Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG für das Saarland (SAA)
Aktenzeichen
S 3 U 159/97
Datum
2. Instanz
LSG für das Saarland
Aktenzeichen
L 2 U 128/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 21/03 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Durchblutungsstörungen der kapillaren Endstrombahn die durch Kälteeinwirkung am Arbeitsplatz verursacht werden sind eine Berufskrankheit nach Nr 5101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung.
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 12. Februar 2003 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft (BG) die Anerkennung einer Hauterkrankung als Berufskrankheit (BK).
Die im Jahre 1951 geborene Klägerin war als Fleischereiverkäuferin in den Jahren 1969 bis 1977 vollzeitig, anschließend aushilfsweise und vom Jahre 1990 bis zum 28. Februar 1995 in Teilzeit beschäftigt. Im September 1993 wurde der Beklagten ein auf diese Tätigkeit zurückgeführter chronischer Kälteschaden an den Händen angezeigt. Die Beklagte zog verschiedene ärztliche Unterlagen bei und lehnte mit Bescheid vom 10. September 1996 die Anerkennung einer BK Nr 5101 nach der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sowie einer BK nach § 551 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ab. Es liege keine entsprechende Hauterkrankung vor und die wesentliche Ursache der Erkrankung der Klägerin sei eine anlagebedingte Kälteüberempfindlichkeit (Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 1997).
Das Sozialgericht für das Saarland (SG) hat nach Einholung weiterer ärztlicher Gutachten und Stellungnahmen die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 12. Oktober 2000). Das Landessozialgericht für das Saarland (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin den Gerichtsbescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Erkrankung der Haut im Bereich der Hände der Klägerin als BK Nr 5101 anzuerkennen und nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu entschädigen (Urteil vom 12. Februar 2003). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Bei der Klägerin liege eine schwere Hauterkrankung iS der BK Nr 5101 vor, die durch berufsbedingte Kälteeinwirkungen entstanden sei und zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen habe. Die Erkrankung sei nach der übereinstimmenden Bewertung der Sachverständigen Dr. D und Dr. L auf dem Boden einer anlagebedingten Akrozyanose entstanden und als Folge der Kälteexposition anzusehen, da keine organische Durchblutungsstörung festzustellen sei und die Beschwerden sich nach Tätigkeitsaufgabe weitgehend zurückgebildet hätten. Die Kälteeinwirkung habe die Durchblutungsstörungen der kapillären Endstrombahn, die in der Haut zu lokalisieren sei, verursacht. Der Begriff "Hauterkrankung" iS der BK Nr 5101 sei entsprechend der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. April 1986 - 2 RU 35/85 - (SozR 5670 Anl 1 Nr 5101 Nr 5) vom Schutzzweck der Norm her zu bestimmen: Daher sei eine durch langjährige berufsbedingte Kälteeinwirkung wesentlich mitursächlich entstandene Schädigung im Bereich der Hände der Klägerin als Hauterkrankung iS der BK Nr 5101 zu bewerten. Die Schwere der Erkrankung ergebe sich aus der über ein Jahr dauernden Behandlungsbedürftigkeit und habe zur Aufgabe der Tätigkeit als Fleischereiverkäuferin gezwungen.
Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts und macht vor allem geltend: Das LSG habe den Begriff Hauterkrankung iS der BK Nr 5101 verkannt. Dieser sei nicht so weit auszulegen, dass der vorliegende Sachverhalt noch davon erfasst würde. Im Hinblick auf den zu prüfenden Schutzzweck der Norm müsse auf das Merkblatt zur BK Nr 5101 hingewiesen werden, das zwar Haare, Nägel, Schweiß- und Talgdrüsen als zur Haut gehörig beschreibe, nicht aber Blutgefäße und Nervenendungen. Wäre die BK Nr 5101 so weit gefasst, wie das LSG meine, bedürfte es beispielsweise nicht der BK Nr 2104. Primär gefäßbedingte Erkrankungen, die eher sekundär durch Veränderungen der sie umgebenden Hautschicht in Erscheinung treten, würden von dem Schutzzweck der BK Nr 5101 nicht erfasst. Bei Kälte handele es sich nicht um einen "schädlichen Arbeitsstoff im engeren Sinne", sondern um einen klimatischen Einfluss. Es sei unklar, welche Hautkrankheit von ihr zu entschädigen sei. Denn eine klare Abgrenzung zwischen der Akrozyanose als Grundkrankheit und deren Verschlimmerung durch die berufliche Kälteexposition werde im Urteil nicht vorgenommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichtes für das Saarland vom 12. Februar 2003 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes für das Saarland vom 12. Oktober 2000 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Das LSG hat sie unter Aufhebung des klageabweisenden Gerichtsbescheides des SG zu Recht verurteilt, die Hauterkrankung der Klägerin im Bereich ihrer Hände als BK Nr 5101 anzuerkennen und nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu entschädigen.
