S 22 EG 30/10

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
22
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 22 EG 30/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 EG 10/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 EG 3/18 B
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Berechnung von Elterngeld im Hinblick auf die Ermittlung der Bemessungsgrundlage aus der Tätigkeit als freiberuflicher Künstler.

Der Kläger ist der Vater der 2009 geborenen (zweiten) Tochter C. Für die 2008 geborene (erste) Tochter D. erhielt der Kläger Elterngeld von April 2008 bis April 2009 in Höhe von monatlich 1.800,- EUR.

Für die Tochter C. bewilligte der Beklagte antragsgemäß mit Bescheid vom 07.04.2010 Elterngeld für den 7. Bis 14. Lebensmonat vom 09.05.2010 bis 08.01.2011 in Höhe von monatlich 375,- EUR (300,- EUR Mindestbetrag gemäß § 2 Abs. 5 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit – Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) - sowie 75,- EUR Geschwisterbonus gemäß § 2 Abs. 4 BEEG). Der Berechnung des sog. Bemessungsentgelts, d. h. des Einkommens aus selbständiger Arbeit in den 12 Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes, legte der Beklagte unter Aussparung der Zeiten des Elterngeldbezuges für das erste Kind von April 2008 bis April 2009 den Zeitraum Oktober 2007 bis März 2008 und Mai 2009 bis Oktober 2009 zugrunde und hierbei die einzelnen monatlichen positiven und negativen Einkünfte, aus denen sich ein durchschnittliches monatliches Erwerbseinkommen von minus -14.292,27 EUR ergab, mithin ein Auszahlungsbetrag in Höhe des Elterngeld-Mindestbetrages.

Der Kläger erhob am 06.05.2010 Widerspruch unter Vorlage der Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 und begehrte unter Hinweis auf § 2 Abs. 8 und 9 BEEG die Berücksichtigung eines monatlichen durchschnittlichen Einkommens gemäß Einkommensteuerbescheid 2007 von 11.876,58 EUR und Einkommensteuerbescheides 2008 von 3.195,- EUR gemäß den ausgewiesenen Jahresgewinnen. Nach den vorgelegten vorläufigen Betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA) für 2009 betrage der monatliche Gewinn 3.475,- EUR, woraus sich ein durchschnittliches Nettoerwerbseinkommen von 3.757,07 EUR ergebe. Die Berücksichtigung der einzelnen tatsächlichen monatlichen Einkommensverhältnisse – und nicht der umgelegten durchschnittlichen Jahresergebnisse – sei unrealistisch und führe zu falschen Ergebnissen.

Mit Abhilfe-Bescheid vom 05.11.2010 berechnete der Beklagte das Elterngeld unter Korrektur eines Berechnungsfehlers hinsichtlich der Steuerabzüge für die Monate Oktober bis Dezember 2007 neu und stellte das Elterngeld für den 7. bis 14. Lebensmonat des Kindes mit 378,98 EUR neu fest und zahlte eine Nachzahlung von 23,88 EUR aus.

Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2010 zurück, da die Berechnung im Übrigen nicht zu beanstanden sei. Nur in Fällen, in denen die zu Grunde liegende selbständige Erwerbstätigkeit sowohl während des gesamten für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes maßgebenden Zeitraumes als auch während des gesamten letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraumes ausgeübt worden sei, gelte abweichend der durchschnittlich monatlich erzielte Gewinn, wie er sich aus dem für den Veranlagungszeitraum ergangenen Steuerbescheid ergebe (§ 2 Abs. 9 BEEG). Eine Berechnung des Elterngeldes nach § 2 Abs. 9 BEEG sei vorliegend nicht möglich, da dem Kläger vom 04.04.2008 bis 03.04.2009 Elterngeld in voller Höhe für die erste Tochter gezahlt worden sei. Eine durchgehende selbständige Tätigkeit im Kalenderjahr 2008 sei damit nicht ausgeübt worden.

Mit der am 28.12.2010 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und vertieft zur Begründung sein bisheriges Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 07.04.2010 in Gestalt des Bescheides vom 05.11.2010 und des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, das Elterngeld in Höhe von monatlich 1.800,00 EUR für den 7. bis 14. Lebensmonat des Kindes vom 09.05.2010 bis 08.10.2011 der am 09.11.2009 geborenen Tochter C. zu bewilligen unter Berücksichtigung des im Bemessungszeitraum erzielten durchschnittlichen steuerlichen Gewinns sowie unter Berücksichtigung der im Bemessungszeitraum erfolgten Steuererstattung.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er nimmt Bezug auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 07.04.2010 in Gestalt des Bescheides vom 05.11.2010 und des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat keinen Anspruch auf Neuberechnung und Auszahlung eines höheren Elterngeldes von monatlich 1.800,- EUR für den 7. bis 14. Lebensmonat seiner am 09.11.2009 geborenen Tochter C. – abzüglich des bereits für diesen Zeitraum gezahlten Elterngeldes von monatlich 378,98 EUR. Der Beklagte hat das dem Kläger für den Zeitraum vom 7. bis 14. Lebensmonat des Kindes zustehende Elterngeld zutreffend entsprechend den gesetzlichen Vorgaben berechnet und ausgezahlt.

Für die von dem Kläger gewünschte Berechnung eines durchschnittlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit im Bemessungszeitraum, d. h. den letzten zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes am 09.11.2009, unter Hinzurechnung der später erfolgten Steuererstattung bzw. Zugrundelegung eines durchschnittlichen monatlichen Gewinns im letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum gibt es keine gesetzliche Grundlage; insbesondere sind die für eine Anwendung von § 2 Abs. 9 BEEG gesetzlich normierten Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt.

Der Anspruch des Klägers auf Bewilligung von Elterngeld richtet sich nach den am 1.1.2007 in Kraft getretenen Vorschriften des BEEG vom 5.12.2006 (BGBl I 2748).

Dass der Kläger insgesamt dem Grunde nach anspruchsberechtigt ist nach § 1 BEEG, ist von dem Beklagten ebenfalls zutreffend erkannt und bedarf zur Vermeidung von Wiederholungen keiner näheren Darlegung.

Für die Höhe des Elterngeldanspruchs ist § 2 BEEG maßgebend. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 wird Elterngeld in Höhe von 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,- EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist nach § 2 Abs. 1 Satz 2 BEEG die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit und nichtselbständiger Arbeit i. S. von § 2 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 Einkommensteuergesetz – EStG – nach Maßgabe der Absätze 7 bis 9 zu berücksichtigen. Der Beklagte hat danach in nicht zu beanstandender Weise die erzielten Einkünfte entsprechend ihrem Durchschnittswert auf die zu berücksichtigenden Monate verteilt; eine isolierte Betrachtung einzelner Monate ist nach dem Gesetzeswortlaut ausgeschlossen.

Für das Einkommen aus selbstständiger Arbeit hat das Bundessozialgericht – BSG - den Begriff des Erzielens von Einkommen anhand des - strengen - Zuflussprinzips bestimmt (Urteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 10/11 R ). Zur Begründung hat es ausgeführt:

23 "Für das Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit im Bemessungszeitraum vor der Geburt des Kindes hat der erkennende Senat inzwischen mehrfach entschieden, dass ein Einkommen auch dann im Bemessungszeitraum erzielt ist, wenn es in diesem Zeitraum erarbeitet aber erst nach dessen Ablauf in Folge nachträglicher Vertragserfüllung durch den Arbeitgeber ausgezahlt worden ist (BSG Urteile vom 30.9.2010 - B 10 EG 19/09 R - BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6; vom 18.8.2011 - B 10 EG 5/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Dieses für Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit entwickelte modifizierte Zuflussprinzip ist indes nicht auf Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit anzuwenden. Ein solches Einkommen ist in dem Zeitraum erzielt, in dem es dem Elterngeldberechtigten tatsächlich zugeflossen ist (vgl. Urteil vom 29.08.2012 – B 10 EG 18/11 R).
24 Gesetzessystematisch betrachtet wird der Begriff des Erzielens von Einkommen in der allgemeinen Regelung des § 2 Abs 1 S 1 BEEG ohne Differenzierung nach Einkunftsarten (vgl dazu § 2 Abs 1 S 2 BEEG iVm § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 4 EStG) gebraucht. Für das Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit erhält er in § 2 Abs 8 und 9 BEEG jedoch eine besonders deutliche steuerrechtliche Ausprägung. Nach § 2 Abs 8 S 2 BEEG ist auf den Gewinn abzustellen, wie er sich aus einer mindestens den Anforderungen des § 4 Abs 3 EStG entsprechenden Berechnung ergibt. Demzufolge ist insoweit der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben im steuerrechtlichen Sinne maßgebend."

