Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 6 R 54/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 332/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 304/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09.09.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2012 verurteilt, die Kindererziehungszeiten für das Kind B. A. bei dem Kläger ab 01.04.2011 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen anzuerkennen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger 1/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Mit der Klage begehrt der Kläger die Anerkennung von Kindererziehungszeiten durch die Beklagte.
Der 1972 geborene Kläger gehörte seit dem 01.03.2003 als selbständiger Rechtsanwalt dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte Hessen an. Am 08.06.2011 beantragte er die Feststellung von Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten für die Kindererziehung der Kinder C. A., geboren 2003, D. A., geboren 2006, und B. A., geboren 2009. Auf dem Antrag gab er an, dass die Erziehung mit dem anderen Elternteil ohne Unterbrechungen gemeinsam erfolgt sei. Die Erziehung sei nicht überwiegend durch den anderen Elternteil erfolgt. Unter Ziff. 10.4 "Angaben zum Elternteil, der den Antrag nicht stellt" befand sich unter dem Satz "Es wird bestätigt, dass die Angaben zur Erziehung den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Unterschrift des anderen Elternteils" eine auf den 30.05.2011 datierte Unterschrift.
Mit Schreiben vom 22.08.2011 forderte die Beklagte weitere Unterlagen, unter anderem ein für jedes Kind ausgefülltes Formular V805, Nachweise für die überwiegende Erziehung (sofern vorhanden) und für die wöchentliche Arbeitszeit und durchschnittliches Arbeitseinkommen seit dem 19.09.2003. Mit Schreiben vom 31.08.2011 teilte der Kläger mit, dass die im Formular V805 abgefragten Angaben der Beklagten bereits aus dem ausgefüllten Formular V800 bekannt seien. Ferner sei die häusliche Gemeinschaft mit den Kindern nie unterbrochen gewesen. Keines der Kinder sei überwiegend von einem Elternteil erzogen worden. Seine Ehefrau sei ebenso wie er als selbständige Rechtsanwältin Mitglied des Versorgungswerks der Rechtsanwälte Hessen. Die durchschnittliche Arbeitszeit sei als Selbständiger Schwankungen unterworfen. In einer Durchschnittswoche seien beide ca. 30 Wochenstunden tätig und die Erziehung der Kinder sei zu gleichen Teilen aufgeteilt. Das Durchschnittseinkommen übersteige die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung.
Mit Bescheid vom 09.09.2011 lehnte die Beklagte die Vormerkung der Kindererziehungszeiten bzw. der Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für alle drei Kinder mit der Begründung ab, eine übereinstimmende Erklärung zugunsten des Klägers sei nicht abgegeben worden und eine überwiegende Erziehung durch ihn habe nach den Feststellungen nicht vorgelegen.
Hiergegen erhob der Kläger am 25.09.2011 Widerspruch. Er sei davon ausgegangen, dass durch die Unterschrift seiner Ehefrau unter Ziff. 10.4 des Vordrucks V800 die notwendige übereinstimmende Erklärung abgegeben worden sei. Da diese offensichtlich nicht ausreichend sei, würden er und seine Ehefrau erneut erklären, dass die Kinder gemeinsam erzogen worden seien und nach wie erzogen werden. Sie bestimmten auf dem Widerspruchsschreiben, dass die Erziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten dem Kläger zuzuordnen seien. Das Schreiben enthielt zwei Unterschriften.
Mit Schreiben vom 06.10.2011 wies die Beklagte unter anderem darauf hin, dass die übereinstimmende Erklärung der Eltern grundsätzlich mit Wirkung für künftige Kalendermonate abzugeben sei. Die Zuordnung könne jedoch auch rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung erfolgen. Sie bat um Einsendung der übereinstimmenden Erklärung hinsichtlich der Prüfung der Kindererziehungszeiten für das Kind B. bis spätestens 30.10.2011.
Mit Schreiben vom 28.10.2011 erklärte der Kläger, die Erklärung bereits im Mai 2011 abgegeben zu haben. Rein vorsorglich erklärten der Kläger und seine Frau im Schreiben erneut, dass die Kindererziehungszeit für das Kind B. dem Kläger zuzuordnen sei. Dasselbe gelte für die anderen Kinder. Eine Rückwirkung der Erklärung sei nicht auf zwei Monate beschränkt, da die Zuordnung zur Mutter im Falle, dass keine Erklärung abgegeben wird, gegen Art. 3 Grundgesetz verstoße, da eine derartige "automatische" Zuordnung zur Mutter die Männer benachteilige, ohne dass hierfür eine ausreichende Rechtfertigung vorliege. Das Schreiben enthielt zwei Unterschriften.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.01.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung zitierte sie im Wesentlichen den Gesetzestext und führte aus, dass die Erziehungszeit nur bei einem Elternteil angerechnet werden könne, wenn sie die Kinder gemeinsam erziehen. Dies gelte auch dann, wenn beide Elternteile gemeinsam die Elternzeit nach den Vorschriften des Bundeserziehungsgeldgesetzes ab dem 01.01.2001 in Anspruch genommen hätten. Grundsätzlich sei die Kindererziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen, der das Kind – nach objektiven Gesichtspunkten betrachtet – überwiegend erzogen habe. Unabhängig hiervon könne man allerdings durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, bei welchem Elternteil die Kindererziehungszeit anerkannt werden solle. Diese Erklärung sei von der Mutter und dem Vater übereinstimmend abzugeben. Eine Erklärung nur durch ein Elternteil sei nicht ausreichend. Die Erklärung sei grundsätzlich mit Wirkung für die künftigen Monate abzugeben. Eine Rückwirkung sei auch für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung möglich. Bei dieser Sach- und Rechtslage sei der Widerspruch zu versagen.
Hiergegen hat der Kläger am 26.01.2012 Klage beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben.
Er wiederholt im Wesentlichen das Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und ist der Auffassung, dass die Erziehungszeiten bei ihm vorzumerken seien.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.09.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2012 zu verurteilen, die Kindererziehungszeiten für die Kinder C. A., D. A. und B. A. bei ihm anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie nimmt auf die Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren Bezug und trägt ergänzend vor, dass bei gemeinsamer Kindererziehung und fehlender, verspäteter oder nicht übereinstimmender Erklärung, die Kindererziehungszeit bei dem Elternteil angerechnet werde, der das Kind überwiegend erzogen habe. Dies habe man nicht im erforderlichen Maß feststellen können. Seien dagegen die Erziehungsbeiträge nach objektiven Maßstäben in etwa gleichwertig, werde die Zeit der Mutter zugeordnet.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichts- sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des §§ 54 Abs. 1, 56 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 09.09.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2012 ist, soweit er die Anerkennung der Kindererziehungszeiten für das Kind B. A. ab dem 01.04.2011 betrifft, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Im Übrigen ist er rechtmäßig.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Vormerkung der Kindererziehungszeiten ist § 149 Abs. 5 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Nach dieser Vorschrift stellt der Versicherungsträger, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat, die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest (sog. Vormerkungsbescheid). Zu den vorzumerkenden, rentenrechtlichen Zeiten zählen unter anderem die Kindererziehungszeiten im Sinne der §§ 54 Abs. 1, 56, 57 SGB VI.
1) Gemäß § 57 Satz 1 SGB VI ist die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit nach § 56 SGB VI auch in dieser Zeit vorliegen. Eine Kindererziehungszeit wird gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI (in der hier anzuwendenden Fassung vom 15.07.2009: im Folgenden a.F.) für einen Elternteil angerechnet, wenn (Nr. 1) die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, (Nr. 2) die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und (Nr. 3) der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist. Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a.F. ist eine Erziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind tatsächlich und gänzlich ohne Mitwirkung anderer Elternteile allein erzogen hat (vgl. Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, § 56 Rn. 32). Haben hingegen mehrere Elternteile das Kind erzogen, ohne dass sie "gemeinsam" erzogen haben, ist nach § 56 Abs. 2 Satz 9 SGB VI a.F. die Erziehungszeit demjenigen zuzuordnen, der das Kind "überwiegend" erzogen hat. Eltern, die beide zusammenwirkend ihr Kind erziehen, können in Ausübung ihrer grundrechtlich geschützten Elternverantwortung den Umfang und die Wertigkeit ihrer Erziehungsbeiträge selbst festlegen und deshalb auch durch übereinstimmende Erklärung im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VI a.F. bestimmen, wem von beiden die Erziehungszeit zuzuordnen ist. Der Rentenversicherungsträger hat dies hinzunehmen. Liegt eine wirksame Erklärung der Eltern nicht vor, bestimmt sich die Zuordnung nach § 56 Abs. 2 Satz 8 und 9 SGB VI a.F. Lediglich wenn die Erziehungsanteile entweder in etwa gleichgewichtig waren, eine überwiegende Erziehung somit nicht feststellbar ist oder sich für die Frage, ob eine überwiegende Erziehung vorlag, ein non liquet ergibt, greift die Regelung des § 56 Abs. 2 Satz 8 SGB VI a.F. ein, nach der die Erziehungszeit der Mutter zuzuordnen ist (vgl. BSG Urt. v. 16.12.1997, Az.: 4 RA 60/97, juris-Rn. 15; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. April 2016 – L 33 R 851/13 –, Rn. 31, juris ; Urt. v. 17.04.2008, Az.: B 13 R 131/07 R, juris-Rn. 11 ff.; Urt. v. 11.05.2011, Az.: B 5 R 22/10 R, juris-Rn. 15; LSG Berlin-Brandenburg Urt. v. 08.06.2007, Az.: L 1 R 1788/05).
Vorliegend beantragte der Kläger am 08.06.2011 die Anerkennung der Erziehungszeiten für die Kinder C. A., geboren 2003, D. A., geboren 2006, und B. A., geboren 2009. Er gab an, dass die Erziehung ununterbrochen von beiden Elternteilen gemeinsam erfolgt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten haben der Kläger und seine Ehefrau bereits im Antrag vom 08.06.2011 von ihrem Recht im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VI a.F. Gebrauch gemacht und eine übereinstimmende Erklärung dahingehend abgegeben, dass die Erziehungszeiten für die Kinder dem Kläger zuzuordnen sind. In dem Antrag auf Feststellung von Kindererziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vom 08.06.2011 gaben sie unter Ziff. 10.2. an, dass die Erziehung ohne Unterbrechung gemeinsam mit dem anderen Elternteil erfolgte, was seine Ehefrau unter Ziff. 10.4 durch ihre Unterschrift bestätigte. Die Angabe wiederholte der Kläger im Schreiben vom 31.08.2011. Im Widerspruchsschreiben vom 25.09.2011 gaben er und seine Ehefrau durch Unterschriften erneut an, die Kinder gemeinsam zu erziehen. Dem stand nicht entgegen, dass der Vordruck der Beklagten V805 nicht ausgefüllt worden ist, da eine Formvorgabe für die Abgabe einer solchen übereinstimmenden Erklärung dem Gesetz nicht zu entnehmen ist und sich insbesondere nicht den § 56 Abs. 2 Satz 7 SGB VI a.F. i.V.m. § 16 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) entnehmen lässt.
2) Aufgrund des Antrags vom 08.06.2011 waren die Kindererziehungszeiten für das Kind B. A., geboren 2009, ab dem 01.04.2011 zu berücksichtigen. Dagegen erfolgte die Antragstellung in Bezug auf die Erziehungszeiten für die Kinder C. A., geboren 2003, D. A., geboren 2006, verfristet.
Die Abgabe einer übereinstimmenden Erklärung der gemeinsam erziehenden Eltern ist im geltenden Recht des § 56 Abs. 2 Satz 4 bis 6 SGB VI a.F. grundsätzlich nur mit Wirkung für künftige Kalendermonate und nur unter besonderen Voraussetzungen ausnahmsweise rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung vorgesehen. Die Erklärung kann nur solange abgegeben werden, wie der vorletzte Kalendermonat der Kindererziehungszeit noch nicht abgelaufen ist, soweit gemäß § 56 Abs. 2 Satz 4 SGB VI eine rückwirkende Zuordnung noch in Betracht kommt, längstens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach dem Ende der Kindererziehungszeit (vgl. Fichte in Hauck/Haines, SGB VI, § 56 Rn 42 m.w.N.). Gemäß § 56 Abs. 5 SGB VI a.F. beginnt die Kindererziehungszeit nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten. Wird während dieses Zeitraums vom erziehenden Elternteil ein weiteres Kind erzogen, für das ihm eine Kindererziehungszeit anzurechnen ist, wird die Kindererziehungszeit für dieses und jedes weitere Kind um die Anzahl an Kalendermonaten der gleichzeitigen Erziehung verlängert.
Die Erklärung vom 08.06.2011 kann demzufolge lediglich rückwirkend bis zum 01.04.2011 gelten. Zu diesem Zeitpunkt sind die 36 Kalendermonate im Sinne des § 56 Abs. 5 SGB VI a.F. für die Kinder C. A., geboren 2003, und D. A., geboren 2006, bereits abgelaufen. Selbst unter Berücksichtigung des Verlängerungstatbestandes des § 56 Abs. 5 Satz 2 SGB VI a.F. sind die Kindererziehungszeiten für die ersten beiden Kinder des Klägers zum Zeitpunkt der Antragstellung bzw. seiner möglichen Rückwirkung von bis zu zwei Monaten abgelaufen.
Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass es auf die vom Kläger geltend gemachten Verfassungswidrigkeit des § 56 Abs. 2 Satz 8 SGB VI a.F. nicht ankam, da die teilweise Klageabweisung aufgrund des Zeitpunkts der Antragstellung erfolgte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Das statthafte Rechtsmittel der Berufung folgt aus den §§ 143 ff. SGG.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger 1/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Mit der Klage begehrt der Kläger die Anerkennung von Kindererziehungszeiten durch die Beklagte.
Der 1972 geborene Kläger gehörte seit dem 01.03.2003 als selbständiger Rechtsanwalt dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte Hessen an. Am 08.06.2011 beantragte er die Feststellung von Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten für die Kindererziehung der Kinder C. A., geboren 2003, D. A., geboren 2006, und B. A., geboren 2009. Auf dem Antrag gab er an, dass die Erziehung mit dem anderen Elternteil ohne Unterbrechungen gemeinsam erfolgt sei. Die Erziehung sei nicht überwiegend durch den anderen Elternteil erfolgt. Unter Ziff. 10.4 "Angaben zum Elternteil, der den Antrag nicht stellt" befand sich unter dem Satz "Es wird bestätigt, dass die Angaben zur Erziehung den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Unterschrift des anderen Elternteils" eine auf den 30.05.2011 datierte Unterschrift.
Mit Schreiben vom 22.08.2011 forderte die Beklagte weitere Unterlagen, unter anderem ein für jedes Kind ausgefülltes Formular V805, Nachweise für die überwiegende Erziehung (sofern vorhanden) und für die wöchentliche Arbeitszeit und durchschnittliches Arbeitseinkommen seit dem 19.09.2003. Mit Schreiben vom 31.08.2011 teilte der Kläger mit, dass die im Formular V805 abgefragten Angaben der Beklagten bereits aus dem ausgefüllten Formular V800 bekannt seien. Ferner sei die häusliche Gemeinschaft mit den Kindern nie unterbrochen gewesen. Keines der Kinder sei überwiegend von einem Elternteil erzogen worden. Seine Ehefrau sei ebenso wie er als selbständige Rechtsanwältin Mitglied des Versorgungswerks der Rechtsanwälte Hessen. Die durchschnittliche Arbeitszeit sei als Selbständiger Schwankungen unterworfen. In einer Durchschnittswoche seien beide ca. 30 Wochenstunden tätig und die Erziehung der Kinder sei zu gleichen Teilen aufgeteilt. Das Durchschnittseinkommen übersteige die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung.
Mit Bescheid vom 09.09.2011 lehnte die Beklagte die Vormerkung der Kindererziehungszeiten bzw. der Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für alle drei Kinder mit der Begründung ab, eine übereinstimmende Erklärung zugunsten des Klägers sei nicht abgegeben worden und eine überwiegende Erziehung durch ihn habe nach den Feststellungen nicht vorgelegen.
Hiergegen erhob der Kläger am 25.09.2011 Widerspruch. Er sei davon ausgegangen, dass durch die Unterschrift seiner Ehefrau unter Ziff. 10.4 des Vordrucks V800 die notwendige übereinstimmende Erklärung abgegeben worden sei. Da diese offensichtlich nicht ausreichend sei, würden er und seine Ehefrau erneut erklären, dass die Kinder gemeinsam erzogen worden seien und nach wie erzogen werden. Sie bestimmten auf dem Widerspruchsschreiben, dass die Erziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten dem Kläger zuzuordnen seien. Das Schreiben enthielt zwei Unterschriften.
Mit Schreiben vom 06.10.2011 wies die Beklagte unter anderem darauf hin, dass die übereinstimmende Erklärung der Eltern grundsätzlich mit Wirkung für künftige Kalendermonate abzugeben sei. Die Zuordnung könne jedoch auch rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung erfolgen. Sie bat um Einsendung der übereinstimmenden Erklärung hinsichtlich der Prüfung der Kindererziehungszeiten für das Kind B. bis spätestens 30.10.2011.
Mit Schreiben vom 28.10.2011 erklärte der Kläger, die Erklärung bereits im Mai 2011 abgegeben zu haben. Rein vorsorglich erklärten der Kläger und seine Frau im Schreiben erneut, dass die Kindererziehungszeit für das Kind B. dem Kläger zuzuordnen sei. Dasselbe gelte für die anderen Kinder. Eine Rückwirkung der Erklärung sei nicht auf zwei Monate beschränkt, da die Zuordnung zur Mutter im Falle, dass keine Erklärung abgegeben wird, gegen Art. 3 Grundgesetz verstoße, da eine derartige "automatische" Zuordnung zur Mutter die Männer benachteilige, ohne dass hierfür eine ausreichende Rechtfertigung vorliege. Das Schreiben enthielt zwei Unterschriften.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.01.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung zitierte sie im Wesentlichen den Gesetzestext und führte aus, dass die Erziehungszeit nur bei einem Elternteil angerechnet werden könne, wenn sie die Kinder gemeinsam erziehen. Dies gelte auch dann, wenn beide Elternteile gemeinsam die Elternzeit nach den Vorschriften des Bundeserziehungsgeldgesetzes ab dem 01.01.2001 in Anspruch genommen hätten. Grundsätzlich sei die Kindererziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen, der das Kind – nach objektiven Gesichtspunkten betrachtet – überwiegend erzogen habe. Unabhängig hiervon könne man allerdings durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, bei welchem Elternteil die Kindererziehungszeit anerkannt werden solle. Diese Erklärung sei von der Mutter und dem Vater übereinstimmend abzugeben. Eine Erklärung nur durch ein Elternteil sei nicht ausreichend. Die Erklärung sei grundsätzlich mit Wirkung für die künftigen Monate abzugeben. Eine Rückwirkung sei auch für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung möglich. Bei dieser Sach- und Rechtslage sei der Widerspruch zu versagen.
Hiergegen hat der Kläger am 26.01.2012 Klage beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben.
Er wiederholt im Wesentlichen das Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und ist der Auffassung, dass die Erziehungszeiten bei ihm vorzumerken seien.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.09.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2012 zu verurteilen, die Kindererziehungszeiten für die Kinder C. A., D. A. und B. A. bei ihm anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie nimmt auf die Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren Bezug und trägt ergänzend vor, dass bei gemeinsamer Kindererziehung und fehlender, verspäteter oder nicht übereinstimmender Erklärung, die Kindererziehungszeit bei dem Elternteil angerechnet werde, der das Kind überwiegend erzogen habe. Dies habe man nicht im erforderlichen Maß feststellen können. Seien dagegen die Erziehungsbeiträge nach objektiven Maßstäben in etwa gleichwertig, werde die Zeit der Mutter zugeordnet.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichts- sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des §§ 54 Abs. 1, 56 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 09.09.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2012 ist, soweit er die Anerkennung der Kindererziehungszeiten für das Kind B. A. ab dem 01.04.2011 betrifft, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Im Übrigen ist er rechtmäßig.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Vormerkung der Kindererziehungszeiten ist § 149 Abs. 5 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Nach dieser Vorschrift stellt der Versicherungsträger, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat, die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest (sog. Vormerkungsbescheid). Zu den vorzumerkenden, rentenrechtlichen Zeiten zählen unter anderem die Kindererziehungszeiten im Sinne der §§ 54 Abs. 1, 56, 57 SGB VI.
1) Gemäß § 57 Satz 1 SGB VI ist die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit nach § 56 SGB VI auch in dieser Zeit vorliegen. Eine Kindererziehungszeit wird gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI (in der hier anzuwendenden Fassung vom 15.07.2009: im Folgenden a.F.) für einen Elternteil angerechnet, wenn (Nr. 1) die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, (Nr. 2) die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und (Nr. 3) der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist. Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a.F. ist eine Erziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind tatsächlich und gänzlich ohne Mitwirkung anderer Elternteile allein erzogen hat (vgl. Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, § 56 Rn. 32). Haben hingegen mehrere Elternteile das Kind erzogen, ohne dass sie "gemeinsam" erzogen haben, ist nach § 56 Abs. 2 Satz 9 SGB VI a.F. die Erziehungszeit demjenigen zuzuordnen, der das Kind "überwiegend" erzogen hat. Eltern, die beide zusammenwirkend ihr Kind erziehen, können in Ausübung ihrer grundrechtlich geschützten Elternverantwortung den Umfang und die Wertigkeit ihrer Erziehungsbeiträge selbst festlegen und deshalb auch durch übereinstimmende Erklärung im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VI a.F. bestimmen, wem von beiden die Erziehungszeit zuzuordnen ist. Der Rentenversicherungsträger hat dies hinzunehmen. Liegt eine wirksame Erklärung der Eltern nicht vor, bestimmt sich die Zuordnung nach § 56 Abs. 2 Satz 8 und 9 SGB VI a.F. Lediglich wenn die Erziehungsanteile entweder in etwa gleichgewichtig waren, eine überwiegende Erziehung somit nicht feststellbar ist oder sich für die Frage, ob eine überwiegende Erziehung vorlag, ein non liquet ergibt, greift die Regelung des § 56 Abs. 2 Satz 8 SGB VI a.F. ein, nach der die Erziehungszeit der Mutter zuzuordnen ist (vgl. BSG Urt. v. 16.12.1997, Az.: 4 RA 60/97, juris-Rn. 15; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. April 2016 – L 33 R 851/13 –, Rn. 31, juris ; Urt. v. 17.04.2008, Az.: B 13 R 131/07 R, juris-Rn. 11 ff.; Urt. v. 11.05.2011, Az.: B 5 R 22/10 R, juris-Rn. 15; LSG Berlin-Brandenburg Urt. v. 08.06.2007, Az.: L 1 R 1788/05).
Vorliegend beantragte der Kläger am 08.06.2011 die Anerkennung der Erziehungszeiten für die Kinder C. A., geboren 2003, D. A., geboren 2006, und B. A., geboren 2009. Er gab an, dass die Erziehung ununterbrochen von beiden Elternteilen gemeinsam erfolgt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten haben der Kläger und seine Ehefrau bereits im Antrag vom 08.06.2011 von ihrem Recht im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VI a.F. Gebrauch gemacht und eine übereinstimmende Erklärung dahingehend abgegeben, dass die Erziehungszeiten für die Kinder dem Kläger zuzuordnen sind. In dem Antrag auf Feststellung von Kindererziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vom 08.06.2011 gaben sie unter Ziff. 10.2. an, dass die Erziehung ohne Unterbrechung gemeinsam mit dem anderen Elternteil erfolgte, was seine Ehefrau unter Ziff. 10.4 durch ihre Unterschrift bestätigte. Die Angabe wiederholte der Kläger im Schreiben vom 31.08.2011. Im Widerspruchsschreiben vom 25.09.2011 gaben er und seine Ehefrau durch Unterschriften erneut an, die Kinder gemeinsam zu erziehen. Dem stand nicht entgegen, dass der Vordruck der Beklagten V805 nicht ausgefüllt worden ist, da eine Formvorgabe für die Abgabe einer solchen übereinstimmenden Erklärung dem Gesetz nicht zu entnehmen ist und sich insbesondere nicht den § 56 Abs. 2 Satz 7 SGB VI a.F. i.V.m. § 16 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) entnehmen lässt.
2) Aufgrund des Antrags vom 08.06.2011 waren die Kindererziehungszeiten für das Kind B. A., geboren 2009, ab dem 01.04.2011 zu berücksichtigen. Dagegen erfolgte die Antragstellung in Bezug auf die Erziehungszeiten für die Kinder C. A., geboren 2003, D. A., geboren 2006, verfristet.
Die Abgabe einer übereinstimmenden Erklärung der gemeinsam erziehenden Eltern ist im geltenden Recht des § 56 Abs. 2 Satz 4 bis 6 SGB VI a.F. grundsätzlich nur mit Wirkung für künftige Kalendermonate und nur unter besonderen Voraussetzungen ausnahmsweise rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung vorgesehen. Die Erklärung kann nur solange abgegeben werden, wie der vorletzte Kalendermonat der Kindererziehungszeit noch nicht abgelaufen ist, soweit gemäß § 56 Abs. 2 Satz 4 SGB VI eine rückwirkende Zuordnung noch in Betracht kommt, längstens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach dem Ende der Kindererziehungszeit (vgl. Fichte in Hauck/Haines, SGB VI, § 56 Rn 42 m.w.N.). Gemäß § 56 Abs. 5 SGB VI a.F. beginnt die Kindererziehungszeit nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten. Wird während dieses Zeitraums vom erziehenden Elternteil ein weiteres Kind erzogen, für das ihm eine Kindererziehungszeit anzurechnen ist, wird die Kindererziehungszeit für dieses und jedes weitere Kind um die Anzahl an Kalendermonaten der gleichzeitigen Erziehung verlängert.
Die Erklärung vom 08.06.2011 kann demzufolge lediglich rückwirkend bis zum 01.04.2011 gelten. Zu diesem Zeitpunkt sind die 36 Kalendermonate im Sinne des § 56 Abs. 5 SGB VI a.F. für die Kinder C. A., geboren 2003, und D. A., geboren 2006, bereits abgelaufen. Selbst unter Berücksichtigung des Verlängerungstatbestandes des § 56 Abs. 5 Satz 2 SGB VI a.F. sind die Kindererziehungszeiten für die ersten beiden Kinder des Klägers zum Zeitpunkt der Antragstellung bzw. seiner möglichen Rückwirkung von bis zu zwei Monaten abgelaufen.
Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass es auf die vom Kläger geltend gemachten Verfassungswidrigkeit des § 56 Abs. 2 Satz 8 SGB VI a.F. nicht ankam, da die teilweise Klageabweisung aufgrund des Zeitpunkts der Antragstellung erfolgte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Das statthafte Rechtsmittel der Berufung folgt aus den §§ 143 ff. SGG.
Rechtskraft
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