Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 55 AL 1065/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 AL 45/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 4. Juli 2003 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch für das Berufungsverfahren außerge- richtliche Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld - Alg - ohne Berücksichtigung gewöhnlich anfallender Abzüge in Form von Kirchensteuer.
Der 1947 geborene Kläger gehört keiner Religionsgemeinschaft an. Er war von 1965 bis 30. September 2002 als Schlosser beschäftigt und erzielte laut Arbeitsbescheinigung in den letzten zwölf Monaten beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 24.913,72 EUR. Auf seiner Lohnsteuerkarte 2002 war die Lohnsteuerklasse IV ohne Kinderfreibeträge eingetragen.
Am 1. Oktober 2002 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte gewährte ihm mit Bescheid des Arbeitsamtes Berlin Süd vom 28. November 2002 Alg ab 1. Oktober 2002 für 780 Kalendertage nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 475,- EUR. Der Leistungssatz betrug wöchentlich 178,57 EUR (Lohn-gruppe A 0, allgemeiner Leistungssatz, Leistungstabelle 2002). Mit Schreiben vom 4. Dezember 2002 legte der Kläger Widerspruch ein und beanstandete, dass bei dem Bemessungsentgelt zu Unrecht Kirchensteuer in Höhe von 5,66 EUR berücksichtigt worden sei. Die Beklagte passte mit Änderungsbescheid vom 2. Januar 2003 den Leistungssatz ab Jahresbeginn der aktuell geltenden Tabelle an, wodurch er sich auf 177,45 EUR verringerte, und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2003 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, Bemessungsgrundlage für das Alg sei das erzielte durchschnittliche Bruttoarbeitsentgelt, vermindert um die bei Arbeitnehmern üblicherweise anfallenden Abzüge. Hierzu gehöre auch eine Kirchensteuer. Der Betrag werde nicht individuell, sondern pauschal berechnet und sei eine reine Rechengröße zur Ermittlung des wöchentlichen Leistungssatzes. Tatsächliche Zahlungen an Kirchen erfolgten nicht.
Die vom Kläger am 3. März 2003 (Montag) unter nochmaligem Hinweis auf seine Konfessionslosigkeit erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 4. Juli 2003 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Gericht im Wesentlichen sinngemäß ausgeführt, die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger stehe höheres Alg nicht zu. Nach § 129 Sozialgesetzbuch - SGB - III betrage das Alg einen Prozentsatz des pauschalierten Nettoentgeltes (= Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergebe, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt habe (= Bemessungsentgelt). Das Leistungsentgelt sei gemäß § 136 SGB III das um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfielen, verminderte Bemessungsentgelt. Zu den in dieser Vorschrift aufgeführten Entgeltabzügen zähle auch die Kirchensteuer, für die nach § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III der im Vorjahr in den Ländern geltende niedrigste Kirchensteuer-Hebesatz zugrunde zu legen sei. Nach diesen Regelungen habe die Beklagte das dem Kläger zustehende Alg zutreffend berechnet. Die Anwendung des § 136 SGB III begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht habe mit Beschluss vom 22. März 1994 - 1 BvL 8/85 - entschieden, dass die inhaltsgleiche Vorgängerregelung des § 111 Arbeitsförderungsgesetz grundsätzlich nicht zu beanstanden sei. Insbesondere sei eine pauschalierte Berechnung möglich. Diese typisierende Betrachtung sei solange rechtmäßig, als aufgrund statistischer Erkenntnisse davon ausgegangen werden könne, dass die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer Kirchensteuer zu zahlen habe. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung sei die Schaffung des Gesetzes. Der Gesetzgeber sei zudem verpflichtet, die weitere Entwicklung zu beobachten und wesentlichen Veränderungen Rechnung zu tragen. Anlass zur Prüfung könne auch die nach der Vereinigung entstandene Situation geben, denn in den neuen Bundesländern seien viele Arbeitnehmer nicht Kirchenmitglieder, so dass sich ergeben könne, dass nicht mehr eine Mehrheit der Arbeitnehmer Kirchensteuer zu zahlen habe. Nach dieser Entscheidung und im Anschluss an die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. zuletzt Urteil vom 25. Juni 2002 - B 11 AL 55/01 R -) sei § 136 SGB III zumindest zur Zeit nicht zu beanstanden. Nach den vorliegenden Unterlagen des Statistischen Bundesamtes seien die Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen noch überwiegend kirchensteuerpflichtig. Ihr Anteil habe 1995 bei 68,1 % gelegen. Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei es zwar insgesamt zu einer Verringerung der Kirchenmitglieder gekommen, die bis 1999 aber unter 5 % gelegen habe. Dabei habe die Anzahl der Aufnahmen sogar zugenommen, während die Anzahl der Austritte um über ein Drittel zurückgegangen sei. Aus diesem statistischen Material sei zu folgern, dass der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zeit nicht gehalten sei, die Regelung des § 136 SGB III zu überprüfen, denn die bisher ersichtliche Entwicklung der Kirchenmitglieder lasse nicht auf einen erheblichen Mitgliederschwund schließen, der zu einer Minderheit von kirchensteuerpflichtigen Arbeitnehmern führen könnte. Angesichts des allgemeinen Bevölkerungsrückganges in der Bundesrepublik seien vielmehr annähernd gleiche Mehrheitsverhältnisse auch für die Gegenwart und nahe Zukunft zu erwarten. Selbst wenn jedoch gegenwärtig keine überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer mehr kirchensteuerpflichtig sein sollte, könnte sich dies allenfalls für die Zukunft auswirken, da § 136 SGB III dadurch nicht ohne weiteres verfassungswidrig würde, sondern für einen angemessenen Übergangszeitraum bis zu einer gesetzlichen Neuregelung weiterhin geltende Rechtsgrundlage sein würde.
Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 16. Juli 2003 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 14. August 2003 eingegangene Berufung des Klägers. Die Entscheidung des Sozialgerichts könne bereits wegen unzureichender Sachaufklärung keinen Bestand haben. Das Gericht habe nämlich versäumt, aktuelleres Zahlenmaterial über die kirchensteuerpflichtigen Arbeitnehmer heranzuziehen. Die Berechnung seines Alg für die Jahre 2002/2003 auf der Grundlage der statistischen Werte von 1995 degradiere ihn zum bloßen Objekt staatlichen Handelns. Die Mitgliederzahlen der katholischen und der evangelischen Kirche seien nach deren eigenen Angaben insgesamt rückläufig. Zudem zahlten nicht alle Mitglieder Kirchensteuer. Ferner seien regionale und demographische Besonderheiten zu berücksichtigen. Der Anteil der Kirchenmitglieder in Berlin und den neuen Bundesländern liege weit unter 50 %, nämlich bei ca. 28 %, der der Arbeitslosen bei ca. 17 bis 18 %. In den übrigen Bundesländern hingegen betrage der Anteil der Kirchenmitglieder immerhin noch rd. drei Viertel der Gesamtbevölkerung, während die Arbeitslosenquote dort bei lediglich 7 bis 8 % liege. Konkret betrage etwa die Arbeitslosenquote in Bayern zur Zeit 6,4 %, in Brandenburg hingegen 17,4 %. Der Anteil der kirchensteuerpflichtigen Arbeitnehmer habe 1995 in Bayern 83,1 % betragen, der im Land Brandenburg aber nur 20,8 %. Ferner steige in der gesamten Bundesrepublik die Zahl der älteren Menschen, deren Anteil an den Mitgliedern einer der beiden großen Kirchen besonders hoch sei. Andererseits seien aber nur knapp 39 % der 55- bis 64-Jährigen erwerbstätig. Diese Bevölkerungsgruppe könne außerdem seit 1996 in die sogenannte Altersteilzeit gehen. Diese Zahlen seien z.B. von den Kirchen und Parteien im Internet veröffentlicht. Damit könne nicht analog zu den Zahlen von 1995 angenommen werden, dass eine Mehrheit der Arbeitnehmer noch einer kirchensteuererhebenden Kirche angehöre. Jedenfalls müsse bei der Anwendung des § 136 SGB III regionalen Unterschieden Rechnung getragen werden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 4. Juli 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 28. November 2002 und 2. Januar 2003 in der Fassung des Wider- spruchsbescheides vom 29. Januar 2003 zu verurteilen, ihm ab 1. Oktober 2002 Arbeitslosengeld ohne Berücksichtigung gewöhn- licher Abzüge in Form von Kirchensteuer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Hierzu hat die Beklagte Kopien eines Schreibens des Statistischen Bundesamtes vom 15. April 2002 im Verfahren des SG Berlin - S 55 AL 1518/01 - nebst statistischem Material zur Bestimmung des Anteils der kirchenlohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmer im Jahre 1995 sowie ein Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 12. Februar 2003 im Verfahren des Landessozialgerichts Brandenburg - L 10 AL 91/02 - zur Berücksichtigung der Kirchensteuer in der Leistungsentgeltverordnung 2001 vorgelegt.
Der Kläger hält auch dieses Material für veraltet und nicht anwendbar.
Der Senat hat den Beteiligten die von ihm in dem Parallelverfahren L 4 AL 28/03 eingeholten Auskünfte des Statistischen Bundesamtes vom 7. Januar 2004 und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 22. Januar 2004 zur Kenntnis gegeben. Danach ergibt sich aus der inzwischen vorliegenden Auswertung des maßgebenden statistischen Materials für das Jahr 1998 und einer Hochrechnung der bis Ende 2002 ermittelten Kirchenmitgliederzahlen tendenziell ein Rückgang der kirchenlohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmer, was der Gesetzgeber zum Anlass genommen hat, ab dem Jahre 2005 bei der Ermittlung des Leistungsentgeltes für die Berechnung des Arbeitslosengeldes auf die Kirchensteuer als Rechengröße zu verzichten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die den Kläger betreffende Leistungsakte der Beklagten zur Kunden-Nr. hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten verhandeln und entscheiden, weil in der ordnungsgemäß zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die Berufung des Klägers ist zulässig, da die Höhe laufender Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit ist (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
In der Sache konnte die Berufung jedoch keinen Erfolg haben. Das Sozialgericht hat die Sach- und Rechtslage zutreffend beurteilt.
Gegenstand der Berufung sind der Bescheid der Beklagten vom 28. November 2002 und der Änderungsbescheid vom 2. Januar 2003, diese in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2003, mit denen dem Kläger ab 1. Oktober 2002 Alg für 780 Kalendertage in Höhe von wöchentlich 178,57 EUR bzw. ab 1. Januar 2003 wöchentlich 177,45 EUR gewährt worden ist. Hinsichtlich der nach dem Erlass des Gerichtsbescheides vom 4. Juli 2003 bis jetzt ergangenen Anpassungs- und Dynamisierungsbescheide hat die Beklagte für den Fall des Obsiegens des Klägers eine entsprechende Änderung zugesagt, so dass von deren Einbeziehung in das Verfahren gemäß § 96 SGG abgesehen werden konnte.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Ihm steht höheres Alg ab 1. Oktober 2002 nicht zu.
Nach § 129 Nr. 2 SGB III in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 21. Juli 1999 (BGBl. I S. 1648) beträgt das Alg für Arbeitslose ohne berücksichtigungsfähiges Kind 60 % (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgeltes (sogenanntes Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (sogenanntes Bemessungsentgelt). Bemessungsentgelt ist das im Bemessungszeitraum (vgl. § 130 Abs. 1 i.V.m. § 117 Abs. 1 SGB III) durchschnittlich auf die Woche entfallende beitragspflichtige Entgelt (§ 132 Abs. 1 SGB III). Die Beklagte hat das für den Anspruch des Klägers maßgebende Bemessungsentgelt unstreitig zutreffend berechnet, indem sie sein im Bemessungszeitraum vom 1. Oktober 2001 bis zum 30. September 2002 abgerechnetes Bruttoeinkommen von 24.913,72 EUR durch die Zahl der Wochen geteilt hat, für die es gezahlt worden ist, nämlich 52,2. Daraus ergibt sich ein durchschnittliches wöchentliches Arbeitsentgelt von 477,27 EUR, das auf 475,- EUR zu runden ist (§ 132 Abs. 2, 3 SGB III). Dieses Bemessungsentgelt ist gemäß § 136 Abs. 1 SGB III zur Ermittlung des Leistungsentgeltes pauschal nach Maßgabe des Abs. 2 um die gesetzlichen Entgeltabzüge zu vermindern, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen. Aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 151 Abs. 2 Nr. 2 SGB III bestimmt das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung - BMA - durch Rechtsverordnung jeweils für ein Kalenderjahr die für die Bemessung des Alg maßgeblichen Leistungsentgelte. Die Anlage 2 zur SGB III-Leistungsentgeltverordnung 2002 vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 4036) weist für ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 475,- EUR ein Leistungsentgelt von 297,61 EUR aus, woraus sich in der Leistungsgruppe A entsprechend Steuerklasse IV der allgemeine Leistungssatz (60 %) in Höhe von 178,57 EUR ergibt. Ab 1. Januar 2003 beträgt das Leistungsentgelt 295,71 EUR, der allgemeine Leistungssatz folglich 177,45 EUR (vgl. Anlage 2 zur SGB III-Leistungsentgeltverordnung 2003 vom 23. Dezember 2002, BGBl. I S. 4673).
