Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 14 AS 1833/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 839/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 1. November 2017 wird aufgehoben, soweit der Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt worden ist, und dem Antragsteller für das Verfahren des ersten Rechtszugs ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Wecke bewilligt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Weiteren: Antragsteller) wendet sich im Wege der Beschwerde gegen die Ablehnung seines Prozesskostenhilfeantrags für ein erstinstanzlich beendetes Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG), das als Beschwerdeverfahren im Senat anhängig ist (Aktenzeichen L 4 AS 838/17 B ER). Es geht um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen einen die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt (EGVA).
Der 1967 geborene Antragsteller bezieht von dem Antragsgegner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Seine Lebensgefährtin, mit der er eine Bedarfsgemeinschaft bildet, bezieht seit Oktober 2016 Altersrente. Soweit das Renteneinkommen deren Bedarf übersteigt, wird es auf den Bedarf des Antragstellers angerechnet. Für den Zeitraum von Oktober 2017 bis Juni 2018 wurden monatliche Leistungen von 421,55 EUR bewilligt.
Seit September 2014 macht der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner keine Angaben über sein beruflichen Werdegang, seine Befähigungen oder Fertigkeiten und verweigert den Abschluss von Eingliederungsvereinbarungen. Er bekundet regelmäßig, nicht arbeiten zu wollen, und nicht an Vermittlungsvorschlägen oder an einer Teilnahme an Maßnahmen interessiert zu sein. Eine nach Angabe gesundheitlicher Probleme erfolgte Vorstellung beim ärztlichen Dienst des Antragsgegners ergab eine aktuell bestehende Arbeitsunfähigkeit, aber keine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit. Im August 2016 lehnte der Rentenversicherungsträger einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente bestandskräftig ab. Am 21. Dezember 2016 gab der Antragsteller keine Auskunft zum beruflichen Werdergang und weigerte sich, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Am 23. Januar 2017 erließ der Antragsgegner einen EGVA (mit einer Geltungsdauer bis zum 20. Juni 2017).
Am 14. August 2017 machte der Antragsteller wieder keine Angaben zum Lebenslauf und verweigerte den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung. Daraufhin erließ der Antragsgegner unter dem 11. September 2017 einen EGVA gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II, der für den Zeitraum vom 11. September 2017 "bis auf weiteres" gültig sein sollte. Der EGVA sei erforderlich, da der Antragsteller sich nach Gesprächen geweigert habe, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Ziel sei die Verringerung bzw. der Wegfall der Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Zwischenziel sei die Teilnahme an der Maßnahme "Aktivierung und Vermittlung mit intensiver Betreuung und Anwesenheitspflicht" ab dem 6. November 2017 beim Bildungsträger FAW Bitte Eintrag suchen und anpassen. in D.-R ... Zur Unterstützung stelle der Antragsgegner u.a. in Aussicht,
• Vermittlungsvorschläge für Stellenangebote im Helferbereich (z.B. Lager, Verpackung, Produktion in Voll- und Teilzeit) zu übersenden,
• Bewerbungsunterlagen und Bewerbungsrückläufe zu sichten und Vermittlungsvorschläge auszuwerten,
• das Bewerberprofil des Antragstellers in der JOBBÖRSE zu veröffentlichen,
• notwendige und angemessene Kosten für Bewerbungen gemäß § 16 Abs. 1 SGB II iVm § 44 SGB III zu übernehmen (max. 260 EUR/Kalenderjahr),
• Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen zu erstatten,
• die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung durch Übernahme der Fahrtkosten für Pendelfahrten zu fördern,
• eine Teilnahme an der o.g. Maßnahme in D. ab dem 6. November 2017 für eine achtwöchige Nettoverweildauer zu ermöglichen und dafür die Fahrtkosten (als Monatskarte für den ÖPNV) zu übernehmen.
Im Gegenzug solle der Antragsteller
• sich mindestens viermal monatlich um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung entsprechend seiner Qualifikation bzw. im Helferbereich bewerben (schriftlich, persönlich oder elektronisch) und hierüber zum Quartalsende (erstmalig am 31. Dezember 2017) Nachweise vorlegen,
• sich auf übersandte Vermittlungsvorschläge innerhalb von drei Arbeitstagen in der vom Arbeitgeber gewünschten Form bewerben und
• ab dem 6. November 2017 an der o.g. Maßnahme regelmäßig teilnehmen.
Bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit sei der Antragsteller an die Regelungen des EGVA nicht mehr gebunden. In der ausführlichen Rechtsfolgenbelehrung wies der Antragsgegner u.a. darauf hin, dass aufgrund der vorangegangenen Sanktion mit Bescheid vom 7. September 2017 ein wiederholter Pflichtverstoß mit einer Minderung von 60% des maßgeblichen Regelbedarfs geahndet werde.
Dagegen legte der Antragssteller am 20. September 2017 Widerspruch ein.
Am 4. Oktober 2017 hat der Antragsteller bei dem SG die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den EGVA beantragt. Zudem hat er Prozesskostenhilfe (PKH) für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, der angegriffene Bescheid sei offensichtlich rechtswidrig. Denn der Antragsgegner habe keine konkrete Gültigkeitsdauer bestimmt, sondern erklärt, dass der EGVA bis auf weiteres gelten solle. Nach der Auffassung des Bayerischen Landessozialgerichts (Beschluss vom 8. Juni 2017, Az.: L 16 AS 291/17 B ER, juris) sei – auch wenn in der aktuell geltenden Fassung von § 15 SGB II keine Gültigkeitsdauer mehr geregelt sei – die früher gesetzlich vorgesehene Geltungsfrist von regelmäßig sechs Monaten auf EGVA nach § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II nF anzuwenden. Die eingeräumte Bewerbungsfrist von drei Arbeitstagen nach Erhalt eines Vermittlungsvorschlags sei zu kurz. Zudem habe der Antragsgegner keine Potentialanalyse gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II durchgeführt, die nach der gesetzlichen Regelung Voraussetzung für den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung sei. Zudem nehme der EGVA in der Rechtsfolgenbelehrung Bezug auf eine Sanktion vom 7. September 2017, die bei Erlass des EGVA noch nicht bestandskräftig gewesen und inzwischen aufgehoben worden sei. Dies mache die Rechtsfolgenbelehrung fehlerhaft. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei erforderlich, denn mit dem EGVA würden dem Antragsteller Handlungspflichten auferlegt, deren Nichtbefolgung Sanktionen nach sich ziehen könnten.
Der Antragsgegner hat dazu ausgeführt, die festgesetzte Gültigkeit "bis auf weiteres" entspreche der seit dem 1. August 2016 geltenden Rechtslage. Das Gesetz sehe keine bestimmte Laufzeit mehr vor. Der EGVA solle spätestens nach sechs Monaten überprüft und fortgeschrieben werden. Im Übrigen sei der Inhalt des EGVA im Verhältnis von Angeboten des Antragsgegners und Pflichten des Antragstellers ausgewogen.
Mit Beschluss vom 1. November 2017 hat das SG den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und den Antrag auf PKH abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs in § 39 SGB II habe der Gesetzgeber dem öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug des angegriffen Verwaltungsakts grundsätzlich Vorrang vor dem privaten Interesse des Betroffenen am einem Aufschub der Vollziehung eingeräumt. Bei der gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gebotenen Abwägung seien die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. In der Regel komme die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur in Betracht, wenn sich nach summarischer Prüfung erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts ergäben. Dies sei nicht der Fall. Der EGVA sei nicht offensichtlich rechtswidrig. Daher bestehe keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache. Aufgrund der Weigerung des Antragstellers am 14. August 2017, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, sei der Antragsgegner gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II berechtigt gewesen, die vorgesehenen Maßnahmen zur Eingliederung durch Verwaltungsakt zu regeln. Die Rechtsfolgenbelehrung sei ordnungsgemäß. Die Geltung des EGVA "bis auf weiteres" sei nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Die geltende Gesetzesfassung gebe keine bestimmte Gültigkeitsdauer vor, sondern regle eine Überprüfung bzw. Fortschreibung nach spätestens sechs Monaten. Es sei ggf. im Hauptsacheverfahren zu klären, ob im Bescheid ein konkreter Termin für die Fortschreibung zu bestimmen sei. Es sei keine Unausgewogenheit der wechselseitigen Verpflichtungen zu erkennen. Der Antragsgegner übernehme umfangreiche Unterstützungsaktivitäten. Die vorgesehene Teilnahme an der Maßnahme diene der Aktivierung des Antragstellers und der Verbesserung seiner Vermittlungsaussichten. Dem stehe das fehlende Interesse des Antragstellers an einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Er verkenne das System des SGB II grundlegend. Die vorgesehene Potentialanalyse könne nicht erfolgen, wenn der Antragsteller nicht mitwirke. Da er seit Jahren Auskünfte zum beruflichen Werdegang, Fertigkeiten und Interessen verweigere, sei dem Antragsgegner eine Analyse nicht möglich. Der Hinweis auf die Amtsermittlungspflichten führe nicht weiter, denn es seien keine Umstände ersichtlich, aus denen sich weitere ärztliche oder psychologische Aufklärung aufdränge. Der Antragsteller sei gegen die Ablehnung des Rentenantrags nicht vorgegangen. Eine individuelle Eingliederungskonzeption und passgenauere Strategien könnten nur bei Mitarbeit des Leistungsberechtigten entwickelt werden. PKH sei nicht zu gewähren, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2017 hat der Antragsgegner den Widerspruch zurückwiesen. Am 27. November 2017 hat der Antragsteller Klage beim SG erhoben.
Am selben Tag hat er Beschwerde sowohl gegen die Sachentscheidung des SG (Az.: L 4 AS 838/17 B ER) als auch gegen die hier streitige PKH-Ablehnung eingelegt und die Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren beantragt. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen vertieft und ausgeführt, die fehlende Beschränkung der Geltungsdauer mache den EGVA rechtwidrig. Das SG Karlsruhe (Urteil vom 12. Oktober 2017, Az.: S 14 AS 1709/17, juris) habe zutreffend ausgeführt, es sei auch nach neuem Recht davon auszugehen, dass die gesetzlich geregelte Überprüfungsfrist für die Eingliederungsvereinbarung nach sechs Monaten (bei fehlender Ermessensausübung) zugleich die Höchstfrist für die einseitig festgelegte Laufzeit eines EGVA darstelle. Die gesetzliche Überprüfungsfrist sei im angegriffenen EGVA nicht einmal genannt worden.
Der Antragsteller beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 1. November 2017 aufzuheben und ihm für das erstinstanzliche Verfahren ratenfreie Prozesskosten unter Beiordnung von Rechtsanwältin Wecke zu bewilligen.
Auf Nachfrage der Berichterstatterin hat der Antragsgegner am 26. September 2018 einen weiteren EGVA vom 14. Februar 2018 vorgelegt, der nach seinem Inhalt ebenfalls "bis auf weiteres" gültig sein solle. Er schreibe die Eingliederungsvereinbarung vom 11. September 2017 fort und sei – da eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande gekommen sei – als Verwaltungsakt zu erlassen. Er hat denselben Inhalt wie der angegriffene EGVA; die Teilnahme an (derselben) Maßnahme sollte ab 3. April 2018 erfolgen.
Nach Übersendung unter Hinweis auf die Erledigung des angegriffenen EGVA durch die Fortschreibung hat der Antragsteller am 9. Oktober 2018 ausgeführt, den EGVA vom 14. Februar 2018 habe er nicht erhalten. Er sei ihm bislang noch nicht wirksam bekannt gegeben worden. Die Übersendung durch den Senat reiche nicht aus. Es habe Ende Januar 2018 ein Gespräch beim Antragsgegner gegeben, bei dem er sich geweigert habe, eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben. Er gehe davon aus, dass der angegriffene EGVA weiterhin gelte. Er hat aktualisierte Belege zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen vorgelegt und um Bescheidung gebeten.
Der Antragsgegner hat erklärt, er könne den Zugang des EGVA vom 14. Februar 2018 nicht beweisen. Im Allgemeinen erhalte der Antragsteller die an ihn versandte Post.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners sowie das PKH-Beiheft ergänzend Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden und statthaft nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG. Das SG hat die Bewilligung von PKH ausschließlich wegen mangelnder Aussicht auf Erfolg verneint. Der Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 2b SGG greift nicht, denn in der Hauptsache bedürfte die Berufung nicht der Zulassung. Da die Beteiligten nicht um eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung streiten, sondern um die Rechtmäßigkeit eines die EGVA, wäre die Berufung ohne weiteres zulässig.
Die Beschwerde ist auch begründet. Nach § 73a Abs. 1 SGG in Verbindung mit den §§ 144 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) ist auf Antrag PKH zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 115 ZPO für die Prozessführung sein Einkommen und Vermögen einzusetzen, soweit ihm dies nicht aufgrund der dort genannten Tatbestände unzumutbar ist.
Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990, Az.: 1 BvR 94/88, NJW 1991 S. 413f.). PKH kommt hingegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 1998, Az.: B 13 RJ 83/97 R, SozR 3-1500, § 62 Nr. 19). Die Prüfung der Aussicht auf Erfolg soll aber nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Verfahren der PKH vorzuverlegen und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG kann nicht nur die Behandlung schwieriger Rechtsfragen im PKH-Verfahren zu einer unzulässigen Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens führen. Auch Beweiserhebungen oder Beweiswürdigungen müssen daraufhin untersucht werden, ob sie den Rahmen des PKH-Verfahrens sprengen. So darf PKH nicht verweigert werden, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Betroffenen ausgehen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Februar 2008, Az.: 1 BvR 1807/07, juris). Ist eine Beweisaufnahme geboten, kann PKH wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht nur dann abgelehnt werden, wenn nach objektivem Maßstab die Beweisaufnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem für den Betroffenen negativen Ergebnis führen wird, oder wenn die Beweisaufnahme bereits abgeschlossen ist und alles auf ein Scheitern des Begehrens in der Sache hindeutet.
Unter Anwendung dieser Maßstäbe hatte die Rechtsverfolgung des Antragstellers im erstinstanzlichen Verfahren, die auf die Anordnung der durch § 39 Nr. 1 SGB II ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs (anfänglich des Widerspruchs und nach dessen Bescheidung und Klageerhebung der Klage) gerichtet war, von Anfang an hinreichende Aussicht Erfolg. Denn der angegriffenen EGVA vom 11. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2017 begegnet rechtlichen Bedenken, soweit eine Geltungsdauer ab dem 11. September 2017 "bis auf weiteres", d.h. zeitlich praktisch unbeschränkt verfügt worden ist. Die Frage der Gültigkeitsdauer eines EGVA bzw. der Notwendigkeit seiner Befristung ist eine schwierige Rechtsfrage, die nicht in das PKH-Verfahren vorverlagert werden darf. In der Rechtsprechung werden hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten.
Der Senat hält nach seiner vorläufigen Rechtsauffassung einen EGVA ohne zeitliche Begrenzung der Geltungsdauer für rechtswidrig, weil dies von der gesetzlichen Ermächtigung nicht gedeckt sein dürfte. Die verfügte Geltung "bis auf weiteres" – auch mit dem Hinweis, die Wirksamkeit des EGVA entfalle, wenn die Hilfebedürftigkeit ende – ist keine (echte) zeitliche Begrenzung und steht mit der gesetzlichen Vorgabe in § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II, nach der EGVA regelmäßig, spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten zu überprüfen und fortzuschreiben ist), nicht im Einklang. Der Senat folgt insoweit der Auffassung des LSG Baden-Württemberg im Urteil vom 15. Mai 2018 (Az.: L 9 AS 4118/17, juris RN 31ff. mit weit. Nachw.).
Nach § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II in der bis zum 31. Juli 2016 gültigen Fassung sollte eine Eingliederungsvereinbarung für sechs Monate geschlossen werden mit der Folge, dass diese Befristung grundsätzlich auch für den EGVA galt (vgl. BSG, Urteil vom 14.02.2013, Az.: B 14 AS 195/11 R, juris) und die Festlegung einer längeren Gültigkeitsdauer einer Begründung (Ermessenserwägungen) bedurfte. Diese regelhafte Sechs-Monats-Frist gibt es in der Neuregelung nicht mehr. Nunmehr soll gemäß § 15 Abs. 3 SGB II in der seit dem 1. August 2016 geltenden Fassung die Eingliederungsvereinbarung regelmäßig, spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten, gemeinsam überprüft und fortgeschrieben werden. Nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 18/8041 S. 37) soll durch die Aktualisierungsverpflichtung betont werden, dass die Eingliederungsvereinbarung das maßgebliche Werkzeug zur Planung und Gestaltung des Eingliederungsprozesses ist. Aufgrund der Erfahrungen und des Verlaufs der bisherigen Bemühungen sollen die Vereinbarungen (laufend) angepasst und eine flexiblere Handhabung ermöglicht werden. Dazu werde im Interesse des kontinuierlichen Eingliederungsprozesses nur der späteste Zeitpunkt für eine Überprüfung und Aktualisierung der Vereinbarung geregelt.
Insoweit spricht viel dafür, dass die gesetzlich geregelte Überprüfungshöchstfrist von sechs Monaten zugleich die Höchstdauer der Geltung des einseitig erlassenen EGVA ist (ebenso: Bayer. LSG, Beschluss vom 8. Juni 2017, Az.: L 16 AS 291/17 B ER, juris RN 20; SG D., Beschluss vom 10. Januar 2018, Az.: S 27/AS 5836/17, juris RN 16; Berlit in: LPK-SGB II, 6. Aufl. 2017, § 15 RN 62; Kador in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, RN 78, 89). Jedenfalls dürfte der Erlass eines EGVA ohne zeitliche Begrenzung der Geltungsdauer nicht von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt sein. Eine zeitliche Begrenzung enthält der angegriffene EGVA mit seiner Geltung "bis auf weiteres" nicht. Der EGVA ist eine einseitige, hoheitliche Regelung. Bei einer (zweiseitigen) Eingliederungsvereinbarung gemäß 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II schützt der Überprüfungsmechanismus mit der Regelüberprüfungsfrist den Leistungsberechtigten und räumt ihm ggf. sogar ein Sonderkündigungsrecht ein, um sein Recht auf Überprüfung und Aktualisierung wirksam durchsetzen zu können (Berlit,.a.a.O., § 15 RN 56). Bei einem EGVA greift dieser Überprüfungsmechanismus nicht. Denn ein EGVA gilt im Falle der Nichtbefristung tatsächlich bis auf weiteres fort, ohne dass der Leistungsberechtigte hierauf Einfluss nehmen kann. Seine Rechtsschutzmöglichkeiten bei fehlender oder nicht rechtzeitiger Aktualisierung des EGVA sind erschwert (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O., RN 32). Er müsste zunächst einen Änderungsantrag nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) bei der Behörde stellen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dies vom Gesetzgeber mit der Neuregelung beabsichtigt war.
Unabhängig davon ist im angegriffenen EGVA die vom Gesetzgeber vorgegebene Überprüfungs- und Fortschreibungspflicht von spätestens sechs Monaten (§ 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II) nicht einmal genannt. Der Antragsgegner hat lediglich allgemein ausgeführt (unter 9.), die Inhalte des Bescheides würden regelmäßig überprüft und ggf. mit einem neuen EGVA fortgeschrieben. Eine konkrete Frist ist nicht festgelegt worden.
Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine PKH-Bewilligung liegen vor. Der Antragsteller bezieht weiterhin ergänzende SGB II-Leistungen. Es gibt keinen Anhalt für das Vorhandensein von einzusetzendem Vermögen.
Die Kosten des PKH-Beschwerdeverfahrens sind nach § 202 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Weiteren: Antragsteller) wendet sich im Wege der Beschwerde gegen die Ablehnung seines Prozesskostenhilfeantrags für ein erstinstanzlich beendetes Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG), das als Beschwerdeverfahren im Senat anhängig ist (Aktenzeichen L 4 AS 838/17 B ER). Es geht um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen einen die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt (EGVA).
Der 1967 geborene Antragsteller bezieht von dem Antragsgegner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Seine Lebensgefährtin, mit der er eine Bedarfsgemeinschaft bildet, bezieht seit Oktober 2016 Altersrente. Soweit das Renteneinkommen deren Bedarf übersteigt, wird es auf den Bedarf des Antragstellers angerechnet. Für den Zeitraum von Oktober 2017 bis Juni 2018 wurden monatliche Leistungen von 421,55 EUR bewilligt.
Seit September 2014 macht der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner keine Angaben über sein beruflichen Werdegang, seine Befähigungen oder Fertigkeiten und verweigert den Abschluss von Eingliederungsvereinbarungen. Er bekundet regelmäßig, nicht arbeiten zu wollen, und nicht an Vermittlungsvorschlägen oder an einer Teilnahme an Maßnahmen interessiert zu sein. Eine nach Angabe gesundheitlicher Probleme erfolgte Vorstellung beim ärztlichen Dienst des Antragsgegners ergab eine aktuell bestehende Arbeitsunfähigkeit, aber keine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit. Im August 2016 lehnte der Rentenversicherungsträger einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente bestandskräftig ab. Am 21. Dezember 2016 gab der Antragsteller keine Auskunft zum beruflichen Werdergang und weigerte sich, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Am 23. Januar 2017 erließ der Antragsgegner einen EGVA (mit einer Geltungsdauer bis zum 20. Juni 2017).
Am 14. August 2017 machte der Antragsteller wieder keine Angaben zum Lebenslauf und verweigerte den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung. Daraufhin erließ der Antragsgegner unter dem 11. September 2017 einen EGVA gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II, der für den Zeitraum vom 11. September 2017 "bis auf weiteres" gültig sein sollte. Der EGVA sei erforderlich, da der Antragsteller sich nach Gesprächen geweigert habe, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Ziel sei die Verringerung bzw. der Wegfall der Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Zwischenziel sei die Teilnahme an der Maßnahme "Aktivierung und Vermittlung mit intensiver Betreuung und Anwesenheitspflicht" ab dem 6. November 2017 beim Bildungsträger FAW Bitte Eintrag suchen und anpassen. in D.-R ... Zur Unterstützung stelle der Antragsgegner u.a. in Aussicht,
• Vermittlungsvorschläge für Stellenangebote im Helferbereich (z.B. Lager, Verpackung, Produktion in Voll- und Teilzeit) zu übersenden,
• Bewerbungsunterlagen und Bewerbungsrückläufe zu sichten und Vermittlungsvorschläge auszuwerten,
• das Bewerberprofil des Antragstellers in der JOBBÖRSE zu veröffentlichen,
• notwendige und angemessene Kosten für Bewerbungen gemäß § 16 Abs. 1 SGB II iVm § 44 SGB III zu übernehmen (max. 260 EUR/Kalenderjahr),
• Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen zu erstatten,
• die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung durch Übernahme der Fahrtkosten für Pendelfahrten zu fördern,
• eine Teilnahme an der o.g. Maßnahme in D. ab dem 6. November 2017 für eine achtwöchige Nettoverweildauer zu ermöglichen und dafür die Fahrtkosten (als Monatskarte für den ÖPNV) zu übernehmen.
Im Gegenzug solle der Antragsteller
• sich mindestens viermal monatlich um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung entsprechend seiner Qualifikation bzw. im Helferbereich bewerben (schriftlich, persönlich oder elektronisch) und hierüber zum Quartalsende (erstmalig am 31. Dezember 2017) Nachweise vorlegen,
• sich auf übersandte Vermittlungsvorschläge innerhalb von drei Arbeitstagen in der vom Arbeitgeber gewünschten Form bewerben und
• ab dem 6. November 2017 an der o.g. Maßnahme regelmäßig teilnehmen.
Bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit sei der Antragsteller an die Regelungen des EGVA nicht mehr gebunden. In der ausführlichen Rechtsfolgenbelehrung wies der Antragsgegner u.a. darauf hin, dass aufgrund der vorangegangenen Sanktion mit Bescheid vom 7. September 2017 ein wiederholter Pflichtverstoß mit einer Minderung von 60% des maßgeblichen Regelbedarfs geahndet werde.
Dagegen legte der Antragssteller am 20. September 2017 Widerspruch ein.
Am 4. Oktober 2017 hat der Antragsteller bei dem SG die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den EGVA beantragt. Zudem hat er Prozesskostenhilfe (PKH) für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, der angegriffene Bescheid sei offensichtlich rechtswidrig. Denn der Antragsgegner habe keine konkrete Gültigkeitsdauer bestimmt, sondern erklärt, dass der EGVA bis auf weiteres gelten solle. Nach der Auffassung des Bayerischen Landessozialgerichts (Beschluss vom 8. Juni 2017, Az.: L 16 AS 291/17 B ER, juris) sei – auch wenn in der aktuell geltenden Fassung von § 15 SGB II keine Gültigkeitsdauer mehr geregelt sei – die früher gesetzlich vorgesehene Geltungsfrist von regelmäßig sechs Monaten auf EGVA nach § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II nF anzuwenden. Die eingeräumte Bewerbungsfrist von drei Arbeitstagen nach Erhalt eines Vermittlungsvorschlags sei zu kurz. Zudem habe der Antragsgegner keine Potentialanalyse gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II durchgeführt, die nach der gesetzlichen Regelung Voraussetzung für den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung sei. Zudem nehme der EGVA in der Rechtsfolgenbelehrung Bezug auf eine Sanktion vom 7. September 2017, die bei Erlass des EGVA noch nicht bestandskräftig gewesen und inzwischen aufgehoben worden sei. Dies mache die Rechtsfolgenbelehrung fehlerhaft. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei erforderlich, denn mit dem EGVA würden dem Antragsteller Handlungspflichten auferlegt, deren Nichtbefolgung Sanktionen nach sich ziehen könnten.
Der Antragsgegner hat dazu ausgeführt, die festgesetzte Gültigkeit "bis auf weiteres" entspreche der seit dem 1. August 2016 geltenden Rechtslage. Das Gesetz sehe keine bestimmte Laufzeit mehr vor. Der EGVA solle spätestens nach sechs Monaten überprüft und fortgeschrieben werden. Im Übrigen sei der Inhalt des EGVA im Verhältnis von Angeboten des Antragsgegners und Pflichten des Antragstellers ausgewogen.
Mit Beschluss vom 1. November 2017 hat das SG den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und den Antrag auf PKH abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs in § 39 SGB II habe der Gesetzgeber dem öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug des angegriffen Verwaltungsakts grundsätzlich Vorrang vor dem privaten Interesse des Betroffenen am einem Aufschub der Vollziehung eingeräumt. Bei der gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gebotenen Abwägung seien die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. In der Regel komme die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur in Betracht, wenn sich nach summarischer Prüfung erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts ergäben. Dies sei nicht der Fall. Der EGVA sei nicht offensichtlich rechtswidrig. Daher bestehe keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache. Aufgrund der Weigerung des Antragstellers am 14. August 2017, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, sei der Antragsgegner gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II berechtigt gewesen, die vorgesehenen Maßnahmen zur Eingliederung durch Verwaltungsakt zu regeln. Die Rechtsfolgenbelehrung sei ordnungsgemäß. Die Geltung des EGVA "bis auf weiteres" sei nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Die geltende Gesetzesfassung gebe keine bestimmte Gültigkeitsdauer vor, sondern regle eine Überprüfung bzw. Fortschreibung nach spätestens sechs Monaten. Es sei ggf. im Hauptsacheverfahren zu klären, ob im Bescheid ein konkreter Termin für die Fortschreibung zu bestimmen sei. Es sei keine Unausgewogenheit der wechselseitigen Verpflichtungen zu erkennen. Der Antragsgegner übernehme umfangreiche Unterstützungsaktivitäten. Die vorgesehene Teilnahme an der Maßnahme diene der Aktivierung des Antragstellers und der Verbesserung seiner Vermittlungsaussichten. Dem stehe das fehlende Interesse des Antragstellers an einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Er verkenne das System des SGB II grundlegend. Die vorgesehene Potentialanalyse könne nicht erfolgen, wenn der Antragsteller nicht mitwirke. Da er seit Jahren Auskünfte zum beruflichen Werdegang, Fertigkeiten und Interessen verweigere, sei dem Antragsgegner eine Analyse nicht möglich. Der Hinweis auf die Amtsermittlungspflichten führe nicht weiter, denn es seien keine Umstände ersichtlich, aus denen sich weitere ärztliche oder psychologische Aufklärung aufdränge. Der Antragsteller sei gegen die Ablehnung des Rentenantrags nicht vorgegangen. Eine individuelle Eingliederungskonzeption und passgenauere Strategien könnten nur bei Mitarbeit des Leistungsberechtigten entwickelt werden. PKH sei nicht zu gewähren, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2017 hat der Antragsgegner den Widerspruch zurückwiesen. Am 27. November 2017 hat der Antragsteller Klage beim SG erhoben.
Am selben Tag hat er Beschwerde sowohl gegen die Sachentscheidung des SG (Az.: L 4 AS 838/17 B ER) als auch gegen die hier streitige PKH-Ablehnung eingelegt und die Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren beantragt. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen vertieft und ausgeführt, die fehlende Beschränkung der Geltungsdauer mache den EGVA rechtwidrig. Das SG Karlsruhe (Urteil vom 12. Oktober 2017, Az.: S 14 AS 1709/17, juris) habe zutreffend ausgeführt, es sei auch nach neuem Recht davon auszugehen, dass die gesetzlich geregelte Überprüfungsfrist für die Eingliederungsvereinbarung nach sechs Monaten (bei fehlender Ermessensausübung) zugleich die Höchstfrist für die einseitig festgelegte Laufzeit eines EGVA darstelle. Die gesetzliche Überprüfungsfrist sei im angegriffenen EGVA nicht einmal genannt worden.
Der Antragsteller beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 1. November 2017 aufzuheben und ihm für das erstinstanzliche Verfahren ratenfreie Prozesskosten unter Beiordnung von Rechtsanwältin Wecke zu bewilligen.
Auf Nachfrage der Berichterstatterin hat der Antragsgegner am 26. September 2018 einen weiteren EGVA vom 14. Februar 2018 vorgelegt, der nach seinem Inhalt ebenfalls "bis auf weiteres" gültig sein solle. Er schreibe die Eingliederungsvereinbarung vom 11. September 2017 fort und sei – da eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande gekommen sei – als Verwaltungsakt zu erlassen. Er hat denselben Inhalt wie der angegriffene EGVA; die Teilnahme an (derselben) Maßnahme sollte ab 3. April 2018 erfolgen.
Nach Übersendung unter Hinweis auf die Erledigung des angegriffenen EGVA durch die Fortschreibung hat der Antragsteller am 9. Oktober 2018 ausgeführt, den EGVA vom 14. Februar 2018 habe er nicht erhalten. Er sei ihm bislang noch nicht wirksam bekannt gegeben worden. Die Übersendung durch den Senat reiche nicht aus. Es habe Ende Januar 2018 ein Gespräch beim Antragsgegner gegeben, bei dem er sich geweigert habe, eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben. Er gehe davon aus, dass der angegriffene EGVA weiterhin gelte. Er hat aktualisierte Belege zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen vorgelegt und um Bescheidung gebeten.
Der Antragsgegner hat erklärt, er könne den Zugang des EGVA vom 14. Februar 2018 nicht beweisen. Im Allgemeinen erhalte der Antragsteller die an ihn versandte Post.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners sowie das PKH-Beiheft ergänzend Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden und statthaft nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG. Das SG hat die Bewilligung von PKH ausschließlich wegen mangelnder Aussicht auf Erfolg verneint. Der Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 2b SGG greift nicht, denn in der Hauptsache bedürfte die Berufung nicht der Zulassung. Da die Beteiligten nicht um eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung streiten, sondern um die Rechtmäßigkeit eines die EGVA, wäre die Berufung ohne weiteres zulässig.
Die Beschwerde ist auch begründet. Nach § 73a Abs. 1 SGG in Verbindung mit den §§ 144 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) ist auf Antrag PKH zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 115 ZPO für die Prozessführung sein Einkommen und Vermögen einzusetzen, soweit ihm dies nicht aufgrund der dort genannten Tatbestände unzumutbar ist.
Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990, Az.: 1 BvR 94/88, NJW 1991 S. 413f.). PKH kommt hingegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 1998, Az.: B 13 RJ 83/97 R, SozR 3-1500, § 62 Nr. 19). Die Prüfung der Aussicht auf Erfolg soll aber nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Verfahren der PKH vorzuverlegen und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG kann nicht nur die Behandlung schwieriger Rechtsfragen im PKH-Verfahren zu einer unzulässigen Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens führen. Auch Beweiserhebungen oder Beweiswürdigungen müssen daraufhin untersucht werden, ob sie den Rahmen des PKH-Verfahrens sprengen. So darf PKH nicht verweigert werden, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Betroffenen ausgehen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Februar 2008, Az.: 1 BvR 1807/07, juris). Ist eine Beweisaufnahme geboten, kann PKH wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht nur dann abgelehnt werden, wenn nach objektivem Maßstab die Beweisaufnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem für den Betroffenen negativen Ergebnis führen wird, oder wenn die Beweisaufnahme bereits abgeschlossen ist und alles auf ein Scheitern des Begehrens in der Sache hindeutet.
Unter Anwendung dieser Maßstäbe hatte die Rechtsverfolgung des Antragstellers im erstinstanzlichen Verfahren, die auf die Anordnung der durch § 39 Nr. 1 SGB II ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs (anfänglich des Widerspruchs und nach dessen Bescheidung und Klageerhebung der Klage) gerichtet war, von Anfang an hinreichende Aussicht Erfolg. Denn der angegriffenen EGVA vom 11. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2017 begegnet rechtlichen Bedenken, soweit eine Geltungsdauer ab dem 11. September 2017 "bis auf weiteres", d.h. zeitlich praktisch unbeschränkt verfügt worden ist. Die Frage der Gültigkeitsdauer eines EGVA bzw. der Notwendigkeit seiner Befristung ist eine schwierige Rechtsfrage, die nicht in das PKH-Verfahren vorverlagert werden darf. In der Rechtsprechung werden hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten.
Der Senat hält nach seiner vorläufigen Rechtsauffassung einen EGVA ohne zeitliche Begrenzung der Geltungsdauer für rechtswidrig, weil dies von der gesetzlichen Ermächtigung nicht gedeckt sein dürfte. Die verfügte Geltung "bis auf weiteres" – auch mit dem Hinweis, die Wirksamkeit des EGVA entfalle, wenn die Hilfebedürftigkeit ende – ist keine (echte) zeitliche Begrenzung und steht mit der gesetzlichen Vorgabe in § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II, nach der EGVA regelmäßig, spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten zu überprüfen und fortzuschreiben ist), nicht im Einklang. Der Senat folgt insoweit der Auffassung des LSG Baden-Württemberg im Urteil vom 15. Mai 2018 (Az.: L 9 AS 4118/17, juris RN 31ff. mit weit. Nachw.).
Nach § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II in der bis zum 31. Juli 2016 gültigen Fassung sollte eine Eingliederungsvereinbarung für sechs Monate geschlossen werden mit der Folge, dass diese Befristung grundsätzlich auch für den EGVA galt (vgl. BSG, Urteil vom 14.02.2013, Az.: B 14 AS 195/11 R, juris) und die Festlegung einer längeren Gültigkeitsdauer einer Begründung (Ermessenserwägungen) bedurfte. Diese regelhafte Sechs-Monats-Frist gibt es in der Neuregelung nicht mehr. Nunmehr soll gemäß § 15 Abs. 3 SGB II in der seit dem 1. August 2016 geltenden Fassung die Eingliederungsvereinbarung regelmäßig, spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten, gemeinsam überprüft und fortgeschrieben werden. Nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 18/8041 S. 37) soll durch die Aktualisierungsverpflichtung betont werden, dass die Eingliederungsvereinbarung das maßgebliche Werkzeug zur Planung und Gestaltung des Eingliederungsprozesses ist. Aufgrund der Erfahrungen und des Verlaufs der bisherigen Bemühungen sollen die Vereinbarungen (laufend) angepasst und eine flexiblere Handhabung ermöglicht werden. Dazu werde im Interesse des kontinuierlichen Eingliederungsprozesses nur der späteste Zeitpunkt für eine Überprüfung und Aktualisierung der Vereinbarung geregelt.
Insoweit spricht viel dafür, dass die gesetzlich geregelte Überprüfungshöchstfrist von sechs Monaten zugleich die Höchstdauer der Geltung des einseitig erlassenen EGVA ist (ebenso: Bayer. LSG, Beschluss vom 8. Juni 2017, Az.: L 16 AS 291/17 B ER, juris RN 20; SG D., Beschluss vom 10. Januar 2018, Az.: S 27/AS 5836/17, juris RN 16; Berlit in: LPK-SGB II, 6. Aufl. 2017, § 15 RN 62; Kador in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, RN 78, 89). Jedenfalls dürfte der Erlass eines EGVA ohne zeitliche Begrenzung der Geltungsdauer nicht von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt sein. Eine zeitliche Begrenzung enthält der angegriffene EGVA mit seiner Geltung "bis auf weiteres" nicht. Der EGVA ist eine einseitige, hoheitliche Regelung. Bei einer (zweiseitigen) Eingliederungsvereinbarung gemäß 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II schützt der Überprüfungsmechanismus mit der Regelüberprüfungsfrist den Leistungsberechtigten und räumt ihm ggf. sogar ein Sonderkündigungsrecht ein, um sein Recht auf Überprüfung und Aktualisierung wirksam durchsetzen zu können (Berlit,.a.a.O., § 15 RN 56). Bei einem EGVA greift dieser Überprüfungsmechanismus nicht. Denn ein EGVA gilt im Falle der Nichtbefristung tatsächlich bis auf weiteres fort, ohne dass der Leistungsberechtigte hierauf Einfluss nehmen kann. Seine Rechtsschutzmöglichkeiten bei fehlender oder nicht rechtzeitiger Aktualisierung des EGVA sind erschwert (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O., RN 32). Er müsste zunächst einen Änderungsantrag nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) bei der Behörde stellen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dies vom Gesetzgeber mit der Neuregelung beabsichtigt war.
Unabhängig davon ist im angegriffenen EGVA die vom Gesetzgeber vorgegebene Überprüfungs- und Fortschreibungspflicht von spätestens sechs Monaten (§ 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II) nicht einmal genannt. Der Antragsgegner hat lediglich allgemein ausgeführt (unter 9.), die Inhalte des Bescheides würden regelmäßig überprüft und ggf. mit einem neuen EGVA fortgeschrieben. Eine konkrete Frist ist nicht festgelegt worden.
Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine PKH-Bewilligung liegen vor. Der Antragsteller bezieht weiterhin ergänzende SGB II-Leistungen. Es gibt keinen Anhalt für das Vorhandensein von einzusetzendem Vermögen.
Die Kosten des PKH-Beschwerdeverfahrens sind nach § 202 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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