L 2 AL 62/17

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 13 AL 638/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 62/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld dem Grunde nach und hierbei die Frage, ob die Klägerin die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

Die am xxxxx 1971 geborene Klägerin, die zum 1. April 2007 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben und diesen nicht ausgeschöpft hatte, war seit dem 15. Februar 2008 als Ressortleiterin des H. bei der A1 AG (seit Ende 2013: SE) beschäftigt. Nach der Geburt ihrer Tochter am xxxxx 2009 befand sie sich vom 1. Juli 2009 bis zum 30. September 2010 in Elternzeit. Für den Zeitraum vom 17. März 2012 bis 31. Dezember 2013 vereinbarte die Klägerin mit ihrer Arbeitgeberin unbezahlten Urlaub. Ab 1. Januar 2014 war sie bei Zahlung ihrer Bezüge von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unwiderruflich freigestellt. Am 6. Januar 2014 schlossen die Klägerin und die A1 SE zur Vermeidung einer ansonsten von Letzterer wegen des Verkaufs des H. beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung einen Aufhebungsvertrag, mit dem das Arbeitsverhältnis bei Zahlung einer Abfindung in Höhe von 40.000 Euro brutto mit Wirkung zum 30. Juni 2014 beendet wurde.

Am 1. Juli 2014 meldete die Klägerin sich bei der Beklagten gleichzeitig arbeitsuchend und arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 4. August 2014 ab, weil die Klägerin die Anwartschaftszeit (§§ 137 Abs. 1 Nr. 3, 142, 143 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)) nicht erfüllt habe. Sie sei in den letzten zwei Jahren vor dem 1. Juli 2014 keine 12 Monate versicherungspflichtig gewesen.

Mit ihrem am 4. September 2014 eingelegten Widerspruch vertrat die Klägerin demgegenüber die Ansicht, dass sie sehr wohl die Anwartschaftszeit erfüllt habe und ihr ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zustehe. Sie sei im Zeitraum vom 15. Februar 2008 bis 30. Juni 2014 durchgehend als Angestellte Beschäftigte im Sinne des § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) gewesen und habe daher in einem Versicherungspflichtverhältnis nach § 24 SGB III gestanden. Auch die Tatsache, dass sie vom 17. März 2012 bis zum 31. Dezember 2013 projektbezogen freigestellt gewesen sei, ändere hieran nichts. In der Zeit der Freistellung habe sie – in Absprache mit ihrer damaligen Arbeitgeberin – ein Sachbuch verfasst. Die charakteristischen Merkmale eines Anstellungsverhältnisses seien aber nach wie vor gegeben gewesen. Unterbrechungen im Vollzug von Arbeitsverhältnissen seien dann unerheblich, wenn und solange das Arbeitsverhältnis nach dem Willen der Vertragsparteien aufrechterhalten und fortgesetzt werden solle. Dies sei hier der Fall gewesen. Ob tatsächlich Versicherungsbeiträge gezahlt würden, sei dagegen nicht relevant. Sie nahm Bezug auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. Februar 1984 – 7 RAr 8/83 – und vom 15. Dezember 1999 – B 11 AL 51/99 R – sowie des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen vom 13. Dezember 2001 – L 8 AL 368/00. Sie wies darauf hin, dass sie seit dem Jahr 1999 mit kurzzeitigen Unterbrechungen für die Dauer ihres Studiums "u.ä." stets Versicherungsbeiträge erbracht habe. Während ihrer projektbezogenen Freistellung habe sie gerade aufgrund ihres Anstellungsverhältnisses nicht die Möglichkeit gehabt, sich privat gegen Arbeitslosigkeit zu versichern. Dies sei nur bei einer Selbstständigkeit möglich. Selbstständig sei sie jedoch gerade nicht tätig geworden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 10. September 2014 zugegangenem Widerspruchsbescheid vom 8. September 2014 als unbegründet zurück. Die Klägerin habe trotz Erfüllung der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen nach § 137 Abs. 1 SGB III am 1. Juli 2014 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, weil sie innerhalb der Rahmenfrist nicht mindestens 12 Monate (entsprechend 360 Kalendertage, § 339 Abs. 2 SGB III) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und daher die Anwartschaftszeit nach § 142 Abs. 1 SGB III nicht erfüllt habe. Sie sei innerhalb der zweijährigen, die Zeit vom 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2014 umfassenden Rahmenfrist nach § 143 SGB III lediglich vom 1. Januar 2014 bis 30. Juni 2014 als gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGB III) versicherungspflichtig im Sinne der §§ 24, 26 und 28a SGB III gewesen. In der Zeit des unbezahlten Urlaubs vom 17. März 2012 bis 31. Dezember 2013 habe die Klägerin zwar in einem Arbeitsverhältnis gestanden, jedoch kein Arbeitsentgelt bezogen, sodass sie nicht versicherungspflichtig beschäftigt im Sinne des § 25 SGB III gewesen sei. Die von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidungen des BSG und des LSG Niedersachsen bezögen sich auf andere Regelungen bzw. dem hiesigen nicht entsprechende Sachverhalte. Das Urteil des BSG vom 15. Dezember 1999 beziehe sich auf § 104 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), wonach Zeiten ohne Arbeitsentgelt, die vier Wochen nicht überschritten, als versicherungspflichtig anzusehen gewesen seien. Das Urteil des LSG Niedersachsen betreffe einen Fall der Beschäftigungslosigkeit bei Weiterzahlung von Arbeitsentgelt, woran es vorliegend gerade fehle. Den bereits am 1. April 2007 erworbenen Anspruch auf Arbeitslosengeld könne die Klägerin nicht mehr geltend machen, weil seither mehr als 4 Jahre verstrichen seien (§ 161 Abs. 2 SGB III).

Hiergegen hat die Klägerin unter Wiederholung ihres vorgerichtlichen Vorbringens am 10. Oktober 2014 Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Arbeitslosengeld ab dem 1. Juli 2014 begehrt. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass sie nie zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit ihrer damaligen Arbeitgeberin bereit gewesen wäre, wenn sie gewusst hätte, dass dies zu einer Ablehnung des Antrages auf Arbeitslosengeld führen würde. Insbesondere habe eine solche Ablehnung erhebliche Auswirkungen auf ihren Status. Sie gelte als Selbstständige und könne nicht nur kein Arbeitslosengeld, sondern auch keinen Gründungszuschuss für Selbständige beziehen.

Die Beklagte ist dem unter Bezugnahme auf ihre angefochtenen Bescheide entgegengetreten.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Klägerin persönlich erklärt, dass der damalige Chefredakteur angesichts der laufenden Gespräche mit der Funke-Gruppe über einen Verkauf des H. und der Absicht einer deutlichen Verringerung des Personalbestands dazu ermutigt habe, sich eine Auszeit in Form von Freistellungsphasen oder Sabbatjahren zu nehmen, woraufhin sie sich entschlossen habe, ein Buch zu schreiben. In der Zeit ihres unbezahlten Urlaubs habe sie von den Vorschüssen des Buchverlags (B.) gelebt. Während der Zeit, in der ihr Buchprojekt gelaufen sei, habe sie auch ein paar Artikel für ihren damaligen Arbeitgeber verfasst. Sie wisse nicht mehr genau, wie und ob die überhaupt bezahlt worden seien. Möglicherweise habe sie die wie ein freier Mitarbeiter abrechnen können. Im Hinblick auf die steuerliche Seite habe sie seinerzeit eine Teilselbstständigkeit angemeldet gehabt.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 5. September 2017 als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid vom 4. August 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2014 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Anspruchsvoraussetzungen lägen nicht vor. Die Beklagte habe insbesondere im Widerspruchsbescheid die Sach- und Rechtslage zutreffend wiedergegeben. Das Gericht nehme hierauf ausdrücklich Bezug und sehe insoweit von einer eigenen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Ergänzend hat das SG ausgeführt, dass es in der Zeit des unbezahlten Urlaubs an dem nach §§ 24, 25 Abs. 1 SGB III für ein Versicherungspflichtverhältnis als gegen Arbeitsentgelt Beschäftigter erforderlichen Merkmal der Fortzahlung des Arbeitsentgelts fehle, denn die Klägerin habe in dieser Zeit kein Arbeitsentgelt ihres Arbeitgebers erhalten, was Ihre Angaben in der mündlichen Verhandlung bestätigt hätten. Die Zeit des unbezahlten Urlaubs sei aber ohne Entgelt nicht als Beschäftigungszeit im Sinne der Versicherungspflicht anzusehen. Im vorliegenden Fall sei bedeutsam, dass die Zeit des unbezahlten Urlaubs eine Zeitspanne von über einem Jahr umfasst habe. Unter Berücksichtigung des § 7 Abs. 3 Satz 1 SGB IV sowie der Entscheidungen des BSG vom 13. Februar 1964 – 3 RK 94/59 –, vom 21. Juni 1960 – 3 RK 71/57 –, vom 15. Dezember 1999 – B 11 AL 51/99 R – und vom 3. Dezember 1998 – B 7 AL 108/97 R – gelte eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt zwar als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauere, jedoch nicht länger als einen Monat. Die hier zu betrachtende Zeit vom 17. März 2012 bis zum 31. Dezember 2013 überschreite diesen Zeitrahmen deutlich, so dass sie nicht als zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienliche Zeit herangezogen werden könne. Anhaltspunkte dafür, dass der nur auf so kurze Zeit beschränkte Rahmen eines für die Versicherungspflicht unschädlichen Arbeitsverhältnisses ohne Entgelt zu kurz gegriffen wäre, bestünden nicht. Zweck des nur für einen Zeitraum von vier Wochen unschädlichen Entgeltausfalls während des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses sei, den Betroffenen für nur einen sehr überschaubaren Zeitraum den Wechsel in andere Versicherungssysteme zu ersparen. Soweit die Bevollmächtigte der Klägerin auf die Entscheidungen des LSG Niedersachsen vom 13. Dezember 2001 – L 8 AL 368/00 – und des BSG vom 22. Februar 1984 – 7 RAr 8/83 – Bezug nehme, könne sich das Gericht lediglich der Ansicht der Beklagten anschließen. Diese Entscheidungen beträfen andere Fallkonstellationen. Dem Fall aus N. habe die Konstellation zu Grunde gelegen, dass eine Freistellung ohne Arbeitsleistung, aber mit Entgelt vorgelegen habe. Im Fall des BSG habe ein Studium mit berufspraktischen Anteilen vorgelegen, bei dem die Frage im Raum gestanden habe, ob es sich hierbei um eine anwartschaftszeitbegründende versicherungspflichtige Beschäftigung gehandelt habe. Auch hier sei in der Zeit des berufspraktischen Teils Arbeitsentgelt gezahlt worden. Im Falle der Klägerin gehe es gerade um die Frage, ob bei bestehendem Arbeitsverhältnis ohne Entgeltzahlung für mehr als 4 Wochen noch ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliege. Soweit die Klägerin darauf hingewiesen habe, dass sie jahrelang eingezahlt habe und nun durch die Maschen des Systems falle, vermöge dies ein anderes Ergebnis nicht zu rechtfertigen. Es sei dem Gesetzgeber, der in der Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips frei sei, nicht verwehrt, den Anspruch auf Arbeitslosengeld zeitlich eng mit dem Bestehen eines Versicherungspflichtverhältnisses zu verknüpfen, wie es durch das Erfordernis der Erfüllung der Anwartschaftszeit von 360 versicherungspflichtigen Beschäftigungstagen innerhalb von 2 Jahren vor Beginn des Leistungsfalles geschehen sei. Dass die Klägerin durch die Maschen des Systems gefallen wäre, lasse sich nicht feststellen, denn im schlimmsten Fall einer Unterdeckung ihres Lebensbedarfs, die nicht durch Einkünfte und Vermögen zu beseitigen gewesen wäre, wären Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch in Betracht gekommen, um den Lebensunterhalt der Klägerin und ihres Kindes zu sichern. Auch vermöge die mangelnde Aufklärung der Klägerin über die Konsequenzen des unbezahlten Urlaubs in Bezug auf einen Arbeitslosengeldanspruch nichts an der getroffenen Entscheidung zu ändern. Die Beklagte sei nicht involviert gewesen, als die Klägerin den unbezahlten Urlaub genommen habe. Auch ein ggf. durch die Krankenkasse unterlassener Hinweis auf die fehlende Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung für die Zeit des unbezahlten Urlaubs könne nicht zu einem Beratungsverschulden durch Sozialversicherungsträger führen und den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründen. Zum einen hätte die Klägerin selbst erkennen müssen, dass sie während der Zeit des unbezahlten Urlaubs keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt habe. Zum anderen wäre ein solcher Anspruch ohnehin nur auf eine rechtmäßige Amtshandlung gerichtet, die jedenfalls eine gesetzwidrige Arbeitslosengeldbewilligung nicht wäre. Darüber hinaus dürfte aber auch der Krankenkasse nicht ersichtlich gewesen sein, dass die Klägerin mit dem unbezahlten Urlaub einen Anspruch auf Arbeitslosengeld gefährden könnte. Zur Zeit der Beurlaubung ohne Arbeitsentgelt und dem Wechsel der Klägerin aus der gesetzlichen in die freiwillige Krankenversicherung dürfte nicht sicher absehbar gewesen sein, dass nach Beendigung des unbezahlten Urlaubs das Arbeitsverhältnis gegen Arbeitsentgelt nicht lange genug wieder aufgenommen werden würde, um ggf. Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nehmen zu können. Eine Beratung ins Blaue hinein sei kein Versicherungsträger zu führen verpflichtet. Auch die Klägerin selbst habe nicht vorhersehen können, dass nach der Rückkehr aus dem unbezahlten Urlaub am 31. Dezember 2013 das Arbeitsverhältnis im Grunde nicht wieder aufgenommen würde. Wenn schon für die Klägerin kein Anlass bestanden habe, sich Fragen um die soziale Absicherung während und nach der Zeit des unbezahlten Urlaubs zu stellen, weil sie von einer Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses ausgegangen sei, so dürfte auch für keinen Sozialleistungsträger ein Anlass gesetzt gewesen sein, auf den möglichen Verlust der Risikoabsicherung durch die Arbeitslosenversicherung hinzuweisen. Dass daran ein Verlust weiterer möglicher Ansprüche, zum Beispiel auf Gründungszuschuss, geknüpft sei, dürfte ein Ergebnis des für einen Leistungsanspruch ungünstigen Verlaufs, insbesondere wegen der nicht vorhersehbaren Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits zum 30. Juni 2014, sein.

Gegen dieses, ihren Prozessbevollmächtigten am 8. November 2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 8. Dezember 2017 eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt und an ihrer Ansicht festhält, dass sie während der gesamten Dauer ihres Arbeitsverhältnisses mit der A1 AG bzw. SE als Beschäftigte versicherungspflichtig nach § 24 SGB III gewesen sei. Sie habe stets den Weisungen ihrer Arbeitgeberin unterlegen, sei zu jederzeit, insbesondere auch während der projektbezogenen Freistellung, in deren Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen. Sie habe in deren Räumlichkeiten einen eigenen Schreibtisch gehabt, sei dienstbereit gewesen und habe während der Zeit der projektbezogenen Freistellung auch vereinzelt Artikel für ihre Arbeitgeberin verfasst und auf Anfrage Arbeiten übernommen oder deren Übernahme angeboten. Es sei für sie nach so langer Zeit schwer nachzuvollziehen, welche Artikel von ihr in der Zeit ihrer Freistellung erschienen seien. Jedenfalls sei am 7. September 2013 im H. der Artikel " " erschienen, an dem sie gemeinsam mit ihrem Kollegen F. gearbeitet habe. Für ihren Kollegen H1, der damals als Chefreporter beim H. lange Reportagen verfasst habe, habe sie – nach ihrer Erinnerung zumindest auch in der Zeit ihrer Freistellung – diverse Artikel redigiert. Ihr sei während der Dauer der Freistellung sämtliche berufliche Post zur von ihr dann auch vorgenommenen Beantwortung weitergeleitet worden. Sie habe sich das Buchprojekt als zustimmungsbedürftige Nebentätigkeit am 23. Februar 2012 genehmigen lassen. Während der Freistellungsphase habe sie im Übrigen nicht von ihren Vorschusszahlungen gelebt oder auch nur leben können. Sie habe im Wesentlichen von ihren Ersparnissen gelebt. Es sei nicht von konstitutiver Bedeutung, ob Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet worden seien. Das BSG habe in seinem Urteil vom 22. Februar 1984 – 7 RAr 8/83 – entschieden, dass die Entstehung der Anwartschaft nicht gehindert werde, wenn bei bestehendem Versicherungspflichtverhältnis keine Beiträge abgeführt würden. Somit könnten sogenannte Scheinselbstständige grundsätzlich, sofern die Arbeitnehmereigenschaft gegeben sei, obwohl sie keine Beiträge geleistet hätten, Anwartschaftszeiten begründen. Die Vorschriften des SGB III zeigten auch eindeutig, dass es nicht auf den Bezug eines monatlich festen Arbeitsentgelts ankomme. So gebe es Regelungen für Bezieherinnen von Mutterschaftsgeld, Sonderregelungen für Wehrdienst- und Zivildienstleistende sowie für Fälle des Kurzarbeitergeldes oder Winterausfallgeldes. Selbst wenn man die Anwartschaftszeit des § 142 Abs. 1 Satz 1 SGB III nicht als erfüllt ansehen wollte, sei ihr Arbeitslosengeld jedenfalls aufgrund einer entsprechenden Regelungslücke nach den Vorschriften des § 142 Abs. 2 bzw. § 143 Abs. 2 (wohl gemeint: Abs. 3) SGB III analog zu bewilligen. Sie habe jedenfalls die sogenannte kurze Anwartschaftszeit nach § 142 Abs. 2 Satz 1 SGB III erfüllt. Überdies wäre eine Erfüllung der Anwartschaftszeit auch dann anzunehmen, wenn auf sie die verlängerte Rahmenfrist § 143 Abs. 2 SGB III (wohl gemeint: Abs. 3) anzuwenden wäre. Die Gesamtkonzeption der gesetzlichen Regelungen zeige, dass der Gesetzgeber die Intention habe, Arbeitnehmer, die bereits längere Zeit der Versichertengemeinschaft angehört hätten, vor einer ungerechten sozialen Härte zu schützen. Es stelle eine solche unbillige Härte dar, ihr, die sie langjährig in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt habe, die Bewilligung von Arbeitslosengeld zu verwehren, zumal sie keine Alternativmöglichkeit gehabt habe, die Voraussetzungen des Anspruchs durch eine freiwillige Fortzahlung der Bezüge (wohl gemeint: Beiträge) zu erfüllen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 5. September 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2014 aufzuheben und die Beklagte dem Grunde nach zu verurteilen, ihr – der Klägerin – ab dem 1. Juli 2014 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest, nimmt Bezug auf die Ausführungen in ihrem Widerspruchsbescheid vom 8. September 2014 sowie in dem angefochtenen Urteil des SG und führt des Weiteren aus, dass eine abhängige Beschäftigung der Klägerin während der hier relevanten Freistellungsphase nicht belegt sei. Die von der Klägerin gezogenen Parallelen zu Fällen von Scheinselbstständigkeit griffen nicht, weil die Klägerin eben kein Arbeitsentgelt erhalten habe, wie es bei Scheinselbstständigen der Fall sei. Auch aus der sogenannten kurzen Anwartschaft könne die Klägerin keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ableiten, weil sie nicht zu dem dort beschriebenen Personenkreis gehöre. Die Vorschrift des § 142 Abs. 2 SGB III beinhalte, dass sich die in der Rahmenfrist zurückgelegten Beschäftigungstage überwiegend aus versicherungspflichtigen Beschäftigungen ergäben, die auf nicht mehr als 10 Wochen im Voraus durch Arbeitsvertrag zeit- oder zweckbefristet seien. Dies sei bei der Klägerin offensichtlich nicht der Fall.

Der Senat hat über die Berufung am 29. August 2018 mündlich verhandelt. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Sitzungsniederschrift sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in deren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung von Arbeitslosengeld ab dem 1. Juli 2014.

Der Senat nimmt zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils des SG (§ 153 Abs. 2 SGG) sowie des angefochtenen Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 8. September 2014 (§ 136 Abs. 3 SGG).

Mit der Berufung trägt die Klägerin nichts vor, was Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidungen der Beklagten und des SG gäbe.

Insbesondere scheint die Klägerin ausweislich der Konzentration ihres Vortrags auf die Frage, ob während der Zeit ihres unbezahlten Urlaubs überhaupt ein Beschäftigungsverhältnis andauerte, nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen, dass der Gesetzgeber Beschäftigte nur dann der Versicherungspflicht nach dem SGB III unterwirft, wenn diese – abgesehen von dem Fall der Berufsausbildung – gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§§ 24 Abs. 1 Satz 1, 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III), und dass es genau daran in ihrem Fall fehlt, unabhängig davon, ob das Beschäftigungsverhältnis fortdauerte oder nicht. Entgegen ihrer Auffassung zeigt der Gesetzgeber gerade mit dieser Regelung und den Vorschriften, mit denen er – zum Teil auch ohne Beitragsleistung – weitere, allerdings enumerativ und abschließend aufgezählte Personenkreise der Versicherungspflicht unterwirft (§§ 26 und 28a SGB III), dass dem Bezug beitragspflichtigen Arbeitsentgelts konstitutive Bedeutung für den Eintritt der Versicherungspflicht zukommen soll. Die von ihr angeführten Entscheidungen des BSG, wonach die Entrichtung von Beiträgen nicht anspruchsbegründend sei, beziehen sich ausschließlich darauf, dass die tatsächliche Abführung von Beiträgen, die jedoch entstanden sein müssen – z.B. aufgrund der Zahlung versicherungspflichtigen Arbeitsentgelts –, keine Bedeutung für den Eintritt der Versicherungspflicht dem Grunde nach zukomme. Dies erscheint vor dem Hintergrund auch einleuchtend, dass z.B. der schutzbedürftige Arbeitnehmer nicht unter der unterlassenen Beitragsabführung durch den Arbeitgeber zu leiden haben soll und dass nicht abgeführte Beiträge ggf. nacherhoben werden können. Vorliegend scheitert der geltend gemachte Anspruch jedoch nicht daran, dass keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt wurden, sondern daran, dass während der Freistellungsphase für das Buchprojekt der Klägerin schon gar kein beitragspflichtiges Entgelt bezogen wurde und die Fiktion des Fortbestehens einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt nach § 7 Abs. 3 Satz 1 SGB IV maximal für Unterbrechungen bis zu einem Monat gilt (so auch vor dessen Inkrafttreten für den Bereich der Arbeitslosenversicherung bereits § 104 Abs. 1 Satz 3 AFG bzw. nach dessen Außerkrafttreten bis zum 31. Dezember 1998 § 24 Abs. 3 Nr. 2 SGB III). Der im Wesentlichen unsubstantiierte Vortrag der Klägerin, wonach sie während der Freistellungsphase für das Buchprojekt einzelne Artikel für ihre damalige Arbeitgeberin geschrieben habe oder Artikel anderer redigiert habe vermag schon deshalb zu keinem anderen Ergebnis zu führen oder auch nur weitere Ermittlungen zu begründen, weil die Klägerin nicht behauptet, aufgrund etwaiger Leistungen Arbeitsentgelt bezogen zu haben. Sie vermag weder zu sagen, ob Geld gezahlt wurde, noch, ob dies ggf. in Form von Arbeitsentgelt (wogegen die fehlende Anmeldung der Klägerin zur Sozialversicherung in diesem Zeitraum spricht) oder in Form eines Honorars im Zusammenhang mit ihrer zu jener Zeit praktizierten Selbstständigkeit erfolgte. Deshalb kann auch dahingestellt bleiben, ob und ggf. in welchem Umfang die Klägerin im betreffenden Freistellungszeitraum Arbeiten neben ihrem Buchprojekt ausführte. Substantiiert vorgetragen wurde bislang nur die Mitarbeit an dem zur Akte gereichten Artikel, aus dem jedoch gerade nicht die (Mit-)Urheberschaft der Klägerin hervorgeht. Im Übrigen ist es nach dem Vortrag der Klägerin ausgeschlossen, dass etwaige tageweise entgeltliche Beschäftigungen in der Freistellungsphase für das Buchprojekt insgesamt einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten umfassen, was jedoch Voraussetzung wäre, um die Anwartschaftszeit für den geltend gemachten Anspruch auf Arbeitslosengeld zu erfüllen.

Es erscheint auch nicht unbillig, wenn die Klägerin in der streitgegenständlichen Situation trotz früherer langjähriger Beitragszahlung keinen Anspruch aus der Arbeitslosenversicherung erwerben kann. In dieser werden zulässigerweise nicht wie in der Rentenversicherung ein Leben lang Anwartschaften erworben, die nicht untergehen können, sondern der Schutz der Arbeitslosenversicherung deckt nur einen überschaubaren Zeitraum ab, wie u.a. die Regelung über das Erlöschen von Ansprüchen nach Ablauf von vier Jahren zeigt (§ 161 Abs. 2 SGB III). Dies erscheint legitim vor dem Hintergrund der Funktion des Arbeitslosengeldes als nach dem aktuellen Marktwert des Arbeitslosen bemessene Lohnersatzleistung (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 5. April 2017 – L 2 AL 68/16, juris). Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung endet der Versicherungsschutz auch bezogen auf die Entgeltersatzleistung Krankengeld sogar grundsätzlich mit dem letzten Tag der entgeltlichen Beschäftigung bzw. nachwirkend einen Monat danach, ohne dass dies angesichts der weiten Ausgestaltungsmöglichkeit des Gesetzgebers im Bereich der Sozialleistungsverwaltung verfassungswidrig wäre. Eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke, die zur analogen Anwendung der Vorschriften über die verkürzte Anwartschaftszeit nach § 142 Abs. 2 SGB III oder der Annahme einer erweiterten Rahmenfrist nach § 143 Abs. 3 SGB III, deren Voraussetzungen die Klägerin jeweils nicht erfüllt, führen könnte, vermag der Senat nicht zu erkennen. Hiergegen spricht schon der offensichtliche Ausnahmecharakter der vorgenannten Vorschriften, die sich auf sehr spezielle Sachverhalte beziehen; die verkürzte Anwartschaftszeit vor allem auf gering verdienende Saisonarbeiter, die dann auch nur einen entsprechend kurzen Arbeitslosengeldanspruch erwerben können, die erweiterte Rahmenfrist für Übergangsgeldbezieher, wobei hier der Ausnahmecharakter besonders daran deutlich wird, dass der Personenkreis in den Vorgängerregelungen (zuletzt § 124 Abs. 3 SGB III in der Fassung vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3443) noch deutlich weiter gezogen worden war und dann bewusst vom Gesetzgeber reduziert wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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