Diese Überlegungen, denen sich das Gericht vollumfänglich anschließt, rechtfertigen es, die im Bemessungszeitraum von Oktober 2007 bis März 2008 und Mai 2009 bis Oktober 2009 (unter Aussparung der Zeiten des Elterngeldbezuges für das erste Kind) im jeweiligen Monat zugeflossenen Einkünfte unter Abzug unter Abzug für Steuer und Sozialversicherungen zu Grunde zu legen, wie sie sich im jeweiligen Zeitraum tatsächlich dargestellt haben unter Außerachtlassung zu einem späteren Zeitpunkt nach Ablauf des Bemessungszeitraums erfolgter Steuererstattung, die zur Abbildung des tatsächlich vor Geburt des Kindes gegebenen wirtschaftlichen Existenzniveaus auch nicht beigetragen hat. Als Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit ist der um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Gewinn zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 8 S. 1 BBEG). Grundlage der Einkommensermittlung ist der Gewinn, wie er sich aus einer mindestens den Anforderungen des §§ 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes entsprechenden Berechnung ergibt (§ 2 Abs. 8 S. 2 BEEG). Kann der Gewinn danach nicht ermittelt werden, ist von den Einnahmen einer Betriebsausgaben Pauschale in Höhe von 20 % abzuziehen. Als auf den Gewinn entfallende Steuern gilt im Falle einer Steuervorauszahlung der auf die Einnahmen entfallende monatliche Anteil der Einkommensteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer. Auf Antrag der Berechtigten Person ist Abs. 7 S. 5 und 6 entsprechend anzuwenden (§ 2 Abs. 8 Sätze 3-5 BEEG).

Die Berechnung des Elterngeldes durch den Beklagten ist entgegen der Rechtsauffassung des Klägers auch insoweit zutreffend, als § 2 Abs. 9 BEEG nicht zur Anwendung gekommen ist.

Gemäß § 2 Abs. 9 S. 1 und 2 BEEG in der hier geltenden Fassung vom 09.12.2010 gilt: Ist die dem zu berücksichtigenden Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit zu Grunde liegende Erwerbstätigkeit sowohl während des gesamten für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes maßgeblichen Zeitraums als auch während des gesamten letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraums ausgeübt worden, gilt abweichend von Abs. 8 als vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzieltes monatliches Einkommen aus dieser Erwerbstätigkeit der durchschnittlich monatlich erzielte Gewinn, wie er sich aus dem für den Veranlagungszeitraum ergangenen Steuerbescheid ergibt. Dies gilt nicht, wenn im Veranlagungszeitraum die Voraussetzungen des Abs. 7 S. 5 und 6 vorgelegen haben. § 2 Abs. 7 Satz 5 und 6 BEEG lauten: Kalendermonate, in denen die berechtigte Person vor der Geburt des Kindes ohne Berücksichtigung einer Verlängerung des Auszahlungszeitraumes nach § 6 Satz 2 Elterngeld für ein älteres Kind bezogen hat, bleiben bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zu Grunde zu legenden Kalendermonate unberücksichtigt. Unberücksichtigt bleiben auch Kalendermonate, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld nach der Reichsversicherungsordnung oder dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte bezogen hat oder in denen während der Schwangerschaft wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise weggefallen ist.

Vorliegend hat der Kläger die selbständige Erwerbstätigkeit als freiberuflicher Künstler jedoch nicht während des gesamten für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes maßgeblichen Zeitraumes ausgeübt; der Beklagte hat darauf zutreffend die Monate des Elterngeldbezuges für die Tochter D. vom 04.04.2008 bis 03.04.2009 bei der Ermittlung des Bemessungszeitraumes nach § 2 Abs. 8 übersprungen und ebenfalls nach dem oben Gesagten zutreffend und rechtmäßig nicht die Einkünfte aus dem steuerlichen Gewinn des letzten Veranlagungszeitraumes vor der Geburt des Kindes mithin des Kalenderjahres 2008 – zu Grunde gelegt, da die selbständige Tätigkeit in diesem eben durch den Elterngeldbezug bzw. die Elternzeit für das 1. Kind D. unterbrochen war.

Die von dem Beklagten vorgenommene Berechnung des Elterngeldes in den angefochtenen Bescheiden ist damit nicht zu beanstanden, sodass die Klage abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz – SGG -.
Rechtskraft
Aus
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