Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 1398/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1969/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 06.04.2017 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist (noch) streitig, ob der Klägerin Rente auf unbestimmte Dauer zusteht.
Die am 1966 geborene Klägerin erlitt am 19.11.2011 im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als EDV-Dozentin bei der S. GmbH einen Arbeitsunfall, als sie auf dem Weg vom Unterrichtsraum zu ihrem Arbeitsplatz im Treppenhaus stürzte und sich eine Bimalleolarfraktur (Innen- und Außenknöchelbruch) im oberen Sprunggelenk (OSG) rechts zuzog.
Nach operativer Versorgung am 21.12.2011 (offene Reposition der distalen Fibulafraktur mittels Plattenosteosynthese und der distalen Tibiafraktur mittels Schraubenosteosynthese, vgl. Operationsbericht S. 22 VerwA), physiotherapeutischer Behandlung und Abbruch einer Arbeitsbelastungserprobung wurde die Klägerin bei anhaltenden Schmerzen sowie erheblichen Bewegungseinschränkungen vom 09.05. bis 14.06.2012 im Rahmen einer stationären Rehabilitation in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. (BG-Klinik) behandelt, wodurch eine Besserung erreicht wurde (vgl. Befund- und Entlassungsbericht vom 19.06.2012, S. 168 ff. VerwA). Ein zunächst in Betracht gezogenes chronisch regionales Schmerzsyndrom (CRPS) wurde im Rahmen einer neurologisch-psychiatrischen Untersuchung ausgeschlossen (vgl. Befundbericht des Prof. Dr. S. vom 16.05.2012, S. 133 ff. VerwA). Am 02.07.2012 nahm die Klägerin ihre Tätigkeit wieder auf.
Zur Feststellung von Unfallfolgen veranlasste die Beklagte das Erste Rentengutachten des Prof. Dr. S. , BG-Klinik, der die Klägerin im August 2012 untersuchte und rechtsseitig eine Bewegungseinschränkung im OSG (Heben/Senken des Fußes 10-0-40 Grad gegenüber links 20-0-50 Grad) und im unteren Sprunggelenk (USG, Fußaußenrand heben/senken 2/3 gegenüber links 1/1) objektivierte und die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) seit Beginn der Arbeitsfähigkeit bis voraussichtlich 01.07.2013 mit 20 vom Hundert (v.H.) einschätzte; nachfolgend betrage die MdE voraussichtlich noch 10 v.H. (vgl. S. 230 ff. VerwA).
Mit Bescheid vom 24.10.2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v.H. ab 02.04.2012. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, sie habe seit drei Wochen täglich mehrmals heftige Krämpfe im rechten Ober- und Unterschenkel, dauerhaft Gefühlsirritationen (Brennen, Jucken, Kribbeln) im rechten Oberschenkel und nach einem Arbeitstag könne sie ab 17.00 Uhr kaum noch laufen, da der rechte Fuß bei jedem Schritt stark schmerze. Zudem leide sie seit der Operation mit Rückenmarksnarkose am 21.12.2011 unter starker Stuhlinkontinenz. Nach Metallentfernung in der BG-Klinik am 11.12.2012 veranlasste die Beklagte das Zweite Rentengutachten des Prof. Dr. S. , der nach Untersuchung der Klägerin im August 2014 als Unfallfolgen einen knöchern verheilten Sprunggelenksbruch rechts, eine Gangbildstörung mit verminderter Abrollung und Entlastung des rechten Fußes, eine Bewegungseinschränkung im rechten Sprunggelenk (OSG Heben/Senken des Fußes 10-0-30 Grad gegenüber links 20-0-40 Grad; USG, Fußaußenrand heben/senken 2/3 gegenüber links 1/1) sowie reizlos verheilte Narben am Außen- und Innenknöchel des rechten Sprunggelenks mit subjektivem Taubheitsgefühl beschrieb und die MdE mit 10 v.H. bewertete (vgl. S. 562 ff. VerwA).
Mit Bescheid vom 24.09.2014 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit anstelle der bewilligten vorläufigen Entschädigung ab und entzog die bisher gewährte Rente mit Ablauf des Monats September 2014. Zur Begründung führte sie u.a. aus, als Unfallfolgen bestünden noch eine Gangbildstörung mit verminderter Abrollung und Entlastung des rechten Fußes sowie eine Bewegungseinschränkung des rechten Sprunggelenks nach knöchern verheiltem Sprunggelenksbruch rechts. Auch hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
Im Hinblick auf die geltend gemachte Stuhlinkontinenz erstattete Dr. D. , DKD Helios Klinik Wiesbaden, auf Veranlassung der Beklagten ein chirurgisch/koloproktologisches Gutachten und verneinte nach Untersuchung der Klägerin im Januar 2015 einen Zusammenhang zwischen der Spinalanästhesie und der Stuhlentleerungsstörung bzw. Inkontinenz. Hierfür seien neurologisch, endosonographisch und auch sphinktermanometrisch keine Korrelate zu finden (vgl. Bl. 17 ff. SG-Akte). Der darüber hinaus mit der Erstattung eines neurologischen Gutachtens beauftragte Prof. Dr. G. , Direktor der Neurologischen Klinik im Städtischen Krankenhaus K. , der die Klägerin im März 2015 untersuchte, verneinte im Übrigen auch eine Schädigung des peripheren Nervensystems und sah keine Hinweise auf ein CRPS (vgl. Bl. 111 ff. SG-Akte).
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurück, die im Bereich des rechten Sprunggelenks als Unfallfolgen verbliebenen Funktionseinschränkungen rechtfertigten nach der Gutachtenliteratur nicht die Bemessung mit einer MdE um 20 v.H. Hinsichtlich der angegebenen Stuhlinkontinenz sei durch das chirurgisch/koloproktologische Gutachten des Dr. D. ein Zusammenhang mit der Spinalanästhesie ausgeschlossen worden und Prof. Dr. G. habe ausweislich seines neurologischen Gutachtens weder klinisch noch elektrophysiologisch einen Hinweis auf eine Schädigung des peripheren Nervensystems gefunden, insbesondere nicht im Bereich des rechten Oberschenkels.
Am 11.06.2015 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Reutlingen (SG) mit dem Antrag Klage erhoben, die Beklagte zur Anerkennung weiterer Unfallfolgen (Lähmungserscheinungen und Gefühlsstörungen am rechten Oberschenkel, Beckenschiefstand, gekrümmte Wirbelsäule, Stuhlinkontinenz) sowie zur Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v.H. zu verurteilen. Schon die Funktionsbeeinträchtigungen am rechten Sprunggelenk, die sich nicht gebessert hätten, rechtfertigten die Bemessung mit einer MdE um 20 v.H. Darüber hinaus hätten die Funktionseinschränkungen und die fehlende Belastbarkeit im rechten Sprunggelenk zu einem Beckenschiefstand und einer verkrümmten Wirbelsäule geführt. Schließlich seien die Stuhlinkontinenz und das Kribbeln am rechten Oberschenkel auf die Operation zurückzuführen.
Das SG hat den Internisten und Gastroenterologen Dr. G. , die Fachärzte für Anästhesiologie Dr. W. und T. sowie den Facharzt für Orthopädie/Unfallchirurgie Dr. K. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. G. hat von Vorstellungen der Klägerin seit November 2012 wegen einer Stuhlinkontinenz (anamnestisch seit einer Operation mit spinaler Anästhesie) berichtet, wobei eine Afterschließmuskelschwäche objektiviert worden sei. Die Fachärzte für Anästhesiologie Dr. W. und T. haben über eine einmalige Vorstellung der Klägerin im April 2015 berichtet, wobei sie am rechten OSG einen unauffälligen Lokalbefund ohne Anhalt für ein CRPS sowie eine Allodynie (= gestörte Schmerzempfindung) in der Narbenregion dokumentiert hätten. Dr. K. hat im März 2016 von Vorstellungen der Klägerin wegen Sprunggelenksbeschwerden von Januar 2013 bis Dezember 2014 (gehäuft bis Juli 2013) und einer leichten Besserung im Verlauf berichtet. Das SG hat darüber hinaus die Akte des Verfahrens S 3 SB 405/15 mit dem orthopädischen Gutachten des Dr. B. beigezogen, der die Klägerin im April 2016 untersucht hat und im Bereich des rechten Sprunggelenks eine initiale posttraumatische Arthrose im OSG, eine mäßige Bewegungseinschränkung (OSG Fußheben/-senken 10-0-40 Grad gegenüber links 30-0-50 Grad; USG, Pro-/supination: rechts 1/1, links 1/1), verbliebene Schmerzen (teils Arthroseschmerzen) sowie im Außenknöchelbereich neuropathische Schmerzen auf Berührung beschrieben hat. Das Gangbild sei rechts hinkend und als Schonzeichen liege eine geminderte Wadenmuskulatur vor. Er hat die Behinderung der unteren Extremitäten, insbesondere angesichts der schmerzhaften Restbeweglichkeit im OSG und den weiteren Beeinträchtigungen der unteren Extremitäten für vergleichbar erachtet mit einer einseitigen Versteifung im oberen Sprunggelenk in Neutralstellung, also einem Zustand, der nach den Versorgungsärztlichen Grundsätzen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 20 bewertet werde.
Mit Urteil vom 06.04.2017 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2015 und unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, der Klägerin über den 30.09.2014 hinaus Rente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Es hat sich dabei auf das Gutachten des Dr. B. gestützt, der von einem Zustand vergleichbar einer einseitigen Versteifung des OSG in Neutralstellung ausgegangen sei, welcher nach der unfallmedizinischen Literatur mit einer MdE um 15 bis 20 bewertete werde, und zusätzlich eine neuropathische Schmerzkomponente berücksichtigt, weshalb eine MdE um 20 v.H. auch über den 30.09.2014 hinaus angemessen sei. Weitere Unfallfolgen seien nicht anzuerkennen. So sei unwahrscheinlich, dass die Spinalanästhesie vom 21.12.2011 bei der Klägerin eine Stuhlinkontinenz verursacht habe und schon nicht plausibel, dass der Unfall zu Gefühlstörungen im Bereich des rechten Oberschenkels führe. Ein Beckenschiefstand und eine Wirbelsäulenverkrümmung seien im Übrigen nicht dokumentiert.
Gegen das ihr am 15.05.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.05.2017 Berufung eingelegt und geltend gemacht, die bei der Klägerin vorliegende Bewegungseinschränkung im rechten Sprunggelenk sei lediglich geringgradig ausgeprägt und mit einer Versteifung des OSG nicht vergleichbar. Diese werde zudem lediglich mit einer MdE um 15 v.H. bewertet.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 06.04.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise ein Sachverständigengutachten von Amts wegen und weiter hilfsweise ein Gutachten nach § 109 SGG bei Dr. J. A. in R. einzuholen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch der Bescheid der Beklagten vom 24.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2015, mit dem es die Beklagte unter gleichzeitiger Entziehung der als vorläufige Entschädigung gewährten Rente zum 30.09.2014 ablehnte, der Klägerin Verletztenrente auf Dauer zu gewähren. Demgegenüber ist der Bescheid vom 24.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2015 bestandkräftig geworden. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob Bestandskraft schon dadurch eintrat, dass die Klägerin ihr Klagebegehren zunächst auf die Gewährung einer "Rente auf unbestimmte Zeit" nach einer MdE um 20 v.H. beschränkt hat und sich der Sache nach damit nur noch gegen den Bescheid vom 24.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2015 gewandt hat oder ob dieser durch die Abweisung des zuletzt in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags, ihr höhere Rente schon "ab 02.04.2012" zu gewähren, bestandskräftig geworden ist, weil die Klägerin keine Berufung eingelegt hat. Jedenfalls hat der Senat nicht mehr darüber zu befinden, ob die Beklagte die Rente als vorläufige Entschädigung zu Recht lediglich nach einer MdE um 20 v.H. gewährte.
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Denn das SG hätte die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2015 nicht verurteilen dürfen, der Klägerin ab 01.10.2014 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Vielmehr ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn die gesundheitlichen Folgen des von ihr am 19.11.2011 erlittenen Arbeitsunfalls rechtfertigen ab 01.10.2014 nicht (mehr) die Bemessung mit einer MdE um 20 v.H.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Dabei richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger nach § 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII die Verletztenrente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung nach § 62 Abs. 2 Satz 1 SGB VII als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei erstmaliger Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entscheidung kann der Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben (§ 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Ausgehend hiervon ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die der Klägerin zunächst als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v.H. gewährte Rente mit Bescheid vom 24.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2015 zum 30.09.2014 entzog und einen Anspruch auf eine Rente auf unbestimmte Zeit verneinte. Denn die Unfallfolgen bedingten jedenfalls ab 01.10.2014 keine MdE in einem rentenberechtigenden Grade von 20 v.H. Ob eine Besserung im Vergleich zu dem der vorläufigen Entschädigung zu Grunde liegenden Zustand eingetreten ist, ist für die Bemessung der MdE ohne Relevanz.
Als Folgen des von der Klägerin am 19.11.2011 erlittenen Bruchs des Innen- und Außenknöchels am rechten OSG sind eine Gangbildstörung mit verminderter Abrollung und Entlastung des rechten Fußes sowie eine Bewegungseinschränkung des rechten Sprunggelenks nach knöchern verheiltem Sprunggelenksbruch rechts verblieben, wie dies die Beklagte im Bescheid vom 24.09.2014 auch anerkannt hat.
Nicht in einem Zusammenhang mit dem Unfall stehen demgegenüber die weiteren von der Klägerin im Klageverfahren zur Anerkennung als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen. Insoweit hat das SG gestützt auf die Gutachten des Dr. D. und des Prof. Dr. G. zutreffend dargelegt, dass weder die Stuhlinkontinenzsymptomatik noch die von der Klägerin beklagten Beeinträchtigungen im Bereich des rechten Oberschenkels (Lähmungserscheinungen, Gefühlsstörungen) in einem Zusammenhang mit dem Sturz bzw. der angeschuldigten Spinalanästhesie zur Behandlung des Sprunggelenksbruchs stehen und im Übrigen insbesondere im Gutachten des Dr. B. kein Beckenschiefstand und keine Wirbelsäulenverkrümmung dokumentiert ist. Auch die Klägerin selbst hat ihr diesbezügliches Begehren im Berufungsverfahren nicht mehr weiterverfolgt und das erstinstanzliche Urteil ausdrücklich als richtig und sachlich gut begründet angesehen, weshalb es insoweit keiner weiteren Ausführungen mehr bedarf.
Nach den oben dargelegten Grundsätzen zur Bemessung der MdE rechtfertigen die bei der Klägerin im Bereich des rechten Sprunggelenks als Unfallfolgen verbliebenen Funktionseinschränkungen ab 01.10.2014 nicht (mehr) die Bewertung mit einer MdE um 20 v.H. Die insoweit verbliebene Bewegungseinschränkung hat Prof Dr. S. anlässlich seiner Untersuchung im August 2014 für das OSG beim Heben/Senken des Fußes mit 10-0-30 Grad (links 20-0-40 Grad) und im USG beim Fußaußenrand heben/senken mit 2/3 gegenüber links dokumentiert und Dr. B. hat nachfolgend im April 2016 eine rechtsseitige Bewegungsfähigkeit im OSG von 10-0-40 Grad (links 30-0-50 Grad) bei freier Funktion im USG objektiviert und damit eine noch geringfügig bessere Beweglichkeit als Prof Dr. S ... Diese funktionellen Einschränkungen bedingen nach der unfallmedizinischen Literatur keine MdE um 20 v.H.
Nach dem vom Senat bei der Bemessung der MdE regelmäßig zu Grunde gelegten Werk von Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 712 f., wird eine Bewegungseinschränkung im OSG von 0-0-30 Grad mit einer MdE um 10 v.H., eine Versteifung des OSG in Funktionsstellung (Neutral-0-Stellung bis 10 Grad Spitzfuß) mit einer MdE um 15 v.H. und eine Versteifung im OSG und im USG in Funktionsstellung mit einer MdE um 25 v.H. bewertet. Nach Mehrhoff, Ekkernkamp, Wich, Unfallbegutachtung, 13. Auflage 2012, S. 200 wird eine völlige Versteifung des OSG und des USG im Winkel von 0 bis 10 Grad Fußsenkung mit einer MdE um 20 v.H. bewertet.
Hiernach kommt für Bewegungseinschränkungen im Sprunggelenk eine MdE um wenigstens 20 v.H. dann in Betracht, wenn eine Versteifung im OSG und im USG (so Mehrhoff, Ekkernkamp, Wich, a.a.O.) vorliegt, wobei Schönberger, Mehrtens, Valentin, a.a.O. in diesem Fall eine MdE um 25 v.H. vorsehen. Für eine Bewegungseinschränkung im OSG von 0-0-30 Grad gehen Schönberger, Mehrtens, Valentin, a.a.O. von einer MdE um 10 v.H. aus.
Auf dieser Grundlage wird mit der bei der Klägerin dokumentierten Bewegungseinschränkung im Sprunggelenk eine rentenberechtigende MdE um 20 v.H. nicht erreicht. So liegt bei der Klägerin weder eine Versteifung im OSG noch im USG vor. Darüber hinaus wird weder mit der von Prof. Dr. S. erhobenen Bewegungsfähigkeit im OSG von 10-0-30 Grad und erst Recht nicht mit der von Dr. B. nachfolgend noch leicht verbesserten Beweglichkeit von 10-0-40 Grad eine Beweglichkeitseinschränkung erreicht, die nach dem zuletzt dargelegten Bewertungsmaßstab eine MdE um 10 v.H. rechtfertigen würde. Zu Recht hat die Beklagte im Berufungsverfahren daher darauf hingewiesen, dass ausgehend von der nur geringen Bewegungseinschränkung im OSG und der von Dr. B. schließlich sogar beschriebenen freien Funktion im USG kein Zustand vorliegt, der mit einer Versteifung sowohl im OSG als auch im USG vergleichbar ist. So haben Prof. Dr. S. und Dr. B. übereinstimmend ein Defizit im Bereich der groben Kraft verneint, ebenso Blutumlaufstörungen und im Wesentlichen seitengleiche Umfangmaße im Bereich von Knöchel, Mittelfuß, Vorfuß und im untersten Bereich des Unterschenkels ermittelt. Lediglich im Wadenbereich hat Dr. B. eine Umfangdifferenz von 2 cm beschrieben. Auf eine mit einer Versteifung im OSG vergleichbare Einschränkung weist all dies nicht hin. Auch der behandelnde Orthopäde der Klägerin Dr. K. hat ausweislich seiner dem SG erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge anlässlich seiner Untersuchungen Mitte September und Mitte Dezember 2014 lediglich eine endgradig polydirektionale Bewegungseinschränkung erhoben. Unter Anwendung der dargelegten Bewertungsmaßstäbe erscheint es letztlich angemessen, die funktionellen Einschränkungen der Klägerin mit einer MdE um 10 v.H. zu bemessen, wovon auch Prof. Dr. S. ausging.
Soweit Dr. B. in seinem Gutachten für das SG in dem Schwerbehindertenverfahren S 3 SB 405/15 von einer Vergleichbarkeit der Beeinträchtigungen der Klägerin mit einer Versteifung des OSG in Neutralstellung ausgegangen ist und den GdB dementsprechend mit 20 bewertet hat, lässt sich für die Klägerin hieraus keine günstigere Beurteilung herleiten. Zum einen hat der Sachverständige insoweit allein die für das Schwerbehindertenrecht und das Recht der sozialen Entschädigung geltenden, vorliegend somit nicht maßgeblichen Versorgungsärztlichen Grundsätze (Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008, BGBl I, 2412) herangezogen und zum anderen hat er seine Beurteilung ersichtlich nicht allein auf die Unfallfolgen und damit den Zustand des Sprunggelenks der Klägerin beschränkt. Er hat - wie seine Ausführungen S. 25 des Gutachtens zu entnehmen ist - vielmehr eine Bewertung der Funktionseinschränkungen der gesamten unteren Extremitäten vorgenommen, indem er auch "die weiteren Beeinträchtigungen der unteren Extremitäten" und damit insbesondere den von ihm diagnostizierten Fersensporn mit in seine Beurteilung einbezogen hat. Erst diesen Zustand hat er für vergleichbar mit einer Versteifung des OSG in Neutralstellung erachtet. In die Bewertung des Dr. B. sind damit Nichtunfallfolgen eingeflossen, denen in dem anhängigen Verfahren jedoch keine Bedeutung beizumessen ist.
Letztlich ist auch nicht ersichtlich, dass bei der Klägerin eine außergewöhnliche Schmerzsituation vorliegt, die es rechtfertigen würde, die MdE höher und zwar letztlich mit einer rentenberechtigenden MdE zu bewerten. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die als Begleitsymptome einer körperlichen Schädigung üblichen Schmerzen in den Bewertungstabellen für die jeweilige Schädigung bereits berücksichtigt sind (Schönberger u.a., a.a.O., S. 244) und ein insoweit in Frage kommendes CRPS ausgeschlossen wurde. So fand schon der während der stationären Behandlung der Klägerin in der BG-Klinik im Mai 2012 mit den im Bereich des rechten Sprunggelenks beklagten Schmerzen befasste Neurologe und Psychiater Prof. Dr. S. keine Hinwiese auf ein CRPS und der nachfolgend von dem Neurologen Dr. R. (vgl. Arztbrief vom 05.08.2014, Bl. 25 SG-Akte) geäußerte Verdacht auf ein CRPS hat sich im Rahmen der von der Beklagten veranlassten neurologischen Begutachtung des Prof Dr. G. nicht bestätigt. Dieser verneinte eine Schädigung des peripheren Nervensystems und sah keine Hinweise auf ein CRPS. In diesem Sinne äußerten sich schließlich auch die Anästhesiologen Dr. W. und T. , die im Rahmen ihrer dem SG erteilten Auskunft als sachverständige Zeugen ausführten, dass nach den aktualisierten Budapestkriterien kein Anhalt für ein CRPS bestehe. Eine Höherbewertung der MdE auf Grund einer über das übliche Ausmaß hinausgehenden Schmerzsituation kommt damit nicht in Betracht. Soweit das SG dem von Dr. B. diagnostizierten neuropathischen Schmerz auf Berührung im Außenknöchelbereich eine zusätzlich zur angenommenen Versteifung MdE-relevante Bedeutung beigemessen hat, hat es übersehen, dass Dr. B. diesen Schmerz bei seiner Bewertung, der Zustand des rechten Sprunggelenkes sei einer Versteifung des oberen Sprunggelenkes in Neutralstellung vergleichbar, bereits einbezogen hat. Selbst wenn somit der Zustand des rechten oberen Sprunggelenkes mit einer Versteifung gleichgesetzt würde, wie Dr. B. dies tut, wäre nach der angeführten unfallmedizinischen Literatur eine MdE von 20 v.H. nicht erreicht, wobei die unfallunabhängigen Komponenten noch MdE-reduzierend zu berücksichtigen wären.
Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag der Klägerin, von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einzuholen, lehnt der Senat ab. Denn der medizinische Sachverhalt ist durch die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren erhobenen Gutachten, die vom SG bei den behandelnden Ärzten der Klägerin eingeholten Auskünfte als sachverständige Zeugen und durch die von Dr. B. in dem vom SG beigezogenen Gutachten dokumentierten Befunde hinreichend aufgeklärt, weshalb es der Einholung eines weiteren Gutachtens zur Beurteilung der als Folge des erlittenen Innen- und Außenknöchelbruchs im OSG verbliebenen funktionellen Einschränkungen nicht bedarf. Auch die Klägerin selbst hat die Richtigkeit der insoweit dokumentierten Befunde nicht in Zweifel gezogen und sich gerade auch im Berufungsverfahren auf die zuletzt von Dr. B. erhobenen Befunde und dessen Feststellungen gestützt.
Den (weiter) hilfsweise in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, bei Dr. J. A. ein Gutachten gemäß § 109 SGG einzuholen, lehnt der Senat gleichermaßen ab. Zwar muss gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG auf Antrag des Versicherten ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden, hingegen kann das Gericht einen Antrag gemäß Abs. 2 der Vorschrift ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts u.a. aus grober Nachlässigkeit nicht früher gestellt wurde. Dies bejaht der Senat, nachdem die Klägerin den Antrag erst in der mündlichen Verhandlung gestellt hat, obwohl ihr bereits durch das gerichtliche Schreiben vom 10.10.2017 bekannt gewesen ist, dass der Senat den Rechtsstreit für entscheidungsreif erachtet und weitere Ermittlungen von Amts wegen daher nicht mehr beabsichtigt gewesen sind. Mit dem genannten Schreiben hat der Senat nach Hinweis darauf, dass die Rechtssache für entscheidungsreif erachtet werde, um Mitteilung gebeten, ob Einverständnis besteht mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung, was die Klägerin nachfolgend verneint hat.
Nach alledem ist das angefochtene Urteil auf die Berufung der Beklagten aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist (noch) streitig, ob der Klägerin Rente auf unbestimmte Dauer zusteht.
Die am 1966 geborene Klägerin erlitt am 19.11.2011 im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als EDV-Dozentin bei der S. GmbH einen Arbeitsunfall, als sie auf dem Weg vom Unterrichtsraum zu ihrem Arbeitsplatz im Treppenhaus stürzte und sich eine Bimalleolarfraktur (Innen- und Außenknöchelbruch) im oberen Sprunggelenk (OSG) rechts zuzog.
Nach operativer Versorgung am 21.12.2011 (offene Reposition der distalen Fibulafraktur mittels Plattenosteosynthese und der distalen Tibiafraktur mittels Schraubenosteosynthese, vgl. Operationsbericht S. 22 VerwA), physiotherapeutischer Behandlung und Abbruch einer Arbeitsbelastungserprobung wurde die Klägerin bei anhaltenden Schmerzen sowie erheblichen Bewegungseinschränkungen vom 09.05. bis 14.06.2012 im Rahmen einer stationären Rehabilitation in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. (BG-Klinik) behandelt, wodurch eine Besserung erreicht wurde (vgl. Befund- und Entlassungsbericht vom 19.06.2012, S. 168 ff. VerwA). Ein zunächst in Betracht gezogenes chronisch regionales Schmerzsyndrom (CRPS) wurde im Rahmen einer neurologisch-psychiatrischen Untersuchung ausgeschlossen (vgl. Befundbericht des Prof. Dr. S. vom 16.05.2012, S. 133 ff. VerwA). Am 02.07.2012 nahm die Klägerin ihre Tätigkeit wieder auf.
Zur Feststellung von Unfallfolgen veranlasste die Beklagte das Erste Rentengutachten des Prof. Dr. S. , BG-Klinik, der die Klägerin im August 2012 untersuchte und rechtsseitig eine Bewegungseinschränkung im OSG (Heben/Senken des Fußes 10-0-40 Grad gegenüber links 20-0-50 Grad) und im unteren Sprunggelenk (USG, Fußaußenrand heben/senken 2/3 gegenüber links 1/1) objektivierte und die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) seit Beginn der Arbeitsfähigkeit bis voraussichtlich 01.07.2013 mit 20 vom Hundert (v.H.) einschätzte; nachfolgend betrage die MdE voraussichtlich noch 10 v.H. (vgl. S. 230 ff. VerwA).
Mit Bescheid vom 24.10.2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v.H. ab 02.04.2012. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, sie habe seit drei Wochen täglich mehrmals heftige Krämpfe im rechten Ober- und Unterschenkel, dauerhaft Gefühlsirritationen (Brennen, Jucken, Kribbeln) im rechten Oberschenkel und nach einem Arbeitstag könne sie ab 17.00 Uhr kaum noch laufen, da der rechte Fuß bei jedem Schritt stark schmerze. Zudem leide sie seit der Operation mit Rückenmarksnarkose am 21.12.2011 unter starker Stuhlinkontinenz. Nach Metallentfernung in der BG-Klinik am 11.12.2012 veranlasste die Beklagte das Zweite Rentengutachten des Prof. Dr. S. , der nach Untersuchung der Klägerin im August 2014 als Unfallfolgen einen knöchern verheilten Sprunggelenksbruch rechts, eine Gangbildstörung mit verminderter Abrollung und Entlastung des rechten Fußes, eine Bewegungseinschränkung im rechten Sprunggelenk (OSG Heben/Senken des Fußes 10-0-30 Grad gegenüber links 20-0-40 Grad; USG, Fußaußenrand heben/senken 2/3 gegenüber links 1/1) sowie reizlos verheilte Narben am Außen- und Innenknöchel des rechten Sprunggelenks mit subjektivem Taubheitsgefühl beschrieb und die MdE mit 10 v.H. bewertete (vgl. S. 562 ff. VerwA).
Mit Bescheid vom 24.09.2014 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit anstelle der bewilligten vorläufigen Entschädigung ab und entzog die bisher gewährte Rente mit Ablauf des Monats September 2014. Zur Begründung führte sie u.a. aus, als Unfallfolgen bestünden noch eine Gangbildstörung mit verminderter Abrollung und Entlastung des rechten Fußes sowie eine Bewegungseinschränkung des rechten Sprunggelenks nach knöchern verheiltem Sprunggelenksbruch rechts. Auch hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
Im Hinblick auf die geltend gemachte Stuhlinkontinenz erstattete Dr. D. , DKD Helios Klinik Wiesbaden, auf Veranlassung der Beklagten ein chirurgisch/koloproktologisches Gutachten und verneinte nach Untersuchung der Klägerin im Januar 2015 einen Zusammenhang zwischen der Spinalanästhesie und der Stuhlentleerungsstörung bzw. Inkontinenz. Hierfür seien neurologisch, endosonographisch und auch sphinktermanometrisch keine Korrelate zu finden (vgl. Bl. 17 ff. SG-Akte). Der darüber hinaus mit der Erstattung eines neurologischen Gutachtens beauftragte Prof. Dr. G. , Direktor der Neurologischen Klinik im Städtischen Krankenhaus K. , der die Klägerin im März 2015 untersuchte, verneinte im Übrigen auch eine Schädigung des peripheren Nervensystems und sah keine Hinweise auf ein CRPS (vgl. Bl. 111 ff. SG-Akte).
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurück, die im Bereich des rechten Sprunggelenks als Unfallfolgen verbliebenen Funktionseinschränkungen rechtfertigten nach der Gutachtenliteratur nicht die Bemessung mit einer MdE um 20 v.H. Hinsichtlich der angegebenen Stuhlinkontinenz sei durch das chirurgisch/koloproktologische Gutachten des Dr. D. ein Zusammenhang mit der Spinalanästhesie ausgeschlossen worden und Prof. Dr. G. habe ausweislich seines neurologischen Gutachtens weder klinisch noch elektrophysiologisch einen Hinweis auf eine Schädigung des peripheren Nervensystems gefunden, insbesondere nicht im Bereich des rechten Oberschenkels.
Am 11.06.2015 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Reutlingen (SG) mit dem Antrag Klage erhoben, die Beklagte zur Anerkennung weiterer Unfallfolgen (Lähmungserscheinungen und Gefühlsstörungen am rechten Oberschenkel, Beckenschiefstand, gekrümmte Wirbelsäule, Stuhlinkontinenz) sowie zur Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v.H. zu verurteilen. Schon die Funktionsbeeinträchtigungen am rechten Sprunggelenk, die sich nicht gebessert hätten, rechtfertigten die Bemessung mit einer MdE um 20 v.H. Darüber hinaus hätten die Funktionseinschränkungen und die fehlende Belastbarkeit im rechten Sprunggelenk zu einem Beckenschiefstand und einer verkrümmten Wirbelsäule geführt. Schließlich seien die Stuhlinkontinenz und das Kribbeln am rechten Oberschenkel auf die Operation zurückzuführen.
Das SG hat den Internisten und Gastroenterologen Dr. G. , die Fachärzte für Anästhesiologie Dr. W. und T. sowie den Facharzt für Orthopädie/Unfallchirurgie Dr. K. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. G. hat von Vorstellungen der Klägerin seit November 2012 wegen einer Stuhlinkontinenz (anamnestisch seit einer Operation mit spinaler Anästhesie) berichtet, wobei eine Afterschließmuskelschwäche objektiviert worden sei. Die Fachärzte für Anästhesiologie Dr. W. und T. haben über eine einmalige Vorstellung der Klägerin im April 2015 berichtet, wobei sie am rechten OSG einen unauffälligen Lokalbefund ohne Anhalt für ein CRPS sowie eine Allodynie (= gestörte Schmerzempfindung) in der Narbenregion dokumentiert hätten. Dr. K. hat im März 2016 von Vorstellungen der Klägerin wegen Sprunggelenksbeschwerden von Januar 2013 bis Dezember 2014 (gehäuft bis Juli 2013) und einer leichten Besserung im Verlauf berichtet. Das SG hat darüber hinaus die Akte des Verfahrens S 3 SB 405/15 mit dem orthopädischen Gutachten des Dr. B. beigezogen, der die Klägerin im April 2016 untersucht hat und im Bereich des rechten Sprunggelenks eine initiale posttraumatische Arthrose im OSG, eine mäßige Bewegungseinschränkung (OSG Fußheben/-senken 10-0-40 Grad gegenüber links 30-0-50 Grad; USG, Pro-/supination: rechts 1/1, links 1/1), verbliebene Schmerzen (teils Arthroseschmerzen) sowie im Außenknöchelbereich neuropathische Schmerzen auf Berührung beschrieben hat. Das Gangbild sei rechts hinkend und als Schonzeichen liege eine geminderte Wadenmuskulatur vor. Er hat die Behinderung der unteren Extremitäten, insbesondere angesichts der schmerzhaften Restbeweglichkeit im OSG und den weiteren Beeinträchtigungen der unteren Extremitäten für vergleichbar erachtet mit einer einseitigen Versteifung im oberen Sprunggelenk in Neutralstellung, also einem Zustand, der nach den Versorgungsärztlichen Grundsätzen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 20 bewertet werde.
Mit Urteil vom 06.04.2017 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2015 und unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, der Klägerin über den 30.09.2014 hinaus Rente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Es hat sich dabei auf das Gutachten des Dr. B. gestützt, der von einem Zustand vergleichbar einer einseitigen Versteifung des OSG in Neutralstellung ausgegangen sei, welcher nach der unfallmedizinischen Literatur mit einer MdE um 15 bis 20 bewertete werde, und zusätzlich eine neuropathische Schmerzkomponente berücksichtigt, weshalb eine MdE um 20 v.H. auch über den 30.09.2014 hinaus angemessen sei. Weitere Unfallfolgen seien nicht anzuerkennen. So sei unwahrscheinlich, dass die Spinalanästhesie vom 21.12.2011 bei der Klägerin eine Stuhlinkontinenz verursacht habe und schon nicht plausibel, dass der Unfall zu Gefühlstörungen im Bereich des rechten Oberschenkels führe. Ein Beckenschiefstand und eine Wirbelsäulenverkrümmung seien im Übrigen nicht dokumentiert.
Gegen das ihr am 15.05.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.05.2017 Berufung eingelegt und geltend gemacht, die bei der Klägerin vorliegende Bewegungseinschränkung im rechten Sprunggelenk sei lediglich geringgradig ausgeprägt und mit einer Versteifung des OSG nicht vergleichbar. Diese werde zudem lediglich mit einer MdE um 15 v.H. bewertet.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 06.04.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise ein Sachverständigengutachten von Amts wegen und weiter hilfsweise ein Gutachten nach § 109 SGG bei Dr. J. A. in R. einzuholen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch der Bescheid der Beklagten vom 24.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2015, mit dem es die Beklagte unter gleichzeitiger Entziehung der als vorläufige Entschädigung gewährten Rente zum 30.09.2014 ablehnte, der Klägerin Verletztenrente auf Dauer zu gewähren. Demgegenüber ist der Bescheid vom 24.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2015 bestandkräftig geworden. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob Bestandskraft schon dadurch eintrat, dass die Klägerin ihr Klagebegehren zunächst auf die Gewährung einer "Rente auf unbestimmte Zeit" nach einer MdE um 20 v.H. beschränkt hat und sich der Sache nach damit nur noch gegen den Bescheid vom 24.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2015 gewandt hat oder ob dieser durch die Abweisung des zuletzt in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags, ihr höhere Rente schon "ab 02.04.2012" zu gewähren, bestandskräftig geworden ist, weil die Klägerin keine Berufung eingelegt hat. Jedenfalls hat der Senat nicht mehr darüber zu befinden, ob die Beklagte die Rente als vorläufige Entschädigung zu Recht lediglich nach einer MdE um 20 v.H. gewährte.
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Denn das SG hätte die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2015 nicht verurteilen dürfen, der Klägerin ab 01.10.2014 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Vielmehr ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn die gesundheitlichen Folgen des von ihr am 19.11.2011 erlittenen Arbeitsunfalls rechtfertigen ab 01.10.2014 nicht (mehr) die Bemessung mit einer MdE um 20 v.H.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Dabei richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger nach § 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII die Verletztenrente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung nach § 62 Abs. 2 Satz 1 SGB VII als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei erstmaliger Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entscheidung kann der Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben (§ 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Ausgehend hiervon ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die der Klägerin zunächst als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v.H. gewährte Rente mit Bescheid vom 24.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2015 zum 30.09.2014 entzog und einen Anspruch auf eine Rente auf unbestimmte Zeit verneinte. Denn die Unfallfolgen bedingten jedenfalls ab 01.10.2014 keine MdE in einem rentenberechtigenden Grade von 20 v.H. Ob eine Besserung im Vergleich zu dem der vorläufigen Entschädigung zu Grunde liegenden Zustand eingetreten ist, ist für die Bemessung der MdE ohne Relevanz.
Als Folgen des von der Klägerin am 19.11.2011 erlittenen Bruchs des Innen- und Außenknöchels am rechten OSG sind eine Gangbildstörung mit verminderter Abrollung und Entlastung des rechten Fußes sowie eine Bewegungseinschränkung des rechten Sprunggelenks nach knöchern verheiltem Sprunggelenksbruch rechts verblieben, wie dies die Beklagte im Bescheid vom 24.09.2014 auch anerkannt hat.
Nicht in einem Zusammenhang mit dem Unfall stehen demgegenüber die weiteren von der Klägerin im Klageverfahren zur Anerkennung als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen. Insoweit hat das SG gestützt auf die Gutachten des Dr. D. und des Prof. Dr. G. zutreffend dargelegt, dass weder die Stuhlinkontinenzsymptomatik noch die von der Klägerin beklagten Beeinträchtigungen im Bereich des rechten Oberschenkels (Lähmungserscheinungen, Gefühlsstörungen) in einem Zusammenhang mit dem Sturz bzw. der angeschuldigten Spinalanästhesie zur Behandlung des Sprunggelenksbruchs stehen und im Übrigen insbesondere im Gutachten des Dr. B. kein Beckenschiefstand und keine Wirbelsäulenverkrümmung dokumentiert ist. Auch die Klägerin selbst hat ihr diesbezügliches Begehren im Berufungsverfahren nicht mehr weiterverfolgt und das erstinstanzliche Urteil ausdrücklich als richtig und sachlich gut begründet angesehen, weshalb es insoweit keiner weiteren Ausführungen mehr bedarf.
Nach den oben dargelegten Grundsätzen zur Bemessung der MdE rechtfertigen die bei der Klägerin im Bereich des rechten Sprunggelenks als Unfallfolgen verbliebenen Funktionseinschränkungen ab 01.10.2014 nicht (mehr) die Bewertung mit einer MdE um 20 v.H. Die insoweit verbliebene Bewegungseinschränkung hat Prof Dr. S. anlässlich seiner Untersuchung im August 2014 für das OSG beim Heben/Senken des Fußes mit 10-0-30 Grad (links 20-0-40 Grad) und im USG beim Fußaußenrand heben/senken mit 2/3 gegenüber links dokumentiert und Dr. B. hat nachfolgend im April 2016 eine rechtsseitige Bewegungsfähigkeit im OSG von 10-0-40 Grad (links 30-0-50 Grad) bei freier Funktion im USG objektiviert und damit eine noch geringfügig bessere Beweglichkeit als Prof Dr. S ... Diese funktionellen Einschränkungen bedingen nach der unfallmedizinischen Literatur keine MdE um 20 v.H.
Nach dem vom Senat bei der Bemessung der MdE regelmäßig zu Grunde gelegten Werk von Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 712 f., wird eine Bewegungseinschränkung im OSG von 0-0-30 Grad mit einer MdE um 10 v.H., eine Versteifung des OSG in Funktionsstellung (Neutral-0-Stellung bis 10 Grad Spitzfuß) mit einer MdE um 15 v.H. und eine Versteifung im OSG und im USG in Funktionsstellung mit einer MdE um 25 v.H. bewertet. Nach Mehrhoff, Ekkernkamp, Wich, Unfallbegutachtung, 13. Auflage 2012, S. 200 wird eine völlige Versteifung des OSG und des USG im Winkel von 0 bis 10 Grad Fußsenkung mit einer MdE um 20 v.H. bewertet.
Hiernach kommt für Bewegungseinschränkungen im Sprunggelenk eine MdE um wenigstens 20 v.H. dann in Betracht, wenn eine Versteifung im OSG und im USG (so Mehrhoff, Ekkernkamp, Wich, a.a.O.) vorliegt, wobei Schönberger, Mehrtens, Valentin, a.a.O. in diesem Fall eine MdE um 25 v.H. vorsehen. Für eine Bewegungseinschränkung im OSG von 0-0-30 Grad gehen Schönberger, Mehrtens, Valentin, a.a.O. von einer MdE um 10 v.H. aus.
Auf dieser Grundlage wird mit der bei der Klägerin dokumentierten Bewegungseinschränkung im Sprunggelenk eine rentenberechtigende MdE um 20 v.H. nicht erreicht. So liegt bei der Klägerin weder eine Versteifung im OSG noch im USG vor. Darüber hinaus wird weder mit der von Prof. Dr. S. erhobenen Bewegungsfähigkeit im OSG von 10-0-30 Grad und erst Recht nicht mit der von Dr. B. nachfolgend noch leicht verbesserten Beweglichkeit von 10-0-40 Grad eine Beweglichkeitseinschränkung erreicht, die nach dem zuletzt dargelegten Bewertungsmaßstab eine MdE um 10 v.H. rechtfertigen würde. Zu Recht hat die Beklagte im Berufungsverfahren daher darauf hingewiesen, dass ausgehend von der nur geringen Bewegungseinschränkung im OSG und der von Dr. B. schließlich sogar beschriebenen freien Funktion im USG kein Zustand vorliegt, der mit einer Versteifung sowohl im OSG als auch im USG vergleichbar ist. So haben Prof. Dr. S. und Dr. B. übereinstimmend ein Defizit im Bereich der groben Kraft verneint, ebenso Blutumlaufstörungen und im Wesentlichen seitengleiche Umfangmaße im Bereich von Knöchel, Mittelfuß, Vorfuß und im untersten Bereich des Unterschenkels ermittelt. Lediglich im Wadenbereich hat Dr. B. eine Umfangdifferenz von 2 cm beschrieben. Auf eine mit einer Versteifung im OSG vergleichbare Einschränkung weist all dies nicht hin. Auch der behandelnde Orthopäde der Klägerin Dr. K. hat ausweislich seiner dem SG erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge anlässlich seiner Untersuchungen Mitte September und Mitte Dezember 2014 lediglich eine endgradig polydirektionale Bewegungseinschränkung erhoben. Unter Anwendung der dargelegten Bewertungsmaßstäbe erscheint es letztlich angemessen, die funktionellen Einschränkungen der Klägerin mit einer MdE um 10 v.H. zu bemessen, wovon auch Prof. Dr. S. ausging.
Soweit Dr. B. in seinem Gutachten für das SG in dem Schwerbehindertenverfahren S 3 SB 405/15 von einer Vergleichbarkeit der Beeinträchtigungen der Klägerin mit einer Versteifung des OSG in Neutralstellung ausgegangen ist und den GdB dementsprechend mit 20 bewertet hat, lässt sich für die Klägerin hieraus keine günstigere Beurteilung herleiten. Zum einen hat der Sachverständige insoweit allein die für das Schwerbehindertenrecht und das Recht der sozialen Entschädigung geltenden, vorliegend somit nicht maßgeblichen Versorgungsärztlichen Grundsätze (Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008, BGBl I, 2412) herangezogen und zum anderen hat er seine Beurteilung ersichtlich nicht allein auf die Unfallfolgen und damit den Zustand des Sprunggelenks der Klägerin beschränkt. Er hat - wie seine Ausführungen S. 25 des Gutachtens zu entnehmen ist - vielmehr eine Bewertung der Funktionseinschränkungen der gesamten unteren Extremitäten vorgenommen, indem er auch "die weiteren Beeinträchtigungen der unteren Extremitäten" und damit insbesondere den von ihm diagnostizierten Fersensporn mit in seine Beurteilung einbezogen hat. Erst diesen Zustand hat er für vergleichbar mit einer Versteifung des OSG in Neutralstellung erachtet. In die Bewertung des Dr. B. sind damit Nichtunfallfolgen eingeflossen, denen in dem anhängigen Verfahren jedoch keine Bedeutung beizumessen ist.
Letztlich ist auch nicht ersichtlich, dass bei der Klägerin eine außergewöhnliche Schmerzsituation vorliegt, die es rechtfertigen würde, die MdE höher und zwar letztlich mit einer rentenberechtigenden MdE zu bewerten. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die als Begleitsymptome einer körperlichen Schädigung üblichen Schmerzen in den Bewertungstabellen für die jeweilige Schädigung bereits berücksichtigt sind (Schönberger u.a., a.a.O., S. 244) und ein insoweit in Frage kommendes CRPS ausgeschlossen wurde. So fand schon der während der stationären Behandlung der Klägerin in der BG-Klinik im Mai 2012 mit den im Bereich des rechten Sprunggelenks beklagten Schmerzen befasste Neurologe und Psychiater Prof. Dr. S. keine Hinwiese auf ein CRPS und der nachfolgend von dem Neurologen Dr. R. (vgl. Arztbrief vom 05.08.2014, Bl. 25 SG-Akte) geäußerte Verdacht auf ein CRPS hat sich im Rahmen der von der Beklagten veranlassten neurologischen Begutachtung des Prof Dr. G. nicht bestätigt. Dieser verneinte eine Schädigung des peripheren Nervensystems und sah keine Hinweise auf ein CRPS. In diesem Sinne äußerten sich schließlich auch die Anästhesiologen Dr. W. und T. , die im Rahmen ihrer dem SG erteilten Auskunft als sachverständige Zeugen ausführten, dass nach den aktualisierten Budapestkriterien kein Anhalt für ein CRPS bestehe. Eine Höherbewertung der MdE auf Grund einer über das übliche Ausmaß hinausgehenden Schmerzsituation kommt damit nicht in Betracht. Soweit das SG dem von Dr. B. diagnostizierten neuropathischen Schmerz auf Berührung im Außenknöchelbereich eine zusätzlich zur angenommenen Versteifung MdE-relevante Bedeutung beigemessen hat, hat es übersehen, dass Dr. B. diesen Schmerz bei seiner Bewertung, der Zustand des rechten Sprunggelenkes sei einer Versteifung des oberen Sprunggelenkes in Neutralstellung vergleichbar, bereits einbezogen hat. Selbst wenn somit der Zustand des rechten oberen Sprunggelenkes mit einer Versteifung gleichgesetzt würde, wie Dr. B. dies tut, wäre nach der angeführten unfallmedizinischen Literatur eine MdE von 20 v.H. nicht erreicht, wobei die unfallunabhängigen Komponenten noch MdE-reduzierend zu berücksichtigen wären.
Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag der Klägerin, von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einzuholen, lehnt der Senat ab. Denn der medizinische Sachverhalt ist durch die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren erhobenen Gutachten, die vom SG bei den behandelnden Ärzten der Klägerin eingeholten Auskünfte als sachverständige Zeugen und durch die von Dr. B. in dem vom SG beigezogenen Gutachten dokumentierten Befunde hinreichend aufgeklärt, weshalb es der Einholung eines weiteren Gutachtens zur Beurteilung der als Folge des erlittenen Innen- und Außenknöchelbruchs im OSG verbliebenen funktionellen Einschränkungen nicht bedarf. Auch die Klägerin selbst hat die Richtigkeit der insoweit dokumentierten Befunde nicht in Zweifel gezogen und sich gerade auch im Berufungsverfahren auf die zuletzt von Dr. B. erhobenen Befunde und dessen Feststellungen gestützt.
Den (weiter) hilfsweise in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, bei Dr. J. A. ein Gutachten gemäß § 109 SGG einzuholen, lehnt der Senat gleichermaßen ab. Zwar muss gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG auf Antrag des Versicherten ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden, hingegen kann das Gericht einen Antrag gemäß Abs. 2 der Vorschrift ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts u.a. aus grober Nachlässigkeit nicht früher gestellt wurde. Dies bejaht der Senat, nachdem die Klägerin den Antrag erst in der mündlichen Verhandlung gestellt hat, obwohl ihr bereits durch das gerichtliche Schreiben vom 10.10.2017 bekannt gewesen ist, dass der Senat den Rechtsstreit für entscheidungsreif erachtet und weitere Ermittlungen von Amts wegen daher nicht mehr beabsichtigt gewesen sind. Mit dem genannten Schreiben hat der Senat nach Hinweis darauf, dass die Rechtssache für entscheidungsreif erachtet werde, um Mitteilung gebeten, ob Einverständnis besteht mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung, was die Klägerin nachfolgend verneint hat.
Nach alledem ist das angefochtene Urteil auf die Berufung der Beklagten aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
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