In dieser Höhe hat die Beklagte dem Kläger Alg bewilligt. Darüber hinausgehende Ansprüche - die bei Wegfall des Kirchensteueransatzes von 5,66 EUR zu einer wöchentlichen Leistungsanhebung um ca. 3,40 EUR führen würden - stehen ihm nicht zu.
Der Kläger beanstandet zu Unrecht, dass bei der Ermittlung des für sein Alg maßgebenden Leistungsentgeltes auch Kirchensteuer in Ansatz gebracht worden ist, denn § 136 SGB III schreibt dies ausdrücklich vor. Nach § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III ist - wie schon bei der entsprechenden Vorschrift des § 111 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz - AFG - bei der Bestimmung der pauschalierten Entgeltabzüge, "die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen", generell die Kirchensteuer zu berücksichtigen, und zwar in Höhe des im Vorjahr in den Ländern geltenden niedrigsten Kirchensteuer-Hebesatzes. Angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlautes kommt es für den Ansatz der Kirchensteuer - die in diesem Zusammenhang nur ein Berechnungsfaktor ist und nicht tatsächlich an eine Kirche abgeführt wird - weder darauf an, ob der Arbeitslose einer Kirchensteuer erhebenden Kirche angehört, noch ist Raum für die vom Kläger geforderte Berücksichtigung regionaler Unterschiede bei der Kirchenzugehörigkeit, insbesondere mit Blick auf die neuen Bundesländer. Eine Auslegung der Vorschrift nach dem Günstigkeitsprinzip (vgl. § 2 Abs. 2 SGB I) kommt nicht in Betracht (so ausdrücklich Urteil des BSG vom 21. März 2002 - B 7 AL 18/01 R - S. 4 des Amtlichen Abdruckes).
Die Anwendung des § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III auf den Alg-Anspruch des Klägers ist entgegen seiner Auffassung nicht verfassungswidrig. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen, die das Bundesverfassungsgericht zur vergleichbaren Rechtslage nach dem am 31. Dezember 1997 außer Kraft getretenen AFG aufgestellt hat. Nach dem Beschluss des BVerfG vom 23. März 1994 - 1 BvL 8/95 - (SozR 3-4100 § 111 Nr. 6) war es mit dem Grundgesetz, insbesondere dessen Art. 3, 4 und 14, vereinbar, dass nach § 111 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AFG auch bei Arbeitslosen, die keiner Kirche angehörten, bei der Berechnung des für die Höhe des Alg maßgebenden Nettoentgeltes als "gewöhnlich" anfallender Abzug auch ein Kirchensteuer-Hebesatz zu berücksichtigen war. In dieser Entscheidung hat das BVerfG dem Gesetzgeber allerdings im Hinblick auf dessen Anknüpfung an statistische Erkenntnisse aufgetragen, die weitere Entwicklung des Anteils der Kirchenmitglieder unter den Arbeitnehmern zu beobachten, um wesentlichen Veränderungen rechtzeitig Rechnung tragen zu können. Die Beobachtungs- und Handlungspflicht des Gesetzgebers hat das BVerfG daraus hergeleitet, dass es mit dem vom Gesetzgeber selbst gewählten Ansatz und dem Gebot der Normklarheit nicht mehr vereinbar wäre, die Kirchensteuer bei der Berechnung des Nettolohnes auch dann noch als "gewöhnlich" anfallenden gesetzlichen Abzug zu behandeln, wenn die Zugehörigkeit zu einer Kirche, die Kirchensteuer erhebt, nicht mehr als für Arbeitnehmer typisch angesehen werden könnte, wenn also nicht mehr eine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern einer solchen Kirche angehörte, wobei insbesondere die Verhältnisse in den neuen Bundesländern Anlass für eine Überprüfung der gesetzlichen Regelung sein könnten.
Dieser Beobachtungs- und Handlungspflicht ist der Gesetzgeber seit der Grundsatzentscheidung des BVerfG vom März 1994 bis zum jetzigen Zeitpunkt in nicht zu beanstandender Weise nachgekommen. Für Leistungszeiträume bis einschließlich des Jahres 2000 war der Ansatz der Kirchensteuer bei der Bemessung des Alg rechtmäßig, wie das Bundessozialgericht in mehreren Urteilen entschieden hat, weil nach dem bis dahin bekannten und ausgewerteten amtlichen Zahlenmaterial nicht anzunehmen war, dass die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer keiner Kirchensteuer erhebenden Kirche mehr angehört (vgl. zuletzt Urteil des BSG vom 25. Juni 2002 - B 11 AL 55/01 R - m.w.N.). Wesentliche Grundlage des zitierten, einen bis in das Jahr 2000 reichenden Anspruch auf Alg betreffenden Urteils war die vom BSG in einem früheren Parallelverfahren eingeholte Auskunft des BMA vom 6. November 2001, derzufolge der Anteil der Arbeitnehmer, die Kirchensteuer zahlten, nur über die Auswertung der Lohn- und Einkommensteuerstatistik ermittelt werden könne, die in einem dreijährigen Turnus zu erstellen sei. Da die Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärungen abgewartet werden müsse, liege die Lohn- und Einkommensteuerstatistik erst gut drei Jahre nach Ablauf des Jahres, auf das sie sich beziehe, vor. Die Statistik für 1995 sei im Sommer 1999 erstellt und ausgewertet worden. Mit den Ergebnissen für 1998 werde für den Sommer 2002 gerechnet. Für die jeweilige Zwischenzeit werde der Anteil der Arbeitnehmer, die Kirchensteuer zahlten, in Anlehnung an den Anteil der Kirchenmitglieder in der Bevölkerung ermittelt, wobei der prozentuale Differenzbetrag zwischen den Anteilen der Kirchenmitglieder an der Bevölkerung und an den Arbeitnehmern näherungsweise als konstant angesehen werde. Unter Zugrundelegung eines Differenzbetrages von 8 %-Punk-ten zum Jahresende 1995 und einem Anteil von 65,6 % Kirchenmitgliedern an der Gesamtbevölkerung zum Jahresende 1999 - die Angaben für den Stichtag 31. Dezember 2000 lagen damals noch nicht vor - errechne sich ein Anteil von 57,6 % Kirchenmitgliedern. Das BSG hat die vom BMA geschilderte Verfahrensweise für die Datenermittlung ausdrücklich gebilligt, denn dem Gesetzgeber sei durch die Entscheidung des BVerfG nicht auferlegt worden, zusätzlich weitere Ermittlungen zum Anteil der Kirchenmitglieder anzustellen, vielmehr könne er sich auf die Beobachtung und Auswertung des vorhandenen Zahlenmaterials beschränken. Eine Pflicht zum Handeln hat das BSG ausdrücklich erst dann angenommen, wenn der Gesetzgeber aufgrund statistischer Erkenntnisse davon ausgehen müsse, dass nicht mehr eine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern kirchenlohnsteuerpflichtig sei. Da deren Anteil nach den bisherigen Erhebungen offenbar kontinuierlich abnimmt und das maßgebende Zahlenmaterial jeweils erst mit mehrjähriger Verzögerung zur Verfügung steht, ist der Gesetzgeber nach Auffassung des BSG dann gehalten, den geänderten Verhältnissen Rechnung zu tragen, wenn ihm Zahlen vorliegen, wonach der Anteil der kirchenlohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmer unter 55 % gesunken ist, weil dann zukünftig nicht mehr von einer deutlichen Mehrheit von Arbeitnehmern gesprochen werden könne, die einer Kirchensteuer erhebenden Kirche angehören (vgl. zu alledem BSG aaO S. 7 des Amtl. Abdruckes).
Der Senat hält in Fortführung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung die Anwendung des § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III auch im hier streitigen Zeitraum von Oktober 2002 bis November 2004 nicht für verfassungswidrig. Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, dass der Ansatz der Kirchensteuer bei der Bemessung des ihm ab Oktober 2002 gewährten Alg rechtswidrig sei, weil er auf veraltetem Zahlenmaterial von 1995 beruhe. Dies hat, wie oben ausgeführt, sachliche Gründe. Angesichts der relativ geringen Belastung, die einem Arbeitslosen durch Berücksichtigung des fiktiven Kirchensteuerabzuges widerfährt, kann nicht verlangt werden, die Lohn- und Einkommensteuerstatistik häufiger als nur alle drei Jahre durchzuführen. Bei Erlass der den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegenden Leistungsentgeltverordnungen im Dezember 2001 und Dezember 2002 lagen keine neueren amtlichen Daten über die Kirchenlohnsteuerpflichtigen vor, die eine Änderung der gesetzlichen Grundlage des § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III erfordert hätten. Nach den im Tatbestand aufgeführten Auskünften des Statistischen Bundesamtes vom 15. April 2002 und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 12. Februar 2003 konnte mit den Ergebnissen der turnusmäßigen Lohn- und Einkommensteuerstatistik für das Jahr 1998 - entgegen früheren Erwartungen - erst Ende 2002 bzw. zum Frühjahr 2003 gerechnet werden. Nach den damals aktuellsten Meldungen der beiden befragten Kirchen betrug der Anteil ihrer Mitglieder zum Jahresende 2000 64,9 % der Bevölkerung, der analog zu den Ergebnissen aus dem Jahre 1995 um 8 % niedriger angenommene Anteil der kirchenlohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmer lag somit schätzungsweise bei 56,9 %, entsprach also weiterhin der höchstrichterlich geforderten "deutlichen Mehrheit" der Arbeitnehmer.
Die dem Senat im Januar 2004 in dem genannten Parallelverfahren erteilten Auskünfte der beiden Behörden haben ergeben, dass nach der schließlich Ende Mai 2003 abgeschlossenen Auswertung der Daten des Jahres 1998 noch 56,8 % der Arbeitnehmer kirchenlohnsteuerpflichtig waren, womit ihr Anteil um 9,3 % unter dem Anteil der Kirchenmitglieder an der Bevölkerung lag, der damals 66,1 % betrug und Ende 2001 auf 64,4 % gesunken ist. Bei dieser Sachlage begegnet es keinen Bedenken, dass auch in der aktuellen Leistungsentgelttabelle die Kirchensteuer als bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallender Entgeltabzug eingearbeitet ist (vgl. Anlage 2 zur SGB III-Leistungsentgeltverordnung 2004 vom 22. Dezember 2003, BGBl. I S. 3100).
Die Tatsache, dass der Anteil der Arbeitnehmer, die einer Kirchensteuer erhebenden Kirche angehören, in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken ist und unter Berücksichtigung der von den Kirchen für das Jahr 2001 veröffentlichten Mitgliederzahlen nur noch 55 % ausgemacht hat, hat der Gesetzgeber allerdings inzwischen zu Recht zum Anlass genommen, den geänderten Verhältnissen für die Zukunft Rechnung zu tragen, indem im Zuge der Reform des Bemessungsrechts für das Alg ab dem Jahr 2005 bei der Ermittlung des Leistungsentgeltes auf die Kirchensteuer als Rechengröße verzichtet wird (vgl. § 133 SGB III in der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung des 3. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 [BGBl. I S. 2848], zu den gesetzgeberischen Motiven vgl. BT-Drucks. 15/1515 vom 5. September 2003 S. 86). Dem Kläger dürfte diese Rechtsänderung allerdings nicht mehr zugute kommen, weil sein Alg-Anspruch bei durchgehendem Leistungsbezug voraussichtlich im November 2004 ausgeschöpft sein wird.
Dass der Wegfall des Kirchensteuerabzuges nicht schon früher zum Tragen kommt, ist nicht zu beanstanden. Zum einen hat der Gesetzgeber innerhalb weniger Monate auf die Datenauswertung der Lohn- und Einkommensteuerstatistik 1998 reagiert. Zum anderen benötigt die praktische Umsetzung dieser Gesetzesänderung einen gewissen zeitlichen Vorlauf. Schließlich liegt auf der Hand, dass die dadurch für die Beklagte bzw. die Versichertengemeinschaft anfallenden Mehrausgaben, die allein für das Jahr 2005 auf rund 290 Mio. Euro geschätzt werden (vgl. Bundesarbeitsblatt 1-2004 S. 6), durch Minderausgaben an anderer Stelle aufgefangen werden sollen, die im Rahmen der umfassenden Neuregelung des Bemessungsrechts mit Wirkung ab 1. Januar 2005 erwartet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld - Alg - ohne Berücksichtigung gewöhnlich anfallender Abzüge in Form von Kirchensteuer.
Der 1947 geborene Kläger gehört keiner Religionsgemeinschaft an. Er war von 1965 bis 30. September 2002 als Schlosser beschäftigt und erzielte laut Arbeitsbescheinigung in den letzten zwölf Monaten beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 24.913,72 EUR. Auf seiner Lohnsteuerkarte 2002 war die Lohnsteuerklasse IV ohne Kinderfreibeträge eingetragen.
Am 1. Oktober 2002 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte gewährte ihm mit Bescheid des Arbeitsamtes Berlin Süd vom 28. November 2002 Alg ab 1. Oktober 2002 für 780 Kalendertage nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 475,- EUR. Der Leistungssatz betrug wöchentlich 178,57 EUR (Lohn-gruppe A 0, allgemeiner Leistungssatz, Leistungstabelle 2002). Mit Schreiben vom 4. Dezember 2002 legte der Kläger Widerspruch ein und beanstandete, dass bei dem Bemessungsentgelt zu Unrecht Kirchensteuer in Höhe von 5,66 EUR berücksichtigt worden sei. Die Beklagte passte mit Änderungsbescheid vom 2. Januar 2003 den Leistungssatz ab Jahresbeginn der aktuell geltenden Tabelle an, wodurch er sich auf 177,45 EUR verringerte, und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2003 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, Bemessungsgrundlage für das Alg sei das erzielte durchschnittliche Bruttoarbeitsentgelt, vermindert um die bei Arbeitnehmern üblicherweise anfallenden Abzüge. Hierzu gehöre auch eine Kirchensteuer. Der Betrag werde nicht individuell, sondern pauschal berechnet und sei eine reine Rechengröße zur Ermittlung des wöchentlichen Leistungssatzes. Tatsächliche Zahlungen an Kirchen erfolgten nicht.
Die vom Kläger am 3. März 2003 (Montag) unter nochmaligem Hinweis auf seine Konfessionslosigkeit erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 4. Juli 2003 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Gericht im Wesentlichen sinngemäß ausgeführt, die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger stehe höheres Alg nicht zu. Nach § 129 Sozialgesetzbuch - SGB - III betrage das Alg einen Prozentsatz des pauschalierten Nettoentgeltes (= Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergebe, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt habe (= Bemessungsentgelt). Das Leistungsentgelt sei gemäß § 136 SGB III das um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfielen, verminderte Bemessungsentgelt. Zu den in dieser Vorschrift aufgeführten Entgeltabzügen zähle auch die Kirchensteuer, für die nach § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III der im Vorjahr in den Ländern geltende niedrigste Kirchensteuer-Hebesatz zugrunde zu legen sei. Nach diesen Regelungen habe die Beklagte das dem Kläger zustehende Alg zutreffend berechnet. Die Anwendung des § 136 SGB III begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht habe mit Beschluss vom 22. März 1994 - 1 BvL 8/85 - entschieden, dass die inhaltsgleiche Vorgängerregelung des § 111 Arbeitsförderungsgesetz grundsätzlich nicht zu beanstanden sei. Insbesondere sei eine pauschalierte Berechnung möglich. Diese typisierende Betrachtung sei solange rechtmäßig, als aufgrund statistischer Erkenntnisse davon ausgegangen werden könne, dass die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer Kirchensteuer zu zahlen habe. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung sei die Schaffung des Gesetzes. Der Gesetzgeber sei zudem verpflichtet, die weitere Entwicklung zu beobachten und wesentlichen Veränderungen Rechnung zu tragen. Anlass zur Prüfung könne auch die nach der Vereinigung entstandene Situation geben, denn in den neuen Bundesländern seien viele Arbeitnehmer nicht Kirchenmitglieder, so dass sich ergeben könne, dass nicht mehr eine Mehrheit der Arbeitnehmer Kirchensteuer zu zahlen habe. Nach dieser Entscheidung und im Anschluss an die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. zuletzt Urteil vom 25. Juni 2002 - B 11 AL 55/01 R -) sei § 136 SGB III zumindest zur Zeit nicht zu beanstanden. Nach den vorliegenden Unterlagen des Statistischen Bundesamtes seien die Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen noch überwiegend kirchensteuerpflichtig. Ihr Anteil habe 1995 bei 68,1 % gelegen. Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei es zwar insgesamt zu einer Verringerung der Kirchenmitglieder gekommen, die bis 1999 aber unter 5 % gelegen habe. Dabei habe die Anzahl der Aufnahmen sogar zugenommen, während die Anzahl der Austritte um über ein Drittel zurückgegangen sei. Aus diesem statistischen Material sei zu folgern, dass der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zeit nicht gehalten sei, die Regelung des § 136 SGB III zu überprüfen, denn die bisher ersichtliche Entwicklung der Kirchenmitglieder lasse nicht auf einen erheblichen Mitgliederschwund schließen, der zu einer Minderheit von kirchensteuerpflichtigen Arbeitnehmern führen könnte. Angesichts des allgemeinen Bevölkerungsrückganges in der Bundesrepublik seien vielmehr annähernd gleiche Mehrheitsverhältnisse auch für die Gegenwart und nahe Zukunft zu erwarten. Selbst wenn jedoch gegenwärtig keine überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer mehr kirchensteuerpflichtig sein sollte, könnte sich dies allenfalls für die Zukunft auswirken, da § 136 SGB III dadurch nicht ohne weiteres verfassungswidrig würde, sondern für einen angemessenen Übergangszeitraum bis zu einer gesetzlichen Neuregelung weiterhin geltende Rechtsgrundlage sein würde.
Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 16. Juli 2003 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 14. August 2003 eingegangene Berufung des Klägers. Die Entscheidung des Sozialgerichts könne bereits wegen unzureichender Sachaufklärung keinen Bestand haben. Das Gericht habe nämlich versäumt, aktuelleres Zahlenmaterial über die kirchensteuerpflichtigen Arbeitnehmer heranzuziehen. Die Berechnung seines Alg für die Jahre 2002/2003 auf der Grundlage der statistischen Werte von 1995 degradiere ihn zum bloßen Objekt staatlichen Handelns. Die Mitgliederzahlen der katholischen und der evangelischen Kirche seien nach deren eigenen Angaben insgesamt rückläufig. Zudem zahlten nicht alle Mitglieder Kirchensteuer. Ferner seien regionale und demographische Besonderheiten zu berücksichtigen. Der Anteil der Kirchenmitglieder in Berlin und den neuen Bundesländern liege weit unter 50 %, nämlich bei ca. 28 %, der der Arbeitslosen bei ca. 17 bis 18 %. In den übrigen Bundesländern hingegen betrage der Anteil der Kirchenmitglieder immerhin noch rd. drei Viertel der Gesamtbevölkerung, während die Arbeitslosenquote dort bei lediglich 7 bis 8 % liege. Konkret betrage etwa die Arbeitslosenquote in Bayern zur Zeit 6,4 %, in Brandenburg hingegen 17,4 %. Der Anteil der kirchensteuerpflichtigen Arbeitnehmer habe 1995 in Bayern 83,1 % betragen, der im Land Brandenburg aber nur 20,8 %. Ferner steige in der gesamten Bundesrepublik die Zahl der älteren Menschen, deren Anteil an den Mitgliedern einer der beiden großen Kirchen besonders hoch sei. Andererseits seien aber nur knapp 39 % der 55- bis 64-Jährigen erwerbstätig. Diese Bevölkerungsgruppe könne außerdem seit 1996 in die sogenannte Altersteilzeit gehen. Diese Zahlen seien z.B. von den Kirchen und Parteien im Internet veröffentlicht. Damit könne nicht analog zu den Zahlen von 1995 angenommen werden, dass eine Mehrheit der Arbeitnehmer noch einer kirchensteuererhebenden Kirche angehöre. Jedenfalls müsse bei der Anwendung des § 136 SGB III regionalen Unterschieden Rechnung getragen werden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 4. Juli 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 28. November 2002 und 2. Januar 2003 in der Fassung des Wider- spruchsbescheides vom 29. Januar 2003 zu verurteilen, ihm ab 1. Oktober 2002 Arbeitslosengeld ohne Berücksichtigung gewöhn- licher Abzüge in Form von Kirchensteuer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Hierzu hat die Beklagte Kopien eines Schreibens des Statistischen Bundesamtes vom 15. April 2002 im Verfahren des SG Berlin - S 55 AL 1518/01 - nebst statistischem Material zur Bestimmung des Anteils der kirchenlohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmer im Jahre 1995 sowie ein Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 12. Februar 2003 im Verfahren des Landessozialgerichts Brandenburg - L 10 AL 91/02 - zur Berücksichtigung der Kirchensteuer in der Leistungsentgeltverordnung 2001 vorgelegt.
Der Kläger hält auch dieses Material für veraltet und nicht anwendbar.
Der Senat hat den Beteiligten die von ihm in dem Parallelverfahren L 4 AL 28/03 eingeholten Auskünfte des Statistischen Bundesamtes vom 7. Januar 2004 und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 22. Januar 2004 zur Kenntnis gegeben. Danach ergibt sich aus der inzwischen vorliegenden Auswertung des maßgebenden statistischen Materials für das Jahr 1998 und einer Hochrechnung der bis Ende 2002 ermittelten Kirchenmitgliederzahlen tendenziell ein Rückgang der kirchenlohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmer, was der Gesetzgeber zum Anlass genommen hat, ab dem Jahre 2005 bei der Ermittlung des Leistungsentgeltes für die Berechnung des Arbeitslosengeldes auf die Kirchensteuer als Rechengröße zu verzichten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die den Kläger betreffende Leistungsakte der Beklagten zur Kunden-Nr. hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten verhandeln und entscheiden, weil in der ordnungsgemäß zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die Berufung des Klägers ist zulässig, da die Höhe laufender Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit ist (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
In der Sache konnte die Berufung jedoch keinen Erfolg haben. Das Sozialgericht hat die Sach- und Rechtslage zutreffend beurteilt.
Gegenstand der Berufung sind der Bescheid der Beklagten vom 28. November 2002 und der Änderungsbescheid vom 2. Januar 2003, diese in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2003, mit denen dem Kläger ab 1. Oktober 2002 Alg für 780 Kalendertage in Höhe von wöchentlich 178,57 EUR bzw. ab 1. Januar 2003 wöchentlich 177,45 EUR gewährt worden ist. Hinsichtlich der nach dem Erlass des Gerichtsbescheides vom 4. Juli 2003 bis jetzt ergangenen Anpassungs- und Dynamisierungsbescheide hat die Beklagte für den Fall des Obsiegens des Klägers eine entsprechende Änderung zugesagt, so dass von deren Einbeziehung in das Verfahren gemäß § 96 SGG abgesehen werden konnte.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Ihm steht höheres Alg ab 1. Oktober 2002 nicht zu.
Nach § 129 Nr. 2 SGB III in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 21. Juli 1999 (BGBl. I S. 1648) beträgt das Alg für Arbeitslose ohne berücksichtigungsfähiges Kind 60 % (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgeltes (sogenanntes Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (sogenanntes Bemessungsentgelt). Bemessungsentgelt ist das im Bemessungszeitraum (vgl. § 130 Abs. 1 i.V.m. § 117 Abs. 1 SGB III) durchschnittlich auf die Woche entfallende beitragspflichtige Entgelt (§ 132 Abs. 1 SGB III). Die Beklagte hat das für den Anspruch des Klägers maßgebende Bemessungsentgelt unstreitig zutreffend berechnet, indem sie sein im Bemessungszeitraum vom 1. Oktober 2001 bis zum 30. September 2002 abgerechnetes Bruttoeinkommen von 24.913,72 EUR durch die Zahl der Wochen geteilt hat, für die es gezahlt worden ist, nämlich 52,2. Daraus ergibt sich ein durchschnittliches wöchentliches Arbeitsentgelt von 477,27 EUR, das auf 475,- EUR zu runden ist (§ 132 Abs. 2, 3 SGB III). Dieses Bemessungsentgelt ist gemäß § 136 Abs. 1 SGB III zur Ermittlung des Leistungsentgeltes pauschal nach Maßgabe des Abs. 2 um die gesetzlichen Entgeltabzüge zu vermindern, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen. Aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 151 Abs. 2 Nr. 2 SGB III bestimmt das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung - BMA - durch Rechtsverordnung jeweils für ein Kalenderjahr die für die Bemessung des Alg maßgeblichen Leistungsentgelte. Die Anlage 2 zur SGB III-Leistungsentgeltverordnung 2002 vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 4036) weist für ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 475,- EUR ein Leistungsentgelt von 297,61 EUR aus, woraus sich in der Leistungsgruppe A entsprechend Steuerklasse IV der allgemeine Leistungssatz (60 %) in Höhe von 178,57 EUR ergibt. Ab 1. Januar 2003 beträgt das Leistungsentgelt 295,71 EUR, der allgemeine Leistungssatz folglich 177,45 EUR (vgl. Anlage 2 zur SGB III-Leistungsentgeltverordnung 2003 vom 23. Dezember 2002, BGBl. I S. 4673).
In dieser Höhe hat die Beklagte dem Kläger Alg bewilligt. Darüber hinausgehende Ansprüche - die bei Wegfall des Kirchensteueransatzes von 5,66 EUR zu einer wöchentlichen Leistungsanhebung um ca. 3,40 EUR führen würden - stehen ihm nicht zu.
Der Kläger beanstandet zu Unrecht, dass bei der Ermittlung des für sein Alg maßgebenden Leistungsentgeltes auch Kirchensteuer in Ansatz gebracht worden ist, denn § 136 SGB III schreibt dies ausdrücklich vor. Nach § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III ist - wie schon bei der entsprechenden Vorschrift des § 111 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz - AFG - bei der Bestimmung der pauschalierten Entgeltabzüge, "die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen", generell die Kirchensteuer zu berücksichtigen, und zwar in Höhe des im Vorjahr in den Ländern geltenden niedrigsten Kirchensteuer-Hebesatzes. Angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlautes kommt es für den Ansatz der Kirchensteuer - die in diesem Zusammenhang nur ein Berechnungsfaktor ist und nicht tatsächlich an eine Kirche abgeführt wird - weder darauf an, ob der Arbeitslose einer Kirchensteuer erhebenden Kirche angehört, noch ist Raum für die vom Kläger geforderte Berücksichtigung regionaler Unterschiede bei der Kirchenzugehörigkeit, insbesondere mit Blick auf die neuen Bundesländer. Eine Auslegung der Vorschrift nach dem Günstigkeitsprinzip (vgl. § 2 Abs. 2 SGB I) kommt nicht in Betracht (so ausdrücklich Urteil des BSG vom 21. März 2002 - B 7 AL 18/01 R - S. 4 des Amtlichen Abdruckes).
Die Anwendung des § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III auf den Alg-Anspruch des Klägers ist entgegen seiner Auffassung nicht verfassungswidrig. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen, die das Bundesverfassungsgericht zur vergleichbaren Rechtslage nach dem am 31. Dezember 1997 außer Kraft getretenen AFG aufgestellt hat. Nach dem Beschluss des BVerfG vom 23. März 1994 - 1 BvL 8/95 - (SozR 3-4100 § 111 Nr. 6) war es mit dem Grundgesetz, insbesondere dessen Art. 3, 4 und 14, vereinbar, dass nach § 111 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AFG auch bei Arbeitslosen, die keiner Kirche angehörten, bei der Berechnung des für die Höhe des Alg maßgebenden Nettoentgeltes als "gewöhnlich" anfallender Abzug auch ein Kirchensteuer-Hebesatz zu berücksichtigen war. In dieser Entscheidung hat das BVerfG dem Gesetzgeber allerdings im Hinblick auf dessen Anknüpfung an statistische Erkenntnisse aufgetragen, die weitere Entwicklung des Anteils der Kirchenmitglieder unter den Arbeitnehmern zu beobachten, um wesentlichen Veränderungen rechtzeitig Rechnung tragen zu können. Die Beobachtungs- und Handlungspflicht des Gesetzgebers hat das BVerfG daraus hergeleitet, dass es mit dem vom Gesetzgeber selbst gewählten Ansatz und dem Gebot der Normklarheit nicht mehr vereinbar wäre, die Kirchensteuer bei der Berechnung des Nettolohnes auch dann noch als "gewöhnlich" anfallenden gesetzlichen Abzug zu behandeln, wenn die Zugehörigkeit zu einer Kirche, die Kirchensteuer erhebt, nicht mehr als für Arbeitnehmer typisch angesehen werden könnte, wenn also nicht mehr eine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern einer solchen Kirche angehörte, wobei insbesondere die Verhältnisse in den neuen Bundesländern Anlass für eine Überprüfung der gesetzlichen Regelung sein könnten.
Dieser Beobachtungs- und Handlungspflicht ist der Gesetzgeber seit der Grundsatzentscheidung des BVerfG vom März 1994 bis zum jetzigen Zeitpunkt in nicht zu beanstandender Weise nachgekommen. Für Leistungszeiträume bis einschließlich des Jahres 2000 war der Ansatz der Kirchensteuer bei der Bemessung des Alg rechtmäßig, wie das Bundessozialgericht in mehreren Urteilen entschieden hat, weil nach dem bis dahin bekannten und ausgewerteten amtlichen Zahlenmaterial nicht anzunehmen war, dass die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer keiner Kirchensteuer erhebenden Kirche mehr angehört (vgl. zuletzt Urteil des BSG vom 25. Juni 2002 - B 11 AL 55/01 R - m.w.N.). Wesentliche Grundlage des zitierten, einen bis in das Jahr 2000 reichenden Anspruch auf Alg betreffenden Urteils war die vom BSG in einem früheren Parallelverfahren eingeholte Auskunft des BMA vom 6. November 2001, derzufolge der Anteil der Arbeitnehmer, die Kirchensteuer zahlten, nur über die Auswertung der Lohn- und Einkommensteuerstatistik ermittelt werden könne, die in einem dreijährigen Turnus zu erstellen sei. Da die Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärungen abgewartet werden müsse, liege die Lohn- und Einkommensteuerstatistik erst gut drei Jahre nach Ablauf des Jahres, auf das sie sich beziehe, vor. Die Statistik für 1995 sei im Sommer 1999 erstellt und ausgewertet worden. Mit den Ergebnissen für 1998 werde für den Sommer 2002 gerechnet. Für die jeweilige Zwischenzeit werde der Anteil der Arbeitnehmer, die Kirchensteuer zahlten, in Anlehnung an den Anteil der Kirchenmitglieder in der Bevölkerung ermittelt, wobei der prozentuale Differenzbetrag zwischen den Anteilen der Kirchenmitglieder an der Bevölkerung und an den Arbeitnehmern näherungsweise als konstant angesehen werde. Unter Zugrundelegung eines Differenzbetrages von 8 %-Punk-ten zum Jahresende 1995 und einem Anteil von 65,6 % Kirchenmitgliedern an der Gesamtbevölkerung zum Jahresende 1999 - die Angaben für den Stichtag 31. Dezember 2000 lagen damals noch nicht vor - errechne sich ein Anteil von 57,6 % Kirchenmitgliedern. Das BSG hat die vom BMA geschilderte Verfahrensweise für die Datenermittlung ausdrücklich gebilligt, denn dem Gesetzgeber sei durch die Entscheidung des BVerfG nicht auferlegt worden, zusätzlich weitere Ermittlungen zum Anteil der Kirchenmitglieder anzustellen, vielmehr könne er sich auf die Beobachtung und Auswertung des vorhandenen Zahlenmaterials beschränken. Eine Pflicht zum Handeln hat das BSG ausdrücklich erst dann angenommen, wenn der Gesetzgeber aufgrund statistischer Erkenntnisse davon ausgehen müsse, dass nicht mehr eine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern kirchenlohnsteuerpflichtig sei. Da deren Anteil nach den bisherigen Erhebungen offenbar kontinuierlich abnimmt und das maßgebende Zahlenmaterial jeweils erst mit mehrjähriger Verzögerung zur Verfügung steht, ist der Gesetzgeber nach Auffassung des BSG dann gehalten, den geänderten Verhältnissen Rechnung zu tragen, wenn ihm Zahlen vorliegen, wonach der Anteil der kirchenlohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmer unter 55 % gesunken ist, weil dann zukünftig nicht mehr von einer deutlichen Mehrheit von Arbeitnehmern gesprochen werden könne, die einer Kirchensteuer erhebenden Kirche angehören (vgl. zu alledem BSG aaO S. 7 des Amtl. Abdruckes).
Der Senat hält in Fortführung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung die Anwendung des § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III auch im hier streitigen Zeitraum von Oktober 2002 bis November 2004 nicht für verfassungswidrig. Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, dass der Ansatz der Kirchensteuer bei der Bemessung des ihm ab Oktober 2002 gewährten Alg rechtswidrig sei, weil er auf veraltetem Zahlenmaterial von 1995 beruhe. Dies hat, wie oben ausgeführt, sachliche Gründe. Angesichts der relativ geringen Belastung, die einem Arbeitslosen durch Berücksichtigung des fiktiven Kirchensteuerabzuges widerfährt, kann nicht verlangt werden, die Lohn- und Einkommensteuerstatistik häufiger als nur alle drei Jahre durchzuführen. Bei Erlass der den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegenden Leistungsentgeltverordnungen im Dezember 2001 und Dezember 2002 lagen keine neueren amtlichen Daten über die Kirchenlohnsteuerpflichtigen vor, die eine Änderung der gesetzlichen Grundlage des § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III erfordert hätten. Nach den im Tatbestand aufgeführten Auskünften des Statistischen Bundesamtes vom 15. April 2002 und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 12. Februar 2003 konnte mit den Ergebnissen der turnusmäßigen Lohn- und Einkommensteuerstatistik für das Jahr 1998 - entgegen früheren Erwartungen - erst Ende 2002 bzw. zum Frühjahr 2003 gerechnet werden. Nach den damals aktuellsten Meldungen der beiden befragten Kirchen betrug der Anteil ihrer Mitglieder zum Jahresende 2000 64,9 % der Bevölkerung, der analog zu den Ergebnissen aus dem Jahre 1995 um 8 % niedriger angenommene Anteil der kirchenlohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmer lag somit schätzungsweise bei 56,9 %, entsprach also weiterhin der höchstrichterlich geforderten "deutlichen Mehrheit" der Arbeitnehmer.
Die dem Senat im Januar 2004 in dem genannten Parallelverfahren erteilten Auskünfte der beiden Behörden haben ergeben, dass nach der schließlich Ende Mai 2003 abgeschlossenen Auswertung der Daten des Jahres 1998 noch 56,8 % der Arbeitnehmer kirchenlohnsteuerpflichtig waren, womit ihr Anteil um 9,3 % unter dem Anteil der Kirchenmitglieder an der Bevölkerung lag, der damals 66,1 % betrug und Ende 2001 auf 64,4 % gesunken ist. Bei dieser Sachlage begegnet es keinen Bedenken, dass auch in der aktuellen Leistungsentgelttabelle die Kirchensteuer als bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallender Entgeltabzug eingearbeitet ist (vgl. Anlage 2 zur SGB III-Leistungsentgeltverordnung 2004 vom 22. Dezember 2003, BGBl. I S. 3100).
Die Tatsache, dass der Anteil der Arbeitnehmer, die einer Kirchensteuer erhebenden Kirche angehören, in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken ist und unter Berücksichtigung der von den Kirchen für das Jahr 2001 veröffentlichten Mitgliederzahlen nur noch 55 % ausgemacht hat, hat der Gesetzgeber allerdings inzwischen zu Recht zum Anlass genommen, den geänderten Verhältnissen für die Zukunft Rechnung zu tragen, indem im Zuge der Reform des Bemessungsrechts für das Alg ab dem Jahr 2005 bei der Ermittlung des Leistungsentgeltes auf die Kirchensteuer als Rechengröße verzichtet wird (vgl. § 133 SGB III in der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung des 3. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 [BGBl. I S. 2848], zu den gesetzgeberischen Motiven vgl. BT-Drucks. 15/1515 vom 5. September 2003 S. 86). Dem Kläger dürfte diese Rechtsänderung allerdings nicht mehr zugute kommen, weil sein Alg-Anspruch bei durchgehendem Leistungsbezug voraussichtlich im November 2004 ausgeschöpft sein wird.
Dass der Wegfall des Kirchensteuerabzuges nicht schon früher zum Tragen kommt, ist nicht zu beanstanden. Zum einen hat der Gesetzgeber innerhalb weniger Monate auf die Datenauswertung der Lohn- und Einkommensteuerstatistik 1998 reagiert. Zum anderen benötigt die praktische Umsetzung dieser Gesetzesänderung einen gewissen zeitlichen Vorlauf. Schließlich liegt auf der Hand, dass die dadurch für die Beklagte bzw. die Versichertengemeinschaft anfallenden Mehrausgaben, die allein für das Jahr 2005 auf rund 290 Mio. Euro geschätzt werden (vgl. Bundesarbeitsblatt 1-2004 S. 6), durch Minderausgaben an anderer Stelle aufgefangen werden sollen, die im Rahmen der umfassenden Neuregelung des Bemessungsrechts mit Wirkung ab 1. Januar 2005 erwartet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved