S 25 SO 91/18 ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
25
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 25 SO 91/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin Hilfen zur Sicherung der Unterkunft gem. § 36 SGB XII in Höhe von 5124,67 Euro darlehensweise zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin beantragt mit ihrem beim hiesigen Sozialgericht am 02.07.2018 eingegangenen Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Mietrückstände in Höhe von 5124,67 Euro als Darlehen zu übernehmen.

Die am ... geborene Antragstellerin lebt mit ihrem im Juni 2002 geborenem Sohn in der im Rubrum genannten Wohnung. Der Vermieter ist ..., Vermietung und Verpachtung, ... Der Mietvertrag wurde zum 01.12.2012 geschlossen und ein Mietzins für die Warmmiete in Höhe von 570,- Euro vereinbart. Wegen noch nicht abgeschlossener baulicher Maßnahmen und Mängel vereinbarten die Mietvertragsparteien mündlich eine 20% Mietminderung, so dass sich die vereinbarte Miete auf 456,- Euro reduziert. Ein Abstellen der baulichen Mängel und damit ein "Wiederaufleben" des vereinbarten Mietzinses ist derzeit nicht absehbar. Die Antragstellerin kam ihrer Mietzahlungsverpflichtung ab dem Jahr 2014 nicht immer vollständig nach, so dass mit Stand des heutigen Tages nach Angaben des Vermieters eine Gesamtforderung in Höhe von 5624,67 Euro aufgelaufen sei.

Die Antragstellerin war bis vor wenigen Tagen in Privatinsolvenz. Die Restschuldbefreiung datiert nach Angabe der Antragstellerin vom 09.07.2018.

Bereits unter dem 02.10.2017 schrieb der Vermieter die Antragstellerin an und verwies sie in Hinblick auf die damaligen Mietschulden in Höhe von ca. 3050 Euro auf staatliche Stellen. Die Antragstellerin war sodann am 20.10.2017 in der Mietschuldnerberatung der Antragsgegnerin und hat sich beraten lassen. Sie gab an, dass die Mietschulden entstanden seien, da sie oftmals Probleme mit den Lohnzahlungen der Arbeitgeber habe. Sie befand sich zu dem Zeitpunkt auch in einem arbeitsrechtlichen Verfahren im Rahmen einer Kündigungsschutzklage gegen ihren letzten Arbeitgeber. Die Mietschuldnerberatung nahm im Nachgang des Gesprächs Kontakt mit dem Vermieter auf. Dieser teilte unter dem 16.11.2017 mit, dass eine Ratenzahlungsvereinbarung in Betracht komme und er bemüht sei, ihr kleineren Wohnraum anzubieten. Letzteres sei mangels freier Wohnungen laut Mitteilung der Antragstellerin nicht erfolgt. Von Seiten der Mietschuldnerberatung ist nicht noch einmal beim Vermieter hinsichtlich einer möglichen Ratenzahlungsvereinbarung nachgehakt wurden. Bei einem weiteren Gespräch der Antragstellerin mit der Mietschuldnerberatung am 19.12.2017 wird vereinbart, dass die Antragstellerin mindestens drei Monate lang die Zahlung der monatlichen Miete sowie einer zusätzlichen Rate nachweisen solle. Bei einem weiteren Gespräch am 24.05.2018 belegte die Antragstellerin die Zahlung der vollen Miete mittels Kontoauszügen. So ist der Aufstellung des Vermieters zu entnehmen, dass am 29.12.2017 die geschuldete Miete in Höhe von 456,-, und am 31.01.2018 sowie am 26.03.2018 jeweils 500 Euro überwiesen wurden.

Eine Sozialarbeiterin zog die Mietschuldnerberatung der Antragsgegnerin nicht hinzu und begründete dies damit, da die Antragstellerin anwaltlich vertreten gewesen sei und zudem berufstätig sei.

Die Antragsgegnerin hat mit Bescheid vom 31.05.2018 die beantragte Übernahme von Mietschulden abgelehnt. Dagegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein, über den bislang noch nicht entschieden ist.Der Vermieter hat Räumungsklage beim Amtsgericht M. unter dem Az ... erhoben mit dem Antrag, die genutzte Wohnung von ca. 80qm mit 3 Zimmern, Küche, Bad/WC, Diele sowie Kellerraum geräumt herauszugeben. Die Klage ist der Antragstellerin am 16.06.2018 zugestellt wurden. Die Antragstellerin hat Verteidigungsbereitschaft angezeigt. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung ist noch nicht anberaumt.

Mit Klageschrift hat der Vermieter das Mietverhältnis fristlos gekündigt, da sich die Antragstellerin mit der Zahlung von Mieten in einer Höhe von mehr als zwei Monatsmieten in Verzug befinde. Hilfsweise kündigte der Vermieter ordentlich unter Bezugnahme auf die Zahlungsrückstände. Er führt in seiner Klageschrift aus, dass er das Vertrauensverhältnis als hinlänglich gestört betrachte und die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr möglich sei. Einer stillschweigenden Fortsetzung des Mietverhältnisses widersprach er vorsorglich.

Auf Anfrage der Kammer vom 25.07.2018 erklärte sich der Vermieter jedoch bereit, dass nach Begleichung der Mietaußenstände in Höhe von 5624,67 Euro auf eine Kündigung verzichtet werde und er gewillt sei, mit der Antragstellerin das Mietverhältnis fortzusetzen.

Im Rahmen des Verfahrens verwies die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf eine freie Wohnung in der Wolfenbütteler Str. 31. Die Antragstellerin war am 16.7.2018 bei der entsprechenden Hausverwaltung vorstellig. Eine Zusage für die Wohnung erhielt sie nicht. Auf Nachfrage der Vorsitzenden im Erörterungstermin vom 25.07.2018 erklärte die Antragsgegnerin, dass ihr derzeit kein anderer in Frage kommender freier Wohnraum bekannt sei.

Die Antragstellerin beantragte am 02.07.2018 den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Antragstellerin meint, dass sie kurzfristig keine andere Mietwohnung bekäme, da sie aufgrund der Mietschulden keine Unbedenklichkeitsbescheinigung vom Vermieter bekäme. Zudem bestehe ein Schufa-Eintrag aufgrund des Privatinsolvenzverfahrens, bei welchem erst am 09.07.2018 die Restschuldbefreiung erfolgte. Sie habe sich intensiv seit Zustellung der Räumungsklage um anderen Wohnraum bemüht und bei ca. 10 in Frage kommenden Wohnungen Vermieter bzw. die entsprechenden Hausverwaltungen kontaktiert. Ihre Bemühungen seien jedoch vergeblich gewesen, obwohl sie den Vermietern die Beibringung einer Bürgschaft anbot. Sie habe die Erfahrung gemacht, dass andere Mietinteressenten, die nicht alleinerziehend waren oder entsprechende Arbeit hatten, bevorzugt werden. Auch hinsichtlich der Wohnung in der Wolfenbütteler Str. 31 habe sie die Hausverwaltung so verstanden, dass sie die Wohnung nicht bekomme. Sie sei darauf verwiesen wurden, dass Personen, die SGB II beziehen, bevorzugt würden.

Mit dem Vermieter bestände schon seit einigen Jahren eine mündliche Vereinbarung, dass sie monatlich neben dem Mietzins einen nicht näher konkretisierten Betrag zur Schuldentilgung zahle, je nachdem wie sie leistungsfähig sei. Sie habe sich auch in den vergangenen Monaten vor der Räumungsklage mit dem Vermieter telefonisch dahingehend verständigt, dass das bereits Vereinbarte weiterhin gelte. Sie gehe fest davon aus, dass sie im August eine andere Arbeit aufnehmen werde, bei welcher sie ca. 1300 – 1400 Euro netto verdienen werde. Dies erfolge über eine Zeitarbeitsfirma. Momentan sei lediglich unklar, an welchen Arbeitsort sie eingesetzt werden solle.

Die Antragstellerin beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin Hilfen zur Sicherung der Unterkunft gem. § 36 SGB XII in Höhe von 5124,67 Euro in Form eines Darlehens zu zahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung führt die Antragsgegnerin aus, die Antragstellerin könne durchaus kurzfristig angemessenen Wohnraum finden. Außerdem entspreche die jetzige Wohnung auch unter Berücksichtigung eines Mietzinses von 456,- Euro nicht den eigenen Angemessenheitskriterien. Danach sei für eine Bedarfsgemeinschaft mit zwei Personen entsprechend der Unterkunftsrichtlinie monatlich 364,80 Euro als Bruttokaltmiete zzgl. 72,80 Euro (gesamt 437,60 Euro) angemessen. Damit übersteige der geschuldete Mietzins der Antragstellerin diese Werte; zumal unklar sei, wie lange die Mietminderung noch bestehen bleibe. Ferner sei unklar, inwiefern die künftige Mietzahlung gesichert sei.

Die Kammer hat sowohl die Hausverwaltung der ... als auch den Vermieter der Antragstellerin kontaktiert. Ferner fand am 25.07.2018 ein Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage statt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

II.

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, Az. 1 BvR 596/05, BVerfGK 5, 273 = NVwZ 2005, S. 927). Nach dieser Rechtsprechung müssen sich die Gerichte im Übrigen stets schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen.

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Anordnungsgrund kann nur die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sein. Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden. Das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in den grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Hinzu kommt, dass Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch insoweit in einer Wechselbeziehung zueinander stehen als die Anforderungen an die Erfolgsaussichten der Hauptsache (dem Anordnungsanspruch) mit zunehmender Eilbedürftigkeit und Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) sinken und umgekehrt.

Nach den oben genannten Grundsätzen ist eine Verpflichtung der Antragsgegnerin auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung nötig. Ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes können schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, nämlich der Verlust der Wohnung und unmittelbar bevorstehende Obdachlosigkeit entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die Antragstellerin mit ihrem minderjährigen Sohn zusammen lebt und dieser folglich von einer Wohnungslosigkeit mitbetroffen ist. Da eine vollständige Aufklärung der Sachlage im vorliegenden Verfahren nach gründlicher Abwägung der Kammer ausscheidet, ist im Rahmen der Folgenabwägung zu entscheiden. Zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts kommt eine zeugenschaftliche Vernehmung des Vermieters erforderlich. Ferner wären weitere Recherchen hinsichtlich möglicher zur Verfügung stehender anderer bezahlbarer Mietwohnungen nötig. Der zeitliche Umfang der geschilderten, noch vorzunehmenden Ermittlungen dürfte dabei den mit Blick auf den der Antragstellerin zu gewährenden effektiven einstweiligen Rechtsschutz noch vertretbaren zeitlichen Rahmen überschreiten.

Hingewiesen wird dabei auf den Ablauf der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Danach wird eine außerordentliche fristlose Kündigung dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Die Räumungsklage ist der Klägerin am 16.06.2018 zugestellt wurden, so dass die Klage zu diesem Datum rechtshängig wurde.

Daraus ergibt sich auch der Anordnungsgrund, d.h. die besondere Eilbedürftigkeit, denn bei Verweigerung der Leistung droht konkret die Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit. Sobald der Räumungstitel rechtskräftig wird, kann gegen die Antragstellerin vollstreckt werden und sie hat die Wohnung zu verlassen. Die Antragstellerin hat insofern dargelegt, dass sie derzeit keine konkrete Aussicht auf eine andere Mietwohnung hat. Auch für die von der Antragsgegnerin vorgeschlagene Wohnung in der Wolfenbütteler Str. 31 erhielt die Antragstellerin keine Zusage und es wurde ihr zudem wenig Hoffnung gemacht. Andere Wohnungen konnte ihr die Antragsgegnerin gleichfalls nicht benennen.

Auch wenn die Kammer vom Vorliegen eines Anordnungsanspruchs zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vollends überzeugt ist, so spricht doch mehr dafür als dagegen.

Nach § 36 Abs. 1 S. 1 SGB XII können Schulden übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen nach S. 2 übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Wohnungslosigkeit droht dann einzutreten, wenn die bisher bewohnte Unterkunft gefährdet ist, eine andere Wohnung auf dem Markt nicht angemietet werden kann und deshalb nur eine Unterbringung in einer Not- oder Obdachlosenunterkunft in Betracht kommt. Dabei muss die Hilfe gerechtfertigt und notwendig sein. Abzustellen ist dabei auf die Selbsthilfemöglichkeiten der Antragstellerin, deren wirtschaftliche und familiäre Situation sowie ihr bisheriges Verhalten (vgl. Schellhorn/Hohm/Schneider – Schneider, SGB XII – Kommentar, § 36 Rn. 10). Die Antragstellerin hat diesbezüglich dargelegt, dass sie sich seit Zustellung der Räumungsklage um Wohnraum bemüht. Sie hat insgesamt bei 10 in Frage kommenden Vermietern bzw. Hausverwaltungen nach Wohnraum nachgefragt, jedoch bislang nur Absagen erhalten. Dabei hat sie auch zeitnah einen Termin bei der von der Antragsgegnerin einzig vorgeschlagenen Hausverwaltung vereinbart und dort vorgesprochen. Die Kammer hat diese Hausverwaltung im Nachgang per Email kontaktiert. Eine konkrete Absage konnte die Vorsitzende aus der Antwort nicht herauslesen, aber es kommt schon der Eindruck auf, dass die Antragstellerin aufgrund der bestehenden Mietschulden und mangels Bezuges von SGB II – Leistungen und dementsprechend mangels Abtretungserklärung des Jobcenters eher nicht in die engere Wahl der potentiellen Mieter kommt.

Andere Wohnungen konnte die Antragsgegnerin nicht vorschlagen, da sie nach Nachfrage im Erörterungstermin angab, keine Kenntnis von passenden anderen Wohnungen zu haben.

Die Vorsitzende hält es auch für glaubhaft – ohne es wie oben dargelegt abschließend prüfen zu können - , dass es für die Antragstellerin als Alleinerziehende mit Mietschulden sowie sich bis vor Kurzem noch in Privatinsolvenz befindend in der Kürze der Zeit schwer ist, entsprechenden Wohnraum zu finden. Hinzu kommt, dass die wirtschaftliche Situation der Antragstellerin mit ihrem derzeitigen Einkommen in Höhe von 990 Euro brutto, Wohngeld i.H.v. 160 Euro, Kindergeld i.H.v. 194 Euro und Unterhaltsvorschuss i.H.v. 273 Euro sicherlich im Vergleich zu Wohnungsmitbewerbern nicht dazu führt, dass sie bei den Vermietern "offene Türen" einrennt.

Berücksichtigt man das bisherige Verhalten der Antragstellerin so kann man ihr nicht vorhalten, gänzlich untätig gewesen zu sein und bestehende Hilfsangebote komplett abgelehnt zu haben. Vielmehr kam sie der Anregung ihres Vermieters nach und setzte sich mit der Mietschuldnerberatung des Antragsgegners in Verbindung. Den dort vereinbarten Terminen kam sie nach und suchte nach Hilfe. Das in diesem Rahmen keine Sozialarbeiterin hinzugezogen wurde und auch hinsichtlich der vom Vermieter vorgeschlagenen Ratenzahlung nicht nochmals nachgehakt wurde, hält die Vorsitzende für misslich.

Die Übernahme von Schulden ist jedoch dann nicht gerechtfertigt, wenn trotz einer Schuldenübernahme der Erhalt der Wohnung langfristig nicht gesichert werden kann.

Dabei kann die Übernahme der Schulden aus dem Mietverhältnis nach § 36 Abs. 1 SGB XII nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB nur die außerordentliche Kündigung des Mietvertrages, gestützt auf § 543 BGB, abwenden und die gleichzeitig nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB erklärte fristgemäße Kündigung bleibt hingegen wirksam (siehe hierzu BGH, Urteil vom 16.02.2005 – VIII ZR 6/04 sowie bestätigend BGH v. 23.2.2016 – VIII ZR 321/14). Allerdings hat der Vermieter auf ausdrückliche Nachfrage der Kammer vom 25.07.2018 erklärt, dass er bei Zahlung der Mietschulden auf eine Kündigung "verzichtet" und die ordentliche Kündigung damit wohl zurücknimmt. Er teilt ferner mit, dass er grundsätzlich gewillt ist, mit der Antragstellerin das Mietverhältnis fortzusetzen. Nach alledem ist damit für die Kammer deutlich, dass er – entgegen seiner Einlassung in der Räumungsklageschrift – das Vertrauensverhältnis doch noch nicht als so gestört ansieht, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr möglich ist. Auch die Antragstellerin hat sich bemüht, das Vertrauensverhältnis zum Vermieter wieder zu stärken und im Nachgang zum Erörterungstermin am 25.07.2018 das Gespräch mit dem Vermieter gesucht und versichert, sich künftig um ein besseres Verhältnis zu bemühen.

Einer langfristigen Sicherung der Wohnung steht auch nicht entgegen, dass die Wohnung nach Ansicht der Antragsgegnerin nicht den eigenen Angemessenheitskriterien entspricht. Zwar kommt die Übernahme von Mietschulden grundsätzlich nicht in Betracht, wenn die Wohnung unangemessen teuer ist, aber so verhält es sich vorliegend nicht. Aufgrund der bestehenden Mietmängel und der 20% Mietminderung hat die Antragstellerin einen Mietzins in Höhe von 456 Euro zu entrichten. Dieser Mietzins gilt nach Kenntnisstand der Kammer schon seit etlichen Jahren. Insofern zeigt die vom Vermieter übersandte Aufstellung, dass bereits seit Januar 2014 lediglich 456 Euro zu entrichten waren. Es ist auch nicht absehbar, dass die zur Minderung berechtigten Mängel zeitnah behoben werden, so dass die Kammer auch weiterhin davon ausgeht, dass es bei einem Mietzins in Höhe von 456 Euro auch für eine weitere längere Zeit verbleibt. Nach Angaben der Antragsgegnerin sind für eine Bedarfsgemeinschaft mit zwei Personen entsprechend der Unterkunftsrichtlinie monatlich 364,80 Euro als Bruttokaltmiete zzgl. 72,80 Euro (gesamt 437,60 Euro) angemessen. Dieser Betrag übersteigt nur unwesentlich die von der Antragstellerin zu zahlende Miete in Höhe von 456 Euro. Zudem ist zu berücksichtigen, dass sich die Antragstellerin nicht im Leistungsbezug nach dem SGB XII oder SGB II befindet, sondern erwerbstätig ist. § 36 SGB XII ist jedoch nicht beschränkt auf Personen, die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII erhalten. Vielmehr kann Hilfe nach § 36 SGB XII auch den Personen gewährt werden, die erwerbsfähig und damit dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II sind, jedoch mangels Hilfebedürftigkeit die Voraussetzungen für laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nicht erfüllen (vgl. Schellhorn/Hohm/Scheider – Scheider, Kommentar zum SGB XII, § 36 SGB XII Rn. 14). Ob in diesen Fällen – zu denen auch die Antragstellerin gehört – der gleiche strenge Maßstab mit Verweis auf die Unterkunftsrichtlinie gilt, ist für die Kammer zweifelhaft. Vielmehr dürfte in den Fällen eine Gesamtschau unter Berücksichtigung des tatsächlichen monatlichen Einkommens des jeweiligen Hilfesuchenden sachdienlich sein, inwiefern die Wohnung unangemessen teuer ist. Da die Wohnung jedoch wie oben dargelegt nur unwesentlich über der Richtlinie der Antragstellerin liegt, erübrigt sich eine weitere Prüfung.

Hinzu kommt folgender Aspekt: Grundsätzlich soll die Wohnung durch die Hilfegewährung zwar auf Dauer gesichert werden können, in Ausnahmefällen ist die Hilfe jedoch auch dann zu leisten, wenn die Wohnung für einen bestimmten Zeitraum (z.B. für die Dauer der Suche nach einer billigeren Unterkunft) erhalten werden soll und sonst Wohnungslosigkeit droht (OVG Nds., B. v. 26.10.2004 – 4 ME 469/04). Nach den obigen Ausführungen ist dies der Fall.

Nach alledem ist der Antrag begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §§ 193, 183 SGG.
Rechtskraft
Aus
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