Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 2018/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2996/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. Juni 2017 aufgehoben und entsprechend dem Anerkenntnis der Beklagten vom 9. November 2018 der Bescheid vom 15. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Juni 2015 aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger zum 1. Mai 2015 in die Krankenversicherung der Rentner aufgenommen wird.
Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten beider Instanzen. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner.
Der Kläger ist 1952 in der ehemaligen UdSSR geboren. Ausweislich des Vertriebenenausweises B (XX/XXX) vom 30. Oktober 1991 hält er sich seit 18. März 1991 ständig im Bundesgebiet auf.
Erstmals war er am 3. März 1969 im Rahmen einer Berufsausbildung in der ehemaligen UdSSR erwerbstätig. Seit seinem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland war er vom 17. April bis 1. Juni 1991 sowie vom 3. Juni bis 22. August 1991 über die Eingliederungshilfe und vom 24. Juli 1991 bis 2. März 1993 als Beschäftigter bzw. Bezieher von Arbeitslosengeld pflichtversichert bei der AOK Baden-Württemberg. Seit 8. März 1993 ist der Kläger mit Unterbrechungen Mitglied der Beklagten. Zuletzt bezog er ab 20. November 2014 Arbeitslosengeld II. Ab dem 1. Mai 2015 gewährte ihm die Beigeladene Altersrente für schwerbehinderte Menschen (Bescheid vom 28. April 2015).
Wegen seines am 9. März 2015 gestellten Rentenantrags prüfte die Beklagte die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner und lehnte mit Bescheid vom 15. April 2015 die Durchführung der Krankenversicherung der Rentner ab Rentenbeginn ab, da der Kläger nicht lange genug in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen sei. Dem Bescheid war ein Datenblatt beigefügt, woraus sich eine Rahmenfrist vom 18. März 1991 (Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland) bis 9. März 2015 (Datum des Rentenantrags), die Dauer der Rahmenfrist von 8757 Tagen, der Beginn der zweiten Hälfte der Rahmenfrist am 14. März 2003, die erforderliche Vorversicherungszeit von 3941 Tagen (10 Jahre, 9 Monate und 17 Tage) sowie die erreichte Vorversicherungszeit von 3874 Tagen (10 Jahre, 7 Monate und 11 Tage) ergab.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, er erfülle die Voraussetzungen für die Krankenversicherung der Rentner. Die Beklagte sei verpflichtet, auch seine Arbeitsjahre in der ehemaligen UdSSR zu berücksichtigen.
Mit Schreiben vom 11. Mai 2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Berechnung der notwendigen Vorversicherungszeit der Krankenversicherung der Rentner sei eine Vorgabe des Gesetzgebers und für alle Krankenkassen gleich geregelt. Beim Kläger ergäben sich Versicherungslücken in der Zeit vom 31. Juli bis 24. August 2009, vom 2. November 2012 bis 7. Oktober 2013 und vom 7. Juli bis 19. November 2014. Bei Vorlage weiterer Unterlagen werde sie erneut prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner vorlägen.
Anschließend legte der Kläger einen Entlassungsschein der Justizvollzuganstalt O. vom 7. Oktober 2013 vor, aus dem sich eine Haftzeit vom 2. November 2012 bis 7. Oktober 2013 ergab. Zudem teilte er mit, auch in der Zeit vom 7. Juli bis 19. November 2014 inhaftiert gewesen zu sein. Weshalb die ARGE in der Zeit vom 31. Juli bis 24. August 2009 keine Zahlungen an die Krankenversicherung geleistet habe, sei ihm nicht bekannt. Seinen Widerspruch nehme er nicht zurück, da er sich diskriminiert fühle.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2015 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, der Kläger erfülle die nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V erforderliche Vorversicherungszeit von 10 Jahren, 9 Monaten und 17 Tagen nicht. Die hierfür maßgebliche Rahmenfrist habe am 19. März 1991, dem Tag nach dem Zuzug in das Bundesgebiet, begonnen und mit dem beim Rentenversicherungsträger gestellten Rentenantrag am 9. März 2015 geendet. Ausschlaggebend für die Vorversicherungszeit sei jedoch nur die zweite Hälfte dieses Zeitraums. Diese beginne am 14. März 2003. Aus diesem Zeitraum ergebe sich eine nachgewiesene Vorversicherungszeit von 10 Jahren, 7 Monaten und 11 Tagen. Diese könne nicht zu einer Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner bei der Beklagten führen.
Der Kläger erhob am 24. Juni 2015 Klage beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe. Er vertrat die Ansicht, die Rahmenfrist beginne entgegen der Auffassung der Beklagten bereits mit der erstmaligen Aufnahme seiner Tätigkeit am 3. März 1969 in der ehemaligen UdSSR. Ausgehend hiervon habe er die notwendige Vorversicherungszeit um 1 Tag überschritten. Hierbei sei die Zeit nach dem 20. November 2014 noch nicht berücksichtigt, in der er Arbeitslosengeld II bezogen habe. Unter Berücksichtigung dieser Zeit habe er die erforderliche Vorversicherungszeit deutlich überschritten. Wegen der im Einzelnen aufgeführten Lücken, sei das Gericht gehalten, Auskünfte bei der Bundesagentur für Arbeit und der AOK Baden-Württemberg einzuholen. Weitere Nachweise für Versicherungszeiten könne er nicht mehr erbringen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie wiederholte ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid und verwies erneut auf das Rundschreiben der Krankenversicherung und Pflegeversicherung der Rentner zum 2. Dezember 2014, wonach für die Berechnung der Vorversicherungszeit das Datum des Zuzugs in die Bundesrepublik Deutschland maßgeblich sei. Selbst wenn man mit dem Kläger den Beginn der Erwerbstätigkeit auf den 3. März 1969 festlegen würde, habe der Kläger die Vorversicherungszeit nicht erfüllt. Aus der ihrem Schreiben vom 2. Dezember 2016 ersichtlichen Berechnung ergäbe sich eine Dauer der Rahmenfrist von 46 Jahren und 7 Tagen. Die zweite Hälfte der Rahmenfrist beginne am 7. März 1992 und betrage 23 Jahre und 4 Tage. Die erforderliche Vorversicherungszeit umfasse 20 Jahre, 8 Monate und 19 Tage. Unter Berücksichtigung der im Einzelnen aufgeführten Zeiträume erreiche der Kläger eine Vorversicherungszeit von 19 Jahren, 8 Monaten und 3 Tagen. Auch damit habe er die Vorversicherungszeit nicht erfüllt.
Das SG befragte zum Vorliegen weiterer Versicherungszeiten seit 1991 die AOK Baden-Württemberg, die Agentur für Arbeit K.-R. sowie das Jobcenter P ... Die AOK Baden-Württemberg teilte unter dem 3. Februar 2017 mit, der Kläger sei vom 17. April bis 1. Juni sowie vom 3. Juni bis 21. August 1991 über die Eingliederungshilfe und in der Zeit vom 24. Juli 1991 bis 30. November 1992, vom 1. Dezember 1992 bis 2. März 1993 als Beschäftigter oder Bezieher von Arbeitslosengeld bei ihr kranken- und pflegeversichert gewesen. Die Agentur für Arbeit führte unter dem 15. Februar 2017 aus, bei ihrem Amt seien keine Daten gespeichert. Das Jobcenter P. legte unter dem 17. März 2017 dar, der Kläger habe in den Zeiträumen vom 1. Januar 2005 bis 31. Juli 2009, vom 25. August 2009 bis 30. November 2012 sowie vom 1. Oktober 2013 bis 31. Mai 2015 Leistungen nach dem SGB II bezogen. In der Zeit vom 7. Juli bis 19. November 2014 sei er von Leistungen ausgeschlossen gewesen.
Mit Urteil vom 22. Juni 2017 wies das SG die Klage ab. Mangels Erreichens der erforderlichen Vorversicherungszeit habe der Kläger keinen Anspruch auf Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V seien versicherungspflichtig Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert gewesen seien (sog. Vorversicherungszeit). Diese Voraussetzungen lägen beim Kläger nicht vor. Er habe erstmals eine Erwerbstätigkeit am 3. März 1969 aufgenommen und Rente am 9. März 2015 beantragt. Die zweite Hälfte des durch diese beiden Daten begrenzten Zeitraums wäre vom 7. März 1992 bis 9. März 2015. Dabei sei entgegen den Ausführungen der Beklagten nicht das Datum des Zuzugs des Klägers in die Bundesrepublik Deutschland, sondern der Zeitpunkt der tatsächlich in der ehemaligen UdSSR aufgenommenen ersten Beschäftigung maßgeblich für die Berechnung der Vorversicherungszeit. Aus dem Versicherungsverlauf des Klägers ergäben sich seit dem 3. März 1969 Pflichtbeitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 8. November 1983 - 12 RK 26/82 - juris) könne die erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch außerhalb des Geltungsbereichs der deutschen Sozialversicherung erfolgen. Für die Erfüllung der Halbbelegung seien dann bundesdeutsche oder ihnen gleichgestellte Versicherungszeiten zu berücksichtigen. Fremdrentenzeiten stünden denen nach Bundesrecht zurückgelegten Zeiten als Beitragszeiten gleich. Soweit die Beklagte auf eine dem entgegenstehende Empfehlung des gemeinsamen Rundschreibens vom 12. Dezember 2014 verweise, sei das SG hieran nicht gebunden. Die Vorversicherungszeit sei jedoch auch bei Herannahme der ersten Arbeitsaufnahme am 3. März 1969 nicht erfüllt. Maßgeblich hierfür sei, dass der Kläger zwischen dem 1. August 1999 und dem 10. Juli 2001 sowie vom 1. August bis 24. August 2009, 2. November 2012 bis 7. Oktober 2013 und vom 7. Juli bis 19. November 2014 nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen sei und auch nicht nach § 10 SGB V familienversichert gewesen sei, so dass weniger als 90 Prozent des nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V erforderlichen Vorversicherungszeitraums mit entsprechenden Versicherungszeiten belegt seien. In der Zeit vom 1. August 1999 bis 10. Juli 2001 habe der Kläger eine Haftstrafe verbüßt, vom 2. November 2012 bis 7. Oktober 2013 habe sich der Kläger in der Justizvollzugsanstalt O. aufgehalten und vom 7. Juli bis 19. November 2014 erneut eine Haftstrafe verbüßt. Während des Aufenthalts in einer Justizvollzugsanstalt bestehe jedoch keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und auch keine Familienversicherung. Soweit der Kläger vortrage, er habe weitere Pflichtbeitragszeiten erfüllt, seien solche auch nach den Ermittlungen des SG nicht nachgewiesen. Insbesondere habe das Jobcenter nicht bestätigt, dass der Kläger in den vorgenannten Zeiträumen Arbeitslosengeld II bezogen habe. Nachdem auch der Kläger keine weiteren Nachweise für eine Versicherungspflicht oder Familienversicherung erbracht habe, gehe die Nichterweislichkeit zu seinen Lasten. Zudem seien die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 12 SGB V nicht erfüllt, da der Kläger seinen Wohnsitz innerhalb der letzten zehn Jahre vor Stellung des Rentenantrags nicht in das Inland verlegt habe, denn er sei im Jahr 1991 in die BRD gezogen und habe erst im Jahr 2015 Rente beantragt.
Gegen das ihm am 3. Juli 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. Juli 2017 beim SG Berufung eingelegt.
Nicht einverstanden sei er mit der Formulierung im Urteil "Nachdem auch der Kläger keine weiteren Nachweise für die Versicherungspflicht oder Familienversicherung erbringen kann, geht die Nichterweislichkeit zu seinen Lasten". Fehler der zuständigen Behörden könnten nicht zu seinen Lasten gehen. Hierfür sei er nicht verantwortlich. Dies gehöre nicht zu seinem Kompetenzbereich. Nur aus diesem Grund lege er Berufung ein. Insbesondere könne ihm nicht zur Last gelegt werden, dass seine ehemaligen Chefs teilweise keine Sozialversicherungsbeiträge für ihn abgeführt hätten. Auch könne er nichts dafür, dass die bei den Firmen und Ämtern vorhandenen Unterlagen nach fünf Jahren vorschriftsmäßig gelöscht worden seien. Er sei nur für seine persönlichen Taten verantwortlich.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. Juni 2017 und den Bescheid vom 15. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Juni 2015 aufzuheben und festzustellen, dass er ab 1. Mai 2015 Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner ist.
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung des Senats am 9. November 2018 folgendes Anerkenntnis abgegeben:
"Die Beklagte nimmt den Kläger ab Rentenbeginn (01.05.2015) in die Krankenversicherung der Rentner auf. Der Bescheid vom 15.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2015 wird aufgehoben."
Der Kläger hat das Anerkenntnis der Beklagten nicht angenommen.
Die Beklagte stellt keinen Antrag (mehr).
Die mit Beschluss vom 21. August 2018 beigeladene Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 17. September 2018 hat der Senat den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das anhängige Berufungsverfahren abgelehnt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1.Die Berufung des Klägers ist zulässig. Der Kläger hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung ist auch statthaft. Denn sie bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger begehrt die Feststellung, er sei versicherungspflichtiges Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner, und damit nicht eine Geld-, Sach- oder Dienstleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.
2. Die zulässige Berufung des Klägers ist auch begründet. Die Beklagte ist nach dem über § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbaren § 307 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ihrem Anerkenntnis entsprechend zu verurteilen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 10. Mai 2007 – B 10 EG 2/06 R – juris Rn. 9 m.w.N.). Das Anerkenntnis ist wirksam, da die Beklagte über den Streitgegenstand – Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner – verfügen kann (vgl. B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 12. Aufl., SGG, § 101 Rn. 21 m.w.N.).
Der abweichende Antrag der Beigeladenen hat hierauf keinen Einfluss; ihm war nicht stattzugeben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten beider Instanzen. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner.
Der Kläger ist 1952 in der ehemaligen UdSSR geboren. Ausweislich des Vertriebenenausweises B (XX/XXX) vom 30. Oktober 1991 hält er sich seit 18. März 1991 ständig im Bundesgebiet auf.
Erstmals war er am 3. März 1969 im Rahmen einer Berufsausbildung in der ehemaligen UdSSR erwerbstätig. Seit seinem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland war er vom 17. April bis 1. Juni 1991 sowie vom 3. Juni bis 22. August 1991 über die Eingliederungshilfe und vom 24. Juli 1991 bis 2. März 1993 als Beschäftigter bzw. Bezieher von Arbeitslosengeld pflichtversichert bei der AOK Baden-Württemberg. Seit 8. März 1993 ist der Kläger mit Unterbrechungen Mitglied der Beklagten. Zuletzt bezog er ab 20. November 2014 Arbeitslosengeld II. Ab dem 1. Mai 2015 gewährte ihm die Beigeladene Altersrente für schwerbehinderte Menschen (Bescheid vom 28. April 2015).
Wegen seines am 9. März 2015 gestellten Rentenantrags prüfte die Beklagte die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner und lehnte mit Bescheid vom 15. April 2015 die Durchführung der Krankenversicherung der Rentner ab Rentenbeginn ab, da der Kläger nicht lange genug in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen sei. Dem Bescheid war ein Datenblatt beigefügt, woraus sich eine Rahmenfrist vom 18. März 1991 (Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland) bis 9. März 2015 (Datum des Rentenantrags), die Dauer der Rahmenfrist von 8757 Tagen, der Beginn der zweiten Hälfte der Rahmenfrist am 14. März 2003, die erforderliche Vorversicherungszeit von 3941 Tagen (10 Jahre, 9 Monate und 17 Tage) sowie die erreichte Vorversicherungszeit von 3874 Tagen (10 Jahre, 7 Monate und 11 Tage) ergab.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, er erfülle die Voraussetzungen für die Krankenversicherung der Rentner. Die Beklagte sei verpflichtet, auch seine Arbeitsjahre in der ehemaligen UdSSR zu berücksichtigen.
Mit Schreiben vom 11. Mai 2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Berechnung der notwendigen Vorversicherungszeit der Krankenversicherung der Rentner sei eine Vorgabe des Gesetzgebers und für alle Krankenkassen gleich geregelt. Beim Kläger ergäben sich Versicherungslücken in der Zeit vom 31. Juli bis 24. August 2009, vom 2. November 2012 bis 7. Oktober 2013 und vom 7. Juli bis 19. November 2014. Bei Vorlage weiterer Unterlagen werde sie erneut prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner vorlägen.
Anschließend legte der Kläger einen Entlassungsschein der Justizvollzuganstalt O. vom 7. Oktober 2013 vor, aus dem sich eine Haftzeit vom 2. November 2012 bis 7. Oktober 2013 ergab. Zudem teilte er mit, auch in der Zeit vom 7. Juli bis 19. November 2014 inhaftiert gewesen zu sein. Weshalb die ARGE in der Zeit vom 31. Juli bis 24. August 2009 keine Zahlungen an die Krankenversicherung geleistet habe, sei ihm nicht bekannt. Seinen Widerspruch nehme er nicht zurück, da er sich diskriminiert fühle.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2015 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, der Kläger erfülle die nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V erforderliche Vorversicherungszeit von 10 Jahren, 9 Monaten und 17 Tagen nicht. Die hierfür maßgebliche Rahmenfrist habe am 19. März 1991, dem Tag nach dem Zuzug in das Bundesgebiet, begonnen und mit dem beim Rentenversicherungsträger gestellten Rentenantrag am 9. März 2015 geendet. Ausschlaggebend für die Vorversicherungszeit sei jedoch nur die zweite Hälfte dieses Zeitraums. Diese beginne am 14. März 2003. Aus diesem Zeitraum ergebe sich eine nachgewiesene Vorversicherungszeit von 10 Jahren, 7 Monaten und 11 Tagen. Diese könne nicht zu einer Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner bei der Beklagten führen.
Der Kläger erhob am 24. Juni 2015 Klage beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe. Er vertrat die Ansicht, die Rahmenfrist beginne entgegen der Auffassung der Beklagten bereits mit der erstmaligen Aufnahme seiner Tätigkeit am 3. März 1969 in der ehemaligen UdSSR. Ausgehend hiervon habe er die notwendige Vorversicherungszeit um 1 Tag überschritten. Hierbei sei die Zeit nach dem 20. November 2014 noch nicht berücksichtigt, in der er Arbeitslosengeld II bezogen habe. Unter Berücksichtigung dieser Zeit habe er die erforderliche Vorversicherungszeit deutlich überschritten. Wegen der im Einzelnen aufgeführten Lücken, sei das Gericht gehalten, Auskünfte bei der Bundesagentur für Arbeit und der AOK Baden-Württemberg einzuholen. Weitere Nachweise für Versicherungszeiten könne er nicht mehr erbringen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie wiederholte ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid und verwies erneut auf das Rundschreiben der Krankenversicherung und Pflegeversicherung der Rentner zum 2. Dezember 2014, wonach für die Berechnung der Vorversicherungszeit das Datum des Zuzugs in die Bundesrepublik Deutschland maßgeblich sei. Selbst wenn man mit dem Kläger den Beginn der Erwerbstätigkeit auf den 3. März 1969 festlegen würde, habe der Kläger die Vorversicherungszeit nicht erfüllt. Aus der ihrem Schreiben vom 2. Dezember 2016 ersichtlichen Berechnung ergäbe sich eine Dauer der Rahmenfrist von 46 Jahren und 7 Tagen. Die zweite Hälfte der Rahmenfrist beginne am 7. März 1992 und betrage 23 Jahre und 4 Tage. Die erforderliche Vorversicherungszeit umfasse 20 Jahre, 8 Monate und 19 Tage. Unter Berücksichtigung der im Einzelnen aufgeführten Zeiträume erreiche der Kläger eine Vorversicherungszeit von 19 Jahren, 8 Monaten und 3 Tagen. Auch damit habe er die Vorversicherungszeit nicht erfüllt.
Das SG befragte zum Vorliegen weiterer Versicherungszeiten seit 1991 die AOK Baden-Württemberg, die Agentur für Arbeit K.-R. sowie das Jobcenter P ... Die AOK Baden-Württemberg teilte unter dem 3. Februar 2017 mit, der Kläger sei vom 17. April bis 1. Juni sowie vom 3. Juni bis 21. August 1991 über die Eingliederungshilfe und in der Zeit vom 24. Juli 1991 bis 30. November 1992, vom 1. Dezember 1992 bis 2. März 1993 als Beschäftigter oder Bezieher von Arbeitslosengeld bei ihr kranken- und pflegeversichert gewesen. Die Agentur für Arbeit führte unter dem 15. Februar 2017 aus, bei ihrem Amt seien keine Daten gespeichert. Das Jobcenter P. legte unter dem 17. März 2017 dar, der Kläger habe in den Zeiträumen vom 1. Januar 2005 bis 31. Juli 2009, vom 25. August 2009 bis 30. November 2012 sowie vom 1. Oktober 2013 bis 31. Mai 2015 Leistungen nach dem SGB II bezogen. In der Zeit vom 7. Juli bis 19. November 2014 sei er von Leistungen ausgeschlossen gewesen.
Mit Urteil vom 22. Juni 2017 wies das SG die Klage ab. Mangels Erreichens der erforderlichen Vorversicherungszeit habe der Kläger keinen Anspruch auf Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V seien versicherungspflichtig Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert gewesen seien (sog. Vorversicherungszeit). Diese Voraussetzungen lägen beim Kläger nicht vor. Er habe erstmals eine Erwerbstätigkeit am 3. März 1969 aufgenommen und Rente am 9. März 2015 beantragt. Die zweite Hälfte des durch diese beiden Daten begrenzten Zeitraums wäre vom 7. März 1992 bis 9. März 2015. Dabei sei entgegen den Ausführungen der Beklagten nicht das Datum des Zuzugs des Klägers in die Bundesrepublik Deutschland, sondern der Zeitpunkt der tatsächlich in der ehemaligen UdSSR aufgenommenen ersten Beschäftigung maßgeblich für die Berechnung der Vorversicherungszeit. Aus dem Versicherungsverlauf des Klägers ergäben sich seit dem 3. März 1969 Pflichtbeitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 8. November 1983 - 12 RK 26/82 - juris) könne die erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch außerhalb des Geltungsbereichs der deutschen Sozialversicherung erfolgen. Für die Erfüllung der Halbbelegung seien dann bundesdeutsche oder ihnen gleichgestellte Versicherungszeiten zu berücksichtigen. Fremdrentenzeiten stünden denen nach Bundesrecht zurückgelegten Zeiten als Beitragszeiten gleich. Soweit die Beklagte auf eine dem entgegenstehende Empfehlung des gemeinsamen Rundschreibens vom 12. Dezember 2014 verweise, sei das SG hieran nicht gebunden. Die Vorversicherungszeit sei jedoch auch bei Herannahme der ersten Arbeitsaufnahme am 3. März 1969 nicht erfüllt. Maßgeblich hierfür sei, dass der Kläger zwischen dem 1. August 1999 und dem 10. Juli 2001 sowie vom 1. August bis 24. August 2009, 2. November 2012 bis 7. Oktober 2013 und vom 7. Juli bis 19. November 2014 nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen sei und auch nicht nach § 10 SGB V familienversichert gewesen sei, so dass weniger als 90 Prozent des nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V erforderlichen Vorversicherungszeitraums mit entsprechenden Versicherungszeiten belegt seien. In der Zeit vom 1. August 1999 bis 10. Juli 2001 habe der Kläger eine Haftstrafe verbüßt, vom 2. November 2012 bis 7. Oktober 2013 habe sich der Kläger in der Justizvollzugsanstalt O. aufgehalten und vom 7. Juli bis 19. November 2014 erneut eine Haftstrafe verbüßt. Während des Aufenthalts in einer Justizvollzugsanstalt bestehe jedoch keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und auch keine Familienversicherung. Soweit der Kläger vortrage, er habe weitere Pflichtbeitragszeiten erfüllt, seien solche auch nach den Ermittlungen des SG nicht nachgewiesen. Insbesondere habe das Jobcenter nicht bestätigt, dass der Kläger in den vorgenannten Zeiträumen Arbeitslosengeld II bezogen habe. Nachdem auch der Kläger keine weiteren Nachweise für eine Versicherungspflicht oder Familienversicherung erbracht habe, gehe die Nichterweislichkeit zu seinen Lasten. Zudem seien die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 12 SGB V nicht erfüllt, da der Kläger seinen Wohnsitz innerhalb der letzten zehn Jahre vor Stellung des Rentenantrags nicht in das Inland verlegt habe, denn er sei im Jahr 1991 in die BRD gezogen und habe erst im Jahr 2015 Rente beantragt.
Gegen das ihm am 3. Juli 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. Juli 2017 beim SG Berufung eingelegt.
Nicht einverstanden sei er mit der Formulierung im Urteil "Nachdem auch der Kläger keine weiteren Nachweise für die Versicherungspflicht oder Familienversicherung erbringen kann, geht die Nichterweislichkeit zu seinen Lasten". Fehler der zuständigen Behörden könnten nicht zu seinen Lasten gehen. Hierfür sei er nicht verantwortlich. Dies gehöre nicht zu seinem Kompetenzbereich. Nur aus diesem Grund lege er Berufung ein. Insbesondere könne ihm nicht zur Last gelegt werden, dass seine ehemaligen Chefs teilweise keine Sozialversicherungsbeiträge für ihn abgeführt hätten. Auch könne er nichts dafür, dass die bei den Firmen und Ämtern vorhandenen Unterlagen nach fünf Jahren vorschriftsmäßig gelöscht worden seien. Er sei nur für seine persönlichen Taten verantwortlich.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. Juni 2017 und den Bescheid vom 15. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Juni 2015 aufzuheben und festzustellen, dass er ab 1. Mai 2015 Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner ist.
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung des Senats am 9. November 2018 folgendes Anerkenntnis abgegeben:
"Die Beklagte nimmt den Kläger ab Rentenbeginn (01.05.2015) in die Krankenversicherung der Rentner auf. Der Bescheid vom 15.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2015 wird aufgehoben."
Der Kläger hat das Anerkenntnis der Beklagten nicht angenommen.
Die Beklagte stellt keinen Antrag (mehr).
Die mit Beschluss vom 21. August 2018 beigeladene Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 17. September 2018 hat der Senat den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das anhängige Berufungsverfahren abgelehnt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1.Die Berufung des Klägers ist zulässig. Der Kläger hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung ist auch statthaft. Denn sie bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger begehrt die Feststellung, er sei versicherungspflichtiges Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner, und damit nicht eine Geld-, Sach- oder Dienstleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.
2. Die zulässige Berufung des Klägers ist auch begründet. Die Beklagte ist nach dem über § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbaren § 307 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ihrem Anerkenntnis entsprechend zu verurteilen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 10. Mai 2007 – B 10 EG 2/06 R – juris Rn. 9 m.w.N.). Das Anerkenntnis ist wirksam, da die Beklagte über den Streitgegenstand – Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner – verfügen kann (vgl. B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 12. Aufl., SGG, § 101 Rn. 21 m.w.N.).
Der abweichende Antrag der Beigeladenen hat hierauf keinen Einfluss; ihm war nicht stattzugeben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved