweifel am Vorliegen eines für den Erfolg der Klage erforderlichen weitergehenden Zahlungs- bzw. Erstattungsanspruchs des Zeugen gegenüber dem Kläger. Auf die Frage, ob eine Zahlungspflicht des Beklagten unter Berücksichtigung von § 40 Abs. 2 Nr. 2 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 1 SGB III zeitlich beschränkt sei, komme es damit nicht an.

Dagegen richtet sich die nach Zustellung des Urteils am 29.10.2014 eingelegte Berufung des Klägers vom 01.12.2014. Das SG habe zu Unrecht den Bedarf als nicht nachgewiesen angesehen. Problematisch sei zwar, dass er den Vertrag auf den Namen des Sohnes habe abschließen müssen, weil er selbst wegen der desolaten wirtschaftlichen Situation nicht direkt mit der Krankenversicherungsgesellschaft habe abschließen können. Der auf ihn entfallende Teil der Kosten folge aber aus den Unterlagen der Versicherung. Dazu hat er die Kopie eines Schreibens seines Sohnes an die Hanse-Merkur Krankenversicherung vom 02.08.2011 vorgelegt. Das SG habe den Anspruch abgelehnt, da es nicht davon ausgegangen sei, dass er die Kosten tatsächlich gezahlt habe, sondern diese von seinem Sohn getragen worden seien. Dabei gehe das SG aber wegen der zivilrechtlichen Vertragsverhältnisse von einem falschen Bedarfsbegriff aus. Bedarfe nach dem SGB II seien grundsätzlich auch außerhalb von direkten zivilrechtlichen Verträgen anzuerkennen. Typisches Beispiel sei der Mietvertrag innerhalb von Bedarfsgemeinschaften: Dort werde der Bedarf immer pro Kopf der in der Wohnung lebenden Personen abgerechnet, auch wenn Personen in der Gemeinschaft lebten, die nicht zu der bestimmten Bedarfsgemeinschaft gehören, und wenn nur eine Person bzw. maximal 2 Personen den Mietvertrag unterzeichnet hätten. Des Weiteren folge aus dem Regelbedarfs-Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 - 1 BVL 1/09 u. a., dass Bedarfe, die zum sozio-kulturellen Existenzminimum gehören, durch Leistungen zu decken seien und man nicht auf die freiwillige Leistungen Dritter verwiesen werden könne. Hier sei es die Krankenversicherung, die durch den Beklagten gesichert werden müsse. Diese Sicherung liege aber nicht vor. Die Höhe des Bedarfes ergebe sich aus dem Versicherungsschein. Der Sohn habe zwar gezahlt, rechtlich verpflichtet sei jedoch der Beklagte. Schließlich habe auch keine bundesweit einheitliche Verwaltungspraxis der Grundsicherungsträger Jobcenter und Optionskommunen bei der Anwendung des § 26 SGB II aF bestanden. Die Gesetzesänderung mit Streichung des § 40 Abs. 2 Nr. 2 SGB II aF iVm § 330 SGB III im Jahr 2016 bestätige generell die insoweit fehlende Nachweismöglichkeit.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 24.09.2014 zu ändern und den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 26.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2011 zu verurteilen, die Bescheide vom 22.10.2009 und vom 26.02.2010, geändert durch Bescheid vom 30.08.2010, teilweise zurückzunehmen und ihm einen Zuschuss zur privaten Krankenversicherung und Pflegeversicherung für September 2009 i.H.v. 183,51 EUR und 39,61 EUR, für die Zeit vom 01.10. bis 31.12.2009 i.H.v. 262,16 EUR und 56,59 EUR monatlich und für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.08.2010 i.H.v. 277,40 EUR und 56,83 EUR monatlich unter Anrechnung bereits gezahlter Zuschüsse zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf die Ausführungen in Widerspruchsbescheid und Urteil.

Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass im Einzelnen aufgeführte Gerichtsentscheidungen Anhaltspunkte enthielten, wonach es ab dem 01.01.2009 keine einheitliche Praxis der Träger der Grundsicherung bei den Zuschüssen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung gegeben habe (u.a. Beschlüsse des LSG Berlin-Brandenburg v. 27.06.2014 - L 32 AS 3455/13 B PKH, juris Rn. 7, des LSG Sachsen-Anhalt v. 14.04.2010 - L 2 AS 16/10 B ER, juris Rn.1 Antragsgegner: Landkreis Saalekreis als Eigenbetrieb für Arbeit; SG Dresden v. 11.02.2010 - S 21 AS 438/10 ER juris Rn. 2). Auf ergänzende Anfragen zur Verwaltungspraxis an an diesen Verfahren beteiligte Leistungsträger hat das Jobcenter E am 04./16.02.2016 ausgeführt, die Schilderung des Sachverhaltes im Beschluss des SG Dresden v. 11.02.2010 treffe zu. Es lasse sich nicht abschließend beantworten, warum letztlich die Auszahlungen nicht mit der Höhe des eigentlich geltenden halben Basistarifs übereinstimmten. Der Fall sei bestandskräftig abgeschlossen. Das Jobcenter C hat unter dem 09.03.2016 den im Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg v. 27.06.2014 wiedergegebenen Sachverhalt bestätigt. Er stelle einen atypischen Einzelfall dar. Weitergehende Angaben über die beiden Einzelfälle hinaus seien u.a. wegen Wechsels des sachbearbeitenden Personals nicht mehr möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen; dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Die streitige Höhe des monatlichen Zuschusses ist die Differenz zwischen dem an die private Kranken-/Pflegeversicherung tatsächlich gezahlten Beitrag von 353,63 EUR abzüglich des vom Beklagten gezahlten Zuschusses. Diese monatliche "Unterdeckung" für die Zeit vom 01.09.2009 bis 31.08.2010 liegt deutlich über 750 EUR. Die auch rechtzeitig und formgerecht eingelegte Berufung ist insgesamt zulässig (§§ 143, 144 SGG).

Die Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 26.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 S 1 SGG). Zu Unrecht hat der Beklagte es abgelehnt, die Bescheide vom 22.10.2009 und vom 26.02.2010, geändert durch Bescheid vom 30.08.2010, teilweise zurückzunehmen und dem Kläger einen weiteren Zuschuss zur privaten Kranken- und privaten Pflegeversicherung in der ausgeurteilten Höhe zu gewähren.

Dazu ist er auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II in der gemäß § 77 Abs. 13 SGB II bis 31.03.2011 anzuwenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2003, 2954) iVm § 44 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 SGB X verpflichtet. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind (§ 44 Abs. 1 S. 1 SGB X). Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme bzw. Antragstellung erbracht (§ 44 Abs. 4 SGB X).

Die Bescheide vom 22.10.2009 und vom 26.02.2010, geändert durch Bescheid vom 30.08.2010, waren anfänglich, d.h. nach der im Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe bestehenden Sach- und Rechtslage (s. BSG vom 1.12.1999 - B 5 RJ 20/98 R = BSGE 85, 151, 153; vgl. auch BSG Urt. v. 28.10.2014 - B 14 AS 39/13 R, juris Rn. 19) rechtswidrig. Die Beklagte hat die dem Kläger zustehende Leistung zu niedrig festgesetzt. Neben der Regelleistung nach §§ 19, 20 SGB II standen dem Kläger höhere Zuschüsse für die private Kranken- und private Pflegeversicherung nach § 26 SGB II aF zu als vom Beklagten gezahlt.

Der Kläger war in den streitigen Zeiträumen anspruchsberechtigt nach dem SGB II. Er erfüllte die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S 1 SGB II (Alter, Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit und Aufenthalt). Ihm waren dem Grunde nach die Bedarfe der Regelleistung zu erbringen.

