L 2 U 276/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 345/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 276/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 25.07.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Gewährung einer höheren Verletztenrente.

Der Kläger erlitt am 15.11.1966 einen Arbeitsunfall mit einer offenen Unterschenkelfraktur links, für dessen Folgen ihm die Beklagte mit Bescheid vom 07.02.1968 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zusprach.

Am 11.06.1999 machte er eine Verschlimmerung seiner Unfallfolgen geltend und legte einen Arztbrief des Nervenarztes Dr. M. vom 23.04.1999 vor. Dort ist als Befund eine leichte Tibialisparese und eine klinisch störendere Peronäusparese links festgestellt.

Die Beklagte holte ein Gutachten von dem Chirurgen Prof.Dr. W. vom 15.10.1999 ein, der zu dem Ergebnis kam, wegen der von Dr.M. festgestellten neurologischen Symptomatik sei eine Erhöhung der MdE um 10 v.H. erforderlich. Der beratende Arzt der Beklagten hielt insofern eine neurologische Zusatzbegutachtung für notwendig.

Der von der Beklagten als Sachverständigen gehörte Neurologe Prof.Dr.G. kam in seinem Gutachten vom 15.12.1999 zu dem Ergebnis, die von Dr.M. beschriebene körperferne Schädigung des Nervus tibialis links mit Verschmächtigung der kleinen Fußmuskeln links, Schwäche der Zehenbeugung links, Herabsetzung der Berührungs- und Schmerzempfindung mit Missempfindungen an der linken Fußsohle, sei zu bestätigen. Eine belangvolle Schädigung des Nervus peronäus profundus oder des Nervus peronäus superficialis sei dagegen nicht zu unterstellen. So werde nur eine geringfügige Herabsetzung der Berühungsempfindung am Fußrücken angegeben, ein sensibles Nervenaktionspotential sei für den Nervus peronäus superficialis links erhältlich, insofern sei nur eine sehr leichte sensible Schädigung diskutierbar. Eine motorische körperferne Schädigung sei dagegen nicht belegbar.

Die neurologische Teil-MdE aufgrund der leichten körperfernen Schädigung des Nervus tibialis sei auf knapp unter 10 v.H. einzuschätzen. Eine wesentliche Verschlimmerung neurologischer Unfallfolgen sei insgesamt nicht anzunehmen. Die MdE-Einschätzung des Prof.Dr.W. mit der Höherbewertung um 10 v.H. stütze sich auf die Annahme einer deutlichen Tibialisparese, die bei der jetzigen Untersuchung nicht habe bestätigt werden können.

Nachdem der beratende Arzt der Beklagten die MdE auf unfallchirurgischem Fachgebiet mit maximal 10 v.H. einschätzte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19.04.2000 die Erhöhung der Rente ab, weil seit den maßgeblichen Verhältnissen für die vorhergehende Rentengewährung eine wesentliche Verschlimmerung nicht eingetreten sei. Den anschließenden Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2000 als unbegründet zurück.

Im Klageverfahren hat der als Terminsachverständige gehörte Neurologe und Psychiater R. , die Einholung eines chirurgischen und neurologischen Gutachtens empfohlen.

Der Kläger hat einen Bericht des Dr.M. vom 02.01.2001 nach einer Untersuchung vom selben Tage vorgelegt. Im Unterschied zu dem Befund vom 23.04.1999 wird die Peronäusparese links zwar wieder als weniger ausgeprägt, aber als klinisch mehr behindernd dargestellt, wobei der wichtigste Muskel für das Fußheben deutlich schwächer sei.

