Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 1173/96 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 638/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28. Juli 1999 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 27. Oktober 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. April 1996 abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der 1939 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. Er wohnt seit August 1992 wieder in seinem Heimatland (Bosnien und Herzegowina, Serbische Republik). Er war vom 07.04.1970 bis zum 31.07.1992 in Deutschland als Bauarbeiter tätig. Im früheren Jugoslawien hat er keine Versicherungszeiten zurückgelegt.
Am 16.06.1994 stellte der Kläger Antrag auf Rentenleistungen bei der Beklagten, weil er krank und arbeitsunfähig geworden sei. Die Beklagte unterrichtete den Kläger zunächst mit Bescheid vom 20.07.1994 über die nachgewiesenen Versicherungszeiten und führte am 05.09.1994 ein zweites Kontenklärungsverfahren unter Beteiligung der Landesversicherungsanstalt Baden durch. Die vom Kläger dabei behauptete Zeit einer Arbeitsunfähigkeit vom 01.08. bis 31.12.1992 konnte die um Auskunft gebetene Ortskrankenkasse Mosbach (Neckar-Odenwald-Kreis) nicht bestätigen.
Mit Bescheid vom 27.10.1995 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit ab, weil bezogen auf den Antrag vom 01.07.1994 weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorliege. Den hiergegen vom Kläger erhobenen Widerspruch wies die Beklagte nach ärztlicher Prüfung mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.1996 zurück.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) mit der Begründung erhoben, dass sich in den letzten beiden Jahren sein Gesundheitszustand sehr verschlechtert habe.
Das SG hat Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.H. (vom 22.01.1999) und des Internisten Dr.R. (vom 01.02.1999) eingeholt. Danach könne der Kläger wegen einer Halbseitenlähmung rechts auf der Basis eines Infarktgeschehens ab März 1998 keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten.
Durch Urteil vom 28. Juli 1999 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.10.1995/Widerspruchsbescheides vom 04.04.1996 verurteilt, dem Kläger unter "Anerkennung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit", die am 18.03.1998 eingetreten ist, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu zahlen. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hat das SG angenommen, weil der Kläger die Entrichtung freiwilliger Beiträge ab August 1992 wegen fehlerhafter Information der LVA Baden im Zusammenhang mit dem Kontenklärungsbescheid vom 08.10.1985 unterlassen habe (sozialrechtlicher Herstellungsanspruch i.V.m. §§ 44, 240, 241 SGB VI).
Hiergegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und einen ursächlichen Zusammenhang zwischen unterlassener Beitragszahlung und möglicher mangelhafter Aufklärung 1995 bestritten.
Das LSG hat Auskünfte bei der Krankenversicherung und der Arbeitsverwaltung eingeholt, aus denen sich ergab, dass der Kläger im Sommer 1992 weder krank noch arbeitslos gemeldet war. Der Sachverständige Dr.H. hat in einem Ergänzungsgutachten vom 29.05.2000 eine maßgebliche Minderung des Leistungsvermögens des Klägers vor März 1998 sowie eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit von August 1992 bis zur Rentenantragstellung im Jahre 1995 verneint.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28. Juli 1999 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 27. Oktober 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. April 1996 abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28. Juli 1999 zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Akten erster und zweiter Instanz sowie der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß §§ 43, 44 Abs.1 Nr.2 SGB VI sind nicht erfüllt. Pflichtbeiträge im Umfang von 36 Monaten liegen zuletzt innerhalb eines Zeitraums vom 31.07.1989 bis 31.07.1994 vor. Die sog. versicherungsfallnahe Belegungsdichte ist durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I, Bl.1532) eingeführt worden. Der Senat hält diese Regelung in ständiger eigener Rechtsprechung und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des 16. und 18. Senats des Bayer. Landessozialgerichts, wie auch des 13. Senats des BSG (Urteil vom 11. Mai 2000, Az.: B 13 RJ 85/98) nicht für verfassungswidrig. Dies auch dann nicht, wenn ein im Ausland lebender Versicherter über die Neuregelung in Unkenntnis geblieben ist oder an der Entrichtung freiwilliger Beiträge nach dem Recht seines Heimatlandes gehindert oder die Beitragsentrichtung aufgrund der dortigen wirtschaftlichen Verhältnisse unzumutbar war.
Demnach kann der Kläger Rente nur dann beanspruchen, wenn
a) die letzten fünf Jahre vor dem Eintritt der Berufs- bzw. Er- werbsunfähigkeit mit mindestens drei Jahren Pflichtbeitrags- zeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit be- legt sind (§§ 43 Abs.1 Nr.2, Abs.3, 44 Abs.11 Nr.2, Abs.4 SGB VI) oder
b) die Zeit ab 01.01.1984 bis zum Eintritt von Berufs- bzw. Er- werbsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten voll be- legt ist oder noch belegbar wäre (§§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI) oder
c) die Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines die all- gemeine Wartezeit erfüllenden Tatbestandes eingetreten ist, (§§ 53, 43 Abs.4, 44 Abs.4 SGB VI) oder
d) der Leistungsfall spätestens im Jahre 1984 eingetreten ist (§§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI).
Die Sachverständigen Dres. H. und R. haben überzeugend festgestellt, dass der Kläger ab März 1998 keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten konnte. Bis zu diesem Zeitpunkt war er jedoch in der Lage, mit Einschränkungen vollschichtig leichte Arbeiten auf dem für ihn maßgeblichen allgemeinem Arbeitsmarkt zu verrichten. Deswegen scheidet für die Zeit bis Februar 1998 auch die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus. Der Kläger war als Bauarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt und muß sich auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen. Die qualitative Bewertung seiner Beschäftigung kann nach dem vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschema allenfalls im Bereich der Anlernebene erfolgen. Der Anspruch auf Zahlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit scheidet daher gem. § 43 Abs. 2 SGb VI aus, selbst wenn der Kläger bereits vor März 1998 den früheren Beruf des Bauarbeiters von seinem Leistungsvermögen her nicht mehr hätte ausüben können.
Im Juli 1994, als die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach Alternative a) oben noch bestanden hatten, haben - wie zum Teil oben bereits ausgeführt - die medizinischen Voraussetzungen des Versicherungsfalls nicht vorgelegen. Eine Streckung des Zeitrahmens um Zeiten ab August 1994 (Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit im Anschluß an die Arbeitsaufgabe) ist weder tatsächlich nachgewiesen noch durch rückschauende medizinische Einschätzung (Ergänzungsgutachten Dr. H.) anzunehmen. Die jugoslawischen Ärzte kamen in ihrem Gutachten vom 18.09. 1995 vielmehr zu dem Ergebnis, der Kläger könne noch vollschichtig tätig sein. Dies bestätigten auch Dr. D. , Medizinalreferent der Beklagten, in seiner Stellungnahme vom 16.10. 1995 wie auch beide gerichtlichen Sachverständigen.
Entgegen der Rechtsansicht des SG erfüllt der Kläger bei Zugrundelegung eines medizinischen" Versicherungsfalles vom 18.03.1998 nicht aufgrund der Sonderregelungen des Rentenreformgesetzes 1992 ( Neufassung der Übergangsregelungen des Haushaltsbegleitgesetz 1984 ) die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen in Verbindung mit einer lückenlosen Belegung bis März 1998 (Alternative b) 2. Halbsatz oben, §§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI), weil die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruch vorliegen würden. Dieses von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut ist auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger die ihm aus dem Versicherungsverhältnis erwachsenden Pflichten, insbesondere zur Betreuung und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte und deshalb kausal eine für den Versicherten nachteilige Rechtsfolge eintritt ( ständige Rechtsprechung: vgl. BSG, SozR 1200 § 14 SGB I Nr. 9; BSG, Urteil vom 29.10.1991, 13/5 RJ 38/89). In der Regel wird die Beratungspflicht durch ein entsprechendes Begehren ausgelöst. Aber auch wenn dieses nicht vorliegt, ist der Versicherungsträger gehalten, die Versicherten bei Vorliegen eines konkreten Anlasses auf klar zutage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und die von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt werden ( BSG, SozR Nr. 3 zu § 1233 RVO; BSG SozR 1200 § 14 SGB I Nr. 15 = Breith. 1984, 399 und 25; SozR 3-1200 § 14 SGB I Nr. 5 und Nr. 6). Ein solcher konkreter Anlaß kann sich nach der Rechtsprechung des BSG aus einem laufenden Beitrags- oder Rentenfeststellungsverfahren (vgl. BSGE 46, 124, 126; BSG SozR 5750 Art. 2 § 6 Nr. 4) oder nach dem erfolglosen Abschluß eines Rentenverfahrens bzw. eines Rechtsstreits über die beanspruchte Rente ergeben (BSGE 41, 126, 128 ; BSG, Urteil v. 23.04.1990, 5 RJ 65/89). Wie die Beklagte zu Recht ausgeführt hat, bestand anlässlich der Übersendung des Versicherungsverlaufes am 18.10.1985 kein konkreter Anlass auf die Gestaltungsmöglichkeit der freiwilligen Versicherung hinzuweisen. Gefragt hatte der Kläger danach auch nicht. Eine Ursächlichkeit zwischen behördlichem Verhalten (der LVA Baden) und unterbliebener Disposition des Klägers (freiwillige Weiterversicherung) ist erst recht nicht erkennbar, denn der Kläger war vom 07.04.1970 bis zum 31.07.1992 als Bauarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt und daher allenfalls zur Höherversicherung berechtigt gewesen. Dass der Kläger anlässlich seiner Rückkehr in seine Heimat im August 1992 fehlerhaft beraten worden wäre, läßt sich nicht beweisen. Er war weder beim Arbeitsamt noch bei der Beklagten selbst vorstellig geworden. Eine Beratung ohne Verfahrenskontakt (zugehende Verpflichtung der Beklagten z.B. nach § 115 Abs. VI) ist weder erkennbar noch angezeigt. Die Antragstellung durch den Kläger genau vor Entstehung einer Versicherungslücke von zwei Jahren deutet eher auf dessen positives Wissen um die Notwendigkeit einer Aufrechterhaltung seines Versicherungsschutzes für die Zahlung einer Rente wegen verminderter Erwerbsunfähigkeit hin.
Die Annahme eines Härtefalles (§§ 197, 198 SGB VI - anwendbar gem. § 300 Abs. SGB VI) als weiterer Möglichkeit der Sicherung von Anwartschaften und zum Schutz vor einem Verlust von Beitragszeiten ist nicht angezeigt. Die Rechtsprechung hat die Regelung der Befristung zur Nachzahlung freiwilliger Beiträge bereits früher unter der Geltung des § 1418 RVO im Grundsatz nicht beanstandet (vgl BVerfGE 75, 78 = SozR 2200 § 1246 Nr. 142 = NZA 1988, 139; BSGE 66, 129 = SozR 2200 § 1418 Nr. 11). In Grenzfällen hat sie jedoch eine fristwahrende Bereiterklärung iSd § 1420 Abs. 1 Nr. 2 RVO (§ 142 Abs 1 Nr 2 AVG) gelten lassen (BSGE aa0) oder einen Herstellungsanspruch bejaht (BSG SozR 3 - 1200 § 14 Nr 5). Nunmehr hat der Gesetzgeber diese Regelung aber entschärft und im Hinblick auf die Anwartschaftserhaltungszeiten (§ 240 Abs. 2, § 241 Abs. 2) die Zahlung der Beiträge noch bis zum Ende des ersten Vierteljahres im Folgejahr zugelassen. Auch diese Frist des § 197 Abs. 2 hat der Kläger versäumt, wie er auch insgesamt eine Nachentrichtung nicht beantragt hat.
Die Härteregelung nach § 197 Abs. 3 kommt zwar in Betracht, wenn die rechtzeitige Zahlung zahlreicher Beiträge unterblieben ist und Rente in erheblicher Höhe auf dem Spiel steht. Ferner ist ein Fehlverhalten des Versicherungsträgers - hier nicht ersichtlich, insbesondere weil ein Hinweis bei der Antragstellung schon nicht mehr zur Schließung der Versicherungslücke vom August 1992 bis Januar 1994 hätte führen können - von Bedeutung (Kasskom - Niesel - § 197, RdNr 19). Es muß sich jedoch insgesamt gesehen immer um Fälle handeln, in denen es besonders hart ist, es beim Ablauf der Fristen nach Abs. 1, 2 zu belassen. Daher ist die Schuldlosigkeit des Versicherten an der unterbliebenen Zahlung von Beiträgen nach Ablauf der Fristen eine weitere Voraussetzung. Schuldhaft verhält sich der Versicherte bei Vorsatz und Fahrlässigkeit, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht läßt (vgl § 276 Abs 1 S 1, 2 BGB). Rechtsunkenntnis oder wirtschaftliche Schwierigkeiten, die Beiträge rechtzeitig aufzubringen, können idR die Schuldlosigkeit nicht begründen. Bei Abwägung zwischen dem durch den Verlust von Beitragszeiten drohenden Nachteil, Art und Ausmaß des Fehlverhaltens des Versicherungsträgers sowie der Sorgfaltspflichtverletzung des Versicherten und deren Ausmaß nimmt der Senat keinen Härtefall an. Der Versicherte hat es verabsäumt, sich genau zu erkundigen und irrtümlich auf das Vorliegen eines Versicherungsfalles nach zweijähriger Unterbrechung des Versicherungsschutzes vertraut. Die Nachholung der Beitragszahlung, die in einem besonderen Verwaltungsverfahren stattfindet, ist daher nicht zu veranlassen; zumal nach den oben angeführten Sonderregelungen des Rentenreformgesetzes 1992 Beiträge tatsächlich nicht mehr entrichtet werden müssen.
Nach alledem besteht kein Anspruch des Klägers. Die Entscheidung des SG war daher aufzuheben und der Berufung stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 163 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der 1939 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. Er wohnt seit August 1992 wieder in seinem Heimatland (Bosnien und Herzegowina, Serbische Republik). Er war vom 07.04.1970 bis zum 31.07.1992 in Deutschland als Bauarbeiter tätig. Im früheren Jugoslawien hat er keine Versicherungszeiten zurückgelegt.
Am 16.06.1994 stellte der Kläger Antrag auf Rentenleistungen bei der Beklagten, weil er krank und arbeitsunfähig geworden sei. Die Beklagte unterrichtete den Kläger zunächst mit Bescheid vom 20.07.1994 über die nachgewiesenen Versicherungszeiten und führte am 05.09.1994 ein zweites Kontenklärungsverfahren unter Beteiligung der Landesversicherungsanstalt Baden durch. Die vom Kläger dabei behauptete Zeit einer Arbeitsunfähigkeit vom 01.08. bis 31.12.1992 konnte die um Auskunft gebetene Ortskrankenkasse Mosbach (Neckar-Odenwald-Kreis) nicht bestätigen.
Mit Bescheid vom 27.10.1995 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit ab, weil bezogen auf den Antrag vom 01.07.1994 weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorliege. Den hiergegen vom Kläger erhobenen Widerspruch wies die Beklagte nach ärztlicher Prüfung mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.1996 zurück.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) mit der Begründung erhoben, dass sich in den letzten beiden Jahren sein Gesundheitszustand sehr verschlechtert habe.
Das SG hat Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.H. (vom 22.01.1999) und des Internisten Dr.R. (vom 01.02.1999) eingeholt. Danach könne der Kläger wegen einer Halbseitenlähmung rechts auf der Basis eines Infarktgeschehens ab März 1998 keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten.
Durch Urteil vom 28. Juli 1999 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.10.1995/Widerspruchsbescheides vom 04.04.1996 verurteilt, dem Kläger unter "Anerkennung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit", die am 18.03.1998 eingetreten ist, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu zahlen. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hat das SG angenommen, weil der Kläger die Entrichtung freiwilliger Beiträge ab August 1992 wegen fehlerhafter Information der LVA Baden im Zusammenhang mit dem Kontenklärungsbescheid vom 08.10.1985 unterlassen habe (sozialrechtlicher Herstellungsanspruch i.V.m. §§ 44, 240, 241 SGB VI).
Hiergegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und einen ursächlichen Zusammenhang zwischen unterlassener Beitragszahlung und möglicher mangelhafter Aufklärung 1995 bestritten.
Das LSG hat Auskünfte bei der Krankenversicherung und der Arbeitsverwaltung eingeholt, aus denen sich ergab, dass der Kläger im Sommer 1992 weder krank noch arbeitslos gemeldet war. Der Sachverständige Dr.H. hat in einem Ergänzungsgutachten vom 29.05.2000 eine maßgebliche Minderung des Leistungsvermögens des Klägers vor März 1998 sowie eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit von August 1992 bis zur Rentenantragstellung im Jahre 1995 verneint.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28. Juli 1999 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 27. Oktober 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. April 1996 abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28. Juli 1999 zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Akten erster und zweiter Instanz sowie der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß §§ 43, 44 Abs.1 Nr.2 SGB VI sind nicht erfüllt. Pflichtbeiträge im Umfang von 36 Monaten liegen zuletzt innerhalb eines Zeitraums vom 31.07.1989 bis 31.07.1994 vor. Die sog. versicherungsfallnahe Belegungsdichte ist durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I, Bl.1532) eingeführt worden. Der Senat hält diese Regelung in ständiger eigener Rechtsprechung und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des 16. und 18. Senats des Bayer. Landessozialgerichts, wie auch des 13. Senats des BSG (Urteil vom 11. Mai 2000, Az.: B 13 RJ 85/98) nicht für verfassungswidrig. Dies auch dann nicht, wenn ein im Ausland lebender Versicherter über die Neuregelung in Unkenntnis geblieben ist oder an der Entrichtung freiwilliger Beiträge nach dem Recht seines Heimatlandes gehindert oder die Beitragsentrichtung aufgrund der dortigen wirtschaftlichen Verhältnisse unzumutbar war.
Demnach kann der Kläger Rente nur dann beanspruchen, wenn
a) die letzten fünf Jahre vor dem Eintritt der Berufs- bzw. Er- werbsunfähigkeit mit mindestens drei Jahren Pflichtbeitrags- zeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit be- legt sind (§§ 43 Abs.1 Nr.2, Abs.3, 44 Abs.11 Nr.2, Abs.4 SGB VI) oder
b) die Zeit ab 01.01.1984 bis zum Eintritt von Berufs- bzw. Er- werbsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten voll be- legt ist oder noch belegbar wäre (§§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI) oder
c) die Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines die all- gemeine Wartezeit erfüllenden Tatbestandes eingetreten ist, (§§ 53, 43 Abs.4, 44 Abs.4 SGB VI) oder
d) der Leistungsfall spätestens im Jahre 1984 eingetreten ist (§§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI).
Die Sachverständigen Dres. H. und R. haben überzeugend festgestellt, dass der Kläger ab März 1998 keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten konnte. Bis zu diesem Zeitpunkt war er jedoch in der Lage, mit Einschränkungen vollschichtig leichte Arbeiten auf dem für ihn maßgeblichen allgemeinem Arbeitsmarkt zu verrichten. Deswegen scheidet für die Zeit bis Februar 1998 auch die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus. Der Kläger war als Bauarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt und muß sich auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen. Die qualitative Bewertung seiner Beschäftigung kann nach dem vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschema allenfalls im Bereich der Anlernebene erfolgen. Der Anspruch auf Zahlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit scheidet daher gem. § 43 Abs. 2 SGb VI aus, selbst wenn der Kläger bereits vor März 1998 den früheren Beruf des Bauarbeiters von seinem Leistungsvermögen her nicht mehr hätte ausüben können.
Im Juli 1994, als die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach Alternative a) oben noch bestanden hatten, haben - wie zum Teil oben bereits ausgeführt - die medizinischen Voraussetzungen des Versicherungsfalls nicht vorgelegen. Eine Streckung des Zeitrahmens um Zeiten ab August 1994 (Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit im Anschluß an die Arbeitsaufgabe) ist weder tatsächlich nachgewiesen noch durch rückschauende medizinische Einschätzung (Ergänzungsgutachten Dr. H.) anzunehmen. Die jugoslawischen Ärzte kamen in ihrem Gutachten vom 18.09. 1995 vielmehr zu dem Ergebnis, der Kläger könne noch vollschichtig tätig sein. Dies bestätigten auch Dr. D. , Medizinalreferent der Beklagten, in seiner Stellungnahme vom 16.10. 1995 wie auch beide gerichtlichen Sachverständigen.
Entgegen der Rechtsansicht des SG erfüllt der Kläger bei Zugrundelegung eines medizinischen" Versicherungsfalles vom 18.03.1998 nicht aufgrund der Sonderregelungen des Rentenreformgesetzes 1992 ( Neufassung der Übergangsregelungen des Haushaltsbegleitgesetz 1984 ) die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen in Verbindung mit einer lückenlosen Belegung bis März 1998 (Alternative b) 2. Halbsatz oben, §§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI), weil die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruch vorliegen würden. Dieses von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut ist auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger die ihm aus dem Versicherungsverhältnis erwachsenden Pflichten, insbesondere zur Betreuung und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte und deshalb kausal eine für den Versicherten nachteilige Rechtsfolge eintritt ( ständige Rechtsprechung: vgl. BSG, SozR 1200 § 14 SGB I Nr. 9; BSG, Urteil vom 29.10.1991, 13/5 RJ 38/89). In der Regel wird die Beratungspflicht durch ein entsprechendes Begehren ausgelöst. Aber auch wenn dieses nicht vorliegt, ist der Versicherungsträger gehalten, die Versicherten bei Vorliegen eines konkreten Anlasses auf klar zutage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und die von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt werden ( BSG, SozR Nr. 3 zu § 1233 RVO; BSG SozR 1200 § 14 SGB I Nr. 15 = Breith. 1984, 399 und 25; SozR 3-1200 § 14 SGB I Nr. 5 und Nr. 6). Ein solcher konkreter Anlaß kann sich nach der Rechtsprechung des BSG aus einem laufenden Beitrags- oder Rentenfeststellungsverfahren (vgl. BSGE 46, 124, 126; BSG SozR 5750 Art. 2 § 6 Nr. 4) oder nach dem erfolglosen Abschluß eines Rentenverfahrens bzw. eines Rechtsstreits über die beanspruchte Rente ergeben (BSGE 41, 126, 128 ; BSG, Urteil v. 23.04.1990, 5 RJ 65/89). Wie die Beklagte zu Recht ausgeführt hat, bestand anlässlich der Übersendung des Versicherungsverlaufes am 18.10.1985 kein konkreter Anlass auf die Gestaltungsmöglichkeit der freiwilligen Versicherung hinzuweisen. Gefragt hatte der Kläger danach auch nicht. Eine Ursächlichkeit zwischen behördlichem Verhalten (der LVA Baden) und unterbliebener Disposition des Klägers (freiwillige Weiterversicherung) ist erst recht nicht erkennbar, denn der Kläger war vom 07.04.1970 bis zum 31.07.1992 als Bauarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt und daher allenfalls zur Höherversicherung berechtigt gewesen. Dass der Kläger anlässlich seiner Rückkehr in seine Heimat im August 1992 fehlerhaft beraten worden wäre, läßt sich nicht beweisen. Er war weder beim Arbeitsamt noch bei der Beklagten selbst vorstellig geworden. Eine Beratung ohne Verfahrenskontakt (zugehende Verpflichtung der Beklagten z.B. nach § 115 Abs. VI) ist weder erkennbar noch angezeigt. Die Antragstellung durch den Kläger genau vor Entstehung einer Versicherungslücke von zwei Jahren deutet eher auf dessen positives Wissen um die Notwendigkeit einer Aufrechterhaltung seines Versicherungsschutzes für die Zahlung einer Rente wegen verminderter Erwerbsunfähigkeit hin.
Die Annahme eines Härtefalles (§§ 197, 198 SGB VI - anwendbar gem. § 300 Abs. SGB VI) als weiterer Möglichkeit der Sicherung von Anwartschaften und zum Schutz vor einem Verlust von Beitragszeiten ist nicht angezeigt. Die Rechtsprechung hat die Regelung der Befristung zur Nachzahlung freiwilliger Beiträge bereits früher unter der Geltung des § 1418 RVO im Grundsatz nicht beanstandet (vgl BVerfGE 75, 78 = SozR 2200 § 1246 Nr. 142 = NZA 1988, 139; BSGE 66, 129 = SozR 2200 § 1418 Nr. 11). In Grenzfällen hat sie jedoch eine fristwahrende Bereiterklärung iSd § 1420 Abs. 1 Nr. 2 RVO (§ 142 Abs 1 Nr 2 AVG) gelten lassen (BSGE aa0) oder einen Herstellungsanspruch bejaht (BSG SozR 3 - 1200 § 14 Nr 5). Nunmehr hat der Gesetzgeber diese Regelung aber entschärft und im Hinblick auf die Anwartschaftserhaltungszeiten (§ 240 Abs. 2, § 241 Abs. 2) die Zahlung der Beiträge noch bis zum Ende des ersten Vierteljahres im Folgejahr zugelassen. Auch diese Frist des § 197 Abs. 2 hat der Kläger versäumt, wie er auch insgesamt eine Nachentrichtung nicht beantragt hat.
Die Härteregelung nach § 197 Abs. 3 kommt zwar in Betracht, wenn die rechtzeitige Zahlung zahlreicher Beiträge unterblieben ist und Rente in erheblicher Höhe auf dem Spiel steht. Ferner ist ein Fehlverhalten des Versicherungsträgers - hier nicht ersichtlich, insbesondere weil ein Hinweis bei der Antragstellung schon nicht mehr zur Schließung der Versicherungslücke vom August 1992 bis Januar 1994 hätte führen können - von Bedeutung (Kasskom - Niesel - § 197, RdNr 19). Es muß sich jedoch insgesamt gesehen immer um Fälle handeln, in denen es besonders hart ist, es beim Ablauf der Fristen nach Abs. 1, 2 zu belassen. Daher ist die Schuldlosigkeit des Versicherten an der unterbliebenen Zahlung von Beiträgen nach Ablauf der Fristen eine weitere Voraussetzung. Schuldhaft verhält sich der Versicherte bei Vorsatz und Fahrlässigkeit, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht läßt (vgl § 276 Abs 1 S 1, 2 BGB). Rechtsunkenntnis oder wirtschaftliche Schwierigkeiten, die Beiträge rechtzeitig aufzubringen, können idR die Schuldlosigkeit nicht begründen. Bei Abwägung zwischen dem durch den Verlust von Beitragszeiten drohenden Nachteil, Art und Ausmaß des Fehlverhaltens des Versicherungsträgers sowie der Sorgfaltspflichtverletzung des Versicherten und deren Ausmaß nimmt der Senat keinen Härtefall an. Der Versicherte hat es verabsäumt, sich genau zu erkundigen und irrtümlich auf das Vorliegen eines Versicherungsfalles nach zweijähriger Unterbrechung des Versicherungsschutzes vertraut. Die Nachholung der Beitragszahlung, die in einem besonderen Verwaltungsverfahren stattfindet, ist daher nicht zu veranlassen; zumal nach den oben angeführten Sonderregelungen des Rentenreformgesetzes 1992 Beiträge tatsächlich nicht mehr entrichtet werden müssen.
Nach alledem besteht kein Anspruch des Klägers. Die Entscheidung des SG war daher aufzuheben und der Berufung stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 163 SGG).
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