Dem Kläger stand ein Zuschuss für die private Kranken- und private Pflegeversicherung nach § 26 SGB II aF zu. Der Kläger hatte nach § 26 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB II iVm § 12 Abs. 1c S. 5 und 6 VAG dem Grunde nach einen Anspruch auf Übernahme seiner Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung, ohne dass dadurch seine Hilfebedürftigkeit entfallen konnte. Der Kläger war weder familienversichert, noch war er, da er der Regelung des § 5 Abs. 5a SGB V unterfiel, versicherungspflichtig nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V.

Obwohl der Kläger für den hier in Rede stehenden Zeitraum selbst keinen Versicherungsvertrag mit der Hanse-Merkur als privatem Versicherungsunternehmen geschlossen hatte, sind die für den Versicherungsschutz aufgebrachten Beiträge als Bedarf iSd § 26 SGB II zu berücksichtigen.

Den Versicherungsschutz bot der von seinem Sohn abgeschlossene Vertrag, in den der Kläger als weitere Person einbezogen war. Soweit der Kläger vorgetragen hat, er habe wegen der Umstände seiner Insolvenz im Jahr 2009 keinen eigenen Versicherungsvertrag mit einer privaten Krankenversicherungsgesellschaft abschließen können, entspricht dies zwar nicht der Rechtslage. Denn seit Beginn des Jahres 2009 bestand bei Einführung des sog. Basistarifes ein gesetzlicher Kontrahierungszwang in der privaten Krankenversicherung (PKV) (s. § 12 Abs.1 lit. a S. 1 VAG; § 193 Abs. 3 VVG, § 193 Abs. 5 S. 4 VVG, s. auch Laux, jurisPR-VersR 11/2014 vom 11.11.2014, Anm. 6 zum Urteil des Landgerichts Dortmund vom 17.07.2014 - 2 O 31/14, juris). Doch ist die Vertragskonstruktion durchaus plausibel und nachvollziehbar auf eine auf der bisherigen Rechtslage aufbauende Fehlvorstellung, ggfs. auch Fehlinformation sowohl des Klägers als auch seines Sohnes zurückzuführen, wonach für den Kläger keine andere Zugangsmöglichkeit zur privaten Krankenversicherung bestand als die gewählte Konstruktion über den Versicherungsvertrag des Sohnes. Auch die weitere Vertragsgestaltung bzw. anschließende Übernahme des Vertrages durch den Kläger selbst ist ebenso nachvollziehbar durch die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung des Sohnes und seiner Mitgliedschaft bei der Techniker Krankenkasse begründet.

Mit der vertraglichen Gestaltung, die die Zahlung der Beiträge durch den Sohn umfasste, hat dieser - dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats fest - den Versicherungsschutz seines Vaters sichergestellt, der mit dem Zuschuss der Beklagten hätte gewährleistet werden sollen. Bei dieser Sachverhaltsgestaltung kann offen bleiben, ob durch die Vernehmung des Sohnes als Zeugen eine dezidierte Vereinbarung bewiesen wurde, die die Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung der gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung an den Sohn beinhaltet.