Der als Sachverständige gehörte Chirurg Dr.K. kommt in seinem Gutachten vom 13.02.2001 zur Diagnose eines in leichter Fehlstellung mit überschießender Knochennarbenbildung fest verheilten Unterschenkelbruchs links als Unfallfolge. Auf unfallchirurgischem Fachgebiet sei eine Störung des Geh- und Stehvermögens zu befunden, die jedoch vorzugsweise auf einer Abrollstörung im linken Fuß mit Gefühlsstörung beruhe, so dass sich dies auf das neurologische Fachgebiet beziehe. Seitens des Sprunggelenkes sei lediglich eine aktive Bewegungseinschränkung, vor allen Dingen seitens des Fußhebens vorgeführt worden, dies obliege aber der Beurteilung des neurologischen Zusatzgutachters. Objektivierbare Zeichen einer Belastungsminderung seien nicht zu befunden, diese wären zu sehen gewesen in einer Muskelverschmächtigung des linken Beines, in einer Verminderung der Fußsohlenbeschwielung auf der unverletzten Seite oder aber in einer Minderung des Kalksalzgehaltes im Röntgenbefund.

Insofern könne von Seiten seines Fachgebiets keine Verschlimmerung rentenberechtigenden Ausmaßes festgestellt werden. Vorläufig und vorbehaltlich der neurologischen Zusatzbegutachtung schätzt er die MdE auf 20 v.H. ein.

Der vom Sozialgericht als Sachverständige gehörte Neurologe und Psychiater Dr.G. kommt in seinem Gutachten vom 25.04. 2001 zu den gleichen Befunden wie Prof.Dr.G ... Es hätten sich zum Teil relativ deutliche Paresen der vom Nervus tibialis versorgten distalen Fußmuskeln links gefunden, wobei vor allem die Zehenbeuger 2 bis 5 betroffen gewesen seien und auch der Großzehenabduktor. Der Großzehenbeuger sei nur leichtgradig betroffen. Sonstige Paresen, vor allem auch im Versorgungsgebiet des Nervus peronäus hätten sich nicht gefunden. Die elektroneurographischen Befunde bestätigten den klinischen Befund, in dem die Nervenleitgeschwindigkeit des Nervus tibialis links auffällig gewesen seien, die des Nervus peronäus jedoch unauffällig.

Zusammenfassend sei festzustellen, dass der vorgelegte nervenärztliche Befund des Dr.M. nicht nachvollzogen werden könne, vor allem könne eine Peronäusparese nicht bestätigt werden. Es müsse an dem vorgelegten Befund bemängelt werden, dass nur lapidar von einer Peronäus- und Tibialisparese gesprochen werde. Man müsse jedoch fordern, dass genauer beschrieben werde, welche einzelnen Muskeln, die von diesen Nerven versorgt würden, überhaupt paretisch seien. In diesem Befund sei auch widersprüchlich, dass bei der EMG-Untersuchung mit der Nadelelektrode wieder unauffällige Verhältnisse im Bereich der von diesen Nerven versorgten Muskeln beschrieben würden, nämlich im Bereich der Zehenheber und des Großzehenabduktors.

Die objektiv vorhandenen Ausfallserscheinungen des Nervus tibialis beträfen nur den distalen Bereich des Nerven. Diese Bereiche hätten letztendlich keine große funktionelle Relevanz und seien mit einer neurologischen Teil-MdE von knapp unter 10 v.H. einzuschätzen. Eine wesentliche Änderung im Vergleich zu den Vorbefunden sei insgesamt objektiv nicht erkennbar.

Unter Berücksichtigung dieser Einschätzung bemisst der Sachverständige Dr.K. die Gesamt-MdE weiterhin mit 20 v.H.

Der Kläger hat hierzu einen Arztbericht des Dr.M. vom 23.07. 2001 nach Untersuchung am selben Tage vorgelegt. Der Bericht ist im Wesentlichen gleich lautend mit dem vorhergehenden, es ist jedoch nunmehr von einer distalen Ischiadicusparese die Rede. Neben den Fußsenkern seien auch der Ext.hall.long und der tibialis ant. paretisch. Auch nach Kenntnis der Meinung von Dr. G. gehe seines Erachtens der Befund über eine reine Tibialisparese und damit über 10 % MdE hinaus.

Das Sozialgericht hat die auf eine Rentengewährung nach einer MdE um 30 v.H. ab 11.06.1999 gerichtete Klage mit Urteil vom 25. Juli 2002 als unbegründet abgewiesen. Im Verhältnis zu den maßgeblichen Vorbefunden sei eine wesentliche Verschlechterung in den Unfallfolgen nicht eingetreten, die eine höhere MdE begründen würde. Insoweit stützt sich das Urteil auf die Gutachten des Dr.K. und des Dr.G ...

Der Kläger hat hiergegen Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 25.07.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 19.04.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2000 Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 30 v.H. seit Antragstellung zu gewähren.

Er stützt sich auf das Gutachten des Prof.Dr.W. und die Berichte des Dr.M ...

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts Regensburg in dem vorangegangenen Klageverfahren.

Auf ihren Inhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn die von der Beklagten zu entschädigenden Unfallfolgen bedingen keine MdE um mehr als 20 v.H.

Die für die Bemessung der Verletztenrente maßgebliche Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich gemäß § 56 Abs.2 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderte Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Wird, wie im vorliegenden Fall, bereits eine Verletztenrente gewährt, und wird vom Versicherten eine höhere Leistung geltend gemacht, ist dieser Anspruch unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Eine Erhöhung der Verletztenrente kommt deshalb nicht nur nach § 48 SGB X aufgrund einer wesentlichen Verschlimmerung der Unfallfolgen in Betracht, sondern auch nach § 44 SGB X, sofern bei der Bemessung der Verletztenrente die maßgebliche MdE zu niedrig eingeschätzt wurde.

Für den vorliegenden Fall macht dies jedoch keinen entscheidungserheblichen Unterschied, weil die vom Sozialgericht gehörten Sachverständigen sowohl den Eintritt einer wesentlichen Verschlimmerung im Verhältnis zu den für den Bescheid vom 07.02.1968 maßgeblichen Verhältnisses verneint, als auch unabhängig davon die unfallbedingte MdE weiterhin mit 20 v.H. eingeschätzt haben.

Der Senat schließt sich der Beweiswürdigung des Sozialgerichts bzgl. des Ergebnisses der Beweisaufnahme an und sieht nach § 153 Abs.2 SGG insofern von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Die Einwendungen des Klägers hiergegen greifen nicht durch.

Das Gutachten des Sachverständigen Prof.Dr.W. , das wie alle in einem Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigen- gutachten im Gerichtsverfahren Berücksichtigung finden kann, stützt sich bei den gutachterlichen Feststellungen der Unfallfolgen und deren Bewertung allein auf den Befund des Dr.M ... Dem ist jedoch nicht zu folgen. Zum einen hat der Sachverständige Prof.Dr.W. bei der Einschätzung der MdE sein Fachgebiet überschritten. Den Einschätzungen der fachnäheren Neurologen Prof.Dr.G. und Dr.G. ist grundsätzlich der Vorzug zu geben. Von weitaus größerer Bedeutung ist jedoch, dass sich die Untersuchungsbefunde des Dr.M. durch die Sachverständigen Prof.Dr.G. und Dr.G. bzgl. der Peronäusparese jedenfalls nicht verifizieren ließen, wenn sie nicht überhaupt als widerlegt angesehen werden müssen. Die Sachverständigen Prof. Dr.G. und Dr.G. haben hierbei die maßgeblichen Kriterien für die Befundung dargelegt. Sachlich begründete Zweifel an diesen gutachterlichen Darlegungen sind den Arztbriefen des Dr.M. nicht zu entnehmen. Desgleichen ist seinen letzten Arztbriefen nicht zu entnehmen, aufgrund welcher Funktionsbeeinträchtigungen die angenommene Tibialisparese mit einer MdE um mehr als 10 v.H. oder wenigstens so hoch zu bewerten wäre.

Insoweit haben insbesondere die Sachverständigen Dr.K. und Dr.G. eine detaillierte Darstellung und eine überzeugende Bewertung vorgelegt.

Die Berufung hat deshalb keinen Erfolg.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger in beiden Rechtszügen nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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