Rechtsgrundlage für die Anerkennung der Hauterkrankung der Klägerin als BK sind noch die Vorschriften der RVO, weil die von der Klägerin geltend gemachte BK mit der Beendigung ihrer Tätigkeit als Fleischereiverkäuferin am 28. Februar 1995 anzuerkennen war, also vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 (Art 36 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes, § 212 SGB VII).
Nach § 551 Abs 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall eine BK. BKen sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in §§ 539, 549 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs 1 Satz 2 RVO). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 551 Abs 1 Satz 3 RVO). Hiervon hat die Bundesregierung Gebrauch gemacht und in der BKV seit deren Änderung durch die Verordnung zur Änderung der Siebten Berufskrankheiten-Verordnung vom 8. Dezember 1976 (BGBl I 3329) bis heute unter der Nr 5101 der Anlage 1 der BKV als BK bezeichnet: "Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".
Die Voraussetzungen für die Anerkennung dieser BK Nr 5101 bei der Klägerin sind nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, an die das Revisionsgericht mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden ist (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)), erfüllt. Denn nach den Feststellungen des LSG leidet die Klägerin an einer durch ihre versicherte Berufstätigkeit verursachten schweren Hauterkrankung, wegen der sie ihre Berufstätigkeit aufgeben musste, was sie auch getan hat.
Die Rüge der Beklagten, das LSG habe den Begriff der Hauterkrankung verkannt und zu weit ausgelegt, greift nicht durch. Das BSG hat in der schon genannten Entscheidung vom 30. April 1986 (SozR 5670 Anl 1 Nr 5101 Nr 5) die Bindehauterkrankung eines Bäckers aufgrund einer Allergie gegen Mehlstaub, der seinen Beruf deswegen aufgeben musste, als BK Nr 5101 anerkannt. In einer Entscheidung vom 20. März 1981 (BSGE 51, 251 = SozR 5670 Anl 1 Nr 5101 Nr 4) wurde eine Argyrie, die zur Verfärbung der Gesichts- und Halshaut und der Nagelmonde aller Finger ohne organische Schäden der Haut sowie zu Silberstaubeinlagerungen an inneren Organen ohne Funktionsstörungen geführt hatte und nicht behandlungsbedürftig war, ebenfalls als BK Nr 5101 anerkannt.
In Übereinstimmung mit diesen Entscheidungen ist angesichts des unterschiedlichen und vielfältigen Begriffsinhaltes des Wortes Haut im Sprachgebrauch davon auszugehen, dass die Auslegung des Begriffs "Hauterkrankung" vom Schutzzweck der Norm her zu erfolgen hat und dieser für eine weite Auslegung spricht. Dass mit der Formulierung der BK Nr 5101 alle beruflich bedingten Erkrankungen im Bereich der Haut unabhängig von der Schadensursache und der Art der krankhaften Veränderungen erfasst werden sollen, wird unter anderem durch die Rechtsentwicklung bestätigt, die zu der heutigen Fassung der Vorschrift geführt hat. Ursprünglich kannte das Berufskrankheitenrecht mehrere verschiedene BKen der Haut, die nach der Art des verursachenden Stoffes oder der schädigenden Arbeitsweise definiert und unterschieden wurden (Nr 11 bis 13 der Anlage zur Zweiten Berufskrankheiten-Verordnung vom 11. Februar 1929 - RGBl I 27). Durch die Dritte Berufskrankheiten-Verordnung vom 16. Dezember 1936 (RGBl I 1117) wurden diese BKen zu einer einheitlichen BK mit der Umschreibung: "Schwere oder wiederholt rückfällige berufliche Hauterkrankungen, die zum Wechsel des Berufs oder zur Aufgabe jeder Erwerbstätigkeit zwingen" zusammengefasst. Zur Begründung dieser Maßnahme wurde auf die Schwierigkeiten und Widersprüche verwiesen, zu denen das bisherige Anerkennungssystem geführt hatte. Da praktisch jeder Stoff und auch rein physikalische Einwirkungen zu einer kürzer oder länger dauernden Überempfindlichkeit der Haut führen könnten, sei es nicht sinnvoll, den bisherigen Weg der Auflistung von schädigenden Einwirkungen fortzusetzen, zumal eine solche Aufzählung stets lückenhaft bleibe (AN 1936, 355, 358). Um einerseits die erforderliche Erweiterung des Versicherungsschutzes in den sachlich berechtigten und gesundheitlich begründeten Grenzen herbeizuführen und andererseits nur die Erkrankungen zu entschädigen, die nach Verlauf und Dauer als chronische Hauterkrankungen bezeichnet werden, sowie die außerordentlichen Schwierigkeiten, die in der Klärung der Krankheitsursachen in jedem Einzelfall liegen, möglichst einzuschränken, wurde das weitere Tatbestandsmerkmal Wechsel des Berufs oder Tätigkeitsaufgabe eingeführt.
Wie der Senat bereits in dem Urteil vom 30. April 1986 (SozR 5670 Anl 1 Nr 5101 Nr 5) näher ausgeführt hat, besteht kein Anhaltspunkt, dass der Verordnungsgeber bei der Aufnahme der Hautkrankheiten in den Katalog der Berufskrankheiten ausschließlich an die Zuständigkeit des Hautarztes auf der einen und die anderer Fachärzte auf der anderen Seite gedacht hat. Hauterkrankungen können nicht nur durch äußere Einwirkungen (Berührungen) schädigender Arbeitsstoffe verursacht werden, sondern auch durch die Aufnahme schädigender Stoffe in den Körper, wie schon der Zusatz nach der BK Nr 1317 zu den BKen Nr 1101 usw in der Anlage der BKV zeigt. Es ist daher nicht gerechtfertigt, den Begriff der Hauterkrankung iS der BK Nr 5101 nur aus einem allgemeinen oder medizinisch-wissenschaftlichen Sprachgebrauch heraus zu deuten und seine eigentliche Funktion, nämlich die Absicherung gegen die wirtschaftlichen und gesundheitlichen Folgen des Einflusses schädlicher Arbeitsstoffe und die dadurch erzwungene Aufgabe der beruflichen Tätigkeit in den Hintergrund zu rücken.
Daher sind ausgehend von einer weiten Auslegung des Begriffs "Hauterkrankung" die vom LSG für das BSG bindend (§ 163 SGG) bei der Klägerin festgestellten und von der Beklagten auch nicht bestrittenen Durchblutungsstörungen der kapillaren Endstrombahn, die in der Haut zu lokalisieren sind, eine Hauterkrankung iS der BK Nr 5101. Denn diese Kapillaren sind ein Teil des komplexen Organs Haut, dessen Erkrankungen durch die BK Nr 5101 und deren Schutzzweck erfasst werden.
Dem steht nicht entgegen, dass in dem Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur BK Nr 5101 (BArbBl 1996, Heft 6, S 22 ff) die Kapillaren nicht gesondert genannt sind. Denn die Merkblätter des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung sind zwar eine wichtige, aber nicht unbedingt ausreichende Informationsquelle für die Praxis und haben keine rechtliche Verbindlichkeit (BSG SozR 3-5670 Anl 1 Nr 2108 Nr 2). Vor allem kann aus der Nichtnennung bestimmter Teile der Haut in diesem Merkblatt nicht gefolgert werden, dass diese vom Schutz der BK Nr 5101 nicht umfasst seien.
Inwieweit die Störung nervaler Strukturen im System "Haut" der BK Nr 5101 zuzuordnen ist oder nicht - so das Vorbringen der Beklagten -, ist für die Entscheidung dieses Verfahrens unerheblich. Dass es zu Überschneidungen der BK Nr 5101 mit anderen BKen kommt, ergibt sich schon aus dem Zusatz nach der BK Nr 1317 zu den BKen Nr 1101 usw in der Anlage der BKV und wird auch in der Literatur behandelt (vgl nur Mehrtens/Perlebach, Berufskrankheitenverordnung, M 5101 Anm 1 bzw als Fallbeispiel BSGE 18, 169 ff = SozR Nr 1 zu 4. BKVO Anl Nr 27). Die auftretenden Kollisionsfragen sind in den jeweiligen Fallgestaltungen konkret zu lösen. Für den Begriff der Hauterkrankung ist daraus nichts ableitbar. Aus einem weiten Begriff der Hauterkrankung iS der BK Nr 5101 folgt nicht, dass beim Vorliegen einer solchen Hauterkrankung immer Leistungen gemäß § 3 BKV zu erbringen sind, weil diese an weitere Voraussetzungen geknüpft sind (vgl zu Übergangsleistungen nur: BSGE 40, 146 = SozR 5677 § 3 Nr 1; SozR 3-5670 § 3 Nr 5).
Kälte kann eine Einwirkung iS der BK Nr 5101 sein. Denn aus der Umschreibung der BK Nr 5101 ergeben sich im Unterschied zu anderen BKen (vgl zB BK Nr 1101: "Blei", BK Nr 4301: "Allergisierende Stoffe") keine besonderen Anforderungen an die Einwirkung. Dies war auch mit der weiten Fassung der BK bezweckt, die zumindest auch physikalische Einwirkungen - und zu diesen gehört Kälte - umfassen wollte (s die Begründung in AN 1936, 355, 358). Ob die jeweilige Einwirkung im Einzelfall geeignet war, die angezeigte Hauterkrankung zu verursachen, ist eine Frage des in einem weiteren Schritt zu prüfenden ursächlichen Zusammenhangs.
Dass die Klägerin während ihres Beschäftigungsverhältnisses als Fleischereiverkäuferin Kälte im Bereich ihrer Hände ausgesetzt war, ergibt sich aus den Feststellungen des LSG und der Art der Tätigkeit (vgl nur zur Temperatur von Fleisch- und Wurstwaren: § 4 der Hackfleisch-Verordnung vom 10. Mai 1976 - BGBl I 1186, zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. April 2003 - BGBl I 478).
Diese Kälte war auch eine wesentliche Ursache für die Hauterkrankung an den Händen der Klägerin, wie sich aus den auf Sachverständigengutachten beruhenden Feststellungen des LSG ergibt. Danach verursachte die Kälteeinwirkung die Durchblutungsstörungen der kapillaren Endstrombahn auf dem Boden einer anlagebedingten Akrozyanose, zu deren Krankheitsbild die von der Klägerin geklagte Schmerzempfindung und Steifigkeit der Hände nicht gehört. Die berufliche Verursachung, für die eine wesentliche Mitursächlichkeit der schädlichen Einwirkungen am Arbeitsplatz genügt, ist auch ua mit dem Fehlen von organischen Ursachen für die Durchblutungsstörungen, der weitgehenden Zurückbildung der Beschwerden nach der Tätigkeitsaufgabe und dem Fehlen vergleichbarer Hauterscheinungen an den Füßen der Klägerin nachvollziehbar begründet worden. Für die Behauptung der Beklagten, die entsprechenden Aussagen der Sachverständigen Dr. D und Dr. L seien bloß Vermutungen, ist die Beklagte ihrerseits jegliche Begründung schuldig geblieben. Verfahrensrügen hat sie insofern nicht erhoben. Das von ihr im Revisionsverfahren vorgelegte Gutachten aus einem anderen Gerichtsverfahren ist neuer, unzulässiger Sachvortrag (vgl § 163 SGG).
Die Aufhebung des angefochtenen Urteils kann entgegen dem Revisionsvorbringen nicht wegen inhaltlicher Unbestimmtheit der getroffenen Entscheidung verlangt werden. Soweit die Beklagte rügt, aus der Urteilsformel sei nicht zu ersehen, welche Gesundheitsstörungen als BK anzuerkennen seien und welche Leistungen sie zu erbringen habe, kann ihr nicht gefolgt werden. Nach den Urteilsgründen besteht bei der Klägerin eine anlagebedingte funktionelle Störung der Mikrozirkulation mit rot bis rotvioletten Verfärbungen der Haut an Händen und Füßen (Akrozyanose). Davon zu trennen sind die durch Kälteeinwirkung während der Arbeit verursachten weitergehenden Krankheitserscheinungen in Form von trophischen Störungen mit Schmerzempfindungen und Steifigkeit der Hände, die sich nach Aufgabe der Berufstätigkeit großenteils wieder zurückgebildet haben. Nicht die Grundkrankheit als solche, wohl aber die hinzugekommenen, normalerweise nicht zum Krankheitsbild einer Akrozyanose gehörenden Symptome und Beschwerden bilden demnach die "Erkrankung der Haut", die nach dem Tenor der angefochtenen Entscheidung als BK anzuerkennen ist.
Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Beklagte nicht zur Erbringung konkreter Leistungen, sondern lediglich dazu verurteilt hat, die Erkrankung der Klägerin "als Berufskrankheit nach Nr 5101 der Anlage zur BKV anzuerkennen und nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu entschädigen". Dem Zusatz in der Urteilsformel, die BK sei nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu entschädigen, kommt bei der gegebenen Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu. Nachdem die Beklagte jedwede Entschädigung schon deshalb abgelehnt hatte, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei, wollte die Klägerin mit der Klage zunächst nur die Anerkennung ihrer Erkrankung als entschädigungspflichtige BK erreichen, um darauf aufbauend später gegebenenfalls Leistungen beantragen zu können. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann der Versicherte in einer solchen Situation die Grundlagen der in Frage kommenden Leistungsansprüche vorab im Wege einer isolierten Feststellungsklage klären lassen. Das betrifft nicht nur die in § 55 Abs 1 Nr 3 SGG ausdrücklich vorgesehene Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einem Arbeitsunfall oder einer BK, sondern auch die Feststellung des Eintritts des Versicherungsfalls in Fällen, in denen bereits das Vorliegen eines Arbeitsunfalls oder einer BK vom Versicherungsträger bestritten wird (BSG SozR 2200 § 551 Nr 35). Eine solche Feststellungsklage hat die Klägerin bei sinnentsprechender Auslegung ihres Vorbringens erhoben und allein hierüber hat das LSG auch entschieden.
Welche Entschädigungsleistungen die Beklagte der Klägerin aufgrund der Anerkennung deren Hauterkrankung an den Händen als BK Nr 5101 konkret zu erbringen hat, ist Gegenstand eines neuen Verwaltungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft (BG) die Anerkennung einer Hauterkrankung als Berufskrankheit (BK).
Die im Jahre 1951 geborene Klägerin war als Fleischereiverkäuferin in den Jahren 1969 bis 1977 vollzeitig, anschließend aushilfsweise und vom Jahre 1990 bis zum 28. Februar 1995 in Teilzeit beschäftigt. Im September 1993 wurde der Beklagten ein auf diese Tätigkeit zurückgeführter chronischer Kälteschaden an den Händen angezeigt. Die Beklagte zog verschiedene ärztliche Unterlagen bei und lehnte mit Bescheid vom 10. September 1996 die Anerkennung einer BK Nr 5101 nach der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sowie einer BK nach § 551 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ab. Es liege keine entsprechende Hauterkrankung vor und die wesentliche Ursache der Erkrankung der Klägerin sei eine anlagebedingte Kälteüberempfindlichkeit (Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 1997).
Das Sozialgericht für das Saarland (SG) hat nach Einholung weiterer ärztlicher Gutachten und Stellungnahmen die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 12. Oktober 2000). Das Landessozialgericht für das Saarland (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin den Gerichtsbescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Erkrankung der Haut im Bereich der Hände der Klägerin als BK Nr 5101 anzuerkennen und nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu entschädigen (Urteil vom 12. Februar 2003). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Bei der Klägerin liege eine schwere Hauterkrankung iS der BK Nr 5101 vor, die durch berufsbedingte Kälteeinwirkungen entstanden sei und zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen habe. Die Erkrankung sei nach der übereinstimmenden Bewertung der Sachverständigen Dr. D und Dr. L auf dem Boden einer anlagebedingten Akrozyanose entstanden und als Folge der Kälteexposition anzusehen, da keine organische Durchblutungsstörung festzustellen sei und die Beschwerden sich nach Tätigkeitsaufgabe weitgehend zurückgebildet hätten. Die Kälteeinwirkung habe die Durchblutungsstörungen der kapillären Endstrombahn, die in der Haut zu lokalisieren sei, verursacht. Der Begriff "Hauterkrankung" iS der BK Nr 5101 sei entsprechend der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. April 1986 - 2 RU 35/85 - (SozR 5670 Anl 1 Nr 5101 Nr 5) vom Schutzzweck der Norm her zu bestimmen: Daher sei eine durch langjährige berufsbedingte Kälteeinwirkung wesentlich mitursächlich entstandene Schädigung im Bereich der Hände der Klägerin als Hauterkrankung iS der BK Nr 5101 zu bewerten. Die Schwere der Erkrankung ergebe sich aus der über ein Jahr dauernden Behandlungsbedürftigkeit und habe zur Aufgabe der Tätigkeit als Fleischereiverkäuferin gezwungen.
Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts und macht vor allem geltend: Das LSG habe den Begriff Hauterkrankung iS der BK Nr 5101 verkannt. Dieser sei nicht so weit auszulegen, dass der vorliegende Sachverhalt noch davon erfasst würde. Im Hinblick auf den zu prüfenden Schutzzweck der Norm müsse auf das Merkblatt zur BK Nr 5101 hingewiesen werden, das zwar Haare, Nägel, Schweiß- und Talgdrüsen als zur Haut gehörig beschreibe, nicht aber Blutgefäße und Nervenendungen. Wäre die BK Nr 5101 so weit gefasst, wie das LSG meine, bedürfte es beispielsweise nicht der BK Nr 2104. Primär gefäßbedingte Erkrankungen, die eher sekundär durch Veränderungen der sie umgebenden Hautschicht in Erscheinung treten, würden von dem Schutzzweck der BK Nr 5101 nicht erfasst. Bei Kälte handele es sich nicht um einen "schädlichen Arbeitsstoff im engeren Sinne", sondern um einen klimatischen Einfluss. Es sei unklar, welche Hautkrankheit von ihr zu entschädigen sei. Denn eine klare Abgrenzung zwischen der Akrozyanose als Grundkrankheit und deren Verschlimmerung durch die berufliche Kälteexposition werde im Urteil nicht vorgenommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichtes für das Saarland vom 12. Februar 2003 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes für das Saarland vom 12. Oktober 2000 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Das LSG hat sie unter Aufhebung des klageabweisenden Gerichtsbescheides des SG zu Recht verurteilt, die Hauterkrankung der Klägerin im Bereich ihrer Hände als BK Nr 5101 anzuerkennen und nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu entschädigen.