Denn bereits zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG) war anerkannt, dass die Hilfe eines Dritten den Sozialhilfeanspruch dann nicht ausschließt, wenn der Dritte vorläufig - anstelle des Sozialhilfeträgers und unter Vorbehalt des Erstattungsverlangens - nur deshalb einspringt, weil der Träger der Sozialhilfe nicht rechtzeitig geholfen oder zu Unrecht Hilfe abgelehnt hat (vgl Bundesverwaltungsgericht -BVerwG - vom 23.6.1994 - 5 C 26/92 - BVerwGE 96, 152; BVerwGE 94, 127; 90, 154; 26, 217). Dem sind beide Grundsicherungssenate des BSG auch in Streitfällen nach dem SGB II beigetreten (BSG Urt. v. 6.10.2011 - B 14 AS 66/11 R - und v. 27.9.2011 - B 4 AS 202/10 R sowie v. 22.11.2011 - B 4 AS 204/10 R, jeweils nach juris). Wegen der Zahlungen des Zeugen T an die private Versicherungsgesellschaft, die lediglich den Zuschuss ersetzen sollten, kann dem Kläger nicht die Erfüllung des Bedarfs entgegen gehalten werden, wenn sich die Versagung der Leistung als rechtswidrig erweist. Denn in dieser Fallgestaltung bilden sich auch die Voraussetzungen der im Sozialversicherungsrecht geltenden Grundsätze der Kostenerstattung bei nicht rechtzeitiger oder zu Unrecht verweigerter Sachleistung ab (BSG Urteile v. 31.01.2001 - B 3 KR 27/01 R; v. 17.06.2010 - B 14 AS 58/09 R). Diese finden als allgemeines Rechtsprinzip im SGB II auch Anwendung im Falle rechtswidrig verweigerter, selbst beschaffter Geldleistungen/Geldbeträge (BSG Urteile v. 17.06.2010 - B 14 AS 58/09 R; v. 22.11.2011 - B 4 AS 204/10 R). Im Übrigen ist der Senat davon überzeugt, dass die Beitragszahlung des Zeugen durch die (Nach-)Zahlung der Beklagten ausgeglichen werden sollte, dies aber nur wegen des langen Zeitablaufs nicht mehr stringent unter Nachhaltung aller offenen Verbindlichkeiten und hierauf erfolgter (Teil-)Zahlungen durchgeführt wurde. Der Umstand, dass der Sohn in Ermangelung einer genauen Buchführung nicht mehr in der Lage ist, den genauen derzeitigen Saldo zu errechnen und womöglich im Streitfalle auch nicht im Stande wäre, die (Rest-)Forderung darzulegen und durchzusetzen, spricht nicht gegen die Erstattungsverpflichtung als solche.

Die o.a. Leistungsbescheide waren im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig, da der Beklagte das Recht insoweit unrichtig angewandt hat, als er die Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung zu niedrig festgesetzt hat. Dem lag die Rechtsauffassung zugrunde, dass Kosten für die private Kranken- und private Pflege-Versicherung des Klägers als Zuschuss nach § 26 SGB II aF nur begrenzt auf die Höhe des Betrages zu übernehmen seien, der ohne die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen wäre. Diese Rechtsauffassung ist unrichtig. Denn § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II enthält eine planwidrige Regelungslücke. Die o.a. Beschränkung des Zuschusses für Bezieher von Arbeitslosengeld II führt zu einer nicht gerechtfertigten "Beitragslücke", die durch die analoge Anwendung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II zu füllen ist. Bei Beziehern von Arbeitslosengeld II war danach für die Dauer des Leistungsbezugs der Beitrag zur freiwilligen Krankenversicherung ohne diese höhenmäßige Begrenzung zu übernehmen (so BSG Urt.v. 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R - juris Rn. 23 ff., 34 = BSGE 107, 217). Die Auslegung, die die Norm durch die höchstrichterliche Rechtsprechung gefunden hat, führt zur Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide, auch wenn die Entscheidung des BSG erst zu einem späteren Zeitpunkt ergangen ist (vgl. auch zu den Ausnahmen von diesem Grundsatz Baumeister in: jurisPK-SGB X, § 44 Rn. 48, mwN.).

Durch die Entscheidung des Beklagten in den Ausgangsbescheiden, dem Kläger nur begrenzte Kosten zu erstatten, sind diesem Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden. Im Einzelnen stehen dem Kläger damit dem Grunde nach als anteilige Regelleistung die Zuschüsse zur privaten Kranken- und privaten Pflegeversicherung ausweislich der Angaben der Hanse-Merkur zu Tarifen und Beiträgen für September 2009 i.H.v. 183,51 EUR und 39,61 EUR, für die Zeit vom 01.10.2009 bis 31.12.2009 i.H.v. 262,16 EUR und 56,59 EUR monatlich und für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.08.2010 i.H.v. 277,40 EUR und 56,83 EUR monatlich unter Anrechnung bereits bewilligter Zuschüsse zu. Die rechtswidrigen nicht begünstigenden Bescheide vom 22.10.2009 und 26.02.2010, geändert durch Bescheid vom 30.08.2010, sind auf den Antrag gem. § 44 Abs. 1 SGB X vom 28.02.2011 zu ändern und dem Kläger vorenthaltene Leistungen dem Grunde nach noch zu erbringen.

Die Verpflichtung zur Rücknahme ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht nach Maßgabe des § 330 Abs. 1 SGB III auf die Zeit ab Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung beschränkt. Nach dieser Vorschrift ist, wenn die in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakt vorliegen, weil er auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden ist, der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen.

Mit der Entscheidung des BSG Urt. v. 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R, aaO hat das BSG die Rechtsfrage zur Höhe des Zuschusses zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung abschließend geklärt. Durch diese abschließende Klärung ist eine "ständige Rechtsprechung" an dem Tag entstanden, an dem das betreffende klärende Urteil verkündet und damit wirksam geworden ist (Aubel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 40, Rn. 85). Die maßgebliche Auslegung des § 26 Abs. 2, 3 SGB II aF für die Frage der zustehenden Beitragszuschüsse bei privater Kranken- und privater Pflegeversicherung betrifft die Zeit ab dem 01.01.2009.

Die Beschränkung der Rücknahme auf die Zeit erst ab dem 18.01.2011 greift aber deshalb nicht ein, weil die Norm nicht anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden ist. Die entsprechende Anwendung des § 330 Abs. 1 SGB III im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) erfordert es, den maßgeblichen Sozialleistungsträger im Bereich des SGB III (Agentur für Arbeit) durch die entsprechenden Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Bundesagentur für Arbeit, sowie die kreisfreien Städte und Kreise, darüber hinaus die kommunalen Träger (§ 6 Abs. 1 S 1 SGB II)) zu ersetzen. Für alle diese Leistungsträger muss nach der Rechtsprechung der seinerzeit zuständigen Fachsenate des BSG (BSG Urteile v. 21.06.2011 - B 4 AS 118/10 R; v. 15.12.2010 - B 14 AS 61/09 R; v. 01.06.2010 - B 4 AS 78/09 R) eine (bundes-)einheitliche Praxis bestanden haben. Bleiben Zweifel an einer gemeinsamen Handhabung (anders als die nachfolgende ständige höchstrichterliche Rechtsprechung), geht dies zu Lasten des Leistungsträgers (s. BSG Urteil v. vom 15.12.2010 — B 14 AS 61/09 R; Urteil v. 21.06.2011 - B 4 AS 118/10 R; Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 330 RdNr 19, Aubel in juris PK SGB II, aaO. § 40 Rn. 83 - 85, mwN).

Die Annahme, dass bei der Pluralität der Leistungsträgerschaft üblicherweise Zweifel an einer einheitlichen Praxis gerechtfertigt sind (Eicher/Greiser in: Eicher SGB II 3. Aufl. 2013 § 40 Rn 100 aE), sieht der Senat bestätigt durch eine stichprobenartige Auswertung der seinerzeit einschlägigen Rechtsprechung. Die Gründe einiger veröffentlichter Entscheidungen aus der instanzgerichtlichen Rechtsprechung lassen den Rückschluss zu, dass es bereits zuvor eine Handhabung in der vom BSG später erfolgten Auslegung gegeben hat (vgl. etwa LSG Berlin-Brandenburg Beschluss v. 27.06.2014 - L 32 AS 3455/13 B PKH, juris Rn. 7; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss v. 14.04.2010 - L 2 AS 16/10 B ER, juris Rn.1; SG Dresden Beschluss v. 11.02.2010 - S 21 AS 438/10 ER juris Rn. 2). Schon anhand dieser wenigen Sachverhaltsschilderungen wird deutlich, dass diese Rechtsfrage, die die Gerichte in zahlreichen Verfahren beschäftigte, in der Praxis unterschiedlich beantwortet wurde und Handhabungen zuließ, die durchaus von internen Weisungen abgewichen sein können. Auch die auf entsprechende Erkenntnisse aus abgeschlossenen Gerichtsverfahren abgeleiteten Anfragen an damals beteiligte Leistungsträger haben nicht zu einer zuverlässigen Beurteilung der Handhabung in der Praxis geführt. Die Auskünfte der Jobcenter E (vom 04./16.02.2016) und C (vom 09.03.2016) zur Höhe der Zuschüsse, die oberhalb auch des halben Basistarifs lagen, enthielten im Kern nur die Bestätigung des schon aus der Entscheidung bekannten Sachverhaltes ohne Hinweise, die zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätten beitragen können; das Jobcenter C schätzte den Sachverhalt als atypisch ein, sah aber u.a. wegen Wechsels des sachbearbeitenden Personals keine weiteren Möglichkeiten zu weiteren Ermittlungen. Dass es auch unter den Optionskommunen eine abweichende tatsächliche Verwaltungspraxis gegeben hat, folgert das Gericht aus den Gründen des Beschlusses des LSG Sachsen-Anhalt v. 14.04.2010 - L 2 AS 16/10 B ER, juris. Bei dem Antragsgegner handelte es sich um den Landkreis Saalekreis als Eigenbetrieb für Arbeit. Dieser ist nach der gesetzlichen Regelung in §§ 6, 6 a Abs. 1 SGB II iVm der Kommunalträger-Zulassungsverordnung vom 24.09.2004 ,BGBl. I 2004, S. 2349 und dem dazu ergangenen amtlichen Verzeichnis aller SGB II-Leistungsträger auch schon ab 2009 als Optionskommune tätig gewesen.

Angesichts dieser Ermittlungsergebnisse geht das Gericht von einer uneinheitlichen Verwaltungspraxis bezogen auf alle Leistungsträger aus, jedenfalls lässt sich eine einheitliche Verwaltungspraxis nicht feststellen. Abzustellen ist nach der o.a. höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht auf die Existenz einheitlicher Vorgaben durch Arbeitsanweisungen/Richtlinien, sondern auf die tatsächliche Handhabung. Zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat sich der Senat nicht gedrängt gesehen. Dass diese Stichprobe den Gesamtbefund jedenfalls insoweit repräsentativ wieder gibt, als eine einheitliche Praxis nicht festzustellen ist, ergibt sich bereits aus der in der Literatur wiederholt zu findenden Einschätzung, dass schon die Pluralität der Leistungsträger eine gemeinsame Handhabung nicht nahelege und Zweifel gerechtfertigt seien (vgl Eicher/Greiser aaO mwN). Dem entspricht aber auch der Befund, der den Gesetzgeber veranlasst hat, § 40 SGB II in dem hier entscheidenden Punkt zu ändern. Die Streichung des § 40 Abs. 2 Nr. 2 SGB II aF durch das SGB II-Vereinfachungsgesetz im Jahr 2016 hat der Gesetzgeber unter Hinweis auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 15.12.2010 - B 14 AS 61/09 R - und vom 21.06.2011 - B 4 AS 118/10 R - u.a. damit begründet, die bisherige Regelung führe dazu, dass in jedem einzelnen Streitfall nachgewiesen werden müsse, dass die jeweilige Verwaltungspraxis auch von den zugelassenen kommunalen Trägern angewendet werde. Da ein entsprechender Nachweis im Hinblick auf die Vielzahl der vorhandenen Träger kaum möglich sei, entfalte die Vorschrift faktisch keine Wirkung (BT-Drucksache 18/8041 vom 06.04.2016, S. 48, 49). Diese Einschätzung wird durch das oben wiedergegebene Ergebnis der Stichproben bestätigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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