L 3 U 225/11

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 1 U 60/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 225/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 245/18 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Vollbeweis einer Epilepsie als Gesundheitsstörung und zur Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinne nach unfallbedingtem leichten Schädel-Hirn-Trauma.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 15. November 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1967 geborene Kläger begehrt die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund eines Wegeunfalles. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Unfalls Großhandelskaufmann bei einem D. Großmarkt gewesen. Seit dem 1. Oktober 2006 bezieht er volle Erwerbsminderungsrente von der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Die Ehefrau des Klägers wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 5. Januar 2007 zur Betreuerin des Klägers bestellt.

Am Samstag, dem 25. Juni 2005, befand sich der Kläger auf dem Heimweg von seiner damaligen Arbeitsstelle, dem D. Großmarkt in B-Stadt, zu seiner Wohnung in A-Stadt. Gegen 14.00 Uhr geriet er bei nassem Straßenzustand nach rechts von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen kleineren Baum (Buschwerk). Er musste von der Feuerwehr aus dem Fahrzeug herausgeschnitten werden. Zur Aufklärung des Unfallereignisses zog die Beklagte die Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 13. Juli 2005, die polizeiliche Unfallakte von der Polizeiautobahnstation F-Stadt vom Unfalltag, das Kfz-Sachverständigengutachten G. vom 30. Juni 2005, das dieser für die Sparkassenversicherung erstattet hatte, sowie das Notfallprotokoll bei. In dem Protokoll vom Unfalltag wird ausgeführt "keine Hinweise für neurologische Störungen". Der Kläger wurde in die Klinik Rotes-Kreuz-Krankenhaus Kassel gebracht, wo er zwei Tage, bis Montag, den 27. Juni 2005, verblieb. Der Durchgangsarzt und Chirurg/Unfallchirurg dieses Krankenhauses, Prof. Dr. I., beschrieb den klinischen Befund am Unfalltag wie folgt: "Pat. wach und ansprechbar, zum Unfallhergang orientiert. Kein Anhalt für Commotio cerebri. Oberfl. Kratzverletzung li. parietal. Bei orientierender Untersuchung kein Anhalt für Hirnnervenstörung". Als Erstdiagnosen stellte er eine Prellung der Thoraxwand, eine Distorsion der HWS sowie Prellungen von BWS und LWS fest.

Wegen einer unklaren Synkope und Kollaps am 11. Juli 2005 wurde der Kläger vom 11. bis 18. Juli 2005 erneut in der Klinik Rotes-Kreuz-Krankenhaus Kassel aufgenommen (Zwischenbericht des Krankenhauses vom 18. Juli 2005). Ein am 14. Juli 2005 in der Orthopädischen Klinik Kassel durchgeführtes MRT ergab eine "einzelne hyperintense Marklagerläsion links okzipital unklarer Ätiologie (vermutlich alt)". Dr. H., Zentrum für Soziale Psychiatrie Kurhessen stellte bei der ambulanten Weiterbehandlung des Klägers erstmalig deutliche neuropsychologische Defizite fest (Befundbericht vom 31. August 2005).

Vom 17. Oktober 2005 bis zum 19. Juli 2006 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in der Neurologischen Klinik der Kurklinik Hessisch Oldendorf. Die Ärzte der Klinik (Prof. Dr. J., Ltd. Arzt und Ärztlicher Direktor; Dr. K., Oberarzt) stellten im Ergebnis die Diagnosen Schädel-Hirn-Trauma, rezidivierende Bewusstlosigkeit unklarer Genese, DD: Synkopen/komplex-fokale Anfälle, Verdacht auf organische posttraumatische depressive Störung, Verdacht auf organisches Psychosyndrom nach Schädel-Hirn-Trauma; DD: beeinträchtigte Gedächtnisfunktion bei Depression (Bericht der Klinik vom 22. März 2006). Im Verlauf der stationären Behandlung sei es mehrmals zu unklaren Stürzen gekommen, u. a. am 1. November 2005 während der physikalischen Therapie nach einer Massage, wo der Kläger von der Liege gefallen sei. Im anschließend durchgeführten CT hätten sich keine pathologischen Befunde gezeigt. Ein erneutes Ereignis sei am 29. November 2005 gewesen. Hier sei der Kläger liegend im Zimmer gefunden worden, habe eine Prellmarke auf der Stirn gehabt, sei anschließend aggressiv gewesen, desorientiert. Unter der Verdachtsdiagnose eines postiktalen Dämmerzustandes sei die i.-v-Gabe von Tavor erfolgt und der Kläger nach 30 Minuten wieder geordnet gewesen. Das EEG im Anschluss an das fragliche Anfallereignis sowie auch mehrfache EEGs im Verlauf seien unauffällig gewesen (Bericht der Klinik vom 19. Dezember 2005). Ein auf Veranlassung der Klinik durch den Radiologen Dr. L. durchgeführtes MRT des Gehirns vom 10. Januar 2006 ergab kleinere Hämosiderinablagerungen im subcortikalen Marklager, teilweise auch im Cortex, links occipital paramedian mit einer Größe von 4 mm, kleinere Läsionen in der Zentralregion links und im Gyrus frontalis medius rechts von jeweils 2 mm Größe (Bericht der Klinik vom 22. März 2006). Hinsichtlich des neuropsychologischen Testbefundes vom 14. Februar 2006 teilten die Ärzte der Klinik mit, eine neuropsychologische Untersuchung nach standardisierten Vorgaben sei mit dem Kläger nicht möglich. Es lägen erhebliche Einschränkungen des allgemeinen Auffassungsvermögens vor, die als Denkhemmung interpretiert wurden. Die Schwere der Beeinträchtigungen sei nach der klinischen Erfahrung selbst für Patienten mit schwersten strukturellen Hirnschädigungen ungewöhnlich stark ausgeprägt. Das gesamte Verhalten in der Untersuchungssituation lege den Schluss nahe, dass der Befund als das Ergebnis einer schweren Störung der affektiven und damit motivationalen Voraussetzung der Leistungsbereitschaft anzusehen sei. Vor dem Hintergrund der Verletzungsfolgen des Wegeunfalls vom 25. Juni 2005 lasse sich der Befund nicht als direkte Folge eines Schädel-Hirn-Traumas darstellen (Bericht vom 22. März 2006; Arztbrief an Prof. Dr. M. vom 24. März 2006).

Die stationäre Behandlung in der Neurologischen Klinik der Kurklinik Hessisch Oldendorf wurde am 1. Dezember 2005 wegen eines Suizidversuches des Klägers unterbrochen, der sodann bis zum 3. Januar 2006 in der psychiatrischen Abteilung des Landeskrankenhauses Hildesheim behandelt wurde (dortiger Bericht vom 24. Januar 2006), sowie während der Behandlung vom 27. März bis 13. April 2006 in der Klinik für Psychiatrie des Krankenhaus Lübbecke, in die der Kläger wegen des Verdachts auf eine Depression verlegt wurde (Bericht der Klinik Lübbecke vom 13. April 2006, Diagnose: organische emotional labile Störung).

Nach der (endgültigen) Entlassung aus der Klinik Hessisch Oldendorf zum 19. Juli 2006 führte die soziale Psychiatrie Kurhessen in Kassel eine teilstationäre Behandlung des Klägers vom 24. Juli 2006 bis 13. Oktober 2006 durch (Berichte vom 1. November 2006 und 12. April 2007).

Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der BKK Werra Meißner vom 14. September 2005 für die Zeit ab Anfang 1999 sowie einen Bericht des Kreiskrankenhauses Wolfhagen vom 8. Juni 1999 bei. Demnach hatte der Kläger schon vor dem hier im Streit stehenden Wegeunfall ein Schädel-Hirn-Trauma I erlitten, als er am 26. April 1999 bei einer Wundversorgung seines Sohnes kollabiert und mit dem Kopf auf den Boden aufgeschlagen ist.

Die Beklagte, die dem Kläger bis zum 22. Dezember 2006 Verletztengeld gezahlt hatte, holte zur Prüfung eines Rentenanspruchs ein chirurgisches Gutachten von Prof. Dr. N., Ev. Diakoniewerk Friederikenstift Hannover, vom 11. Mai 2006 ein sowie ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Prof. Dr. O., Ev. Diakoniewerk Friederikenstift Hannover, vom 15. Mai 2006 und ein radiologisches Gutachten von Prof. Dr. P., Ev. Diakoniewerk Friederikenstift Hannover, vom 30. August 2006. Der Chirurg stellte auf seinem Fachgebiet keine Unfallfolgen mehr fest. Prof. Dr. O., der von einem Rotationstrauma des Kopfes beim Unfallereignis ausging, diagnostizierte hirnorganische Veränderungen (occipitale Signalintensitäten im primären MRT) mit davon nicht abgrenzbaren reaktiven depressiven Veränderungen und epileptischen Anfällen, die er kausal auf das Unfallereignis zurückführte. Der Radialoge Prof. Dr. P. stellte als Ergebnis seiner Auswertung der MRT-Aufnahmen vom 14. Juli 2005 und 10. Januar 2006 fest, die winzig kleinen Hämosiderindepots würden zu einer Scherverletzung mit Verletzung von Kommissurfasern passen, wie sie durchaus bei dem Unfall vom 25. Juni 2005 stattgefunden haben könnte. Diese Depots könnten jedoch über Jahre persistieren, so dass sie auch von einem wesentlich älteren Schädelhirntrauma herrühren könnten. Nur ein unmittelbar nach dem Unfall durchgeführtes MRT hätte hier endgültig Aufschluss geben können.

Die Beklagte holte beratungsärztliche Stellungnahmen des Neurologen und Psychiaters Dr. Q. sowie der Radiologen Dr. R. und Dr. S., BGU, ein weiteres fachneurologisches Gutachten von Dr. T., Klinikum der Johann Wolfang Goethe-Universität Frankfurt am Main, vom 1. November 2007 sowie ein weiteres neuroradiologisches Gutachten von Prof. Dr. U. vom 17. Oktober 2007 ein. Prof. Dr. U. stellte fest, die kleinsten kortikalen Blutungsresiduen okzipital entsprächen einer stattgehabten Kontusion. Die kleine Marklagergliose okzipital sei unfallunabhängig. Die beiden (geringen) Befunde könnten indes nicht den progredienten klinischen Zustand des Klägers erklären. Bei einem Schädel-Hirn-Trauma sei typischerweise ein initial klinisch schlechter Zustand mit anschließend teilweiser oder vollständiger Erholung zu erwarten. Der Neurologe Dr. T. kam zu demselben Ergebnis, es könne nur von einer allenfalls leichten Hirnverletzung ausgegangen werden, bei der in der Regel eine vollständige Rückbildung der Befunde zu erwarten sei. Er betonte, dass die Beurteilung von Sprache und Kognition durch die fehlende verbale Kommunikation bei dem Kläger nicht möglich sei.

Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 10. Dezember 2007 das Unfallereignis vom 25. Juni 2005 als Arbeitsunfall an. Eine Rentengewährung sowie "sonstige Leistungen nach dem 10. Juli 2005" lehnte sie ab. Nach Auswertung der im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten habe der Kläger sich beim Verkehrsunfall Prellungen an Brustkorb, LWS und BWS sowie eine HWS-Zerrung zugezogen. Daraus resultiere eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis zum 10. Juli 2005, wie die Anhörung ihres Beratungsarztes Dr. V. ergeben habe. Die Folgen des Unfalles seien danach ausgeheilt. Die erstmals am 11. Juli 2005 festgestellten und nachfolgend verschlimmerten Defizite auf neuropsychologischem Fachgebiet seien nicht durch den Arbeitsunfall verursacht. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Februar 2008 zurück.

Der Kläger erhob am 25. März 2008 beim Sozialgericht Kassel (Sozialgericht) Klage mit der Begründung, bei dem schweren Unfall hätten erhebliche Kräfte auf seinen Schädel eingewirkt. Dadurch sei es zu einem Schädel-Hirn-Trauma gekommen, das wiederum Ursache der aktuellen Gesundheitsstörungen sei. Der Kläger hat dazu eine Bescheinigung des behandelnden Neurologen W. vom 28. April 2008 sowie das arbeitsmedizinische Gutachten des Dr. X. MDK, vom 7. Juli 2008 vorgelegt.

Das Sozialgericht holte Befundberichte der behandelnden Neurologen Dres. Y. und W. (21. Juli 2008) sowie des Hausarztes Dr. Z. (8. Juli 2008) ein sowie von Amts wegen das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. BB. vom 22. Juli 2009 mit neurologischem Zusatzgutachten des Dr. CC. vom 20. Juni 2009. Beide Sachverständigen stellten fest, die bei dem Kläger bestehenden psychischen Auffälligkeiten seien im Rahmen einer Demenz unklarer Ätiologie einzuordnen und unfallunabhängig. Bei dem Kläger lägen indes Hinweise für eine symptomatische Epilepsie vor, die auf das radiologisch nachgewiesene Schädel-Hirn-Trauma zurückzuführen sei und mit einer MdE von derzeit 30 v. H. zu bewerten sei.

Auf Antrag des Klägers hat das Sozialgericht ein nervenfachärztliches Gutachten von Dr. H., Rotes Kreuz Krankenhaus Kassel, vom 28. Juni 2010 eingeholt sowie von Amts wegen ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Neurologen DD., Leitender Oberarzt der Neurologischen Klinik am Klinikum Kassel, vom 2. Mai 2011. Der Sachverständige DD. diagnostizierte bei dem Kläger ein schweres chronisches hirnorganisches Psychosyndrom mit Wesensveränderung, Antriebsminderung und Verlust der Sprache, welches durch den Unfall verursacht sei.

Mit Urteil vom 15. November 2011 hat das Sozialgericht dem Kläger "Leistungen der Unfallversicherung in gesetzlichem Umfang" nach einer MdE in Höhe von 100 v.H. zugesprochen und sich dabei auf die Feststellungen des Sachverständigen DD. gestützt. Der Kläger habe bei dem Unfall ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Das erste, drei Wochen nach dem Unfall gefertigte MRT sei mit einem ungeeigneten Gerät durchgeführt worden. Bei der neurologischen Untersuchung im August 2005 seien dann neurologische Defizite festgestellt worden und die Diagnose einer Hirnkontusion gestellt worden. Diese sei dann durch erneute Kernspintomographie vom 10. Januar 2006 mit Nachweis mehrerer älterer kleiner kortikaler Blutungsresiduen in Form von Eisenablagerungen bestätigt worden. Mit DD. sei davon auszugehen, dass der Befund für eine diffuse axonale Hirnschädigung spreche, die durch Scherverletzungen von Nervenfasern und Blutgefäßen zustande komme. Am Erleiden derartiger Verletzungen bestehe kein Zweifel, da das Fahrzeug des Klägers auf der Fahrerseite erhebliche Beschädigungen über die gesamte Längsseite aufgewiesen habe. Die Zunahme der neuropsychologischen Unfallfolgen nach dem Unfall sei äußerst ungewöhnlich, zumal sich normalerweise ein Decrescendo-Verlauf zeige. Dennoch sei mit dem Sachverständigen DD. von einem Unfallzusammenhang auszugehen. Die rasche Entwicklung des Sprachverlustes im Alter von nur 38 Jahren spreche gegen das Vorliegen einer unfallunabhängigen neurodegenerativen Erkrankung in Form einer primär-progressiven Aphasie. Der zeitliche Zusammenhang der Entwicklung zum Unfallgeschehen sei eng und die kernspintomographisch nachgewiesene Hirnkontusionsblutung rechtfertige, trotz des atypischen Verlaufs vom Unfallzusammenhang auszugehen. Die MdE sei in Übereinstimmung mit den Gutachten DD. und H. mit 100 v.H. zu bewerten.

Gegen das ihr am 2. Dezember 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14. Dezember 2011 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt. Die psychischen Auffälligkeiten des Klägers seien nicht auf den Unfall zurückzuführen. Das radiologische Gutachten des Prof. Dr. U. habe nur die Möglichkeit einer geringen Scherverletzung ergeben. Der progrediente klinische Verlauf beim Kläger im Anschluss sei aus dieser Verletzung heraus nicht erklärbar. Der Crescendo-Verlauf beim Kläger sei für eine Hirnverletzung äußerst ungewöhnlich, wie auch der Sachverständige DD. dargelegt habe. Letztlich habe der Sachverständige DD. den ursächlichen Zusammenhang nur auf den engen zeitlichen Zusammenhang gestützt sowie den Ausschluss anderer Erkrankungen als Ursache. Danach bleibe seine Argumentation spekulativ und stelle gegenüber der Gegenauffassung der Gutachter T., H., BB. und CC. eine Mindermeinung dar. Auch eine symptomatische Epilepsie komme als Unfallfolge des allenfalls leichten Hirnschadens nicht in Betracht. Der Unfall habe zu Hämosiderinresten (Eisenablagerungen) im linken Hinterhaupt des Klägers geführt. Derartige Ablagerungen im Hinterhauptslappen führten nach klinischer Erfahrung nicht zu epileptischen Anfällen. Dazu müsste man wesentliche morphologische Auffälligkeiten im fronto-temporalen Bereich fordern. Entsprechend habe sich auch Prof. Dr. U. geäußert. Eine Epilepsie sei im Übrigen auch nicht im Vollbeweis gesichert; es fehlten dafür die charakteristischen Befunde. Die Beklagte stützt sich für ihre Auffassung im Wesentlichen auf die Stellungnahmen des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. EE. im Gerichtsverfahren vom 7. Februar 2012, vom 31. Juli 2014, vom 10. Februar 2016, vom 26. August 2016 und vom 25. Mai 2018.

Die Beklagte beantragt,
as Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 15. November 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, soweit sich diese gegen die Gewährung einer Rente im Anschluss an die Leistung von Verletztengeld richtet.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Berichte des Hausarztes Dr. Z. (9. August 2012) und des behandelnden Neurologen W. (17. August 2012) eingeholt sowie die Akte des Versorgungsamtes Kassel und die medizinischen Unterlagen der Deutschen Rentenversicherung beigezogen. Sodann hat er eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen DD. vom 9. Januar 2013 eingeholt, der trotz des progredienten und auch nach seiner Auffassung ungewöhnlichen Verlaufs der Erkrankung an seiner Einschätzung festgehalten hat, dass die aktuellen Störungen unfallbedingt seien.

Sodann hat der Senat ein Gutachten nach Aktenlage von dem Neurologen und Psychiater Dr. Q. vom 10. September 2013 eingeholt, wonach die hier als Primärschaden anzunehmende axonale Hirnschädigung schwer mit dem weiteren Verlauf der Erkrankung in Gestalt eines massiven psychischen Defizits zu vereinbaren ist. Prof. EE. habe – so Dr. Q. - überzeugend dargelegt, dass leichtergradige axonale Schäden am Gehirn nicht zu dementiellen Störungen führen könnten, die so erheblich seien, dass sie zu einer MdE von 100 v.H. führten. Dr. Q. hat eine weitere neuropsychologische Abklärung mit Validierungsverfahren und dem Versuch einer Abklärung der Sprachstörung durch einen klinischen Linguisten angeregt.

Der Senat hat sodann von Amts wegen das fachneurologische Gutachten des Prof. Dr. FF., Chefarzt der BDH-Klinik in Elzach, vom 1. Juli 2014 eingeholt mit einem neuropsychiatrischen Zusatzgutachten des Dipl.-Psych. GG. vom 3. Juni 2014 und einem neurolinguistischen Zusatzgutachten des klinischen Linguisten HH. vom 3. Juni 2014. Der Dipl.-Psych. GG. konnte dabei die Anamnese nur über die Ehefrau durchführen und keinerlei Testuntersuchungen mit dem Kläger durchführen, so dass eine aussagekräftige Einschätzung der kognitiven Leistungsfähigkeit nicht möglich war. Eine bewusste Simulation von Beschwerden erscheine wenig wahrscheinlich. Der klinische Linguist führte aus, mit dem Kläger sei seit Ende 2006 eine sprachliche Verständigung nicht mehr möglich, ebenso wenig die Durchführung von Testuntersuchungen. Er zeige das Bild eines ausgeprägten Mutismus (Stummheit), wobei eine nähere Aussage über Art und Schweregrad der Sprachstörungen nicht möglich sei. Prof. Dr. FF. stellte die Diagnosen posttraumatisches organisches Psychosyndrom (F 07.2), diskrete Halbseitensymptomatik rechts (H 81.1) als unmittelbare Verletzungsfolge, sowie eine dissoziative Störung (F 44.9) als mittelbare Verletzungsfolge. Erstschaden sei nach den Feststellungen des Radiologen Prof. Dr. U. (Gutachten vom 17. Oktober 2007) eine beim Arbeitsunfall vom 25. Juni 2005 erlittene Hirnkontusion im Sinne einer sogenannten diffusen axonalen Schädigung. Ein bei fehlender Untersuchbarkeit derzeit nicht mit einer MdE bewertbares posttraumatisches organisches Psychosyndrom und eine geringe Halbseitenungeschicklichkeit rechts seien auf den Arbeitsunfall vom 25. Juni 2005 und die dabei erlittene Gehirnschädigung zurückzuführen. Ein seit Ende 2007 im derzeitigen Umfang bestehender dissoziativer Zustand sei mit den Brückensymptomen eines auffälligen Verhaltens in der Notaufnahme und einer durchgehenden asthenischen, im Weiteren auch depressiven Symptomatik mit Wahrscheinlichkeit ebenfalls auf den Arbeitsunfall vom 25. Juni 2005 und die dabei erlittene Hirnverletzung zurückzuführen. Die unfallbedingte MdE beim Kläger werde auf 100 v.H. geschätzt.

Der Senat hat zur Frage des Vorliegens einer Epilepsie als Unfallfolge sodann einen Befundbericht des behandelnden Neurologen W. vom 11. Dezember 2015 sowie ergänzende Stellungnahmen des Neurologen Prof. Dr. FF. vom 14. Januar 2016 und des Neurologen Dr. CC. vom 29. Juni 2016 eingeholt. Dr. CC. hat ausgeführt, der Kläger leide an einer fortbestehenden Epilepsie, wobei er nach Aktenlage seit Dezember 2005 anfallsfrei sei. Ein Anfallsleiden gelte erst dann als abgeklungen, wenn ohne Medikation drei Jahre Anfallsfreiheit bestehe. Ein Absetzversuch sei hier indes trotz fast zehnjähriger Anfallsfreiheit nicht durchgeführt worden. Die Diagnose einer Epilepsie halte er für gesichert, da es nach dem Unfall zu mehreren synkopalen Ereignissen gekommen sei (erstmals 11. Juli 2005) und der Kläger auf die Gabe eines Benzodiazepins in der Neurologischen Klinik Hessisch Oldendorf positiv angesprochen habe. Die Epilepsie sei mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nur auf das Unfallereignis zurückzuführen, andere erklärende Mechanismen lägen bis heute nicht vor.

Nach Durchführung eines Senatstermins am 25. Oktober 2016 hat der Senat sämtliche Behandlungsunterlagen des Rotes Kreuz Krankenhaus Kassel, der BDH Klinik Hessisch Oldendorf, des Niedersächsischen Landeskrankenhauses Hildesheim und der Klinik für Psychiatrie des Krankenhauses Lübbecke beigezogen und ein neurologisch-epileptologisches Gutachten nach Aktenlage zur Frage des Vorliegens einer Epilepsie im Vollbeweis von Prof. Dr. JJ., Epilepsiezentrum Frankfurt Rhein-Main eingeholt. Der Sachverständige hat festgestellt, die in Hessisch Oldendorf beobachtete postiktale Symptomatologie spreche für das Auftreten mindestens eines epileptischen Anfalls mit postiktaler Verwirrtheit. Es sei "wahrscheinlich", dass der Kläger im Jahre 2005 epileptische Anfälle hatte. Bei Nachweis von kortikalen Hämosiderinresten, die auf eine Kontusion zurückzuführen sein könnten, sei ein Kausalzusammenhang mit dem Unfall "gut möglich". Wegen der seit 2005 bestehenden Anfallsfreiheit habe die Erkrankung aktuell wenig Einfluss auf die Lebensqualität und die Alltagskompetenzen des Klägers.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten (Band I – V) und die Verwaltungsakten der Beklagten (Band I – V) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das erstinstanzliche Urteil konnte nicht aufrechterhalten werden.

Der Tenor des erstinstanzlichen Gerichts ist dabei schon nicht vollstreckbar (Verurteilung zu "Leistungen"). Der Kläger hat sein Begehren indessen im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat dahingehend konkretisiert, dass er einen Anspruch auf Rente geltend macht, über die der Senat nunmehr zu entscheiden hatte. Er ist mit diesem Begehren indes nicht erfolgreich. Ein Anspruch auf Rente im Anschluss an das ihm von der Beklagten gezahlte Verletztengeld (bis 22. Dezember 2006) steht ihm nicht zu.

Nach § 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII erhalten Versicherte Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist.

Der bei dem Kläger anerkannte Arbeitsunfall hat keine länger anhaltenden Gesundheitsstörungen zur Folge gehabt, die seine Erwerbsfähigkeit auf Dauer um wenigstens 20 v.H. mindern.

Die bei dem Kläger von der Beklagten anerkannten Gesundheitsstörungen auf chirurgischen Gebiet (Prellungen an Brustkorb, LWS und BWS, HWS-Zerrung) sind ausgeheilt und beeinträchtigen den Kläger nicht auf Dauer, wie der chirurgische Gutachter Prof. Dr. N. in seinem Gutachten vom 11. Mai 2006 für den Senat überzeugend festgestellt hat.

Unfallfolgen auf anderen medizinischen Fachgebieten liegen nicht vor.

Gesundheitsstörungen müssen zunächst im Vollbeweis nachgewiesen sein, d.h. mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (§ 128 Abs. 1 SGG), um als Unfallfolgen anerkannt zu werden. Bei dem Kläger bestehen zur Überzeugung des Senats schwerste Einschränkungen des allgemeinen Auffassungsvermögens sowie kognitive Störungen und der Verlust der Sprache. Diese neuropsychologischen Einschränkungen sind von den im Verfahren gehörten Ärzten unterschiedlichen neurologischen bzw. psychiatrischen Diagnosen zugeordnet worden. Dabei stimmen alle hier gehörten Ärzte darin überein, dass der Verlauf der Erkrankung schwer und (klinisch) progredient ist, dass die Zuordnung zu einem bestimmten Krankheitsbild schwierig ist sowie dass gerade durch die Einschränkungen wie die fehlende verbale Kommunikation die Feststellung des Ausmaßes des Sprachverlustes und der Kognition nicht möglich (Dr. T., Gutachten vom 1. November 2007) und weitere neuropsychologische Untersuchungen nach standardisierten Vorgaben nicht durchführbar sind (vgl. Bericht der Ärzte der Neurologischen Klinik Hessisch Oldendorf vom 22. März 2006; Dr. H., Sachverständigengutachten vom 28. Juni 2010; Dr. T., Gutachten vom 1. November 2007; Dr. BB., Sachverständigengutachten vom 22. Juli 2009; Dr. CC., Sachverständigengutachten vom 20. Juni 2009; der Sachverständige DD., Gutachten vom 2. Mai 2011 sowie Stellungnahme vom 9. Januar 2013; Dr. Q., Gutachten vom 10. September 2013; Prof. Dr. FF., Sachverständigengutachten vom 1. Juli 2014). Die Ärzte der Neurologischen Klinik Hessisch Oldendorf haben den Befund einer schweren Störung der affektiven und damit motivationalen Voraussetzung der Leistungsbereitschaft zugeordnet. Prof. Dr. O. hat das Krankheitsbild hirnorganischen Veränderungen sowie davon nicht abgrenzbar reaktiven depressiven Veränderungen zugeordnet. Die Sachverständigen Dr. BB. und Dr. CC. bewerten das Krankheitsbild als eine sich progredient entwickelnde Demenz (F 03). Der Neurologe DD., dessen Gutachten Grundlage der erstinstanzlichen Entscheidung geworden ist, nimmt ein schweres chronisches hirnorganisches Psychosyndrom mit Wesensveränderung, Mutismus, Antriebsminderung und Verlust der Sprache an (F 07.2; R 47.0), Prof. Dr. FF. stimmt ihm insoweit zu.

Dieses Krankheitsbild des Klägers ist, unabhängig welcher Diagnose man es zuordnet, indes nicht ursächlich auf den anerkannten Arbeitsunfall vom 25. Juni 2005 zurückzuführen und damit nicht Unfallfolge.

Für die Kausalitätsfeststellung zwischen den durch ein Ereignis unmittelbar hervorgerufene Gesundheitserstschäden (haftungsbegründende Kausalität) und den als Unfallfolgen geltend gemachten länger andauernden Gesundheitsstörungen (haftungsausfüllende Kausalität) gilt wie für alle Kausalitätsfeststellungen im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung der gegenüber dem Vollbeweis geringere Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit bzw. hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 B 2 U 1/05 R – juris). Die Kausalitätsfeststellungen zwischen den einzelnen Gliedern des Arbeitsunfalls basieren dabei auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Beweisrechtlich ist zudem zu beachten, dass der aus mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang positiv festgestellt werden muss (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a.a.O.) und dass die Anknüpfungstatsachen der Kausalkette im Vollbeweis vorliegen müssen (BSG, Beschluss vom 23. September 1997 – 2 BU 194/97; Deppermann-Wöbbeking in: Thomann (Hrsg.), Personenschäden und Unfallverletzungen, Referenz-Verlag Frankfurt 2015, Seite 630). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – juris).

Vorliegend fehlt es schon an einem Ursachenzusammenhang im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne (1. Prüfungsstufe). Es fehlen für die notwendige positive Feststellung des Zusammenhangs Anknüpfungstatsachen, insbesondere geeignete strukturelle Erstschäden.

Der Senat geht davon aus, dass der Kläger bei dem Unfall am 25. Juni 2005 als weiteren gesundheitlichen Erstschaden ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hat. Dieses Trauma ist indes nur leicht bzw. diskret gewesen. Für diese Feststellungen stützt sich der Senat auf das Gutachten des Neuroradiologen Prof. Dr. U. im Verwaltungsverfahren vom 17. Oktober 2007. Der Gutachter hat nach Auswertung der unfallnah angefertigten MRT-Aufnahmen vom 14. Juli 2005 und vom 10. Januar 2006 sowie nach eigener gutachterlicher MRT-Untersuchung vom 31. Juli 2007 festgestellt, als Folge des Unfallgeschehens vom 25. Juni 2005 ließen sich (nur) kleinste kortikale Blutungsresiduen okzipital finden, die einer kleinen stattgehabten Kontusion entsprächen. Von dem Vollbeweis eines diskreten Schädel-Hirn-Traumas sowie einem wahrscheinlichen Zusammenhang im Sinne der haftungsbegründenden Kausalität gehen auf der Grundlage des Gutachtens des Neuroradiologen auch die neurologischen Gutachter bzw. Gerichtssachverständigen Dr. T. (Gutachten vom 1. November 2007), Dr. CC. (Gutachten vom 20. Juni 2009) aus. Dr. CC. und Dr. T. haben zudem darauf hingewiesen, dass auch angesichts der fehlenden initialen Bewusstlosigkeit und der Tatsache, dass der Kläger anfangs neurologisch keine Ausfälle hatte und bei seiner Entlassung aus dem Krankenhaus, d. h. zwei Tage nach dem Unfall, neurologisch unauffällig gewesen ist, dafür spricht, dass allenfalls eine leichte Hirnverletzung vorgelegen hat (vgl. dazu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, Seite 202 und die Leitlinie zur Begutachtung nach gedecktem Schädel-Hirn-Trauma, AWMF-Registernummer 094-002, Stand 07/2013, Seite 5). Prof. Dr. EE. sieht auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. U. ebenfalls im Vollbeweis eine diskrete Hirnverletzung als gesichert an, hält indes nicht die haftungsbegründende Kausalität mit dem Unfall vom 25. Juni 2005 hinreichend wahrscheinlich für gegeben (Stellungnahme vom 7. Februar 2012), da die klinische Entwicklung mit der Annahme einer unfallbedingten Schädigung nicht vereinbar sei. Initial fehlende klinische Befunde schließen die Diagnose einer Hirnschädigung indes nicht aus (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 202). Der Senat folgt daher Prof. Dr. U. auch hinsichtlich der Beurteilung des Zusammenhangs und hält durch den Nachweis erfolgter Mikroblutungen indirekt auch eine (geringe) traumatische axonale Hirnschädigung für wahrscheinlich (vgl. dazu auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 193).

Die leichte Hirnverletzung ist nicht geeignet, die schweren progredienten neuropsychologischen Defizite des Klägers zu verursachen. Alle im Verfahren hierzu gehörten Gutachter – auch der Sachverständige DD. - stimmen darin überein, dass nach dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand bei einem Schädel-Hirn-Trauma typischerweise ein initial klinisch schlechter Zustand mit anschließend teilweiser oder vollständiger Erholung zu erwarten ist. Dr. T. hat ausgeführt, bei einem leichten Schädel-Hirn-Trauma trete in der Regel eine vollständige Rückbildung der Symptome innerhalb von 6 bis maximal 12 Wochen ein (vgl. dazu auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 199, vgl. Folien Schwenkreis zur Prognose). Für den Senat überzeugend stellt daher der Neuroradiologe Prof. Dr. U. fest, dass die geringen traumabedingten Blutungsresiduen den progredienten klinischen Zustand des Klägers nicht erklären können. Ebenso wie der Neuroradiologe lehnen einen wahrscheinlichen Zusammenhang mit dem Unfall ab: Dr. T. hinsichtlich seiner Diagnose "psychogene Symptombildung mit flukturierendem pseudodementen Verhalten", Dr. BB. und Dr. CC. hinsichtlich ihrer Diagnose "progredient entwickelnde Demenz", Dr. H. sowie der Beratungsarzt Prof. Dr. EE. (Stellungnahme vom 7. Februar 2012 und vom 31. Juli 2014). Die Auffassung von Prof. Dr. O. und dem Sachverständigen DD., die einen Zusammenhang annehmen mit der von ihnen gestellten Diagnose eines schweren chronischen hirnorganischen Psychosyndroms, kann demgegenüber nicht überzeugen. Prof. Dr. EE. hat darauf hingewiesen, dass die Diagnose eines hirnorganischen Psychosyndroms gerade den Nachweis einer geeigneten Hirnschädigung voraussetzt, die hier indessen nicht vorliegt. Diese Ausführungen von Prof. Dr. EE. stehen im Einklang mit dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand, wonach Sprachstörungen, kognitive Funktionseinbußen und Gedächtnisstörungen, wie sie der Kläger aufweist, bei Verletzungen des Frontallappens, Temporallappens bzw. Parietallappens des Gehirns zu erwarten sind, nicht aber bei einer hier durch den Neuroradiologen Prof. Dr. U. beschriebenen Verletzung des Okzipitallappens, d.h. des Hinterhauptlappens (vgl. die Darstellung in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, Seite 189). Der Sachverständige DD. begründet den Zusammenhang letztlich auch nur mit dem engen zeitlichen Zusammenhang sowie dem Ausschluss anderer Erkrankungen als Ursache. Nach der Kausalitätstheorie im Unfallversicherungsrecht ist, wie oben ausgeführt, der Zusammenhang aber positiv festzustellen.

Auch die von Prof. Dr. FF. in seinem Gutachten vom 1. Juli 2014 festgestellten weiteren Gesundheitsstörungen des Klägers auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet sind keine Unfallfolgen. An der Diagnose und damit dem Vollbeweis einer diskreten rechtsseitigen Halbseitensymptomatik im Sinne einer Schwäche des rechten Arms und Beins hat Prof. Dr EE. für den Senat nachvollziehbar Zweifel geäußert (beratungsärztliche Stellungnahme vom 31. Juli 2014) indem er darauf hingewiesen hat, Prof. Dr. FF. habe die Diagnose nur auf Grund einer Reflexdifferenz gestellt, weiterführende Diagnostik sei nicht erfolgt. Dies wäre aber nach Prof. Dr. EE. erforderlich gewesen angesichts der Tatsache, dass die klinischen Befunde anfangs unauffällig gewesen seien und der Sachverständige Dr. H. noch bei seiner Untersuchung im Mai 2010 ein sicheres Stand- und Gangbild dokumentiert hat. Unabhängig davon geht der Senat mit Prof. Dr. EE. davon aus, dass die sehr diskrete radiologisch nachgewiesene axonale Hirnschädigung nicht irgendwelche körperlichen Beeinträchtigungen im Sinne einer Koordinationsstörung oder einer diskreten rechtsseitigen Halbseitensymptomatik hinterlassen hat. Würde es sich tatsächlich um eine Unfallfolge handeln, so hätte dieser Befund wie oben ausgeführt von Anfang an, und zwar in deutlicher Ausprägung, bestehen müssen. Auch die von dem Neurologen Prof. Dr. FF. auf psychiatrischem Fachgebiet (und damit nicht fachkompetent) gestellte Diagnose einer dissoziativen Störung ist keine Unfallfolge. Der Neurologe und Psychiater Prof. Dr. EE. hat in seiner Stellungnahme vom 31. Juli 2014 zutreffend darauf hingewiesen, dass Prof. Dr. FF. diese Diagnose einer "unbewusst" gezeigten Symptomatik nicht (förmlich) begründet hat und dass es sehr zweifelhaft ist, ob derartige Störungsbilder überhaupt Unfallfolge sein können. Nach der Sk2-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen (AWMF – Registernr. 051/029, Stand: 31. März 2012, Seite 113) kommt die Anerkennung solcher anhaltenden Störungsbilder als Unfallfolge nur dann in Betracht, wenn anhaltende schwerere körperliche Schädigungsfolgen "wesentlich" zur Entwicklung und Aufrechterhaltung der Symptomatik beigetragen haben. Vorliegend sind indes nur geringe, inzwischen ausgeheilte körperliche Schäden nachgewiesen. Der 2006 in der Klinik Hessisch Oldendorf geäußerte Verdacht auf das Vorliegen einer Depression hat sich nicht bestätigt. Die Ärzte der Klinik für Psychiatrie Krankenhaus Lübbecke haben bei dem stationären Aufenthalt dort in der Zeit vom 27. März 2006 bis 13. April 2006 keinerlei Hinweise für ein dauerhaftes depressives Syndrom gefunden (Arztbrief des Chefarztes der psychiatrischen Klinik Prof. Dr. M. an Prof. Dr. J. Hessisch Oldendorf vom 13. April 2006).

Auch eine traumatische symptomatische Epilepsie kommt als Unfallfolge nicht in Betracht. Zweifel bestehen schon am Vollbeweis dieser Gesundheitsstörung, die zuerst von Dr. CC. festgestellt, später von Prof. Dr. FF. in dessen ergänzender Stellungnahme vom 14. Januar 2016 übernommen (allerdings nur wegen der entsprechenden Medikation) und sodann auch von Prof. Dr. JJ. angenommen worden ist. Epilepsie ist eine Störung des Gehirns, durch dauerhafte Neigung zur Entwicklung epileptischer Anfälle sowie durch neurobiologische, kognitive, psychologische und soziale Konsequenzen dieses Zustandes gekennzeichnet. Bereits das Auftreten eines Anfalls kann indes die Diagnose einer Epilepsie begründen, sofern eine erhöhte Epileptogenität erkennbar ist, beispielsweise bei einem korrespondierenden pathologischen Befund im MRT oder EEG (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 213; AWMF-Leitlinie für Diagnostik und Therapie in der Neurologie: "Erster epileptischer Anfall und Epilepsien im Erwachsenenalter, Stand: 30. April 2017, Seite 7)." Unstreitig hat der Kläger nach 2005 keinerlei Anfälle erlitten, wie auch der den Kläger seit 2007 behandelnde Arzt W. bestätigt (Befundbericht vom 11. Dezember 2015). Fraglich ist hier aber schon, ob der Kläger überhaupt einmal einen epileptischen Anfall erlitten hat, was ebenfalls mit dem Beweismaßstab des Vollbeweises gesichert sein müsste. Der Sachverständige CC., Prof. Dr. O. sowie der zuletzt dazu gehörte Sachverständige Prof. Dr. JJ. beziehen sich dazu auf die Vorkommnisse in der Neurologischen Klinik Hessisch Oldendorf, in der der Kläger mit Unterbrechungen vom 17. Oktober 2005 bis zum 19. Juli 2006 behandelt wurde. Prof. Dr. EE. weist in seiner Stellungnahme vom 10. Februar 2016 indes zutreffend darauf hin, dass in dieser Klinik nur dokumentiert worden ist, es sei im Verlauf der Behandlung mehrmals zu "unklaren Stürzen" gekommen ohne pathologischen Befund im EEG, dass die Genese dieser Stürze von den Ärzten als unklar bezeichnet und die Einordnung in den Berichten vom 19. Dezember 2005 und vom 22. März 2006 offen gelassen wird ("psychotische/DD (= Differentialdiagnostik): Dämmerzustände", "DD: Synkopen/"komplex-fokale Anfälle"). Wie Prof. Dr. EE. in seiner Stellungnahme vom 26. August 2016 nachvollziehbar und im Einklang mit dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand ausgeführt hat, sind synkopale Ereignisse (Synkope = kurzzeitige Bewusstlosigkeit, Ohnmacht) von komplex-fokalen Anfällen zu unterscheiden, die ganz andere Charakteristika aufzeigen. Dr. CC. kann daher nicht überzeugen, wenn er die Diagnose Epilepsie (nur) auf Grund der synkopalen Ereignisse für gesichert hält. Im Übrigen wurde bei dem Kläger eine Synkope bzw. ein Kollaps auch schon vor dem Wegeunfall im Kreiskrankenhaus Wolfhagen am 26. April 1999 beobachtet. Ein Anfallsereignis vom Grand-Mal-Typ wurde in der Neurologischen Klinik Hessisch Oldendorf hingegen zu keinem Zeitpunkt beobachtet. Auch das im Bericht vom 19. Dezember 2005 geschilderte Ereignis am 29. November 2005 wurde nicht beobachtet, der Kläger nur liegend im Zimmer gefunden, aggressiv, desorientiert, so dass unter der Verdachtsdiagnose eines postiktalen Dämmerzustandes die Gabe von Tavor erfolgte. Selbst wenn die beobachtete postiktale Symptomatologie nach Prof. Dr. JJ. für das Auftreten eines epileptischen Anfalls spricht, würde der Annahme einer symptomatischen Epilepsie auf Grund dieses (einen) Ereignisses entgegenstehen, dass eine erhöhte Epileptogenität nicht erkennbar gewesen ist, denn nach der eingehenden Diagnostik im Anschluss ergaben sich in den bildgebenden Verfahren keine pathologischen Befunde, sowohl das EEG direkt im Anschluss an das Ereignis als auch mehrfache EEGs im Verlauf waren unauffällig (vgl. Bericht der Neurologischen Klinik Hessisch Oldendorf vom 19. Dezember 2005; vgl. auch die diesbezüglichen Ausführungen von Prof. Dr. EE. in seiner Stellungnahme vom 25. Mai 2018). Auch die Tatsache, dass der Kläger nach den Angaben der Klinik Hessisch Oldendorf 30 Minuten nach Gabe von Tavor i. v. wieder orientiert und geordnet gewesen ist, kann entgegen Dr. CC. nicht als Beweis für das Vorliegen einer Epilepsie herangezogen werden. Prof. Dr. EE. hat insoweit nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass es einen allgemeingültigen Satz nicht gibt, nach dem das Wiedereintreten der Orientiertheit nach Tavorgabe eine Epilepsie belegt (Stellungnahme vom 26. August 2016).

Selbst wenn man aber das Vorliegen einer Epilepsie hier unterstellt, wäre diese keine Unfallfolge. Ein Kausalzusammenhang ist schon auf der 1. Stufe der naturwissenschaftlichen Kausalität nicht hinreichend wahrscheinlich mit dem Unfallereignis bzw. dem Schädel-Hirn-Trauma als Gesundheitserstschaden gegeben. Vorliegend überwiegen die Indizien, die gegen einen Zusammenhang zwischen einer (unterstellten) Epilepsie und der bei dem Unfall erlittenen diskreten Hirnverletzung sprechen. Für diese Feststellung stützt sich der Senat auf die Ausführungen des Prof. Dr. EE. in dessen Stellungnahme vom 25. Mai 2018. Abgesehen davon, dass der Arzt schon ein Schädel-Hirn-Trauma als Gesundheitserstschaden und damit als Anknüpfungstatsache für die Epilepsie verneint, weist er zutreffend darauf hin, dass die hier unstreitig vorliegenden kleinsten Hämosiderinreste (Eisenablagerungen) links okzipital, d.h. im linken Hinterhaupt des Klägers, schon von der Lokalisation der Hirnschädigung nicht mit epileptischen Anfällen in Zusammenhang stehen können. Geeignet wären nach Prof. Dr. EE. nur wesentliche morphologische Auffälligkeiten im fronto-temporalen Bereich. Die Feststellungen von Prof. Dr. EE. überzeugen, sie stimmen überein mit dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Gehirnverletzung und Epilepsie. Danach sprechen die Indizien einer leichten Hirnverletzung, einer gedeckten Hirnverletzung sowie einer Verletzung der Okzipitalregion, wie sie hier festzustellen sind, gegen einen Zusammenhang (vgl. das Waagendiagramm nach Rauschenbach, wiedergegeben als Abb. 1 in Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 218). Auch Prof. Dr. JJ. hat eine Zusammenhang der von ihm als "wahrscheinlich" bezeichneten Anfälle mit dem Unfall nur als "gut möglich" angesehen; dies erfüllt den Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit nicht.

Da Epilepsie als Unfallfolge schon im Vollbeweis nicht gegeben ist, jedenfalls aber der Zusammenhang eines solchen Leidens mit dem Wegeunfall nicht angenommen werden kann, können die weiteren Fragen, die Prof. Dr. EE. aufgeworfen hat, dahinstehen, nämlich, wie die Krankheit nach 2007 weiter verlaufen ist und ob der Kläger aktuell überhaupt noch antiepileptische Medikation nimmt. Nach Prof. Dr. JJ. hätte die Diagnose Epilepsie wegen der Anfallsfreiheit seit 2005 im Übrigen aktuell wenig Einfluss auf die Lebensqualität und Alltagskompetenzen des Klägers.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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