Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
164
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 164 SF 592/17 E
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Kosten des amtsgerichtlichen Mahnverfahrens unterliegen auch dann der Kostenerstattungspflicht, wenn der Kostenschuldner nach § 183 SGG von der Gerichtskostenpflicht befreit ist.
Auf die Erinnerung wird der Beschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juli 2017 (S 111 P 243/16) geändert und der Betrag der zu erstat-tenden Gerichtskosten für das Mahnverfahren wird auf 32,00 EUR festgesetzt. Dieser Betrag ist ab dem 12. Juni 2017 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Außergerichtliche Kosten des Erinnerungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Gegenstand der Klage im Verfahren S 111 P 243/16 war nach vorausgegangenem Mahnver-fahren die Zahlung von Pflegeversicherungsbeiträgen. Nach dem Gerichtsbescheid vom 26. Januar 2017 trägt die Beklagte (hier: Erinnerungsgegnerin) die gerichtlichen Kosten des Mahnverfahrens.
Mit Schriftsatz vom 17. Februar 2017 beantragten die Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin die Festsetzung von 32,00 EUR Gerichtskosten. Die Urkundsbeamtin teilte daraufhin mit, dass gemäß § 184 Abs. 2 SGG eine Pauschgebühr von 150,00 EUR von der Klägerin erhoben werde. Auf diese seien die Kosten des Mahnverfahrens angerechnet worden, so dass nur 118,00 EUR erhoben worden seien. Die Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin nahmen daraufhin den Kostenfestsetzungsantrag vom 17. Februar 2017 zurück.
Mit Schriftsatz vom 12. Juni 2017 beantragten die Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin erneut die Festsetzung von 32,00 EUR Gerichtskosten.
Mit Beschluss vom 10. Juli 2017 wies die Urkundsbeamtin den Kostenfestsetzungsantrag vom 12. Juni 2017 zurück. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.
Die Erinnerung ist am 25. Juli 2017 beim Sozialgericht Berlin eingegangen. Die Bevollmäch-tigten der Erinnerungsführerin machen geltend, die Gerichtskosten in Höhe von 32,00 EUR seien bereits am 11. Dezember 2015 an das Mahngericht entrichtet worden, so dass die Klägerin insgesamt 150,00 EUR beglichen habe. Da die Beklagte die gesamten Kosten von 150,00 EUR bereits gezahlt habe, stehe ihr ein Erstattungsanspruch gegen die Erinnerungsgegnerin von 32,00 EUR zu.
Mit Schreiben vom 29. März 2018 hat die Erinnerungsgegnerin mitgeteilt, dass sie bereit sei, die 32,00 EUR zu bezahlen, allerdings liege ihr das Urteil vom 26. Januar 2017 nicht vor.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Die Erinnerung ist zulässig und begründet.
Der Einwand der Erinnerungsgegnerin, dass ihr das Urteil nicht vorliege, ist unerheblich. Der Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, vgl. § 105 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wurde ihr ausweislich der Postzustellurkunde am 16. Februar 2017 durch Einlegung in den Briefkasten zugestellt.
Nach dem Tenor des Gerichtsbescheides vom 26. Januar 2017 trägt die Erinnerungsgegnerin die gerichtlichen Kosten des Mahnverfahrens. Diese Tenorierung folgt aus der Verpflichtung des Gerichts, nach § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG auch darüber zu entscheiden, welcher Beteiligte die Gerichtskosten (des Mahnverfahrens) zu tragen hat. Die Vorschrift ist entsprechend der Gesetzesbegründung einschränkend zu verstehen. Es geht in ihr darum, "welcher Beteiligte die Kosten eines vorangegangenen Mahnverfahrens zu tragen hat" (vgl. BT-Drucks 13/9609 Seite 9 zu Nr. 5). Mit § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG soll allein sichergestellt werden, dass die nach der ZPO entstandenen Kosten des Mahnverfahrens auch im anschließenden Sozialgerichtsverfahren dem unterlegenen Beteiligten auferlegt werden können. Könnten Versicherte durch einen Widerspruch gegen den Mahnbescheid und die dadurch ausgelöste Abgabe des Verfahrens an das Sozialgericht die Kosten des Mahnverfahrens vor dem Amtsgericht endgültig abwenden, hätten sie ohne Rücksicht auf die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs schon aus kostenrechtlichen Gründen ein Interesse daran, den Widerspruch einzulegen. Dies liefe dem Entlastungszweck des Mahnverfahrens zuwider, vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 2014, B 12 P 2/03 R (Juris). Schließt die Regelung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG grundsätzlich die Überwälzung von Gerichtskosten auf einen Beteiligten aus, da nur die außergerichtlichen Kosten vom Regelungsgehalt umfasst sind, ordnet § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG als Ausnahme hierzu die Möglichkeit der Überwälzung von bestimmten Gerichtskosten (nämlich den Kosten für ein vorangegangenes Mahnverfahren) an, so auch SG Karlsruhe, Urteil vom 9. Mai 2014, S 10 P 3626/13 und Beschluss vom 21. Juli 2015, S 10 P 1232/15; SG Mainz, Gerichtsbescheid vom 22. Dezember 2016, S 14 P 47/16 und LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. Februar 2017, L 15 P 35/16, alle in Juris.
Die Vorschrift des § 183 Satz 1 SGG, wonach das Verfahren vor den Gerichten der Sozial-gerichtsbarkeit u.a. für Versicherte kostenfrei ist, steht dem nicht entgegen. Einerseits hat be-reits das BSG (a.a.O.) darauf hingewiesen, dass es dem Entlastungszweck des gerichtlichen Mahnverfahrens zuwiderliefe, wenn sich der Beteiligte allein durch Einlegung des Widerspruchs gegen den Mahnbescheid in die Kostenfreiheit "retten" könnte. Andererseits ist der Beteiligte, der unberechtigt von Beitragsforderungen mittels Mahnbescheidverfahrens überzogen wird, nicht ungeschützt, denn er muss grundsätzlich insoweit die Kosten i.S.d. § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht tragen. Darüber hinaus ordnet die Norm des § 182a Abs. 2 Satz 1 SGG die Geltung der Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes mit Eingang der Akten bei dem SG an. Aus dieser Vorschrift folgt u.a. die Pauschgebührenpflicht des privaten Pflegeversicherungsunternehmens nach § 184 Abs. 1 SGG sowie der Ausschluss der Möglichkeit, die Erstattung eigener Aufwendungen zu verlangen. Die Gerichtskosten für das Mahnverfahren sind jedoch vor Abgabe der Akten an das SG entstanden. Der Mahnbescheid enthält bereits auch diese Kosten. Es ist mithin auch kein Grund dafür ersichtlich, warum derjenige Versicherte, der die Zahlung auf den Mahnbescheid hin vornimmt oder auf den ggf. folgenden Vollstreckungsbescheid leistet, kostenrechtlich anders gestellt werden soll, als derjenige Versicherte, der einen Widerspruch gegen einen (zulässigen und begründeten) Mahnbescheid erhebt.
Unbeachtlich ist dabei, dass zugunsten der Erinnerungsführerin die gerichtliche Gebühr für das Mahnverfahren nach § 184 Abs. 1 Satz 3 SGG auf die zu entrichtende Pauschgebühr angerechnet wird. Diese Privilegierung dient eindeutig dem Zweck, zur Durchführung des Mahnverfahrens zu motivieren und insoweit Anreize zu setzen. Das Mahnverfahren, welches weitestgehend automatisiert durchgeführt wird, stellt ein effektives und schnelles Mittel zur Erlangung eines vollstreckbaren Titels dar. Es hat einen enormen Entlastungszweck. Würde die Gebührenanrechnung nicht stattfinden, liefe dies dem Entlastungszweck zuwider, denn der Antragsteller oder Kläger würde sogleich Klage zum Gericht der Hauptsache erheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG sowie darauf, dass die Erinnerungsführerin nach § 193 Abs. 4 SGG keinen Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen hat. Gerichts-kosten werden für das Erinnerungsverfahren nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 197 Abs. 2 SGG.
Gründe:
I. Gegenstand der Klage im Verfahren S 111 P 243/16 war nach vorausgegangenem Mahnver-fahren die Zahlung von Pflegeversicherungsbeiträgen. Nach dem Gerichtsbescheid vom 26. Januar 2017 trägt die Beklagte (hier: Erinnerungsgegnerin) die gerichtlichen Kosten des Mahnverfahrens.
Mit Schriftsatz vom 17. Februar 2017 beantragten die Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin die Festsetzung von 32,00 EUR Gerichtskosten. Die Urkundsbeamtin teilte daraufhin mit, dass gemäß § 184 Abs. 2 SGG eine Pauschgebühr von 150,00 EUR von der Klägerin erhoben werde. Auf diese seien die Kosten des Mahnverfahrens angerechnet worden, so dass nur 118,00 EUR erhoben worden seien. Die Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin nahmen daraufhin den Kostenfestsetzungsantrag vom 17. Februar 2017 zurück.
Mit Schriftsatz vom 12. Juni 2017 beantragten die Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin erneut die Festsetzung von 32,00 EUR Gerichtskosten.
Mit Beschluss vom 10. Juli 2017 wies die Urkundsbeamtin den Kostenfestsetzungsantrag vom 12. Juni 2017 zurück. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.
Die Erinnerung ist am 25. Juli 2017 beim Sozialgericht Berlin eingegangen. Die Bevollmäch-tigten der Erinnerungsführerin machen geltend, die Gerichtskosten in Höhe von 32,00 EUR seien bereits am 11. Dezember 2015 an das Mahngericht entrichtet worden, so dass die Klägerin insgesamt 150,00 EUR beglichen habe. Da die Beklagte die gesamten Kosten von 150,00 EUR bereits gezahlt habe, stehe ihr ein Erstattungsanspruch gegen die Erinnerungsgegnerin von 32,00 EUR zu.
Mit Schreiben vom 29. März 2018 hat die Erinnerungsgegnerin mitgeteilt, dass sie bereit sei, die 32,00 EUR zu bezahlen, allerdings liege ihr das Urteil vom 26. Januar 2017 nicht vor.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Die Erinnerung ist zulässig und begründet.
Der Einwand der Erinnerungsgegnerin, dass ihr das Urteil nicht vorliege, ist unerheblich. Der Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, vgl. § 105 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wurde ihr ausweislich der Postzustellurkunde am 16. Februar 2017 durch Einlegung in den Briefkasten zugestellt.
Nach dem Tenor des Gerichtsbescheides vom 26. Januar 2017 trägt die Erinnerungsgegnerin die gerichtlichen Kosten des Mahnverfahrens. Diese Tenorierung folgt aus der Verpflichtung des Gerichts, nach § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG auch darüber zu entscheiden, welcher Beteiligte die Gerichtskosten (des Mahnverfahrens) zu tragen hat. Die Vorschrift ist entsprechend der Gesetzesbegründung einschränkend zu verstehen. Es geht in ihr darum, "welcher Beteiligte die Kosten eines vorangegangenen Mahnverfahrens zu tragen hat" (vgl. BT-Drucks 13/9609 Seite 9 zu Nr. 5). Mit § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG soll allein sichergestellt werden, dass die nach der ZPO entstandenen Kosten des Mahnverfahrens auch im anschließenden Sozialgerichtsverfahren dem unterlegenen Beteiligten auferlegt werden können. Könnten Versicherte durch einen Widerspruch gegen den Mahnbescheid und die dadurch ausgelöste Abgabe des Verfahrens an das Sozialgericht die Kosten des Mahnverfahrens vor dem Amtsgericht endgültig abwenden, hätten sie ohne Rücksicht auf die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs schon aus kostenrechtlichen Gründen ein Interesse daran, den Widerspruch einzulegen. Dies liefe dem Entlastungszweck des Mahnverfahrens zuwider, vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 2014, B 12 P 2/03 R (Juris). Schließt die Regelung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG grundsätzlich die Überwälzung von Gerichtskosten auf einen Beteiligten aus, da nur die außergerichtlichen Kosten vom Regelungsgehalt umfasst sind, ordnet § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG als Ausnahme hierzu die Möglichkeit der Überwälzung von bestimmten Gerichtskosten (nämlich den Kosten für ein vorangegangenes Mahnverfahren) an, so auch SG Karlsruhe, Urteil vom 9. Mai 2014, S 10 P 3626/13 und Beschluss vom 21. Juli 2015, S 10 P 1232/15; SG Mainz, Gerichtsbescheid vom 22. Dezember 2016, S 14 P 47/16 und LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. Februar 2017, L 15 P 35/16, alle in Juris.
Die Vorschrift des § 183 Satz 1 SGG, wonach das Verfahren vor den Gerichten der Sozial-gerichtsbarkeit u.a. für Versicherte kostenfrei ist, steht dem nicht entgegen. Einerseits hat be-reits das BSG (a.a.O.) darauf hingewiesen, dass es dem Entlastungszweck des gerichtlichen Mahnverfahrens zuwiderliefe, wenn sich der Beteiligte allein durch Einlegung des Widerspruchs gegen den Mahnbescheid in die Kostenfreiheit "retten" könnte. Andererseits ist der Beteiligte, der unberechtigt von Beitragsforderungen mittels Mahnbescheidverfahrens überzogen wird, nicht ungeschützt, denn er muss grundsätzlich insoweit die Kosten i.S.d. § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht tragen. Darüber hinaus ordnet die Norm des § 182a Abs. 2 Satz 1 SGG die Geltung der Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes mit Eingang der Akten bei dem SG an. Aus dieser Vorschrift folgt u.a. die Pauschgebührenpflicht des privaten Pflegeversicherungsunternehmens nach § 184 Abs. 1 SGG sowie der Ausschluss der Möglichkeit, die Erstattung eigener Aufwendungen zu verlangen. Die Gerichtskosten für das Mahnverfahren sind jedoch vor Abgabe der Akten an das SG entstanden. Der Mahnbescheid enthält bereits auch diese Kosten. Es ist mithin auch kein Grund dafür ersichtlich, warum derjenige Versicherte, der die Zahlung auf den Mahnbescheid hin vornimmt oder auf den ggf. folgenden Vollstreckungsbescheid leistet, kostenrechtlich anders gestellt werden soll, als derjenige Versicherte, der einen Widerspruch gegen einen (zulässigen und begründeten) Mahnbescheid erhebt.
Unbeachtlich ist dabei, dass zugunsten der Erinnerungsführerin die gerichtliche Gebühr für das Mahnverfahren nach § 184 Abs. 1 Satz 3 SGG auf die zu entrichtende Pauschgebühr angerechnet wird. Diese Privilegierung dient eindeutig dem Zweck, zur Durchführung des Mahnverfahrens zu motivieren und insoweit Anreize zu setzen. Das Mahnverfahren, welches weitestgehend automatisiert durchgeführt wird, stellt ein effektives und schnelles Mittel zur Erlangung eines vollstreckbaren Titels dar. Es hat einen enormen Entlastungszweck. Würde die Gebührenanrechnung nicht stattfinden, liefe dies dem Entlastungszweck zuwider, denn der Antragsteller oder Kläger würde sogleich Klage zum Gericht der Hauptsache erheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG sowie darauf, dass die Erinnerungsführerin nach § 193 Abs. 4 SGG keinen Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen hat. Gerichts-kosten werden für das Erinnerungsverfahren nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 197 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved