Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 27 R 1042/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 5104/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Status eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer Steuerberater GmbH, der weder Mehrheitsgesellschafter ist, noch eine schuldrechtliche Poolvereinbarung mit Sperrminorität auch gesellschaftsrechtlich abgesichert hat.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.01.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Notwendige Auslagen in beiden Instanzen sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens streitig, ob der Kläger in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer für die Beigeladene zu 1) (im Folgenden: Beigeladene) ab dem 01.09.2010 versicherungspflichtig in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bis zu seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft am 01.05.2018 tätig war.
Der 1982 geborene Kläger ist Diplomkaufmann und Steuerberater und einer von vier Gesellschafter-Geschäftsführern der Beigeladenen. Die Beigeladene ist eine Steuerberatungsgesellschaft mbH. Die vier Geschäftsführer sind alleinvertretungsberechtigt und vom Selbstkontrahierungsverbot befreit. Alle Gesellschafter üben den freien Beruf des Steuerberaters mit eigenem Mandantenstamm aus. Der Jahresgewinn wird nach § 29 GmbHG nach Geschäftsanteilen verteilt.
Nach § 9 der Satzung i.V.m. dem notariellen Gesellschafterbeschluss vom 05.04.2000 werden Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der in der Gesellschafterversammlung abgegebenen und stimmberechtigten Stimmen gefasst, soweit der Gesellschaftsvertrag oder das Gesetz nicht zwingend eine andere Mehrheit vorschreiben. Für die gesetzlich vorgesehenen Fälle sowie im Vertrag ausdrücklich benannte Gesellschafterbeschlüsse bedarf es einer qualifizierten Mehrheit von 75 % der in der Gesellschafterversammlung abgegebenen Stimmen. Die Abstimmung in der Gesellschafterversammlung erfolgt unabhängig vom Umfang der Stammeinlage der einzelnen Gesellschafter nach der Anzahl der Gesellschafter.
Am 10.08.2010 schlossen der Kläger und ein weiterer Gesellschafter (der Vater des Klägers) in Anwesenheit der weiteren beiden Gesellschafter in einem notariellen Vertrag eine Poolvereinbarung. Mit diesen notariellen Vereinbarungen sollen die Geschäftsanteile des Klägers und seines Vaters wirtschaftlich so zusammengelegt werden, dass ihnen alle Teile gemeinschaftlich zugerechnet werden. Die beiden betroffenen Gesellschafter bilden einen Verfügungs- und Stimmenrechtspool im Sinne von § 13 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ErbStG. Dort heiß es (III Nr. 2 c u. d), die Mitglieder des Pools seien grundsätzlich verpflichtet, das sich aus ihren GmbH-Anteilen ergebende Stimmrecht gegen nicht gebundene Gesellschafter einheitlich auszuüben. Deshalb sei für jede Stimmabgabe in der GmbH ein Beschluss der Mitglieder dieses Pools darüber herbeizuführen, wie die Stimmrechte in der GmbH ausgeübt werde. Die Stimmgewichtung im Pool richte sich nach den Regelungen der GmbH. Die einheitliche Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung der GmbH erfolge durch den Kläger, ersatzweise durch das an Jahren älteste Mitglied dieses Pools, oder bei dessen Verhinderung durch ein anderes mit Mehrheit hierzu bestimmtes Mitglied der notariellen Vereinbarung. Dieser Verfügungs- und Stimmrechtspool sei eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts ohne Gesamthandsvermögen, Geschäftsführender Gesellschafter ist der Kläger. Die Frage einer eventuellen einseitigen Kündigung des Vertrages ist nicht Vertragsgegenstand. Aus IV der Vereinbarung geht hervor, dass eine Änderung bzw. Anpassung der Poolvereinbarung einvernehmlich jederzeit möglich ist.
Am 01.09.2010 schlossen der Kläger und die Beigeladene einen Geschäftsführeranstellungsvertrag. Dabei wurde geregelt, dass der Kläger entgeltliche Nebentätigkeiten nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der Beigeladenen ausüben dürfe. Der Kläger erhält vertraglich eine Festvergütung als Geschäftsführer in Höhe von 4.000 Euro sowie zuzüglich übliche Tantiemen. Laut Vertrag trägt die Beigeladene den kraft Gesetzes obliegenden Anteil an der Sozialversicherung. Tatsächlich erhält der Kläger keinen Zuschuss zur Krankenversicherung und trägt auch die Beiträge an das Versorgungswerk selbst (vgl. Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vor dem SG München am 13.01.2015). Der Kläger hat einen vertraglichen Anspruch auf Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen je Kalenderjahr sowie einen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Die Geschäftsanteile der Beigeladenen waren bis 01.05.2018 wie folgt verteilt:
A.: 25 %,
B.:(Vater): 0,954 %,
C.: 37,02 %,
D.: 37,02 %.
Am 11.11.2011 beantragte der Kläger die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Statuses hinsichtlich seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen. Nach vorheriger Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 16.02.2012 im Statusfeststellungsverfahren fest, dass die Tätigkeit des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beigeladenen ab dem 01.09.2010 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erfolgt sei und Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung ab dem 01.09.2010 bestehe. In der gesetzlichen Rentenversicherung bestehe keine Versicherungspflicht, weil der Kläger als Steuerberater von der Versicherungspflicht wegen der Mitgliedschaft in der berufsständigen Versorgungseinrichtung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI befreit sei. In der Krankenversicherung bestehe ebenfalls Versicherungsfreiheit, weil das regelmäßige Arbeitsentgelt des Klägers die maßgeblichen Jahresarbeitsentgeltgrenzen voraussichtlich übersteige. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2012 zurückgewiesen. Die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses würden überwiegen. Der Arbeitsvertrag sei arbeitnehmertypisch mit Urlaubsanspruch und Fortzahlung des Arbeitsentgeltes bei Arbeitsunfähigkeit sowie der Einhaltung von Kündigungsfristen. Zwar sei der Kläger über Tantiemen direkt am Gewinn der Beigeladenen beteiligt, doch erhalte er mit 5.550 Euro pro Monat ein festes Arbeitsentgelt. Er könne auch keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben mit seiner 25 %igen Beteiligung. Er besitze eine von vier Stimmen und habe weder Vetorecht noch Sperrminorität und trage aufgrund seiner festen Bezüge auch kein Unternehmerrisiko. Durch die Stimmrechtsbindung in der Poolvereinbarung sei eine Änderung der gesellschaftsvertraglichen Verhältnisse nicht erfolgt. Die Stimmrechtsvereinbarung habe nur schuldrechtliche Wirkung zwischen den Parteien, weshalb letztlich keine Sperrminorität vorliege.
Hiergegen ließ der Kläger Klage zum Sozialgericht München erheben.
Mit Urteil vom 13.01.2015 hob daraufhin das Sozialgericht München den Bescheid der Beklagten vom 16.02.2012 in Gestalt des Widerspruchs vom 03.05.2012 auf und stellte fest, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beigeladenen nicht abhängig beschäftigt, sondern selbstständig tätig gewesen sei. Zwar enthalte der Anstellungsvertrag des Klägers arbeitnehmertypische Regelungen, wie die Regelung für den Erholungsurlaub, Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie eine Festvergütung, gleichwohl liege kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor. Grundsätzlich übe der Kläger seine Tätigkeit hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Tätigkeit weisungsfrei aus. Er habe zudem auch maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen, indem er jede ihm nicht genehme Abstimmung verhindern könne, nachdem er eine Pattsituation von 50 zu 50 der abgegebenen Stimmen herbeiführen könne. Somit könne er jede an ihn unangenehme Weisung im Einzelfall verhindern. Anders als bei einfach vertraglich geregelten Stimmrechtsbindungen läge im vorliegenden Fall eine notarielle, in Anwesenheit aller Gesellschafter der Beigeladenen getroffene Poolvereinbarung vor. Nach dieser habe der Kläger die Möglichkeit 50 % der abgegebenen Stimmen zu beherrschen. Er sei Gesellschafter-Geschäftsführer der Innengesellschaft Pool. Er könne sie damit einberufen und abhalten und sei derjenige, der die Stimme des Pools gegenüber dem nicht im Pool gebundenen Gesellschafter abgebe. Der Kläger könne somit rechtswirksam jede ihm missliebige Entscheidung der Beigeladenen durch Herbeiführung einer Pattsituation verhindern.
Hiergegen richtet sich die am 24.02.2015 durch die Beklagte als Berufungsklägerin erhobene Berufung, welche zunächst auf Betreiben der Beteiligten ruhte und am 14.06.2016 wieder aufgenommen wurde. Die Berufungsklägerin (im Folgenden Beklagte) führt aus, dass der Berufungsbeklagte (im Folgenden Kläger) keinen maßgebenden Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft im gesellschaftsrechtlichen Sinne habe, da er weder die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine umfassende Sperrminorität verfüge. Deshalb sei er als Arbeitnehmer in der Sozialversicherung anzusehen. Sowohl die arbeitsvertragliche Ausgestaltung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages als auch die fehlende Rechtsmacht im gesellschaftsrechtlichen Sinne, unangenehme Weisungen abzuwenden, spreche für eine Beschäftigung im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung.
