L 8 SB 2700/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SB 2172/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2700/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 08.06.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) streitig.

Bei dem 1954 geborenen Kläger stellte das Landratsamt A. (LRA) mit Bescheid vom 11.10.2011 wegen einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden (GdB 30), einer depressiven Verstimmung (GdB 10) und einer Funktionsbehinderung des linken Hüftgelenkes (GdB 10) den GdB mit 30 sowie das Vorliegen einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz jeweils seit 29.07.2011 fest. Ein Änderungsantrag des Klägers auf Erhöhung des GdB blieb erfolglos (Bescheid vom 27.06.2012, Widerspruchsbescheid vom 31.08.2012, rechtskräftiges Urteil des Sozialgerichts Ulm (SG) vom 28.01.2014 - S 1 SB 3084/12 -).

Am 08.10.2015 beantragte der Kläger beim zuständigen LRA erneut die Erhöhung des GdB. Er machte zur Begründung eine schwere Depression, multiple Bandscheibenvorfälle der HWS und der LWS, eine Hypertonie, einen Diabetes mellitus sowie den Verdacht auf eine derzeit in Abklärung befindliche KHK geltend.

Das LRA nahm medizinische Unterlagen zu den Akten (insbesondere Berichte Dr. R. vom 16.09.2015, Diagnosen: Depression und Angst gemischt, HWS- und LWS-Syndrom; Arztbrief des U.klinikums U. vom 26.09.2015, Diagnose: Epistaxis nasi bei arterieller Hypertonie; Berichte Gemeinschaftspraxis Drs. L. vom 30.09.2015, der H. Klinik U. vom 14.10.2015 und 02.11.2015, Diagnosen: Koronare Dreigefäßerkrankung , hypertensive Herzkrankheit, arterielle Hypertonie, Dyspnoe bei Belastung, Diabetes mellitus IIb, Adipositas und Hypercolesterinämie, Ex-Raucher sowie Fragebogen zum Diabetes mellitus vom 06.11.2015; ärztlicher Entlassungsbericht der medizinischen Reha-Einrichtungen der Stadt R. vom 11.01.2016, Diagnosen: Arteriosklerotische Herzkrankheit, aortokoronarer Bypass, Bandscheibenschaden, essenzielle Hypertonie, Adipositas, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie, Ex-Nikotionabusus). In der hierzu eingeholten gutachtlichen Stellungnahme des ärztlichen Dienstes vom 25.01.2016 schlug Dr. L.-S. wegen einer koronaren Herzkrankheit, Bluthochdruck und Bypass (GdB 20), degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule (GdB 20) sowie einer depressiven Verstimmung (GdB 10) den Gesamt-GdB mit 30 vor; der Diabetes mellitus bedinge keinen GdB von mindestens 10.

Mit Bescheid vom 03.02.2016 stellte das LRA - in Unkenntnis des Bescheides vom 11.10.2011 - erneut den GdB mit 30 sowie das Vorliegen einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz jeweils seit 08.10.2015 fest.

Hiergegen legte der Kläger durch Schreiben von Dr. L. Widerspruch ein. Er machte zur Begründung geltend, aufgrund orthopädischer, internistischer und psychiatrischer Multimorbidität sei von einem GdB von 60 auszugehen. Der Kläger legte weitere medizinische Unterlagen vor (Bericht H. Klinik U. vom 14.04.2016, Diagnose zusätzlich Niereninsuffizienz; Bericht Dr. R. vom 26.04.2016, Diagnose zusätzlich Meralgia parästhetica). In der hierzu eingeholten gutachtlichen Stellungnahme des ärztlichen Dienstes vom 09.06.2016 hielt Dr. H. die bisherige Stellungnahme weiterhin für zutreffend.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2016 wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Klägers in der Sache zurück. Die Auswertung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass die beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen mit der angefochtenen Entscheidung in vollem Umfang erfasst und mit einem GdB von 30 angemessen bewertet seien.

Hiergegen erhob der Kläger am 12.07.2016 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG). Er machte zur Begründung geltend, nach Ansicht seiner Hausärztin Dr. L. sei ein höherer GdB als 30 festzustellen. Es lägen multiple Bandscheibenvorfälle in allen drei Wirbelsäulenabschnitten vor. Ein höherer GdB als 20 sei festzustellen. In der vorangegangenen Beurteilung sei eine Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule mit einem GdB von 30 berücksichtigt worden. Des Weiteren leide er an einer schweren behandlungsbedürftigen Depression, die mit einem wesentlichen höheren GdB zu berücksichtigen sei. Es liege auch eine schwere koronare Herzerkrankung vor, die nicht angemessen berücksichtigt worden sei. Nicht zuletzt ergäben sich aus der arteriellen Hypertonie, dem Diabetes mellitus, einer Hyperlipidämie und der Adipositas Einschränkungen der Teilhabe.

Das SG hörte vom Kläger benannte behandelnde Ärzte - unter Übersendung der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. L.-S. vom 25.01.2016 - schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Internist und Kardiologe Dr. H. teilte in seiner Aussage vom 09.12.2016 den Behandlungsverlauf die Gesundheitsstörungen und die Befunde (bis 75 Watt keine Angina pectoris, keine ST-Senkungen) mit. Er schätzte den Gesamt-GdB auf 40 ein. Dr. L. teilte in ihrer Aussage vom 12.12.2016 - unter Vorlage von ärztlichen Berichten - den Behandlungsverlauf, die Gesundheitsstörungen und die Befunde mit. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. teilte in seiner Aussage vom 12.12.2016 - unter Vorlage von Berichten - den Behandlungsverlauf, die Diagnosen und die Befunde mit. Der Orthopäde S. teilte in seiner Aussage vom 20.12.2016 den Behandlungsverlauf, die Diagnosen und die Befunde mit und stimmte der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. L.-S. zu.

Das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - unterbreitete dem Kläger unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R. vom 16.02.2017 ein Vergleichsangebot dahin, wegen einer koronaren Herzkrankheit, koronarem Bypass, Bluthochdruck und Herzleistungsminderung (Teil-GdB 30), degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB 20) sowie einer depressiven Verstimmung (Teil-GdB 10) den GdB mit 40 ab 08.10.2015 festzustellen (Schriftsatz vom 22.02.2017), das der Kläger nicht annahm (Schriftsatz vom 24.04.2017).

Mit Gerichtsbescheid vom 08.06.2017 verurteilte das SG das Land Baden-Württemberg, bei dem Kläger einen GdB von 40 ab 08.10.2015 festzustellen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das SG aus, für das Funktionssystem Herz sei ein GdB von 30, für das Funktionssystem Rumpf ein GdB von 20 und für das Funktionssystem Psyche ein GdB von 10 gerechtfertigt. Bezüglich der Meralgia parästhetica könne kein weiterer GdB in Ansatz gebracht werden. Bei Zugrundelegung der Maßstäbe für die Bildung des Gesamt-GdB betrage dieser 40.

Gegen den dem Kläger am 13.06.2017 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die vom Kläger am 11.07.2017 eingelegte Berufung, die der Kläger (trotz Erinnerungen mit Senatsschreiben vom 09.10.2017 und 09.02.2018) nicht weiter begründet hat.

Im Verlauf des Berufungsverfahrens hat der Kläger seinen Wohnsitz in den Freistaat Bayern verlegt. Mit Beschluss vom 08.02.2018 ist daraufhin das Land Baden-Württemberg aus dem Rechtsstreit entlassen und der Freistaat Bayern als neuer Beklagter festgestellt worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 08.06.2017 sowie den Bescheid vom 03.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2016 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm einen Grad der Behinderung von wenigstens 50 ab 08.10.2015 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hat zur Begründung vorgetragen, das Begehren des Klägers sei in der Vorinstanz eingehend geprüft und gewürdigt worden. Weitergehende Ausführungen seien nur dann veranlasst, wenn sich im Verlaufe des Berufungsverfahrens neue erhebliche Gesichtspunkte ergeben sollten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Beklagte Schriftsatz vom 19.09.2018, Kläger Schriftsatz vom 05.11.2018).

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Akte des SG - S 1 SB 3084/12 - und zwei Band Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Beteiligte des Berufungsverfahrens sind nunmehr allein der Kläger und der Freistaat Bayern als Beklagter. Das Land Baden-Württemberg ist durch einen Beteiligtenwechsel aus dem Verfahren ausgeschieden und als Beklagter durch den Freistaat Bayern ersetzt worden, der im Berufungsverfahren für den Kläger zuständig geworden ist. Nachdem der Kläger im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens seinen Wohnsitz von Baden-Württemberg in den Freistaat Bayern verlegt hat, ist ein Beklagtenwechsel kraft Gesetzes eingetreten (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 2/07 R -). Neuer Beklagter ist der Freistaat Bayern. Dies folgt aus § 3 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG). Diese Regelung gilt gemäß § 152 Abs. 1 Satz 4 SGB X (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX a.F.) auch für den Bereich des SGB IX (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2007 a.a.O.). Nach § 3 Abs. 1 KOVVfG ist örtlich die Verwaltungsbehörde zuständig, in deren Bezirk der Antragsteller oder Berechtigte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (im Inland) hat. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist vorliegend die letzte mündliche Verhandlung. Zu diesem Zeitpunkt kann allein der im Lauf des Verfahrens zuständig gewordene Träger die begehrten Rechte gewähren, sodass sich die Klage richtigerweise nunmehr gegen den Freistaat Bayern zu richten hat. Auf die örtliche Zuständigkeit des Landessozialgerichts hat der Beklagtenwechsel keine Auswirkungen (BSG, Beschl. vom 08.05.2007 - B 12 SF 3/07 S -). Dem entspricht der deklaratorische Beschluss des Senats vom 08.02.2018. Hiergegen haben die Beteiligten auch keine Einwendungen erhoben.

Der Senat hat den Berufungsantrag des Klägers nach seinem erkennbaren Begehren sinngemäß gefasst.

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung des GdB von über 40 ab 08.10.2015 nicht zu.

Dass das LRA mit Bescheid vom 03.02.2016 in Unkenntnis des Bescheides vom 11.10.2011 erneut den GdB mit 30 sowie das Vorliegen einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz festgestellt hat, verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, denn hierdurch wird der Kläger nicht beschwert. Der Bescheid vom 11.10.2011 bleibt durch den Bescheid vom 03.02.2016 unberührt. Der Regelungsgehalt des Bescheides vom 03.02.2016 ist im Ergebnis rechtlich einer Ablehnung der vom Kläger beantragten Feststellung eines höheren GdB gleichzustellen.

Rechtsgrundlage für die Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.

Die GdB-Bewertung richtet sich nach den Vorschriften des SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen begehrt werden; das anzuwendende Recht richtete sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer- Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 Rdn. 34). Nachdem § 241 Absatz 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-) Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden.

Nach § 152 Absatz 1 SGB IX (§ 69 Abs. 1 und 3 SGB IX a.F.) stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB. Nach § 2 Absatz 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Geisteszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht, § 2 Absatz 1 Satz 2 SGB IX. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt; eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein Grad der Behinderung von wenigstens 20 vorliegt (§ 152 Absatz 1 Satz 6 SGB XI). Bis zum 31.12.2008 waren die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 70 Abs. 2 SGB IX in der ab 15.01.2015 gültigen Fassung). Bis zum 14.01.2015 galten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX (in der Fassung vom 20.06.2011) die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Hiervon hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die VersMedV erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "VG" zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden AHP getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 152 SGB IX (§ 69 a.F.) - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr. 27, 30 m.w.N.). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 152 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, a.a.O., RdNr 30).

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A Nr. 2 e).

Die Feststellung des GdB erfolgt zum Zeitpunkt der Antragstellung; auf Antrag kann, wenn ein besonderes Interesse glaubhaft gemacht wird, festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat § 152 Abs. 1 Satz 2 SGBX; (§ 69 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB IX a.F.).

Hiervon ausgehend hat SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid unter zutreffender Darstellung der GdB-Bewertungsvorgaben der VG zutreffend entschieden, dass beim Kläger im Funktionssystem Herz Funktionsstörungen vorlägen, die einen GdB von 30 rechtfertigten. Hinsichtlich des Funktionssystems Rumpf sei für die Gesundheitsbeeinträchtigung an der Wirbelsäule ein GdB von 20 in Ansatz zu bringen. Es lägen mittelgradige funktionelle Auswirkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule vor, wofür ein GdB von 20 gerechtfertigt sei. Hinweise für schwere funktionelle Auswirkungen bzw. das Betroffensein von weiteren Wirbelsäulenabschnitten bestünden nicht. Im Funktionssystem der Psyche sei ein GdB von 10 gerechtfertigt. Es sei von leichten psychischen Störungen auszugehen. Ein höherer GdB als 10 könne nicht angenommen werden. Für die Meralgia paraesthetica, die leicht bis mittelschwer ausgeprägt sei, könne kein weiterer GdB in Ansatz gebracht werden. Anhaltspunkte für einen vollständigen Nervenausfall, der einen GdB von 10 rechtfertige, lägen nicht vor. Unter Zugrundelegung der Maßstäbe für die Bildung des Gesamt-GdB betrage dieser 40. Der Senat gelangt nach eigener Prüfung zum selben Ergebnis. Er nimmt zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids in vollem Umfang Bezug, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Dies gilt sowohl unter der seit 01.01.2018 anzuwendenden Rechtslage, als auch unter Anwendung der bis 31.12.2017 geltenden Rechtslage des SGB IX.

Ergänzend bleibt auszuführen:

Dr. H. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 09.12.2016 für die koronare Herzerkrankung des Klägers mit einem Zustand nach Bypass-Operation den Teil-GdB mit 30 bestätigt. Dieser wird durch eine arterielle Hypertonie nicht erhöht. Eine Hypertonie (Bluthochdruck) führt nach den VG Teil B 9.3 in leichter Form zu einem GdB von 0 bis 10. Eine leichte Form ist anzunehmen, wenn keine oder eine geringe Leistungsbeeinträchtigung und höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen aufgetreten sind. Bei einer mittelschweren Form und Organbeteiligung (fundus hypertonus I-II, Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie leichten bis mittleren Grades, diastolischem Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung) ist ein GdB von 20 bis 40 gerechtfertigt. Soweit Dr. H. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage wegen einer linksventrikulären Hypertrophie für die arterielle Hypertonie einen Teil-GdB von 20 annimmt, ist eine solche Bewertung nach den VG nicht gerechtfertigt. Dass beim Kläger ein diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung vorliegt, was u.a. Voraussetzung für einen GdB von 20 bis 40 ist, ist nicht festzustellen. Vielmehr bestätigt Dr. H. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage, dass die Blutdruckwerte des Klägers unter Therapie gut sind. Nach der Aussage von Dr. H. beträgt der Blutdruck des Klägers 130/75 mmHg und nach der Aussage von Dr. L. vom 12.12.2016 der Blutdruck 130/80 mmHg. Auch nach den sonst zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen wird ein diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mmHg nicht dokumentiert. So wird im ärztlichen Entlassungsbericht der medizinischen Reha-Einrichtungen der Stadt R. vom 11.01.2016 ein Ruheblutdruck von 95/61 mmHg und im Bericht des U.klinikums U. vom 23.02.2016 ein Blutdruck von 110/70 mmHg beschrieben. Die linksventrikuläre Hypertrophie ist damit mit dem GdB von 30 für die Herzerkrankung des Klägers abgegolten. Entsprechendes gilt für bestehende Narbenschmerzen im unteren Sternumbereich, wovon auch Dr. H. ausgeht, sowie für von Dr. L. genannte Thoraxschmerzen. Anlass, den durch eine Leistungsbeeinträchtigung des Herzens bei mittelschwerer Belastung, wovon das LRA bestätigt durch das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid ausgeht, nach den VG Teil B 9.1.1 eröffneten GdB-Bewertungsrahmen von 20 bis 40 weiter auszuschöpfen, besteht nicht. Nach der Aussage von Dr. H. bestehen beim Kläger keine Angina pectoris, keine Herzrhythmusstörungen, eine regelgerechte Zunahme der Wandkontraktilität bis zur maximalen Stufe beim Belastungs-EKG und damit kein Nachweis einer relevanten Ischämie. Auch sonst sind nach den zu den Akten gelangten kardiologischen Befundunterlagen keine bedeutsame Herzorganschäden beim Kläger feststellen. Es zeigt sich vielmehr ein stabiler Befund nach Bypassoperation (Bericht H. Klinik U. vom 14.04.2016) ohne wesentliche kardiale Beschwerden bei eingeschränkter körperlicher Belastbarkeit, jedoch relativ gutem und stabilem kardialen Zustand (Bericht U.klinikum U. vom 23.02.2016). Danach liegt der beim Kläger wegen seiner Herzerkrankung berücksichtigte Einzel-GdB von 30 eher im obersten Bereich des nach den VG eröffneten GdB-Bemessungsrahmens.

Funktionelle Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden rechtfertigen beim Kläger keinen höheren Einzel-GdB als 20. Der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem sogenannten Postdiskotomiesyndrom) ergibt sich primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z.B. degenerativer Art) rechtfertigen allein noch nicht die Annahme eines GdB (vgl. VG Teil B 18.1 und 18.9). Danach kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf multiple Bandscheibenvorfälle berufen, die nach seiner Ansicht einen höheren GdB als 20 bedingten. An funktionellen Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden sind beim Kläger nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des Orthopäden S. vom 20.12.2016 eine leichte ISG Blockierung links sowie leichte bis mittelschwere chronische Lumboischialgien festzustellen, die nach den vom SG zutreffend dargestellten GdB-Bewertungsvorgaben der VG keinen höheren Einzel-GdB als 20 rechtfertigen, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend begründet hat. Diese GdB-Bewertung hat auch der Orthopäde S. in seiner schriftlichen Sachverständigenzeugenauskunft an das SG vom 20.12.2016 geteilt, in dem er der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. L.-S. vom 25.01.2016 zugestimmt hat. Der Umstand, dass das LRA im Bescheid vom 11.10.2011 eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Bandscheibenschaden mit einem Einzel-GdB von 30 berücksichtigt hat, rechtfertigt keine dem Kläger günstigere GdB-Bewertung. Denn eine Bindungswirkung zu Gunsten des Klägers besteht nicht, weshalb es auch nicht darauf ankommt, ob beim Kläger hinsichtlich seines Wirbelsäulenleidens eine Besserung eingetreten ist.

Dass beim Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet im Vergleich zu dem im Bescheid vom 11.10.2011 mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigten Gesundheitszustand eine Verschlimmerung eingetreten ist, ist nicht festzustellen. Vielmehr entspricht der von Dr. R. in seiner Aussage vom 12.12.2016 beschriebene psychische Befund (exakt) dem von ihm bereits in seinen Berichten vom 06.07.2010, 03.08.2011 und 13.10.2011 beschriebenen psychischen Befund. Soweit Dr. R. in seiner Aussage vom 12.12.2016 eine kontinuierliche Verschlechterung seit Jahren angegeben hat, ist diese Aussage im Hinblick auf seine Befundbeschreibungen in den genannten Berichten nicht nachvollziehbar.

Sonstige Gesundheitsstörungen des Klägers, die nach VG einen Einzel-GdB von wenigstens 10 rechtfertigen, sind nicht festzustellen. Der Diabetes mellitus wird nach den Angaben von Dr. L. im Fragebogen zum Diabetes mellitus vom 06.11.2015 medikamentös mit Januvia therapiert, das nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R. vom 16.02.2017, die der Senat an sachverständiges Parteivorbringen verwertet, zu keiner Unterzuckerung führt. Eine Insulintherapie, regelmäßige Blutzuckermessungen sowie eine regelmäßige Dokumentation des Blutzuckers erfolgen nicht. Dass der Kläger durch den Therapieaufwand eine Teilhabebeeinträchtigung erleidet, die nach den VG Teil B 15.1 einen GdB rechtfertigt, ist danach nicht festzustellen. Weiter kann beim Kläger eine nach den VG Teil B 12.1 GdB-relevante Nierenschädigung nicht festgestellt werden. Dass die von Dr. L. in der Aussage vom 12.12.2016 genannte Niereninsuffizienz des Klägers eine Einschränkung der Nierenfunktion und/oder Beschwerden des Klägers bewirkt, ist nicht ersichtlich. Vielmehr besteht nach der Beschreibung der Laborbefunde in den Berichten des U.klinikums U. vom 23.02.2016 und der S. Herzchirurgie S. vom 17.11.2015 ein unauffälliger Kreatininwert. Entsprechendes gilt für eine vom Kläger geltend gemachte Hyperlipidämie. Dass wegen einer Parästhesie und Schmerzen am linken Oberschenkel eine GdB-relevante Funktionseinschränkung besteht, ist nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht festzustellen. Die weiter vom Kläger geltend gemachte Adipositas rechtfertigt nach den VG Teil B 15.3 keinen GdB.

Die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX). Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, auch solche, dass ein Einzel GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft - gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 - oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 -B 9 SB 2/13 R- SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern der Gesamt-GdB ist durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen - bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen - zu bestimmen. Maßgeblich sind damit grundsätzlich weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 - L 8 SB 5215/13 -, juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist - wie dargestellt - anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.

Hiervon ausgehend ist für die Bemessung des Gesamt-GdB die Herzerkrankung des Klägers nach Bypass-Operation und Bluthochdruck mit einem Einzel-GdB von 30 zu berücksichtigen. Dieser wird durch das mit einem Einzel-GdB von 20 zu berücksichtigende Wirbelsäulenleiden des Klägers auf 40 erhöht. Sonstige, den Gesamt-GdB-erhöhende Gesundheitsstörungen liegen beim Kläger nicht vor. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der weiterhin mit einem Einzel-GdB von 10 zu berücksichtigenden psychischen Störung des Klägers, der den Gesamt-GdB nicht erhöht. In der Zusammenschau der beim Kläger festzustellenden Gesundheitsstörungen erreichen diese im Vergleich mit den in den VG gelisteten Fällen einen GdB von 50 nicht. Der abweichenden Bewertung von Dr. L. im Befundschein an das LRA vom 28.04.2016 (GdB 60) kann nicht gefolgt werden. Dr. L. beschreibt keine Befunde, die die Bewertung des GdB mit 60 nachvollziehbar machen. Vielmehr hat Dr. H. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 09.12.2016 den Gesamt-GdB mit 40 bestätigt.

Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die vom SG durchgeführten Ermittlungen und die zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen vollständig aufgeklärt und vermitteln dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Gesichtspunkte, durch die sich der Senat zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müsste, hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht aufgezeigt.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved