S 20 KR 170/14

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 20 KR 170/14
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 KR 24/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 10/18 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Freistellung von Kosten einer ambulant durchgeführten hyperbaren Sauerstofftherapie (HBO-Therapie).

Der am ... 1972 geborene, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Kläger, erlitt nach einer operativen Korrektur einer Pes cavo-varus Deformität (Hohlfuß) mit Krallenzehenfehlstellung D I bis D V rechts bei hereditärer sensomotorischer Neuropathie beidseits im Städtischen Klinikum D. am 10.01.2014 eine chronische Wundheilungsstörung. Ab dem 22.01.2014 erfolgte dreimal wöchentlich ein Verbandwechsel. Am 15.03.2014 wurde der Kläger erneut stationär im Klinikum D. aufgenommen. Am 19.03.2014 wurde eine Vacuum Assisted Closure-Therapy (VAC) durchgeführt und am 06.04.2014 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen. Da die Wundheilungsstörung fortbestand erfolgten am 25.04.2014 eine erneute Operation und eine VAC-Anlage. Am 14.05.2014 wurde die VAC-Anlage operativ entfernt. Bei bestehender Wundheilungsstörung verließ der Kläger am 21.04.2014 das Krankenhaus auf eigenen Wunsch. In den Arztberichten vom 06.04.2014 und 21.04.2014 war keine Osteomyelitis (infektiöse Entzündung des Knochenmarks) diagnostiziert.

Der Kläger begab sich in die Wundambulanz des Diakonissenkrankenhauses D ... Bei verschlechterter Wundsituation erfolgten eine Nekrosektomie und eine Wundrevision. Im Abstrich stellte sich eine Persistenz einer Staphylococcus-aureus-Infektion dar. Im Entlassungsbericht vom 21.05.2014 diagnostizierte das Städtische Klinikum D. erstmals eine Osteomyelitis. Das Diakonissenkrankenhaus D. führte daraufhin eine stationäre Sauerstofftherapie durch, die Erfolg zeigte. Am 18.06.2014 beantragte der Kläger die ambulante Fortführung der Sauerstofftherapie. Der behandelnde Arzt im Diakonissenkrankenhaus Dr. W. beantragte für den Kläger mit Schreiben vom 27.06.2014 die ambulante Sauerstofftherapie. Die Antibiotikatherapie führe nach Dr. W. in 40 % der Fälle in sechs Wochen zu einer Multiresistenz. Die beim Kläger nachgewiesene Staphylococcus aureus Infektion sei einem Diabetischen Fußsyndrom bei bestehender Neuropathie gleichzusetzen. Bei Vorliegen von Wagner 3 und 4 sei bei dieser Indikation die ambulante Sauerstofftherapie zugelassen.

Die Beklagte übersandte am 27.06.2014 dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) die Befunde des Klägers mit der Bitte um Prüfung, ob die Kostenübernahme der topischen Sauerstofftherapie erklärt werden könne.

Bei der Entlassung aus dem Diakonissenkrankenhaus D. am 30.06.2014 war die Wunde deutlich verkleinert und die Bildung von Granulationsgewebe war deutlich fortgeschritten.

Mit Schreiben vom 01.07.2014 teilte die Beklagte dem behandelnden Arzt per Fax mit, dass der MDK die ambulante Behandlung als medizinisch nicht begründet ansieht und ein ausführliches Ergebnis nachgereicht werde.

Ab dem 01.07.2014 erhielt der Kläger zur Durchführung der ambulanten Sauerstofftherapie eine Kontrolleinheit mit Sauerstoffkonzentrator sowie sog. Hyper Boot zur Miete für 45 Tage.

Mit Bescheid vom 08.07.2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme gegenüber dem Kläger ausdrücklich unter Hinweis auf die Ausführungen des MDK mit Gutachten vom 30.06.2014 ab. Danach seien Therapiealternativen (Wundreinigung, Dekontamination, chirurgisches Wunddebridement, Wundauflagen und topische Anwendungen im Rahmen der feuchten Wundbehandlung, entsprechende Lagerung, Einsatz von Lymphdrainagen und nach Abstrich und Antibiogramm der Einsatz von lokalen bzw. systemischen Antibiotika) gegeben.

Hiergegen erhob der Kläger am 15.07.2014 Widerspruch. Im Städtischen Klinikum D. sei ihm wiederholt erfolglos Antibiotika verabreicht worden. In den zunächst übergebenen Arztberichten sei kein Hinweis auf die bestehende Osteomyelitis enthalten gewesen. Seit dem 22.05.2014 habe er sich bei Dr. W. im Diakonissenkrankhaus in Behandlung befunden. Durch seinen Hausarzt habe er von einem weiteren Entlassungsbericht erfahren. Aus diesem Bericht vom 21.05.2014 ergäbe sich erstmals die Diagnose Osteomyelitis. Nach Unterrichtung des nunmehr behandelnden Arztes Dr. W. und weiteren Untersuchungen habe er im Diakonissenkrankenhaus eine Sauerstofftherapie begonnen. Mit dieser habe sich nach einigen Tagen bereits eine deutliche Verbesserung der Wundverhältnisse gezeigt. Für den Kläger sei nicht nachvollziehbar, dass die teurere Antibiotikatherapie bezahlt werde, die erfolgreiche Sauerstofftherapie nicht. Sollte die Antibiotikatherapie nicht erfolgreich sein, drohe der Verlust des Fersenbeines. Da bei einem Diabetischen Fußsyndrom bei Wagner 3-4 eine Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Sauerstofftherapie vorgesehen sind und seine Erkrankung diesem Krankheitsbild entspräche, seien die Kosten zu übernehmen.

Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte erneut eine Stellungnahme des MDK ein. Mit Gutachten vom 21.07.2014 wies der Gutachter darauf hin, dass Therapiealternativen bestünden. Zudem handele es sich um eine "Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode". Eine Empfehlung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) läge nicht vor. Auch handele es sich nicht um eine lebensbedrohliche, regelmäßig tödliche oder gleichgestellte Erkrankung, so dass auch nicht die Kriterien des § 2 Abs. 1 a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erfüllt seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und verwies auf die Begründungen der MDK-Gutachten.

Hiergegen hat der Kläger am 16.10.2014 Klage zum erkennenden Gericht erhoben und ausgeführt, es bestünde ein Anspruch auf Kostenübernahme nach § 13 Abs. 1 SGB V. Zugleich legte der Kläger ein Kostenangebot der Firma e. vom 04.08.2014 über eine Mietgebühr für eine Kontrolleinheit zur Durchführung einer topischen Sauerstofftherapie für 45 Tage über brutto 5.355,00 EUR vor.

Der Kläger beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 08. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2014 aufzuheben und

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn von den Kosten für die durchgeführte topische Sauerstofftherapie auf der Grundlage des Kostenangebotes vom 04. August 2014 der e. freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertieft ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsbescheid und verweist darauf, erst mit Bescheid vom 08.07.2014 den Leistungsantrag abgelehnt zu haben.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG), gerichtet auf Freistellung, ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 08.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage des Kostenfreistellungsanspruchs ist § 13 Abs. 3 S. 1 Fall 2 SGB V. Die Rechtsnorm bestimmt: "Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war." Ein Anspruch auf Kostenerstattung ist demnach nur gegeben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. zum Ganzen: BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25): Bestehen eines Primärleistungs-(Naturalleistungs-)anspruchs des Versicherten und dessen rechtswidrige Nichterfüllung, Ablehnung der Naturalleistung durch die KK, Selbstbeschaffung einer entsprechenden Leistung durch den Versicherten, Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung, Notwendigkeit der selbst beschafften Leistung und (rechtlich wirksame) Kostenbelastung durch die Selbstbeschaffung.

1.

Hier fehlt es bereits an einem Primärleistungs- (Naturalleistungs-)anspruch. Der Kostenfreistellungsanspruch nach § 13 Abs. 3 S. 1 Fall 2 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN). Der Kläger hatte keinen Anspruch gegen die Beklagte auf eine ambulante Behandlung seiner Wundheilungsstörung bei bestehender Osteomyelitis mit HBO.

a) Die Beklagte war nach § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB V dem Kläger zur Gewährung ärztlicher Behandlung verpflichtet, die vom Anspruch auf Krankenbehandlung umfasst ist. Versicherte wie der Kläger haben gemäß § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit - hier die bestehende Osteomyelitis - zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.

Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt allerdings den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die KKn sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn eine begehrte Therapie nach eigener Einschätzung des Klägers oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der GKV umfasst sein. Dies ist bei - wie hier - neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V grundsätzlich nur dann der Fall, wenn zunächst der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat und der Bewertungsausschuss sie zudem zum Gegenstand des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM) gemacht hat (vgl. zB BSG, Urteil vom 07.05.2013, B 1 KR 44/12 – zitiert nach juris). Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 iVm § 135 Abs. 1 SGB V wird nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der KKn erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den KKn geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl. BSG, a.a.O.).

Die Richtlinien des GBA sind in der Rechtsprechung des BSG seit Langem als untergesetzliche Rechtsnormen anerkannt. Ihre Bindungswirkung gegenüber allen Systembeteiligten steht außer Frage (vgl. BSG, a.a.O.). Das BSG zieht die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel. Es behält sich aber vor, die vom GBA erlassenen, im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden normativen Regelungen formell und auch inhaltlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte, wenn und soweit hierzu aufgrund hinreichend substantiierten Beteiligtenvorbringens konkreter Anlass besteht (stRspr).

Die Behandlung mit hyperbarem Sauerstoff bei Osteomyelitis ist eine ärztliche "Behandlungsmethode" im Sinne der GKV. Ärztliche "Behandlungsmethoden" im Sinne der GKV sind nämlich medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll. Die Methode ist auch "neu", weil sie zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im EBM enthalten war. Als nicht vom GBA empfohlene neue - sogar durch Beschluss vom 11.4.2000 (Zusammenfassender Bericht des Arbeitsausschusses "Ärztliche Behandlung" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Beratungen der Jahre 1999 und 2000 zur Bewertung der Hyperbaren Sauerstofftherapie gemäß §135 Abs.1 SGB V) explizit von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossene - Methode ist die ambulante HBO-Therapie grundsätzlich kein Leistungsgegenstand der GKV.

b) Die ambulante adjuvante Behandlung der Osteomyelitis nach Ausschöpfung der Standardtherapie mit HBO im Jahre 2014 ist nicht als Ausnahmefall wegen Systemversagens in den GKV-Leistungskatalog einbezogen. Zu einem Systemversagen kann es kommen, wenn das Verfahren vor dem GBA von den antragsberechtigten Stellen oder dem GBA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß betrieben wird und dies auf eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit oder Verfahrensverzögerung zurückzuführen ist (vgl BSG, Urteil vom 07.05.2013, Az. B 1 KR 44/12 R – zitiert nach juris) In einem derartigen Fall widersprechen die einschlägigen RL einer den Anforderungen des Qualitätsgebots (§ 2 Abs. 1 S. 3 SGB V) genügenden Krankenbehandlung. Es fordert, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen haben, welche sich wiederum in zuverlässigen, wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen niedergeschlagen haben, und den medizinischen Fortschritt berücksichtigen müssen. Anders als in der Entscheidung des BSG vom 07.05.2013 (Az. B 1 KR 44/12 R) lagen dem GDB keine Erkenntnisse aus einem Verfahren nach § 137c SGB V vor, die auch im Rahmen des § 135 Abs. 1 SGB V nutzbar wären. Vielmehr hat der GBA mit Beschluss vom 18.10.2007 ausdrücklich die indikationsbezogene Beratung gem. § 137 c SGB V zum Thema Hyperbare Sauerstofftherapie bis auf die Indikationen diabetisches Fußsyndrom, Brandwunden und idiopathische Femurkopfnekrose eingestellt. Sektorenübergreifende Erkenntnisse im Verfahren nach § 137 c SGB V lagen – anders als beim Diabetischen Fußsyndrom in Stadium Wagner ab III – nicht vor, so dass aus diesem Grund vom GBA keine Empfehlung nach § 135 Abs. 1 SGB V hätte ausgesprochen werden müssen.

c) Ein Leistungsanspruch ergibt sich für den Kläger auch nicht entsprechend der – nunmehr mit Wirkung vom 1. Januar 2012 in § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V kodifizierten – Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Vorliegen einer notstandsähnlichen Krankheitssituation, in der mit hoher Wahrscheinlichkeit der Verlust des Lebens, eines wichtigen Organs bzw. einer herausgehobenen Körperfunktion zu befürchten ist. Danach darf der Versicherte in Fällen, in denen eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende bzw. wertungsmäßig vergleichbare Krankheit vorliegt und eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, nicht von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode ausgeschlossen werden, wenn diese eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bietet (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98SozR 4-2500 § 27 Nr. 5).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die beim Kläger diagnostizierte Wundheilungsstörung mit bestehender Ostoemyelitis stellt keine potentiell lebensbedrohliche oder wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung dar. Eine akute Lebensgefahr wird weder vorgetragen noch behauptet. Auch eine konkrete Gefahr in absehbarer Zeit an dieser Erkrankung zu versterben, hat weder der behandelnde Arzt Dr. W., noch die Gutachter des MDK behauptet. Als wertungsgemäß vergleichbar schwer wird eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung wie der Verlust eines wichtigen Sinnenorganes (akut drohende Erblindung) oder einer herausgehobenen Körperfunktion in einer kürzeren, überschaubaren Zeit mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (Scholz, in Becker/Kingreen, SGB V Kommentar, 3. Aufl., § 2, Rdnr. 5). Auch der Verlust einer herausgehobenen Körperfunktion war nicht mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Dr. W. teilte mit, dass in 40 % der Fälle sich eine Multiresistenz bei der Antibiotikatherapie zeige. Der Eintritt dieser Multiresistenz ist damit nicht überwiegend wahrscheinlich gewesen.

Zudem bestehen zur Behandlung der Wundheilungsstörung bei Osteomyelitis allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende und auch vertretbare Behandlungsmethoden, die den Anspruch auf Leistung einer Sauerstofftherapie ausschließen. Insoweit folgt die Kammer den Gutachten des MDK Dr. med. H. und Dr. med. H. A. vom 30.06.2014 und vom 21.07.2014. Hierin haben die Dres. H. und A. nachvollziehbar dargelegt, dass angesichts der vorliegenden klinischen Situation einer chronischen Wundheilungsstörung nach operativer Korrektur einer Pes cavo-varus Deformität mit Krallenzehenfehlstellung D I bis D V rechts bei hereditärer sensomotorischer Neuropathie beidseits vertragliche Maßnahmen zur Wundbehandlung (Wundreinigung, Dekontamination, chirurgisches Wunddebridement, Wundauflagen und topische Anwendungen im Rahmen der feuchten Wundbehandlung, entsprechende Lagerung, Einsatz von Lymphdrainagen und nach Abstrich und Antibiogramm der Einsatz von lokalen bzw. systemischen Antibiotika) noch nicht ausgeschöpft waren.

2.

Scheitert eine Kostenerstattung damit schon aus den vorgenannten Gründen, kann dahinstehen, ob ein solcher Anspruch darüber hinaus auch wegen der nicht den Anforderungen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) genügenden Rechnung/Kostenangebot vom 04.08.2014 ausscheidet (unzulässiges Pauschalhonorar) bzw. ob der Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung bestand (Einhaltung des Beschaffungsweges).

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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