L 5 KR 27/96

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 19 Kr 182/93
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 27/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 3/98 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 04.12.1995 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts entstandenen Kosten; im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger fordert von der Beklagten die Zahlung weiterer Hausbesuchsgebühren für die Zeit von Januar 1993 bis August 1994.

Der Kläger ist Inhaber eines häuslichen Krankenpflegedienstes in K ... Zwischen ihm und dem früheren Krankenkassenverband für den Bezirk Köln, dessen Mitglied die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die AOK Köln (im folgenden AOK) war, bestand ein Vertrag über die Durchführung häuslicher Krankenpflege vom 07.06.1987, der von seiten des Krankenkassenverbandes zum 01.01.1993 gekündigt wurde. Seit Anfang 1992 hatte es zwischen dem Kläger und der AOK Kontroversen über die Bezahlung von Hausbesuchsgebühren gegeben. Die AOK hatte Rechnungen des Klägers gekürzt, weil er bei gleichzeitiger Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB V) und der Grundpflege bei Schwerpflegebedürftigkeit (§ 55 SGB V a.F.) eine Hausbesuchsgebühr berechnet hatte. Die AOK vertrat die Auffassung, die Hausbesuchsgebühr sei schon in der Vergütung für die Grundpflege nach § 55 SGB V a.F. enthalten und könne daher nicht für die Leistungen der häuslichen Krankenpflege "erneut" berechnet werden. Die damals geltende Vergütungsvereinbarung sei für die einzelnen Leistungen der häuslichen Krankenpflege Vergütungen in unterschiedlicher Höhe sowie die Zahlung einer Hausbesuchsgebühr vor, während für die Grundpflege nur ein Betrag von 30 DM ohne zusätzliche Vergütung für den Hausbesuch festgelegt war. Im Oktober 1992 einigte sich die AOK mit den Trägern der Sozialstation mit Wirkung ab 01.04.1992 auf eine neue Preisvereinbarung. Nunmehr wurde die Grundpflege mit 25 DM je Einsatz vergütet, zusätzlich wurde - wie auch bei den Leistungen der häuslichen Krankenpflege - eine Hausbesuchsgebühr gezahlt. Nach § 1 C Ziff. 3 entfiel die Abrechnung der Hausbesuchsgebühr, wenn innerhalb eines Einsatzes nach § 55 SGB V a.F. gleichzeitig Leistungen nach § 37 Abs. 2 SGB V erbracht wurden. Eine entsprechende Preisvereinbarung wurde mit anderen privaten Anbietern mit Wirkung ab 01.01.1993 getroffen.

Nach Darstellung des Klägers fanden Vertragsverhandlungen mit ihm erst ab September 1993 statt. Der damalige Bevollmächtigte des Klägers wandte sich mit Schreiben vom 29.11.1993 u.a. gegen die zu § 1 C Ziff. 3 vorgesehene Preisvereinbarung und meinte, diese sei rechtswidrig. Im April 1994 unterzeichnete der Kläger die ab 01.01.1993 geltende Vereinbarung. Sein damaliger Bevollmächtigter führte in einem Schreiben vom 11.04.1994 aus, der Kläger sei ohne Aufgabe der im Schreiben vom 29.11.1993 mitgeteilten Rechtsauffassung bereit, den Vertrag zu unterzeichnen, da der Krankenkassenverband eine marktbeherrschende Position habe und der Kläger angesichts der Aussage einer Mitarbeiterin des Verbandes, daß alle anderen Anbieter den Vertrag unterzeichnet hätten, keine Chance mehr sehe, die nach seiner Auffassung zu ändernden Vorschriften durchzusetzen.

Bereits am 11.01.1993 hat der Kläger wegen der Kürzungen der Rechnungen Zahlungsklage beim Amtsgericht Köln erhoben; der Rechtsstreit ist mit Beschluss vom 23.07.1993 an das Sozialgericht Köln verwiesen worden.

Die Beklagte hat die Ansprüche des Klägers, soweit sie den Zeitraum bis 31.12.1992 betreffen, anerkannt und die gekürzten Beträge gezahlt; der Kläger hat insoweit den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Zur Begründung der die Zeit ab 01.01.1993 betreffenden Forderung hat der Kläger vorgetragen, außer der AOK hätten alle anderen gesetzlichen Krankenkassen die Hausbesuchsgebühr bei gleichzeitiger Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege und der Grundpflege gezahlt. Auf die Preisvereinbarung könne sich die Beklagte nicht berufen; er habe den Vertrag nur unterzeichnet, weil er wegen der marktbeherrschenden Position der Beklagten hierzu gezwungen gewesen sei.

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die ab 01.01.1993 geltende Preisvereinbarung für wirksam gehalten.

Der Kläger trägt zur Begründung der Berufung vor, die ab 01.01.1993 geltende Vereinbarung sei nichtig. Die AOK ihre Monopolstellung dazu mißbraucht, eine unangemessene, einseitig ihren Interessen dienende Regelung durchzusetzen. Außer der AOK hätten auch alle anderen Krankenkassen in Köln, auch soweit sei Mitglied des Krankenkassenverbandes gewesen seien, trotz der anderslautenden Preisvereinbarung die streitige Hausbesuchsgebühr gezahlt ...1991 abzulehnen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 04.12.1995 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn - dem Kläger - 12.554,77 DM nebst 11 % Zinsen jeweils seit Rechnungsdatum zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und widerspricht der Darstellung des Klägers, außer der AOK hätten alle anderen Kassen die streitige Hausbesuchsgebühr gezahlt.

Der Senat hat den Geschäftsführer der Klägerin, den Zeugen K ... zur Frage der Abrechnungspraxis der anderen Krankenkassen in Köln vernommen; wegen des Inhalts seiner Aussage wird auf Bl. 235/236 GA Bezug genommen. Ferner sind Auskünfte von verschiedenen Krankenkassen eingeholt worden, auf deren Inhalt verwiesen wird.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, daß der Kläger von der Beklagten nicht die Zahlung der streitigen Hausbesuchsgebühren verlangen kann.

Wie auch vom Kläger nicht angezweifelt wird, schließt die Mitwirkung ab 01.01.1993 vereinbarte Vergütungsregelung die Zahlung der Hausbesuchsgebühr bei gleichzeitiger Erbringung von Leistungen der Grundpflege und der häuslichen Krankenpflege aus. Entgegen der Auffassung des Klägers ist diese Regelung wirksam.

Es kann dahinstehen, ob die nach § 132 SGB V zwischen dem Kläger und der AOK (als Mitglied des Krankenkassenverbandes Köln) geschlossene Vereinbarung der öffentlichen (dafür etwa Hauck/Haines, SGB V, § 132 Rdnr. 7) oder dem privaten Recht (so BGH NJW 1992, 1561) zuzuordnen ist. In letzterem Fall kämen § 138 BGB bzw. § 26 GWB unmittelbar zur Anwendung; im ersteren Fall wären diese Maßstäbe jedenfalls entsprechend heranzuziehen. Die Vergütungsregelung ist weder nach § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig noch läßt sich über ein Schadensersatzanspruch nach §§ 35 Abs. 1, 26 Abs. 2 GWB ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der streitigen Hausbesuchsgebühr begründen. In beiden Fällen wäre erforderlich, daß die Rechtsvorgängerin der Beklagten unter Ausnutzung ihrer marktbeherrschenden Position unangemessene Bedingungen durchgesetzt hätte (zu § 138 BGB s. BGHZ E 19, 85, 94; BGH NJW 1976, 710, 711; zu § 26 Abs. 2 GWB s. von Maydell, in: GK-SGB V, § 132 Rdnr. 27). Das ist zu verneinen. Dabei ist in diesem Zusammenhang irrelevant, inwieweit die AOK eine Monopolstellung innehatte, denn die Unbilligkeit der Vereinbarung kann sich nur aus der sachlichen Unangemessenheit der streitigen Regelung oder einer - hier nicht gegebenen - Ungleichbehandlung von Vertragspartnern ergeben.

Es ist schon zweifelhaft, ob überhaupt eine Regelung als unangemessen qualifiziert werden könnte, die alle anderen Leistungserbringer akzeptiert, also für tragbar gehalten hatten. Jedenfalls ist die Gestaltung der Preisvereinbarung sachlich nicht zu beanstanden. Nach der ab 01.01.1993 geltenden Vereinbarung wurde sowohl bei Leistungen der häuslichen Krankenpflege wie den (früheren) Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach § 1 C der Preisvereinbarung eine Hausbesuchsgebühr gezahlt. Von daher geht der Hinweis des Klägers fehl, die Vergütung für die Grundpflege schließe ein Wegegeld nicht ein. Davon geht auch die Preisvereinbarung nicht aus. Eine andere Frage ist, ob die Hausbesuchsgebühr auch gezahlt wird, wenn anläßlich des Einsatzes des Pflegedienstes Leistungen aus beiden Leistungsbereichen erbracht werden. Nur für diesen Fall entfällt nach § 1 C Ziff. 3 der Preisvereinbarung die Hausbesuchsgebühr. Diese Regelung hat nichts damit zu tun, ob die "Heranführungskosten" bereits in der Vergütung für die Grundpflege enthalten sind, sondern sie trägt dem Umstand Rechnung, daß bei gleichzeitiger Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege und der Grundpflege pro Einsatz mehr Einzelleistungen abgerechnet werden können. Der Einsatz der Pflegeperson ist im konkreten Fall damit "ergiebiger" als wenn nur Grundpflege oder Leistungen der häuslichen Krankenpflege erbracht werden, so daß es von daher gerechtfertigt ist, wenn eine zusätzliche Vergütung für die An- und Abfahrt nicht mehr anfällt. Für den Kläger mag eine andere Regelung vorteilhafter sein, so lange aber eine Vertragsgestaltung sachlich begründbar ist und die Interessen des Vertragspartners ausreichend berücksichtigt, kann sie nicht beanstandet werden.

Entgegen der Darstellung des Klägers haben auch keineswegs außer der AOK alle anderen Krankenkassen die streitige Hausbesuchsgebühr gezahlt, so daß nicht aus einer der Regelungen in § 1 C Ziff. 3 widersprechenden Praxis auf die Unangemessenheit dieser Vereinbarung geschlossen werden kann. Der Zeuge K ... hat zwar die Behauptung des Klägers bestätigt; seine Aussage ist aber durch die vom Senat eingeholten Auskünfte widerlegt. Davon abgesehen, daß der Kläger bzw. der Zeuge nur Abrechnungen mit 4 Betriebskrankenkassen übersandt hat, bei denen die Hausbesuchsgebühr abgerechnet worden ist, haben auf Nachfrage 3 der betroffenen Betriebskrankenkassen mitgeteilt, die Hausbesuchsgebühr sei nur versehentlich bezahlt worden; sie hätten aber nicht grundsätzlich die Hausbesuchsgebühr neben Leistungen der Grundpflege gezahlt. Nur die Bahn-BKK hat angegeben, sie habe in der Tat Fahrtkosten zu den Leistungen nach § 37 Abs. 2 SGB V auch dann übernommen, wenn Leistungen der Grundpflege erbracht worden seien. Diese Kasse hat aber keine Vereinbarung mit dem Kläger getroffen, sie hat lediglich die Verträge anderer Kassen gegen sich gelten lassen, so daß davon auszugehen ist, daß sie nur mangels ausreichender Kenntnis von der Neuregelung so verfahren ist. Dagegen haben die IKK Köln und Ford-BKK als große örtliche Kassen mitgeteilt, daß sie entweder grundsätzlich nicht oder nur in Einzelfällen versehentlich die Hausbesuchsgebühr bei gleichzeitiger Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege und der Grundpflege gezahlt hätten. Auch nach den Recherchen der Beklagten trifft es nicht zu, daß außer ihr allen anderen Krankenkassen die streitigen Wegegelder geleistet hätten.

Der Kläger kann auch nicht damit gehört werden, er habe dem Vertrag nur unter dem Druck zugestimmt, ansonsten von der weiteren Leistungserbringung ausgeschlossen zu werden. Bei wirksamer Anfechtung des Vertrages würde sich schon die Frage stellten, welche Vergütungsregelung an die Stelle der vereinbarten treten würde. Ab Januar 1993 habe nämlich sowohl die Sozialstationen wie die anderen privaten Leistungserbringer entprechend der Preisvereinbarung abgerechnet. Wenn nach der Praxis der beteiligten Verkehrskreise die streitige Hausbesuchsgebühr bei gleichzeitiger Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege und der Grundpflege nicht gezahlt worden ist, wäre schwerlich begründbar, wieso gleichwohl die Zahlung dieser Gebühr als "üblich" im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB anzunehmen sein sollte. Hiervon abgesehen ergibt sich aus der Darstellung des Klägers kein Anfechtungsgrund im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB. Die vom Kläger angegriffene Äußerung der AOK, wenn der Kläger nicht bereit sei, den Vertrag abzuschließen, werde man den Versicherten mitteilen, daß der Kläger keine Leistungen mehr zu Lasten der AOK erbringen könne, ist nicht als widerrechtliche Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB zu qualifizieren; dieser Hinweis war vielmehr sachlich gerechtfertigt. Der Vertrag zwischen dem Kläger und der AOK war zum 31.12.1992 wirksam gekündigt worden, so daß ab 01.01.1993 ein neuer Vertrag begründet werden mußte. Zwar setzt § 132 SGB V nicht die förmliche Zulassung des Leistungserbringers voraus, schon aus dem Sachleistungsprinzip (§ 2 Abs. 2 SGB V) ergibt sich aber die Notwendigkeit einer Einbeziehung des Leistungserbringers in das Sachleistungssystem durch eine Vereinbarung zwischen ihm und der Krankenkasse. Dementsprechend verlangt § 132 Abs. 1 Satz 2 SGB V, daß die Krankenkasse zur Gewährung von häuslicher Krankenpflege bei Heranziehung anderer geeigneter Personen oder Unternehmen über Inhalt, Umfang, Vergütung sowie Prüfung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Dienstleistungen Verträge schließt (s. auch Hencke in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 132 Rdnr. 4). Es war daher sogar ein Gebot der Fairneß, wenn die AOK den Kläger auf die Folgen seiner Weigerung hingewiesen hat, einen Vertrag mit - wie oben dargelegt - nicht unangemessenen Bedingungen, die andere Leistungserbringer bereits akzeptiert hatten, abzuschließen.

Für die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe ihn durch Vorenthaltung der gesamten Vergütung zum Vertragsschluß genötigt, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Aus der Verwaltungsakte ergibt sich nur, daß die AOK die Rechnungen um die streitige Hausbesuchsgebühr gekürzt hat. Trotz mehrfacher Hinweise des Gerichts hat der Kläger keinerlei Belege für seine Behauptung vorgelegt oder sonst Beweis angeboten. Seine eigene Forderungsaufstellung gegen spricht gegen seine Darstellung, denn danach verlangt er nur die abgezogenen Wegegelder, ohne daß er selbst behauptet hätte, daß die weiteren Leistungen in diesen Fällen nach Vertragsschluß von der AOK nachgezahlt worden seien. Auch das Schreiben seines früheren Bevollmächtigten vom 11.04.1994 spricht gegen die Darstellung des Klägers. Der Kläger hat in diesem Schreiben mitgeteilt, daß er seinen Rechtsstandpunkt hinsichtlich der streitigen Preisvereinbarung aufrechterhalte und den Vertrag nur unterzeichne, weil er keine Änderungschance mehr sehe. Es wäre kaum verständlich, wenn er in dem Schreiben nicht zugleich auch auf die jetzt behauptete Drucksituation hingewiesen hätte, wenn sie tatsächlich maßgeblich für seine Unterzeichnung des Vertrages gewesen wäre. Der Senat hat daher keinerlei Anlaß gesehen, der Behauptung des Klägers, die AOK habe ihn durch Einbehaltung der gesamten Vergütung gezwungen, den Vertrag zu unterzeichnen, nachzugehen. Im übrigen würden sich in diesem Fall auch die bereits oben aufgeworfene Frage stellen, welche Vergütungsvereinbarung in diesem Fall anzuwenden wäre.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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