Es werde daher beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 13.01.2015 die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Entscheidung des Sozialgerichts München sei nicht zu beanstanden. Der Kläger habe aufgrund der Poolrechtsvereinbarung eine maßgebliche und beherrschende Stellung innerhalb der Gesellschaft und könne dort jegliche ihm nicht genehme Beschlüsse verhindern. Im Übrigen sei gerade bei Steuerberatungsgesellschaften darauf hinzuweisen, dass jeder Steuerberater seine eigenen Mandanten habe und insoweit eine Weisung durch andere Gesellschafter oder Geschäftsführer in der Praxis auch nicht vorkomme. Der Kläger übe einen freien Beruf aus, was indiziell für Selbstständigkeit spreche.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegte Behördenakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, einschließlich der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 12.07.2018 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16.02.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Zu Unrecht hat das Sozialgericht München daher mit Urteil vom 13.01.2015 den Bescheid aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer für die Beigeladene ab dem 01.09.2010 nicht versicherungspflichtig abhängig beschäftigt, sondern selbstständig tätig gewesen ist.
Nach § 7 a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 3 SGB IV der zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hat im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Diese entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7 Abs. 2 SGB IV). Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat der Kläger gestellt. Ein vorheriges Verfahren der Beklagten zur Feststellung einer Beschäftigung ist nicht ersichtlich.
Entscheidend ist demnach das Bestehen einer Beschäftigung. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, der Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitszeit oder die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend steht das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag (BSG, Urteil vom 28.09.2011, B 12 KR 17/09 R m.w.N.). Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse sowie rechtlich relevante Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung in diesem Sinne vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt.
Vorliegend ist festzuhalten, dass der Anstellungsvertrag des Klägers typische arbeitnehmerspezifische Regelungen wie Festgehalt, Urlaubsregelung und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall enthält. Ein unternehmerisches Risiko besteht insoweit nicht. Damit überwiegen die für einen Arbeitsvertrag typischen Elemente, auch wenn der Vertragsinhalt nach Angaben tatsächlich insoweit nicht gelebt wird, als der Kläger die eigenen Beiträge zur Kranken- und standesmäßigen Rentenversicherung selbst trägt. Vertraglich ist er mittels eines Angestelltenvertrages an die Beigeladene gebunden, und in die dortige Steuerberater GmbH organisatorisch eingegliedert. Die Tätigkeit als Steuerberater ist zwar dem Bild eines freien Berufs entsprechend -wie von der Klägerseite ausgeführt- in der Regel in der Praxis einzelfallbezogenen Weisungen nicht unterworfen. Allerdings ist der Kläger nicht wegen seiner Tätigkeit als Steuerberater als abhängig Beschäftigter anzusehen, sondern wegen seiner Anstellung als Geschäftsführer mit Festgehalt. Diese schuldrechtliche Anbindung des Klägers an die GmbH haben die Beteiligten bewusst und zulässigerweise gewählt. Als Geschäftsführer, der auch grundsätzlich den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterworfen ist, liegt eine Einbindung in den Betrieb vor. Hiergegen treten die naturgemäß mit einer derartigen gehobenen Stellung verbundenen Freiheiten bzgl. der täglichen "Arbeitsverrichtung" in den Hintergrund.
Auch liegen keine weiteren Umstände vor, die abweichend vom festgestellten Vertragsinhalt und Tätigkeitsfeld eine Beurteilung der Tätigkeit des Klägers als selbstständig zulassen.
Der Kläger war insbesondere auch in einem fremden Unternehmen, und nicht in seinem eigenen Unternehmen tätig.
Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, zu beurteilen, ob ein Gesellschafter einer GmbH formal oder auch tatsächlich gleichzeitig in einem Beschäftigungsverhältnis zu dieser steht, wenn er als Geschäftsführer tätig ist. Dies ist grundsätzlich neben der gesellschaftsrechtlichen Stellung möglich. Allerdings schließt ein rechtlich maßgeblicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft aufgrund der Gesellschafterstellung ein Beschäftigungsverhältnis in diesem Sinne aus, wenn der Gesellschafter damit Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2006, Az.: B 12 KR 30/04, zitiert nach juris). Eine derartige Stellung läge regelmäßig dann vor, wenn der Geschäftsführer einen Anteil von mindestens 50 % des Stammkapitals innehat. Dies ist vorliegend beim Kläger nicht der Fall. Auch wenn dies nach dem Parteivorbringen in der Praxis bislang aufgrund einvernehmlichen Stimmverhaltens der Fall war, kann der Kläger rechtlich 50 % der Stimmen in einer Gesellschafterversammlung aufgrund der Regelung im Gesellschaftervertrag sowie der notariellen Poolvereinbarung als Geschäftsführer und Gesellschafter nicht in jeder Fallkonstellation (insbesondere Konfliktsituationen) auf sich vereinen.
Der Kläger verfügt selbst über 25 % der Gesellschaftsanteile und sein Vater knapp 1 % derselben. Aufgrund der Regelung im Gesellschaftsvertrag (vgl. § 9 Abs. 1 der Gesellschaftssatzung) erfolgt die Abstimmung in der Gesellschafterversammlung abweichend von den Nennbeträgen der übernommenen Stammeinlagen gleichberechtigt nach der Anzahl der Gesellschafter. Dies bedeutet, dass der Kläger aufgrund Gesellschaftsvertrag, Satzung und Poolvereinbarung vom 10.08.2010 50 % der Gesellschafterstimmen in die Versammlung einbringen kann, wenn der Pool vorab einen Beschluss gefasst hat. Nachdem der Kläger Geschäftsführer und Vertreter dieses Verfügungs- und Stimmrechts-Pools ist, welcher in Gegenwart und mit Unterschrift der weiteren Gesellschafter mittels notarieller Beurkundung vereinbart worden ist, kann er bei Anwesenheit in diesem Fall ihm nicht genehme Beschlüsse einschließlich jeglicher Veränderungen des Gesellschaftsvertrages verhindern. Im Rahmen des "Stimmrecht-Pools" ist für die interne Beschlussfassung jedoch ebenfalls -entsprechend der Regelung im GmbH Vertrag bzw. Satzung- eine Abstimmung nach Kopfanteilen vorgesehen. Sofern also der Kläger anderer Auffassung als sein Vater als weiteres Poolmitglied ist, kann eine Beschlussfassung im Pool nicht erfolgen, mithin darf ohne vorherige Beschlussfassung der Geschäftsführer des Pools in der Gesellschafterversammlung der GmbH die Stimmen nicht abgeben. Dies ergibt sich aus Ziffer III Nr. 2 Buchstabe c Satz 2, wonach "vor jeder Stimmabgabe in der GmbH ein Beschluss der Mitglieder dieses Pools darüber herbeizuführen" ist, wie die Stimmrechte in der GmbH ausgeübt werden. Mithin führte eine Pattsituation im Pool nicht (nur) zu einer Enthaltung, sondern zu einer Stimmrückgabe. In diesem Fall kann der Kläger ihm nicht genehme Beschlüsse der GmbH nicht verhindern, mithin hat er alleine keine beherrschende Stellung oder eine entsprechende Sperrminorität. Damit ist ihm eine aus dem Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht in Verbindung mit der Poolvereinbarung nicht zugewachsen, die ihn in die Lage versetzt, eine Einflussnahme auf seine Tätigkeit insbesondere durch ihm unter Umständen unangenehme Weisungen von Seiten der weiteren Geschäftsführer bzw. der Gesellschafterverhandlung zu verhindern. Auf die Frage, ob aus familiären Gründen oder wegen bislang gelebten Einvernehmens eine derartige Konfliktsituation nicht aufgetreten ist und auch nicht auftreten werde, ist nicht abzustellen.
Somit ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig keine Selbstständigkeit anzunehmen, weil der Kläger zwar Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft hält, aber damit zugleich keine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist, etwa durch ein seinem Gesellschaftsanteil entsprechendem Stimmgewicht oder in Form einer Sperrminorität, und der Betroffene deshalb rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 30.04.2013, Az.: B 12 KR 19/11 R, zitiert nach juris). Eine solche Konstellation liegt hier vor, da die Stimmrechtsbindung letztlich nur eine schuldrechtliche Verpflichtung im Rahmen einer Poolvereinbarung außerhalb des Gesellschaftsvertrages darstellt. Damit ist im Hinblick auf die sozialrechtliche Wirksamkeit bei der Gestaltung des Gesellschaftsrechts bzw. der Gesellschaftsvertragsrechtslage bei Statusentscheidungen nach der vorzunehmenden Parallelwertung im sozialversicherungsrechtlichen Kontext des § 7 Abs. 1 SGB IV eine selbstständige Tätigkeit nicht anzunehmen. Denn gerade auch bei einem Konfliktfall zwischen den Gesellschaftern wäre es diesen in der oben ausgeführten Fallkonstellation möglich, Weisungen zu erteilen. Infolgedessen bestehen bei der vorliegenden Fallkonstellation auch Bedenken hinsichtlich der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände (vgl. insoweit grundsätzlich Urteil BSG vom 11.11.2015, Az.: B 12 KR 10/14 R).
Die Kostenentscheidung orientiert sich an § 193 SGG, und daran, dass die Berufung der Beklagten erfolgreich war.
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil er der Rechtsache in der Frage, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH aus freiberuflich Tätigen, welche nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit sind, als abhängig Beschäftigter wegen des Geschäftsführervertrages anzusehen ist, grundsätzliche Bedeutung beimisst, sowie, inwieweit außergesellschaftsvertragliche, notarielle Regelungen eine im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens zu beachtende Sperrminorität begründen können.
II. Notwendige Auslagen in beiden Instanzen sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens streitig, ob der Kläger in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer für die Beigeladene zu 1) (im Folgenden: Beigeladene) ab dem 01.09.2010 versicherungspflichtig in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bis zu seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft am 01.05.2018 tätig war.
Der 1982 geborene Kläger ist Diplomkaufmann und Steuerberater und einer von vier Gesellschafter-Geschäftsführern der Beigeladenen. Die Beigeladene ist eine Steuerberatungsgesellschaft mbH. Die vier Geschäftsführer sind alleinvertretungsberechtigt und vom Selbstkontrahierungsverbot befreit. Alle Gesellschafter üben den freien Beruf des Steuerberaters mit eigenem Mandantenstamm aus. Der Jahresgewinn wird nach § 29 GmbHG nach Geschäftsanteilen verteilt.
Nach § 9 der Satzung i.V.m. dem notariellen Gesellschafterbeschluss vom 05.04.2000 werden Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der in der Gesellschafterversammlung abgegebenen und stimmberechtigten Stimmen gefasst, soweit der Gesellschaftsvertrag oder das Gesetz nicht zwingend eine andere Mehrheit vorschreiben. Für die gesetzlich vorgesehenen Fälle sowie im Vertrag ausdrücklich benannte Gesellschafterbeschlüsse bedarf es einer qualifizierten Mehrheit von 75 % der in der Gesellschafterversammlung abgegebenen Stimmen. Die Abstimmung in der Gesellschafterversammlung erfolgt unabhängig vom Umfang der Stammeinlage der einzelnen Gesellschafter nach der Anzahl der Gesellschafter.
Am 10.08.2010 schlossen der Kläger und ein weiterer Gesellschafter (der Vater des Klägers) in Anwesenheit der weiteren beiden Gesellschafter in einem notariellen Vertrag eine Poolvereinbarung. Mit diesen notariellen Vereinbarungen sollen die Geschäftsanteile des Klägers und seines Vaters wirtschaftlich so zusammengelegt werden, dass ihnen alle Teile gemeinschaftlich zugerechnet werden. Die beiden betroffenen Gesellschafter bilden einen Verfügungs- und Stimmenrechtspool im Sinne von § 13 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ErbStG. Dort heiß es (III Nr. 2 c u. d), die Mitglieder des Pools seien grundsätzlich verpflichtet, das sich aus ihren GmbH-Anteilen ergebende Stimmrecht gegen nicht gebundene Gesellschafter einheitlich auszuüben. Deshalb sei für jede Stimmabgabe in der GmbH ein Beschluss der Mitglieder dieses Pools darüber herbeizuführen, wie die Stimmrechte in der GmbH ausgeübt werde. Die Stimmgewichtung im Pool richte sich nach den Regelungen der GmbH. Die einheitliche Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung der GmbH erfolge durch den Kläger, ersatzweise durch das an Jahren älteste Mitglied dieses Pools, oder bei dessen Verhinderung durch ein anderes mit Mehrheit hierzu bestimmtes Mitglied der notariellen Vereinbarung. Dieser Verfügungs- und Stimmrechtspool sei eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts ohne Gesamthandsvermögen, Geschäftsführender Gesellschafter ist der Kläger. Die Frage einer eventuellen einseitigen Kündigung des Vertrages ist nicht Vertragsgegenstand. Aus IV der Vereinbarung geht hervor, dass eine Änderung bzw. Anpassung der Poolvereinbarung einvernehmlich jederzeit möglich ist.
Am 01.09.2010 schlossen der Kläger und die Beigeladene einen Geschäftsführeranstellungsvertrag. Dabei wurde geregelt, dass der Kläger entgeltliche Nebentätigkeiten nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der Beigeladenen ausüben dürfe. Der Kläger erhält vertraglich eine Festvergütung als Geschäftsführer in Höhe von 4.000 Euro sowie zuzüglich übliche Tantiemen. Laut Vertrag trägt die Beigeladene den kraft Gesetzes obliegenden Anteil an der Sozialversicherung. Tatsächlich erhält der Kläger keinen Zuschuss zur Krankenversicherung und trägt auch die Beiträge an das Versorgungswerk selbst (vgl. Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vor dem SG München am 13.01.2015). Der Kläger hat einen vertraglichen Anspruch auf Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen je Kalenderjahr sowie einen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Die Geschäftsanteile der Beigeladenen waren bis 01.05.2018 wie folgt verteilt:
A.: 25 %,
B.:(Vater): 0,954 %,
C.: 37,02 %,
D.: 37,02 %.
Am 11.11.2011 beantragte der Kläger die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Statuses hinsichtlich seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen. Nach vorheriger Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 16.02.2012 im Statusfeststellungsverfahren fest, dass die Tätigkeit des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beigeladenen ab dem 01.09.2010 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erfolgt sei und Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung ab dem 01.09.2010 bestehe. In der gesetzlichen Rentenversicherung bestehe keine Versicherungspflicht, weil der Kläger als Steuerberater von der Versicherungspflicht wegen der Mitgliedschaft in der berufsständigen Versorgungseinrichtung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI befreit sei. In der Krankenversicherung bestehe ebenfalls Versicherungsfreiheit, weil das regelmäßige Arbeitsentgelt des Klägers die maßgeblichen Jahresarbeitsentgeltgrenzen voraussichtlich übersteige. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2012 zurückgewiesen. Die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses würden überwiegen. Der Arbeitsvertrag sei arbeitnehmertypisch mit Urlaubsanspruch und Fortzahlung des Arbeitsentgeltes bei Arbeitsunfähigkeit sowie der Einhaltung von Kündigungsfristen. Zwar sei der Kläger über Tantiemen direkt am Gewinn der Beigeladenen beteiligt, doch erhalte er mit 5.550 Euro pro Monat ein festes Arbeitsentgelt. Er könne auch keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben mit seiner 25 %igen Beteiligung. Er besitze eine von vier Stimmen und habe weder Vetorecht noch Sperrminorität und trage aufgrund seiner festen Bezüge auch kein Unternehmerrisiko. Durch die Stimmrechtsbindung in der Poolvereinbarung sei eine Änderung der gesellschaftsvertraglichen Verhältnisse nicht erfolgt. Die Stimmrechtsvereinbarung habe nur schuldrechtliche Wirkung zwischen den Parteien, weshalb letztlich keine Sperrminorität vorliege.
Hiergegen ließ der Kläger Klage zum Sozialgericht München erheben.
Mit Urteil vom 13.01.2015 hob daraufhin das Sozialgericht München den Bescheid der Beklagten vom 16.02.2012 in Gestalt des Widerspruchs vom 03.05.2012 auf und stellte fest, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beigeladenen nicht abhängig beschäftigt, sondern selbstständig tätig gewesen sei. Zwar enthalte der Anstellungsvertrag des Klägers arbeitnehmertypische Regelungen, wie die Regelung für den Erholungsurlaub, Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie eine Festvergütung, gleichwohl liege kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor. Grundsätzlich übe der Kläger seine Tätigkeit hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Tätigkeit weisungsfrei aus. Er habe zudem auch maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen, indem er jede ihm nicht genehme Abstimmung verhindern könne, nachdem er eine Pattsituation von 50 zu 50 der abgegebenen Stimmen herbeiführen könne. Somit könne er jede an ihn unangenehme Weisung im Einzelfall verhindern. Anders als bei einfach vertraglich geregelten Stimmrechtsbindungen läge im vorliegenden Fall eine notarielle, in Anwesenheit aller Gesellschafter der Beigeladenen getroffene Poolvereinbarung vor. Nach dieser habe der Kläger die Möglichkeit 50 % der abgegebenen Stimmen zu beherrschen. Er sei Gesellschafter-Geschäftsführer der Innengesellschaft Pool. Er könne sie damit einberufen und abhalten und sei derjenige, der die Stimme des Pools gegenüber dem nicht im Pool gebundenen Gesellschafter abgebe. Der Kläger könne somit rechtswirksam jede ihm missliebige Entscheidung der Beigeladenen durch Herbeiführung einer Pattsituation verhindern.
Hiergegen richtet sich die am 24.02.2015 durch die Beklagte als Berufungsklägerin erhobene Berufung, welche zunächst auf Betreiben der Beteiligten ruhte und am 14.06.2016 wieder aufgenommen wurde. Die Berufungsklägerin (im Folgenden Beklagte) führt aus, dass der Berufungsbeklagte (im Folgenden Kläger) keinen maßgebenden Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft im gesellschaftsrechtlichen Sinne habe, da er weder die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine umfassende Sperrminorität verfüge. Deshalb sei er als Arbeitnehmer in der Sozialversicherung anzusehen. Sowohl die arbeitsvertragliche Ausgestaltung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages als auch die fehlende Rechtsmacht im gesellschaftsrechtlichen Sinne, unangenehme Weisungen abzuwenden, spreche für eine Beschäftigung im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung.
Es werde daher beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 13.01.2015 die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Entscheidung des Sozialgerichts München sei nicht zu beanstanden. Der Kläger habe aufgrund der Poolrechtsvereinbarung eine maßgebliche und beherrschende Stellung innerhalb der Gesellschaft und könne dort jegliche ihm nicht genehme Beschlüsse verhindern. Im Übrigen sei gerade bei Steuerberatungsgesellschaften darauf hinzuweisen, dass jeder Steuerberater seine eigenen Mandanten habe und insoweit eine Weisung durch andere Gesellschafter oder Geschäftsführer in der Praxis auch nicht vorkomme. Der Kläger übe einen freien Beruf aus, was indiziell für Selbstständigkeit spreche.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegte Behördenakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, einschließlich der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 12.07.2018 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16.02.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Zu Unrecht hat das Sozialgericht München daher mit Urteil vom 13.01.2015 den Bescheid aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer für die Beigeladene ab dem 01.09.2010 nicht versicherungspflichtig abhängig beschäftigt, sondern selbstständig tätig gewesen ist.
Nach § 7 a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 3 SGB IV der zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hat im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Diese entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7 Abs. 2 SGB IV). Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat der Kläger gestellt. Ein vorheriges Verfahren der Beklagten zur Feststellung einer Beschäftigung ist nicht ersichtlich.
Entscheidend ist demnach das Bestehen einer Beschäftigung. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, der Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitszeit oder die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend steht das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag (BSG, Urteil vom 28.09.2011, B 12 KR 17/09 R m.w.N.). Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse sowie rechtlich relevante Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung in diesem Sinne vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt.
Vorliegend ist festzuhalten, dass der Anstellungsvertrag des Klägers typische arbeitnehmerspezifische Regelungen wie Festgehalt, Urlaubsregelung und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall enthält. Ein unternehmerisches Risiko besteht insoweit nicht. Damit überwiegen die für einen Arbeitsvertrag typischen Elemente, auch wenn der Vertragsinhalt nach Angaben tatsächlich insoweit nicht gelebt wird, als der Kläger die eigenen Beiträge zur Kranken- und standesmäßigen Rentenversicherung selbst trägt. Vertraglich ist er mittels eines Angestelltenvertrages an die Beigeladene gebunden, und in die dortige Steuerberater GmbH organisatorisch eingegliedert. Die Tätigkeit als Steuerberater ist zwar dem Bild eines freien Berufs entsprechend -wie von der Klägerseite ausgeführt- in der Regel in der Praxis einzelfallbezogenen Weisungen nicht unterworfen. Allerdings ist der Kläger nicht wegen seiner Tätigkeit als Steuerberater als abhängig Beschäftigter anzusehen, sondern wegen seiner Anstellung als Geschäftsführer mit Festgehalt. Diese schuldrechtliche Anbindung des Klägers an die GmbH haben die Beteiligten bewusst und zulässigerweise gewählt. Als Geschäftsführer, der auch grundsätzlich den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterworfen ist, liegt eine Einbindung in den Betrieb vor. Hiergegen treten die naturgemäß mit einer derartigen gehobenen Stellung verbundenen Freiheiten bzgl. der täglichen "Arbeitsverrichtung" in den Hintergrund.
Auch liegen keine weiteren Umstände vor, die abweichend vom festgestellten Vertragsinhalt und Tätigkeitsfeld eine Beurteilung der Tätigkeit des Klägers als selbstständig zulassen.
Der Kläger war insbesondere auch in einem fremden Unternehmen, und nicht in seinem eigenen Unternehmen tätig.
Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, zu beurteilen, ob ein Gesellschafter einer GmbH formal oder auch tatsächlich gleichzeitig in einem Beschäftigungsverhältnis zu dieser steht, wenn er als Geschäftsführer tätig ist. Dies ist grundsätzlich neben der gesellschaftsrechtlichen Stellung möglich. Allerdings schließt ein rechtlich maßgeblicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft aufgrund der Gesellschafterstellung ein Beschäftigungsverhältnis in diesem Sinne aus, wenn der Gesellschafter damit Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2006, Az.: B 12 KR 30/04, zitiert nach juris). Eine derartige Stellung läge regelmäßig dann vor, wenn der Geschäftsführer einen Anteil von mindestens 50 % des Stammkapitals innehat. Dies ist vorliegend beim Kläger nicht der Fall. Auch wenn dies nach dem Parteivorbringen in der Praxis bislang aufgrund einvernehmlichen Stimmverhaltens der Fall war, kann der Kläger rechtlich 50 % der Stimmen in einer Gesellschafterversammlung aufgrund der Regelung im Gesellschaftervertrag sowie der notariellen Poolvereinbarung als Geschäftsführer und Gesellschafter nicht in jeder Fallkonstellation (insbesondere Konfliktsituationen) auf sich vereinen.
Der Kläger verfügt selbst über 25 % der Gesellschaftsanteile und sein Vater knapp 1 % derselben. Aufgrund der Regelung im Gesellschaftsvertrag (vgl. § 9 Abs. 1 der Gesellschaftssatzung) erfolgt die Abstimmung in der Gesellschafterversammlung abweichend von den Nennbeträgen der übernommenen Stammeinlagen gleichberechtigt nach der Anzahl der Gesellschafter. Dies bedeutet, dass der Kläger aufgrund Gesellschaftsvertrag, Satzung und Poolvereinbarung vom 10.08.2010 50 % der Gesellschafterstimmen in die Versammlung einbringen kann, wenn der Pool vorab einen Beschluss gefasst hat. Nachdem der Kläger Geschäftsführer und Vertreter dieses Verfügungs- und Stimmrechts-Pools ist, welcher in Gegenwart und mit Unterschrift der weiteren Gesellschafter mittels notarieller Beurkundung vereinbart worden ist, kann er bei Anwesenheit in diesem Fall ihm nicht genehme Beschlüsse einschließlich jeglicher Veränderungen des Gesellschaftsvertrages verhindern. Im Rahmen des "Stimmrecht-Pools" ist für die interne Beschlussfassung jedoch ebenfalls -entsprechend der Regelung im GmbH Vertrag bzw. Satzung- eine Abstimmung nach Kopfanteilen vorgesehen. Sofern also der Kläger anderer Auffassung als sein Vater als weiteres Poolmitglied ist, kann eine Beschlussfassung im Pool nicht erfolgen, mithin darf ohne vorherige Beschlussfassung der Geschäftsführer des Pools in der Gesellschafterversammlung der GmbH die Stimmen nicht abgeben. Dies ergibt sich aus Ziffer III Nr. 2 Buchstabe c Satz 2, wonach "vor jeder Stimmabgabe in der GmbH ein Beschluss der Mitglieder dieses Pools darüber herbeizuführen" ist, wie die Stimmrechte in der GmbH ausgeübt werden. Mithin führte eine Pattsituation im Pool nicht (nur) zu einer Enthaltung, sondern zu einer Stimmrückgabe. In diesem Fall kann der Kläger ihm nicht genehme Beschlüsse der GmbH nicht verhindern, mithin hat er alleine keine beherrschende Stellung oder eine entsprechende Sperrminorität. Damit ist ihm eine aus dem Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht in Verbindung mit der Poolvereinbarung nicht zugewachsen, die ihn in die Lage versetzt, eine Einflussnahme auf seine Tätigkeit insbesondere durch ihm unter Umständen unangenehme Weisungen von Seiten der weiteren Geschäftsführer bzw. der Gesellschafterverhandlung zu verhindern. Auf die Frage, ob aus familiären Gründen oder wegen bislang gelebten Einvernehmens eine derartige Konfliktsituation nicht aufgetreten ist und auch nicht auftreten werde, ist nicht abzustellen.
Somit ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig keine Selbstständigkeit anzunehmen, weil der Kläger zwar Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft hält, aber damit zugleich keine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist, etwa durch ein seinem Gesellschaftsanteil entsprechendem Stimmgewicht oder in Form einer Sperrminorität, und der Betroffene deshalb rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 30.04.2013, Az.: B 12 KR 19/11 R, zitiert nach juris). Eine solche Konstellation liegt hier vor, da die Stimmrechtsbindung letztlich nur eine schuldrechtliche Verpflichtung im Rahmen einer Poolvereinbarung außerhalb des Gesellschaftsvertrages darstellt. Damit ist im Hinblick auf die sozialrechtliche Wirksamkeit bei der Gestaltung des Gesellschaftsrechts bzw. der Gesellschaftsvertragsrechtslage bei Statusentscheidungen nach der vorzunehmenden Parallelwertung im sozialversicherungsrechtlichen Kontext des § 7 Abs. 1 SGB IV eine selbstständige Tätigkeit nicht anzunehmen. Denn gerade auch bei einem Konfliktfall zwischen den Gesellschaftern wäre es diesen in der oben ausgeführten Fallkonstellation möglich, Weisungen zu erteilen. Infolgedessen bestehen bei der vorliegenden Fallkonstellation auch Bedenken hinsichtlich der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände (vgl. insoweit grundsätzlich Urteil BSG vom 11.11.2015, Az.: B 12 KR 10/14 R).
Die Kostenentscheidung orientiert sich an § 193 SGG, und daran, dass die Berufung der Beklagten erfolgreich war.
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil er der Rechtsache in der Frage, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH aus freiberuflich Tätigen, welche nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit sind, als abhängig Beschäftigter wegen des Geschäftsführervertrages anzusehen ist, grundsätzliche Bedeutung beimisst, sowie, inwieweit außergesellschaftsvertragliche, notarielle Regelungen eine im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens zu beachtende Sperrminorität begründen können.
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