Rechtsgrundlage für die Anerkennung der Hauterkrankung der Klägerin als BK sind noch die Vorschriften der RVO, weil die von der Klägerin geltend gemachte BK mit der Beendigung ihrer Tätigkeit als Fleischereiverkäuferin am 28. Februar 1995 anzuerkennen war, also vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 (Art 36 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes, § 212 SGB VII).
Nach § 551 Abs 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall eine BK. BKen sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in §§ 539, 549 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs 1 Satz 2 RVO). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 551 Abs 1 Satz 3 RVO). Hiervon hat die Bundesregierung Gebrauch gemacht und in der BKV seit deren Änderung durch die Verordnung zur Änderung der Siebten Berufskrankheiten-Verordnung vom 8. Dezember 1976 (BGBl I 3329) bis heute unter der Nr 5101 der Anlage 1 der BKV als BK bezeichnet: "Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".
Die Voraussetzungen für die Anerkennung dieser BK Nr 5101 bei der Klägerin sind nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, an die das Revisionsgericht mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden ist (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)), erfüllt. Denn nach den Feststellungen des LSG leidet die Klägerin an einer durch ihre versicherte Berufstätigkeit verursachten schweren Hauterkrankung, wegen der sie ihre Berufstätigkeit aufgeben musste, was sie auch getan hat.
Die Rüge der Beklagten, das LSG habe den Begriff der Hauterkrankung verkannt und zu weit ausgelegt, greift nicht durch. Das BSG hat in der schon genannten Entscheidung vom 30. April 1986 (SozR 5670 Anl 1 Nr 5101 Nr 5) die Bindehauterkrankung eines Bäckers aufgrund einer Allergie gegen Mehlstaub, der seinen Beruf deswegen aufgeben musste, als BK Nr 5101 anerkannt. In einer Entscheidung vom 20. März 1981 (BSGE 51, 251 = SozR 5670 Anl 1 Nr 5101 Nr 4) wurde eine Argyrie, die zur Verfärbung der Gesichts- und Halshaut und der Nagelmonde aller Finger ohne organische Schäden der Haut sowie zu Silberstaubeinlagerungen an inneren Organen ohne Funktionsstörungen geführt hatte und nicht behandlungsbedürftig war, ebenfalls als BK Nr 5101 anerkannt.
In Übereinstimmung mit diesen Entscheidungen ist angesichts des unterschiedlichen und vielfältigen Begriffsinhaltes des Wortes Haut im Sprachgebrauch davon auszugehen, dass die Auslegung des Begriffs "Hauterkrankung" vom Schutzzweck der Norm her zu erfolgen hat und dieser für eine weite Auslegung spricht. Dass mit der Formulierung der BK Nr 5101 alle beruflich bedingten Erkrankungen im Bereich der Haut unabhängig von der Schadensursache und der Art der krankhaften Veränderungen erfasst werden sollen, wird unter anderem durch die Rechtsentwicklung bestätigt, die zu der heutigen Fassung der Vorschrift geführt hat. Ursprünglich kannte das Berufskrankheitenrecht mehrere verschiedene BKen der Haut, die nach der Art des verursachenden Stoffes oder der schädigenden Arbeitsweise definiert und unterschieden wurden (Nr 11 bis 13 der Anlage zur Zweiten Berufskrankheiten-Verordnung vom 11. Februar 1929 - RGBl I 27). Durch die Dritte Berufskrankheiten-Verordnung vom 16. Dezember 1936 (RGBl I 1117) wurden diese BKen zu einer einheitlichen BK mit der Umschreibung: "Schwere oder wiederholt rückfällige berufliche Hauterkrankungen, die zum Wechsel des Berufs oder zur Aufgabe jeder Erwerbstätigkeit zwingen" zusammengefasst. Zur Begründung dieser Maßnahme wurde auf die Schwierigkeiten und Widersprüche verwiesen, zu denen das bisherige Anerkennungssystem geführt hatte. Da praktisch jeder Stoff und auch rein physikalische Einwirkungen zu einer kürzer oder länger dauernden Überempfindlichkeit der Haut führen könnten, sei es nicht sinnvoll, den bisherigen Weg der Auflistung von schädigenden Einwirkungen fortzusetzen, zumal eine solche Aufzählung stets lückenhaft bleibe (AN 1936, 355, 358). Um einerseits die erforderliche Erweiterung des Versicherungsschutzes in den sachlich berechtigten und gesundheitlich begründeten Grenzen herbeizuführen und andererseits nur die Erkrankungen zu entschädigen, die nach Verlauf und Dauer als chronische Hauterkrankungen bezeichnet werden, sowie die außerordentlichen Schwierigkeiten, die in der Klärung der Krankheitsursachen in jedem Einzelfall liegen, möglichst einzuschränken, wurde das weitere Tatbestandsmerkmal Wechsel des Berufs oder Tätigkeitsaufgabe eingeführt.
Wie der Senat bereits in dem Urteil vom 30. April 1986 (SozR 5670 Anl 1 Nr 5101 Nr 5) näher ausgeführt hat, besteht kein Anhaltspunkt, dass der Verordnungsgeber bei der Aufnahme der Hautkrankheiten in den Katalog der Berufskrankheiten ausschließlich an die Zuständigkeit des Hautarztes auf der einen und die anderer Fachärzte auf der anderen Seite gedacht hat. Hauterkrankungen können nicht nur durch äußere Einwirkungen (Berührungen) schädigender Arbeitsstoffe verursacht werden, sondern auch durch die Aufnahme schädigender Stoffe in den Körper, wie schon der Zusatz nach der BK Nr 1317 zu den BKen Nr 1101 usw in der Anlage der BKV zeigt. Es ist daher nicht gerechtfertigt, den Begriff der Hauterkrankung iS der BK Nr 5101 nur aus einem allgemeinen oder medizinisch-wissenschaftlichen Sprachgebrauch heraus zu deuten und seine eigentliche Funktion, nämlich die Absicherung gegen die wirtschaftlichen und gesundheitlichen Folgen des Einflusses schädlicher Arbeitsstoffe und die dadurch erzwungene Aufgabe der beruflichen Tätigkeit in den Hintergrund zu rücken.
Daher sind ausgehend von einer weiten Auslegung des Begriffs "Hauterkrankung" die vom LSG für das BSG bindend (§ 163 SGG) bei der Klägerin festgestellten und von der Beklagten auch nicht bestrittenen Durchblutungsstörungen der kapillaren Endstrombahn, die in der Haut zu lokalisieren sind, eine Hauterkrankung iS der BK Nr 5101. Denn diese Kapillaren sind ein Teil des komplexen Organs Haut, dessen Erkrankungen durch die BK Nr 5101 und deren Schutzzweck erfasst werden.
Dem steht nicht entgegen, dass in dem Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur BK Nr 5101 (BArbBl 1996, Heft 6, S 22 ff) die Kapillaren nicht gesondert genannt sind. Denn die Merkblätter des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung sind zwar eine wichtige, aber nicht unbedingt ausreichende Informationsquelle für die Praxis und haben keine rechtliche Verbindlichkeit (BSG SozR 3-5670 Anl 1 Nr 2108 Nr 2). Vor allem kann aus der Nichtnennung bestimmter Teile der Haut in diesem Merkblatt nicht gefolgert werden, dass diese vom Schutz der BK Nr 5101 nicht umfasst seien.
Inwieweit die Störung nervaler Strukturen im System "Haut" der BK Nr 5101 zuzuordnen ist oder nicht - so das Vorbringen der Beklagten -, ist für die Entscheidung dieses Verfahrens unerheblich. Dass es zu Überschneidungen der BK Nr 5101 mit anderen BKen kommt, ergibt sich schon aus dem Zusatz nach der BK Nr 1317 zu den BKen Nr 1101 usw in der Anlage der BKV und wird auch in der Literatur behandelt (vgl nur Mehrtens/Perlebach, Berufskrankheitenverordnung, M 5101 Anm 1 bzw als Fallbeispiel BSGE 18, 169 ff = SozR Nr 1 zu 4. BKVO Anl Nr 27). Die auftretenden Kollisionsfragen sind in den jeweiligen Fallgestaltungen konkret zu lösen. Für den Begriff der Hauterkrankung ist daraus nichts ableitbar. Aus einem weiten Begriff der Hauterkrankung iS der BK Nr 5101 folgt nicht, dass beim Vorliegen einer solchen Hauterkrankung immer Leistungen gemäß § 3 BKV zu erbringen sind, weil diese an weitere Voraussetzungen geknüpft sind (vgl zu Übergangsleistungen nur: BSGE 40, 146 = SozR 5677 § 3 Nr 1; SozR 3-5670 § 3 Nr 5).
Kälte kann eine Einwirkung iS der BK Nr 5101 sein. Denn aus der Umschreibung der BK Nr 5101 ergeben sich im Unterschied zu anderen BKen (vgl zB BK Nr 1101: "Blei", BK Nr 4301: "Allergisierende Stoffe") keine besonderen Anforderungen an die Einwirkung. Dies war auch mit der weiten Fassung der BK bezweckt, die zumindest auch physikalische Einwirkungen - und zu diesen gehört Kälte - umfassen wollte (s die Begründung in AN 1936, 355, 358). Ob die jeweilige Einwirkung im Einzelfall geeignet war, die angezeigte Hauterkrankung zu verursachen, ist eine Frage des in einem weiteren Schritt zu prüfenden ursächlichen Zusammenhangs.
Dass die Klägerin während ihres Beschäftigungsverhältnisses als Fleischereiverkäuferin Kälte im Bereich ihrer Hände ausgesetzt war, ergibt sich aus den Feststellungen des LSG und der Art der Tätigkeit (vgl nur zur Temperatur von Fleisch- und Wurstwaren: § 4 der Hackfleisch-Verordnung vom 10. Mai 1976 - BGBl I 1186, zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. April 2003 - BGBl I 478).
Diese Kälte war auch eine wesentliche Ursache für die Hauterkrankung an den Händen der Klägerin, wie sich aus den auf Sachverständigengutachten beruhenden Feststellungen des LSG ergibt. Danach verursachte die Kälteeinwirkung die Durchblutungsstörungen der kapillaren Endstrombahn auf dem Boden einer anlagebedingten Akrozyanose, zu deren Krankheitsbild die von der Klägerin geklagte Schmerzempfindung und Steifigkeit der Hände nicht gehört. Die berufliche Verursachung, für die eine wesentliche Mitursächlichkeit der schädlichen Einwirkungen am Arbeitsplatz genügt, ist auch ua mit dem Fehlen von organischen Ursachen für die Durchblutungsstörungen, der weitgehenden Zurückbildung der Beschwerden nach der Tätigkeitsaufgabe und dem Fehlen vergleichbarer Hauterscheinungen an den Füßen der Klägerin nachvollziehbar begründet worden. Für die Behauptung der Beklagten, die entsprechenden Aussagen der Sachverständigen Dr. D und Dr. L seien bloß Vermutungen, ist die Beklagte ihrerseits jegliche Begründung schuldig geblieben. Verfahrensrügen hat sie insofern nicht erhoben. Das von ihr im Revisionsverfahren vorgelegte Gutachten aus einem anderen Gerichtsverfahren ist neuer, unzulässiger Sachvortrag (vgl § 163 SGG).
Die Aufhebung des angefochtenen Urteils kann entgegen dem Revisionsvorbringen nicht wegen inhaltlicher Unbestimmtheit der getroffenen Entscheidung verlangt werden. Soweit die Beklagte rügt, aus der Urteilsformel sei nicht zu ersehen, welche Gesundheitsstörungen als BK anzuerkennen seien und welche Leistungen sie zu erbringen habe, kann ihr nicht gefolgt werden. Nach den Urteilsgründen besteht bei der Klägerin eine anlagebedingte funktionelle Störung der Mikrozirkulation mit rot bis rotvioletten Verfärbungen der Haut an Händen und Füßen (Akrozyanose). Davon zu trennen sind die durch Kälteeinwirkung während der Arbeit verursachten weitergehenden Krankheitserscheinungen in Form von trophischen Störungen mit Schmerzempfindungen und Steifigkeit der Hände, die sich nach Aufgabe der Berufstätigkeit großenteils wieder zurückgebildet haben. Nicht die Grundkrankheit als solche, wohl aber die hinzugekommenen, normalerweise nicht zum Krankheitsbild einer Akrozyanose gehörenden Symptome und Beschwerden bilden demnach die "Erkrankung der Haut", die nach dem Tenor der angefochtenen Entscheidung als BK anzuerkennen ist.
Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Beklagte nicht zur Erbringung konkreter Leistungen, sondern lediglich dazu verurteilt hat, die Erkrankung der Klägerin "als Berufskrankheit nach Nr 5101 der Anlage zur BKV anzuerkennen und nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu entschädigen". Dem Zusatz in der Urteilsformel, die BK sei nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu entschädigen, kommt bei der gegebenen Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu. Nachdem die Beklagte jedwede Entschädigung schon deshalb abgelehnt hatte, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei, wollte die Klägerin mit der Klage zunächst nur die Anerkennung ihrer Erkrankung als entschädigungspflichtige BK erreichen, um darauf aufbauend später gegebenenfalls Leistungen beantragen zu können. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann der Versicherte in einer solchen Situation die Grundlagen der in Frage kommenden Leistungsansprüche vorab im Wege einer isolierten Feststellungsklage klären lassen. Das betrifft nicht nur die in § 55 Abs 1 Nr 3 SGG ausdrücklich vorgesehene Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einem Arbeitsunfall oder einer BK, sondern auch die Feststellung des Eintritts des Versicherungsfalls in Fällen, in denen bereits das Vorliegen eines Arbeitsunfalls oder einer BK vom Versicherungsträger bestritten wird (BSG SozR 2200 § 551 Nr 35). Eine solche Feststellungsklage hat die Klägerin bei sinnentsprechender Auslegung ihres Vorbringens erhoben und allein hierüber hat das LSG auch entschieden.
Welche Entschädigungsleistungen die Beklagte der Klägerin aufgrund der Anerkennung deren Hauterkrankung an den Händen als BK Nr 5101 konkret zu erbringen hat, ist Gegenstand eines neuen Verwaltungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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