Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 3 AS 236/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 185/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 13/19 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Werra-Meißner-Kreis verfügt (jedenfalls) im Monat Juli 2014 nicht über ein schlüssiges Konzept zur Feststellung der Angemessenheitsgrenzen gem. § 22 Abs. 1 SGB II.
2. Der Vergleichsraum ist aufgrund des abstrakt-generellen Charakters des Rechtsbegriffs der Raum, in dem ausgehend von rein objektiven Kriterien dem Leistungsberechtigten ein Umzug zumutbar ist.
3. Ein gesamter Landkreis kann nur dann einen einheitlichen Vergleichsraum darstellen, wenn innerhalb des Landkreises ein homogener Lebens- und Wohnbereich besteht.
2. Der Vergleichsraum ist aufgrund des abstrakt-generellen Charakters des Rechtsbegriffs der Raum, in dem ausgehend von rein objektiven Kriterien dem Leistungsberechtigten ein Umzug zumutbar ist.
3. Ein gesamter Landkreis kann nur dann einen einheitlichen Vergleichsraum darstellen, wenn innerhalb des Landkreises ein homogener Lebens- und Wohnbereich besteht.
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 19. Februar 2018 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der vom Beklagten zu übernehmenden Bedarfe für Unterkunft als Leistung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit vom 1. Dezember 2014 bis zum 31. Mai 2015.
Die 1982, 1990, 2008, 2009 und 2013 geborenen Kläger stehen seit 1. Dezember 2013 im Leistungsbezug nach dem SGB II bei dem Beklagten. Sie bewohnen seitdem eine ca. 140 m² große 7-Zimmer-Wohnung in C-Straße in C-Stadt. Die monatliche Grundmiete beträgt 500,00 EUR zuzüglich kalter Betriebskosten in Höhe von 74,00 EUR und Heizkosten in Höhe von 131,00 EUR.
Nachdem der Beklagte zunächst die tatsächlichen Bedarfe für Unterkunft der Kläger berücksichtigte, fügte er seinem Bescheid vom 8. Mai 2014 eine Aufforderungen bei die Kosten der Unterkunft zu senken. Angemessen seien Bedarfe für Unterkunft bis zu einer Bruttokaltmiete in Höhe von 450,00 EUR. Der Beklagte teilte mit, ab dem 1. Dezember 2014 nur noch diese als angemessen angesehenen Bedarfe berücksichtigen zu wollen.
Auf ihren Weiterbewilligungsantrag vom 17. November 2014 bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 19. November 2014 SGB II – Leistungen für den Zeitraum vom 1. Dezember 2014 bis 31. Mai 2015 unter Berücksichtigung einer monatlichen Bruttokaltmiete in Höhe von 450,00 EUR und Heizkosten in Höhe von 133,00 EUR. Unter dem 1. Dezember 2014 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid, der die Bedarfe der Unterkunft und Heizung nicht betraf. Am 17. Dezember 2014 legten die Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 19. November 2014 ein und begründeten ihn damit, dass ihnen ein Umzug nicht zumutbar sei. Mit Bescheid vom 28. Januar 2015 änderte der Beklagte den Bescheid vom 19. November 2014 bezüglich der Heizkosten ab und berücksichtigte für den Bewilligungszeitraum den Heizbedarf in der tatsächlichen Höhe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2015 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück. Die Wohnung der Kläger sei unangemessen groß und die Wohnkosten zu hoch. Hierauf seien sie in der Kostensenkungsaufforderung vom 8. Mai 2014 hingewiesen worden. Wohnraum stünde in ausreichendem Maße zur Verfügung, so dass eine Kostensenkung durch Umzug möglich sei.
Dagegen haben die Kläger am 27. April 2015 Klage vor dem Sozialgericht Kassel erhoben. Mit Urteil vom 19. Februar 2018 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 19. November 2014, 1. Dezember 2014 und 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. März 2015 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 1. Dezember 2014 bis 31. Mai 2015 Kosten der Unterkunft unter Zugrundelegung ihrer Aufwendungen in tatsächlicher Höhe zu gewähren, und die Berufung zugelassen.
Streitig seien ausschließlich die Kosten der Unterkunft. Heizkosten würden in tatsächlicher Höhe gewährt. Die Unterkunftskosten seien den Klägern in tatsächlicher Höhe zu gewähren. Diese seien angemessen. Zwar sei die Wohnung der Kläger unangemessen groß. Als angemessene Wohnungsgröße sei für einen 5-Personen-Haushalt von 96 m² auszugehen. Diese Überschreitung sei aber unbeachtlich, weil der Mietzins insgesamt nicht unangemessen sei.
Die von dem Beklagten zugrunde gelegte Angemessenheitsobergrenze könne nicht herangezogen werden. Das von dem Beklagten verwendete Konzept zur Feststellung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Werra-Meißner-Kreis, Endbericht vom März 2014 der Firma G., Beratungsgesellschaft für Wohnen, lmmobilien, Stadtentwicklung mbH (lm Folgenden: Gutachten) entspreche nicht den durch das Bundessozialgericht aufgestellten Vorgaben für die Festlegung einer Mietobergrenze.
Prägend für den Vergleichsraum sei, dass er dem Hilfebedürftigen ermöglichen müsse, bei einem Umzug sein soziales Umfeld zu erhalten. Ein Umzug, der mit der Aufgabe des sozialen Umfelds verbunden sei, könne vom Hilfebedürftigen regelmäßig nicht verlangt werden. Demnach sei ein Vergleichsraum zu bilden, auf dessen Gebiet jeder dort Lebende beliebig umziehen könnte, ohne sein Wohnumfeld zu verlieren. In erster Linie komme daher der Wohnort des Hilfebedürftigen als Vergleichsraum in Betracht, ohne dass hierfür aber der kommunalverfassungsrechtliche Begriff der "Gemeinde" entscheidend sein müsse. Vielmehr komme es darauf an, welche Bereiche zusammengefasst als homogen bezeichnet werden könnten. Im vorliegenden Fall habe der Beklagte das gesamte Kreisgebiet des Werra-Meißner-Kreises als Vergleichsraum definiert. Dies sei allerdings nicht tauglich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.
Der Werra-Meißner-Kreis bilde ohne Oberzentrum und mit vier Mittelzentren keinen homogenen Lebensbereich. Das Gericht stützte sich insoweit auf den Regionalplan Nordhessen aus 2009. Ein Teilbereich des Landkreises, nämlich die Gemeinden C-Stadt, Helsa sowie der Gutsbezirk Kaufunger Wald seien dem Ordnungsraum Kassel zugeordnet, für den eine ordnungs- und entwicklungsplanerische Gesamtkonzeption weiter zu verfolgen sei, die auf die nachdrückliche Sicherung bzw. Herbeiführung guter und gleichwertiger Lebens-, Wirtschafts- und Umweltbedingungen gerade in der Verbindungsfunktion zwischen Verdichtungsraum und ländlichem Raum abziele (Regionalplan Nordhessen 2009, S. 21). Der übrige Landkreis sei dem ländlichen Raum zugeordnet (Regionalplan Nordhessen 2009, S. 20). Somit zeige schon diese Untergliederung die lnhomogenität des Landkreises als Vergleichsraum. Aber auch infrastrukturell zeige sich diese lnhomogenität. Das Straßennetz sei geprägt durch die ehemalige Zonenrandlage und topografischen Gegebenheiten durch die Mittelgebirgslandschaft des Hohen Meißners. Dies spiegele sich auch wider im Liniennetz des Öffentlichen Personennahverkehrs, das gerade keinerlei homogene Struktur im Werra-Meißner-Kreis aufweise. Diese Gesichtspunkte fänden bei der Vergleichsraumbildung, wie sie der Beklagte vornehme, keine Berücksichtigung. Die Firma G. benenne den Landkreis als einheitlichen Vergleichsraum, ohne dies herzuleiten und zu begründen. Einer Analyse der Infrastruktur und hier insbesondere der verkehrstechnischen Verbundenheit im Sinne eines homogenen Lebens- und Wohnbereiches ermangele es.
Es erscheine im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen nicht schlechterdings unmöglich, für einen ländlich geprägten Raum einen Vergleichsraum zu definieren. Insoweit böte sich an, im ländlichen Raum eine kleinteiligere Untergliederung eines Vergleichsraumes vorzunehmen, um dem Kriterium der räumlichen Nähe im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu genügen. Zu denken sei hier etwa an Räume, die sich um Mittelzentren herum erstrecken, oder aber über die kommunalen Grenzen hinausreichende Vergleichsräume, wie es sich zum Beispiel für Gebiete anbieten könne, die in räumlicher Nähe zu einem Oberzentrum lägen. Diese Entscheidung zu treffen sei nicht Aufgabe des Gerichts. Insoweit sei deshalb von einem Erkenntnisausfall auszugehen.
Bei Ausfall der lokalen Erkenntnismöglichkeiten sei die umfassende Ermittlung der Daten sowie deren Auswertung im Sinne der Erstellung eines schlüssigen Konzepts Angelegenheit des Grundsicherungsträgers. Diese Ermittlungen seien bereits für die sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig. lm Rechtsstreit müsse der Grundsicherungsträger sein Konzept auf Anforderung durch das Gericht vorlegen. Entscheide er ohne ein solches schlüssiges Konzept, sei er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1 2. Halbsatz Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf. eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Lägen dennoch keine ausreichenden Daten vor, bräuchten insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen durchgeführt zu werden. So sei die Sachlage hier: Wie oben ausgeführt mangele es im vorliegenden Verfahren schon an einer zutreffenden Bestimmung des Vergleichsraumes, der erst die Grundlage für die Erstellung eines schlüssigen Konzeptes sei. Der Beklagte habe sich auch nicht in der Lage gesehen, für den streitgegenständlichen Zeitraum "nachzubessern". Dies habe er in der mündlichen Verhandlung auch zu Protokoll erklärt.
Dieser Erkenntnisausfall hinsichtlich der angemessenen Referenzmiete mache den Rückgriff auf die Tabellenwerte des § 12 Wohngeldgesetzes (WoGG) zuzüglich eines ,,Sicherheitszuschlages" nach generell-abstrakten Kriterien im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze erforderlich. Es sei aufgrund der Gegebenheiten vor Ort von der Mietstufe I auszugehen. Hieraus ergebe sich eine Angemessenheitsobergrenze für die Bruttokaltmiete für den 5-Personen-Haushalt der Kläger von 617,10 EUR (561,00 EUR zuzüglich eines 10prozentigen Sicherheitszuschlages). Der Beklagte habe deshalb die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, da die tatsächlich gezahlte Miete von 500,00 EUR zuzüglich der kalten Nebenkosten mit 74,00 EUR unter der durch die Mietstufen des WoGG bestimmten Angemessenheitsobergrenze gelegen habe. Die tatsächlichen Kosten der Heizung habe der Beklagte ohnehin bewilligt.
Gegen das am 9. März 2018 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 27. März 2018 Berufung erhoben. Der Beklagte stützt sich zur Begründung auf das "Konzept zur Feststellung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Werra-Meißner-Kreis – Endbericht vom März 2014" der Firma G. Beratungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien, Stadtentwicklung mbH, Hamburg. Ausgangspunkt dieses Konzepts sei eine eigenständige Datenerhebung, die sogenannte Mietwerterhebung, die über den gesamten Vergleichsraum, den Werra-Meißner-Kreis, erfolgt sei. Die Mietwerterhebung bilde den relevanten Wohnungsmarkt repräsentativ und empirisch valide ab. Der so gewonnene Datensatz sei unter Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze ausgewertet worden. Dies beinhalte u. a. eine nachvollziehbare Definition des Gegenstandes der Beobachtung, Angaben über den Beobachtungszeitraum, Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung und Angaben über die gezogenen Schlüsse (z. B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).
G. habe vor diesem Hintergrund ein Untersuchungskonzept entwickelt, das diese speziellen Anforderungen und Rahmenbedingungen für die Ermittlung von Mieten zur Festlegung von lokalen Angemessenheitswerten berücksichtige. Dieses basiere in seinen Grundzügen auf der allgemein anerkannten Vorgehensweise zur Erstellung von qualifizierten Mietspiegeln. Ziel des vorliegenden Konzeptes sei es, mithilfe einer Erhebung auf einer breiten empirischen Grundlage für den Werra-Meißner-Kreis eine Definition für die angemessenen Wohnkosten für Leistungsberechtigte vorzunehmen und rechtskonforme Mietpreisrichtwerte transparent und realitätsgerecht zu ermitteln. Des Weiteren würden mit dem Konzept die methodischen Grundlagen, der Ablauf der Untersuchung sowie die Ergebnisse der Mietwerterhebung zur Ermittlung von Mietpreisrichtwerten detailliert und nachvollziehbar dargestellt.
Der Beklagte beschreibt das Vorgehen zur Konzepterstellung methodisch wie folgt: In einem ersten Schritt sei das Verhältnis der verschiedenen räumlichen Ebenen - Landkreis, Gemeinden, Vergleichsraum, homogener Lebens- und Wohnbereich - zu definieren. Hieraus ergebe sich der sog. Vergleichsraum. Um möglichst repräsentative und marktgerechte Mieten zu ermitteln, habe G. ein Verfahren entwickelt, die räumlichen Unterschiede von Mietpreisstrukturen innerhalb eines Kreises richtig zu erfassen. Hieraus würden die sog. Wohnungsmarkttypen abgeleitet. Im Vorfeld der Datenerhebung seien die angemessene Wohnungsgröße und der angemessene Wohnungsstandard zu definieren. Des Weiteren sei die Grundgesamtheit der einzubeziehenden Wohnungen sowie die erforderliche Stichprobengröße - bereinigt um verzerrende Extremwerte - zu bestimmen, um so einen repräsentativen Datensatz zu ermöglichen.
Entsprechend der Anforderungen des BSG seien für die Ermittlung der Richtwerte sowohl Bestands- als auch Angebotsmieten heranzuziehen, um somit einerseits die bereits bestehende Wohnsituation von Bedarfsgemeinschaften und andererseits die erforderliche Neuversorgung richtig abzubilden. Hierbei seien sowohl der abstrakte Richtwert als auch die konkrete Verfügbarkeit zu überprüfen. Um hierbei sowohl zu niedrige Richtwerte - und damit ein zu geringes Wohnungsangebot – als auch zu hohe Richtwerte - und damit eine Fehlsubventionierung und Fehlsteuerung des Wohnungsmarktes - zu vermeiden, habe G. ein interaktives Verfahren entwickelt, mit dem der Richtwert nachfrageorientiert und passgenau abgeleitet werde.
Zur Festlegung eines Vergleichsraums trägt der Beklagte vor, dass er das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R – umsetze. Da es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen gehe, seien die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere nach folgenden Kriterien abzustecken: Es gehe darum zu beschreiben, welche ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildeten. Entsprechend halte das BSG es für möglich, die Stadt München als einen Vergleichsraum zu betrachten. Was diese Aussage für inhomogene Kreise bedeute, wie die erforderlichen Referenzmieten empirisch gewonnen werden könnten und wie im konkreten Einzelfall der homogene Lebens- und Wohnbereich definiert werde, erfordere aber eine komplexe Betrachtungs- und Vorgehensweise.
Ausgangspunkt sei die Festlegung des BSG, dass ein maßgeblicher räumlicher Vergleichsmaßstab festgelegt werden müsse, innerhalb dessen das Mietpreisniveau angemessener Wohnungen ermittelt werden solle. In dem Konzept von G. stelle der Werra-Meißner-Kreis (insgesamt) den Vergleichsraum dar. In diesem würden die Referenzmieten erhoben. Durch die Bildung von Wohnungsmarkttypen würden für den Vergleichsraum entsprechend den methodisch-empirischen Standards repräsentative Werte ermittelt. Das BSG orientiere sich bei seiner theoretischen Ableitung des Wohnortes u. a. an Distanzen bzw. zeitlichen Erreichbarkeitsmaßstäben, wie sie auch arbeitsuchenden Personen zugemutet werden könnten. Dies erfordere, dass das Aufrechterhalten des sozialen Umfeldes möglich sei. Es bedeute andererseits nicht, dass keinerlei Veränderungen der Wohnraumsituation stattfinden dürften. Vielmehr seien vom Hilfeempfänger auch Anfahrtswege mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinzunehmen, wie sie etwa erwerbstätigen Pendlern als selbstverständlich zugemutet würden. Generell könne es einer Bedarfsgemeinschaft im Rahmen der abstrakten Prüfung zugemutet werden, innerhalb des Wohnortes bzw. Vergleichsraumes Entfernungen von bis zu 1,5 Stunden in Kauf zu nehmen. Für den Werra-Meißner-Kreis bedeute dies, dass das Kreisgebiet einen einzigen Vergleichsraum bilden könne, der im Vergleich zu Berlin als einem gerichtlich bestätigten Vergleichsgebiet noch immer relativ klein sei. Ob Umzüge im Einzelfall zumutbar seien, sei hingegen nicht auf der Ebene des Vergleichsraums zu überprüfen, sondern im Rahmen einer nachgelagerten Einzelfallprüfung, die dann bspw. das Vorhandensein von Schulen etc. berücksichtigen könne.
Die Wohnungsmarkttypen seien nach dem Konzept des Beklagten dagegen nicht mit dem homogenen Lebens- und Wohnbereich gleichzusetzen, der den Vergleichsraum präge. Der Leistungsberechtigte sei daher auch über die Wohnungsmarkttypen hinaus auf Wohnraum verweisbar. Die Wohnungsmarkttypen stellten vielmehr eine empirische Differenzierung der Angebotsstruktur innerhalb des Vergleichsraums, also hier innerhalb des Werra-Meißner-Kreises, dar.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 19. Februar 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten, der Gegenstand des Verfahrens gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den vorliegenden Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erteilt haben.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 19. Februar 2018 ist nicht zu beanstanden. Die Bescheide des Beklagten vom 19. November 2014, 1. Dezember 2014 und 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. März 2015 waren abzuändern. Sie sind teilweise rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Die Kläger haben für den Zeitraum vom 1. Dezember 2014 bis 31. Mai 2015 Anspruch auf Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Bedarfe der Unterkunft.
Gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nur so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
Die Angemessenheit der Wohnungsbedarfe ist in mehreren Schritten zu prüfen: Bei der Wohnungsgröße ist die für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zu Grunde zu legen. Dazu ist auf die Werte zurückzugreifen, welche die Länder auf Grund von § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254; Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14/7b AS 44/06 R; BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R). Nach § 10 WoFG können die Länder im geförderten Wohnungsbau Grenzen für Wohnungsgrößen festlegen, bis zu denen eine Förderung in Betracht kommt. Unter Zugrundelegung der in Hessen geltenden Richtlinien (Nr. 11 i. V. m. Anlage 1 des Erlasses über die Ausstellung von Bescheinigungen über die Wohnungsberechtigung nach § 5 des Hessischen Wohnungsbindungsgesetzes bzw. nach § 17 des Hessischen Wohnraumförderungsgesetzes sowie von Berechtigungsscheinen zum Bezug von Wohnungen der Vereinbarten Förderung - §§ 88d und 88e des Zweiten Wohnungsbaugesetzes vom 22. Juli 2014 - Staatsanzeiger für das Land Hessen - StAnz - Nr. 32 vom 4. August 2014, S. 645 f. - Wohnraumfördererlass -), ist eine Wohnungsgröße für eine Person bis 50 m², für zwei Personen bis 60 m², für drei Personen bis 75 m² und für jede weitere Person max. 12 m² angemessen (vgl. Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 15. Dezember 2015 - L 9 AS 424/15 B ER und vom 13. Februar 2017 – L 9 AS 766/16 B ER). Wohnraumförderungsrechtliche Sonderregelungen, die auf persönliche Lebensverhältnisse des Hilfebedürftigen Bezug nehmen, sind bei der Bestimmung der Wohnflächen als Teil der Ermittlung einer abstrakt angemessenen Referenzmiete im Vergleichsraum nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 2012 - B 14 AS 13/12 R und Urteil vom 11. Dezember 2012 - B 4 AS 44/12 R).
Nach Feststellung der Wohnraumgröße ist als weiterer Faktor der Wohnungsstandard zu berücksichtigen. Angemessen sind die Aufwendungen für eine Wohnung nur dann, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R – juris Rn. 20). Sie muss dem Hilfebedürftigen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 4 AS 1/08 R – juris Rn. 15). Die Wohnung muss deshalb hinsichtlich der aufgeführten Kriterien, die als Mietpreis bildende Faktoren regelmäßig im Quadratmeterpreis ihren Niederschlag finden, im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen in dem räumlichen Bezirk liegen, der den Vergleichsmaßstab bildet. Dadurch ergibt sich einerseits ein Mindestanspruch, gleichzeitig aber im Rahmen des Begriffs der Angemessenheit auch ein Maximalanspruch, der sich aus dem Schutz (nur) des soziokulturellen Existenzminimums herleitet, dem die Ansprüche aus dem SGB II dienen. Da es im Ergebnis allein auf die Kostenbelastung des Grundsicherungsträgers ankommt, kann dahinstehen, ob einzelne Faktoren wie Ausstattung, Lage etc. isoliert als angemessen anzusehen sind, solange der Grundsicherungsträger nicht mit unangemessen hohen Kosten belastet wird (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R – juris Rn. 20).
Der sogenannten Produkttheorie (vgl. Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 32 m.w.N.) folgend, ist im Ergebnis alleine auf das Produkt aus angemessener Wohnfläche und dem Quadratmetermietpreis, der sich letztlich aus dem Wohnstandard ergibt, abzustellen. Es kommt weder isoliert auf die Wohnungsgröße noch auf den Quadratmetermietpreis an. Eine unangemessen große Wohnung kann bei einem geringen Quadratmetermietpreis also im Ergebnis angemessen sein, ebenso wie eine besonders kleine Wohnung gehobenen Standards.
Grundlage für die Ermittlung der Mietobergrenze bildet dabei ein schlüssiges Konzept, welches grundsätzlich von dem Grundsicherungsträger vorzulegen ist, der im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflichten dem Gericht eine Entscheidungsgrundlage zu verschaffen hat (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 27/09 R; Müller, in: Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl. 2014, § 103 Rn. 42). Kommt der Grundsicherungsträger dieser Verpflichtung nicht nach bzw. erfüllt das vorgelegte Konzept die an es zu stellenden Anforderungen nicht, ist es zunächst im Sinne der Amtsermittlung Aufgabe der Gerichte, den angemessenen Mietwert zu ermitteln. Erst im Falle eines Ermittlungsausfalls kann hilfsweise auf die Werte des § 12 Wohngeldgesetz zurückgegriffen werden.
Das dem Grundsicherungsträger im Rahmen der gestuften Angemessenheitsprüfung abzuverlangende (vgl. nur BSG, Urteil vom 22. März 2012 – B 4 AS 16/11 R; BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012 – B 4 AS 44/12 R; Wiemer NZS 2012, 9) Konzept der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum ist nur dann auch schlüssig, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt (BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14/7&8198;b AS 44/06 R; BSG, Urteil vom 22. September 2009 – B 4 AS 18/09 R; BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 – B 4 AS 44/14 R; Münder, Sozialgesetzbuch II, SGB II § 22 Rn. 82-99):
• Datenerhebung ausschließlich in dem genau eingegrenzten, dann aber über den gesamten, Vergleichsraum,
• nachvollziehbare Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen – Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße – einbezogen sind,
• Angaben über den Beobachtungszeitraum,
• Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
• Repräsentativität des Umfangs der einbezogenen Daten,
• Validität der Datenerhebung,
• Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
• Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).
Für die Erstellung eines schlüssigen Konzeptes ist nach der Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße demnach zunächst der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2017 - B 4 AS 33/16 R; BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 77/12 R). Überlegungen zur Bestimmung eines maßgeblichen örtlichen Vergleichsraums – insbesondere in Bezug auf die Datenerhebung – sind eine logische Voraussetzung zur Entwicklung eines schlüssigen Konzepts (vgl. BSG, Urteil vom 16. April 2013 - B 14 AS 28/12 R). Dabei geht es um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Leistungsberechtigten (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 10. September 2013 - B 4 AS 77/12 R).
Ein Vergleichsraum, in dem die Mietobergrenze ermittelt wird, ist dann zulässig bestimmt, wenn es sich um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handelt, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 27/09 R). Damit soll sichergestellt werden, dass die ortsüblichen Gegebenheiten bzw. mietpreisbeeinflussenden Faktoren in der Referenzmiete berücksichtigt werden.
Der Begriff Vergleichsraum zielt in erster Linie auf den Wohnort des Leistungsberechtigten ab; insbesondere ist er so zu wählen, dass Hilfesuchende im Regelfall ihr soziales Umfeld beibehalten können (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 2/10 R). Generalisierungen hinsichtlich des Vergleichsraums verbieten sich aufgrund dieser geographisch und infrastrukturell geprägten Anforderungen. Je nach örtlichen Gegebenheiten kann es sein, dass die Heterogenität des Vergleichsraums nicht unzulässig groß ist, wenn im Gebiet eines Landkreises mehrere Gemeinden zu einem Vergleichsraum zusammengefasst werden. Insbesondere im ländlichen Raum kann es geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammenzufassen (Hessisches LSG, Beschluss vom 23. Juli 2007 - L 9 AS 91/06 ER). Gibt es – insbesondere in Kleinst-Gemeinden – keinen Wohnungsmarkt, muss auf größere räumliche Bereiche abgestellt werden. Diese sind so zu wählen, dass dem grundsätzlich zu respektierenden Recht des Leistungsempfängers auf Verbleib in seinem sozialen Umfeld ausreichend Rechnung getragen wird (Theesfeld, jurisPR-MietR 13/2018 Anm. 4), sachliche Gesichtspunkte die Zusammenfassung erfordern, die kreisangehörigen Gemeinden keine erheblichen strukturellen Unterschiede (etwa in Bezug auf Topografie, Siedlungsdichte und Infrastruktur) aufweisen und die Daseinsvorsorge der Gemeinden des Vergleichsraums durch ein öffentliches Verkehrsnetz gewährleistet ist, diese also gleichmäßig gut angebunden sind (Berlit, info also 2017, 195, 197).
Letztlich ist der Vergleichsraum also aufgrund des abstrakt-generellen Charakters des Rechtsbegriffs der Raum, in dem ausgehend von rein objektiven Kriterien dem Leistungsberechtigten ein Umzug zumutbar ist, ohne dass zur Ausfüllung dieses Begriffs individuell in der Person des Leistungsberechtigten vorliegende oder fehlende Bindungen an ein Umfeld oder dessen Mobilität zu berücksichtigten wären.
Für den Werra-Meißner-Kreis folgt daraus, dass ein Vergleichsraum, der sich über den gesamten Landkreis erstreckt, zulässigerweise nicht angenommen werden darf. Der Werra-Meißner-Kreis als 1.024,7 km² großer Landkreis ohne Oberzentren und mit vier Mittelzentren mit rund 100.000 Einwohner insgesamt bildet nach Auffassung des Senats gerade keinen homogenen Lebens- und Wohnbereich. Seine Infrastruktur und insbesondere seine verkehrstechnischen Verbundenheit sind vielmehr durch eine erhebliche Heterogenität geprägt. Der Senat zieht insoweit den "Regionalplan Nordhessen 2009" heran.
Hieraus ergibt sich, dass der Werra-Meißner-Kreis hinsichtlich seiner Gemeinden C Stadt, Helsa und dem Gutsbezirk Kaufunger Wald dem Ordnungsraum Kassel zuzuordnen ist. Dieser Ordnungsraum ist geprägt durch seine Verbindungsfunktion zwischen dem Verdichtungsraum Kassel und dem ländlichen Raum (S. 21 des Regionalplans). Seine Entwicklungsachsen orientieren sich entsprechend an den Hauptlinien des an Kassel angebundenen ÖPNVs. Hierdurch wird der Zweck verfolgt, den motorisierten Individualverkehr zu begrenzen.
Im Übrigen ist der Werra-Meißner-Kreis nach dem Regionalplan dem ländlichen Raum zuzuordnen. Dieser bildet im Gegensatz zum Ordnungsraum einen eigenständigen Lebens- und Wirtschaftsraum unter Bewahrung vielfältiger teilregionaler Ausprägungen (S. 22 des Regionalplans). Dementsprechend unterschiedlich ist hier auch die infrastrukturelle Ausrichtung: Im ländlichen Raum sollen nach dem Regionalplan die Mittelzentren als Standorte für Versorgungseinrichtungen, Gewerbe, Arbeitsplatz- und Wohnstandorte und insbesondere auch für Einrichtungen der öffentlichen Hand gestärkt werden. Eine Bindung an den Verdichtungsraum ist hier explizit nicht vorgesehen. Die Verkehrsinfrastruktur setzt hierfür vermehrt auf zentrale Orte mit großräumigen Fernverkehrsachsen von Schiene und Straße.
Die Einschätzung, dass der Werra-Meißner-Kreis insgesamt nicht als Vergleichsraum im Sinne eines räumlichen Bereichs mit homogenem Lebens- und Wohnbereich in Betracht kommt, teilt letztlich auch die Firma G. als Konzeptersteller. Sie führt auf Seite 15 des Konzepts an, der Werra-Meißner-Kreis verfüge über keinen einheitlichen Wohnungsmarkt und weise größere regionale Unterschiede auf (vgl. hinsichtlich weiterer von der Fa. G. erarbeitete Konzepte für den Landkreis Harz LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 31. Januar 2018 – L 5 AS 201/17; für den Landkreis Börde LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24. April 2018 – L 5 AS 408/17; für den Salzlandkreis LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 7. März 2018 – L 5 AS 376/16; dagegen für die Kreis Pinneberg Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 31. Januar 2017 – L 6 AS 135/15; siehe auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. November 2016 – L 3 AS 137/14; Thüringer LSG, Urteil vom 8. Juli 2015 – L 4 AS 718/14). Diese Erkenntnis wird aber nicht bei der Bildung des abstrakt-generellen Vergleichsraums in das Konzept eingearbeitet, sondern soll erst bei der konkret-individuellen Betrachtung Berücksichtigung finden.
Zur Überzeugung des Senats steht damit fest, dass der Werra-Meißner-Kreis nicht geeignet ist, in seiner Gesamtheit als einheitlicher Vergleichsraum zu dienen. Er ist vielmehr in mindestens zwei getrennte Vergleichsräume aufzuteilen.
Vorliegend können auch durch den Senat selbst im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht keine hinreichenden Feststellungen zur Bestimmung des Vergleichsraumes getroffen werden (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 61/12 R Rn. 22). Es kann damit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, ob die Aufteilung des Werra-Meißner-Kreises in (nur) zwei Vergleichsräume ausreichend wäre oder ob es sachgerechterweise angezeigt wäre, eine feinere Gliederung des Werra-Meißner-Kreises orientiert an den politischen Gemeinden oder an Zusammenfassungen mehrerer politischer Gemeinden mit homogener Infrastruktur vorzunehmen.
Zunächst ist es im Wesentlichen Sache des Grundsicherungsträgers, für seinen Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, auf dessen Grundlage die erforderlichen Daten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zu erheben und auszuwerten. Die anhand eines solchen Konzeptes erzielbaren Erkenntnisse sind vom Grundsicherungsträger daher grundsätzlich schon für eine sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig und in einem Rechtsstreit vom Grundsicherungsträger vorzulegen. Entscheidet er ohne eine hinreichende Datengrundlage, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1, 2. Halbsatz SGG gehalten, dem Gericht eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf. eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Die dem Beklagten vorliegenden "Rohdaten" betreffend die Mietwerterhebung aus dem Jahr 2013 genügen hierfür nicht (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 21. November 2018 – L 6 AS 429/16 und die dortigen Ausführungen zu den in diesem Verfahren übermittelten und vom Senat ausgewerteten "Rohdaten").
Die Rohdaten in tabellarischer Form sind überschrieben mit "Bestandsmieten", "Angebotsmieten" sowie "kalte Betriebskosten" und enthalten Datenerhebungen zu einer Vielzahl von Unterkünften im Werra-Meißner-Kreis, wobei jeweils der Ort der Wohnung, die Wohnfläche, die Nettokaltmiete, Mietvertragsbeginn, ggf. die letzte Mietänderung und die Betriebskosten je Quadratmeter erhoben wurden. Insoweit ist allerdings bereits zweifelhaft, ob die Rohdaten tauglich für eine valide Datenerhebung sind. Einer großen Anzahl von Bestandsmieten (insgesamt 18 Tabellenseiten) steht nur eine vergleichsweise kleine Anzahl von Angebotsmieten gegenüber (insgesamt 5 Tabellenseiten). Hinzu kommt, dass für die Orte C-Stadt und Hessisch Lichtenau, also den unmittelbaren Einzugsbereich der Kläger, gerade einmal 23 aufgeführte Angebotsmieten den Wohnungsgrößenbereich, der für die Kläger von Relevanz wäre, beträfen. Es liegt nahe, dass bei einer so geringen Menge an betrachteten Angebotsmieten eine statistische Signifikanz nicht erreicht ist. Alleine die übersandten Rohdaten lassen daher keinen Schluss zu, ob die Daten einen tatsächlichen Schluss auf einen statistisch valide hergeleiteten Durchschnittswert zulassen oder ob Zufallsergebnisse zu Verzerrungen führen. Dies wäre statistisch-mathematisch durch einen Signifikanztest nachzuweisen. Hierfür genügt die primär durchgeführte Extremwertkappung (vgl. S. 28 ff. des Konzepts des Beklagten) bei einer derart geringen Wohnungsanzahl nicht. Eine weitere wertende Validierung, die aber dem Konzept nicht zu entnehmen ist, wäre erforderlich und darzustellen gewesen.
Diese Rohdaten betreffen allein die "Mietwerterhebung" und beziehen sich deshalb nicht auf die Vergleichsraumbildung, sondern auf die Frage, wie viel für eine abstrakt angemessene Wohnung aufzuwenden gewesen ist. Daten zur Vergleichsraumbestimmung wurden vom Beklagten nicht übermittelt und sind auch sonst für das Gericht nicht verfügbar. Nicht tauglich hierfür sind insbesondere die dem Konzept zugrundeliegenden Rohdaten bzw. deren Auswertung im Rahmen der Wohnungsmarkttypen, da diese keine Rückschlüsse auf die räumliche Zuordnung homogener Wohn- und Lebensverhältnisse im Werra-Meißner-Kreis zulassen. Sie sind vielmehr nur geeignet, die rein monetäre Verteilung von Bestands- und Angebotsmieten im Werra-Meißner-Kreis räumlich zu betrachten. Ob aber zwischen den einzelnen Wohnungsmarkttypen unter sozialen oder persönlichen Gesichtspunkten ein Umzug zumutbar wäre, lässt sich aus diesen Daten nicht ableiten. Hierfür wäre eine ausführlichere, nicht nur preisliche Analyse der Wohn- und Lebensverhältnisse einschließlich der infrastrukturellen Gegebenheiten des Werra-Meißner-Kreises zum streitgegenständlichen Zeitraum erforderlich.
Dem Gericht liegen damit keinerlei Daten vor, auf deren Grundlage sich Feststellungen zur Bildung des Vergleichsraumes treffen lassen bzw. die als Anknüpfungstatsachen für ein Sachverständigengutachten (vgl. Luik in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 22 Rn. 105) herangezogen werden könnten.
Hinsichtlich der Tatsachen, die für die Bildung eines Vergleichsraums erforderlich wären, liegt damit ein vollständiger Erkenntnisausfall vor. Die vorliegenden Daten genügen nicht, damit das Gericht selbst in die Lage versetzt wäre, hieraus ein schlüssiges Konzept im o.g. Sinne zu errichten. Dazu müssten nähere, über den vorliegenden Regionalplan hinausgehende Daten ermittelbar sein, die die Bildung von Vergleichsräumen zuließen. Hierfür müsste das Gericht in die Lage versetzt werden, Daten zur Infrastruktur, zu verkehrstechnischen Verbindungen und zur Homogenität des Lebens- und Wohnbereichs insgesamt in eine Gesamtbetrachtung der räumlichen Gegebenheiten einzustellen. Erkenntnisquellen hierfür sind weder vorgetragen noch für das Gericht ersichtlich (so auch Bl. 11 der Gerichtsakte; Protokollerklärung). Die hierfür erforderlichen Ermittlungen wären unverhältnismäßig aufwändig (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 61/12 R Rn. 23). Dies gilt umso mehr, als die Betrachtung retrospektiv zu erfolgen hätte. Insbesondere die zwei im Konzept angelegten Wohnungsmarktypen sind nicht geeignet, als Vergleichsraum zu dienen. Sie sind bereits vom Konzeptersteller aufgrund anderer Kriterien zusammengestellt worden und sollen nur eine empirische Differenzierung der Angebotsstruktur abbilden; sie bilden die Wohnungen also kostenseitig und nicht örtlich ab. Auch sie sind zudem in ihrer räumlichen Aufteilung (vgl. Bl. 20 des Konzepts) zu heterogen aufgeteilt, um einen einheitlichen Wohn- und Lebensraum bilden zu können. Die Amtsermittlungspflicht der Tatsacheninstanzen ist aber in diesen Fällen begrenzt (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 87/12 R Rn. 24).
Es fehlt mithin im Ergebnis mangels feststellbaren Vergleichsraums an einem schlüssigen Konzept für die Ermittlung der Mietobergrenze. Insoweit liegt deshalb ein Erkenntnisausfall vor.
Der Erkenntnisausfall hinsichtlich der angemessenen Referenzmiete macht den Rückgriff auf die Tabellenwerte des § 12 WoGG zuzüglich eines "Sicherheitszuschlags" nach generell-abstrakten Kriterien im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze erforderlich (BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 – B 4 AS 44/14 R Rn. 25).
Für die Gemeinde C-Stadt ist die Mietstufe I heranzuziehen. Die Berücksichtigung der Mietstufe I beruht auf dem Verfahren zur Festlegung der Mietstufen nach dem WoGG und den zugrunde zu legenden regionalen Gegebenheiten. § 12 Abs. 1 WoGG sieht monatliche Höchstbeträge für Miete und Belastung nach der Anzahl der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder und der jeweiligen Mietstufe vor. Gem. § 38 Nr. 2 WoGG sind Mietstufen festgelegt, die sich der Anlage zu § 1 Abs. 3 Wohngeldverordnung (WoGV) entnehmen lassen. Danach ist der Wohnort der Kläger der Mietstufe I zugeordnet. Wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen losgelösten Begrenzung der angemessenen Bruttokaltmiete im Wohngeldrecht, § 9 Abs. 1 WoGG, ist auf den jeweiligen Höchstbetrag der rechten Spalte der Tabelle zurückzugreifen und ein ,,Sicherheitszuschlag" unter Berücksichtigung genereller, abstrakter Kriterien in Höhe von 10 Prozent zu addieren (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 87/12 R Rn 25 f.). Unter Berücksichtigung der Mietstufe I ergibt sich eine Angemessenheitsobergrenze für die Bruttokaltmiete für den 5-Personen-Haushalt der Kläger von 617,10 EUR (561,00 EUR zuzüglich eines 10prozentigen Sicherheitszuschlages).
Es war daher auch nicht zu überprüfen, ob die sich aus dem WoGG ergebende Mietstufe für den jeweiligen Wohnort im Fall der Kläger nochmals aufgrund lokaler Besonderheiten des Vergleichsraums und seiner Umlandgemeinden anzupassen gewesen wäre (BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 – B 4 AS 45/14 R Rn. 25 ff.)
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der vom Beklagten zu übernehmenden Bedarfe für Unterkunft als Leistung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit vom 1. Dezember 2014 bis zum 31. Mai 2015.
Die 1982, 1990, 2008, 2009 und 2013 geborenen Kläger stehen seit 1. Dezember 2013 im Leistungsbezug nach dem SGB II bei dem Beklagten. Sie bewohnen seitdem eine ca. 140 m² große 7-Zimmer-Wohnung in C-Straße in C-Stadt. Die monatliche Grundmiete beträgt 500,00 EUR zuzüglich kalter Betriebskosten in Höhe von 74,00 EUR und Heizkosten in Höhe von 131,00 EUR.
Nachdem der Beklagte zunächst die tatsächlichen Bedarfe für Unterkunft der Kläger berücksichtigte, fügte er seinem Bescheid vom 8. Mai 2014 eine Aufforderungen bei die Kosten der Unterkunft zu senken. Angemessen seien Bedarfe für Unterkunft bis zu einer Bruttokaltmiete in Höhe von 450,00 EUR. Der Beklagte teilte mit, ab dem 1. Dezember 2014 nur noch diese als angemessen angesehenen Bedarfe berücksichtigen zu wollen.
Auf ihren Weiterbewilligungsantrag vom 17. November 2014 bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 19. November 2014 SGB II – Leistungen für den Zeitraum vom 1. Dezember 2014 bis 31. Mai 2015 unter Berücksichtigung einer monatlichen Bruttokaltmiete in Höhe von 450,00 EUR und Heizkosten in Höhe von 133,00 EUR. Unter dem 1. Dezember 2014 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid, der die Bedarfe der Unterkunft und Heizung nicht betraf. Am 17. Dezember 2014 legten die Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 19. November 2014 ein und begründeten ihn damit, dass ihnen ein Umzug nicht zumutbar sei. Mit Bescheid vom 28. Januar 2015 änderte der Beklagte den Bescheid vom 19. November 2014 bezüglich der Heizkosten ab und berücksichtigte für den Bewilligungszeitraum den Heizbedarf in der tatsächlichen Höhe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2015 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück. Die Wohnung der Kläger sei unangemessen groß und die Wohnkosten zu hoch. Hierauf seien sie in der Kostensenkungsaufforderung vom 8. Mai 2014 hingewiesen worden. Wohnraum stünde in ausreichendem Maße zur Verfügung, so dass eine Kostensenkung durch Umzug möglich sei.
Dagegen haben die Kläger am 27. April 2015 Klage vor dem Sozialgericht Kassel erhoben. Mit Urteil vom 19. Februar 2018 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 19. November 2014, 1. Dezember 2014 und 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. März 2015 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 1. Dezember 2014 bis 31. Mai 2015 Kosten der Unterkunft unter Zugrundelegung ihrer Aufwendungen in tatsächlicher Höhe zu gewähren, und die Berufung zugelassen.
Streitig seien ausschließlich die Kosten der Unterkunft. Heizkosten würden in tatsächlicher Höhe gewährt. Die Unterkunftskosten seien den Klägern in tatsächlicher Höhe zu gewähren. Diese seien angemessen. Zwar sei die Wohnung der Kläger unangemessen groß. Als angemessene Wohnungsgröße sei für einen 5-Personen-Haushalt von 96 m² auszugehen. Diese Überschreitung sei aber unbeachtlich, weil der Mietzins insgesamt nicht unangemessen sei.
Die von dem Beklagten zugrunde gelegte Angemessenheitsobergrenze könne nicht herangezogen werden. Das von dem Beklagten verwendete Konzept zur Feststellung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Werra-Meißner-Kreis, Endbericht vom März 2014 der Firma G., Beratungsgesellschaft für Wohnen, lmmobilien, Stadtentwicklung mbH (lm Folgenden: Gutachten) entspreche nicht den durch das Bundessozialgericht aufgestellten Vorgaben für die Festlegung einer Mietobergrenze.
Prägend für den Vergleichsraum sei, dass er dem Hilfebedürftigen ermöglichen müsse, bei einem Umzug sein soziales Umfeld zu erhalten. Ein Umzug, der mit der Aufgabe des sozialen Umfelds verbunden sei, könne vom Hilfebedürftigen regelmäßig nicht verlangt werden. Demnach sei ein Vergleichsraum zu bilden, auf dessen Gebiet jeder dort Lebende beliebig umziehen könnte, ohne sein Wohnumfeld zu verlieren. In erster Linie komme daher der Wohnort des Hilfebedürftigen als Vergleichsraum in Betracht, ohne dass hierfür aber der kommunalverfassungsrechtliche Begriff der "Gemeinde" entscheidend sein müsse. Vielmehr komme es darauf an, welche Bereiche zusammengefasst als homogen bezeichnet werden könnten. Im vorliegenden Fall habe der Beklagte das gesamte Kreisgebiet des Werra-Meißner-Kreises als Vergleichsraum definiert. Dies sei allerdings nicht tauglich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.
Der Werra-Meißner-Kreis bilde ohne Oberzentrum und mit vier Mittelzentren keinen homogenen Lebensbereich. Das Gericht stützte sich insoweit auf den Regionalplan Nordhessen aus 2009. Ein Teilbereich des Landkreises, nämlich die Gemeinden C-Stadt, Helsa sowie der Gutsbezirk Kaufunger Wald seien dem Ordnungsraum Kassel zugeordnet, für den eine ordnungs- und entwicklungsplanerische Gesamtkonzeption weiter zu verfolgen sei, die auf die nachdrückliche Sicherung bzw. Herbeiführung guter und gleichwertiger Lebens-, Wirtschafts- und Umweltbedingungen gerade in der Verbindungsfunktion zwischen Verdichtungsraum und ländlichem Raum abziele (Regionalplan Nordhessen 2009, S. 21). Der übrige Landkreis sei dem ländlichen Raum zugeordnet (Regionalplan Nordhessen 2009, S. 20). Somit zeige schon diese Untergliederung die lnhomogenität des Landkreises als Vergleichsraum. Aber auch infrastrukturell zeige sich diese lnhomogenität. Das Straßennetz sei geprägt durch die ehemalige Zonenrandlage und topografischen Gegebenheiten durch die Mittelgebirgslandschaft des Hohen Meißners. Dies spiegele sich auch wider im Liniennetz des Öffentlichen Personennahverkehrs, das gerade keinerlei homogene Struktur im Werra-Meißner-Kreis aufweise. Diese Gesichtspunkte fänden bei der Vergleichsraumbildung, wie sie der Beklagte vornehme, keine Berücksichtigung. Die Firma G. benenne den Landkreis als einheitlichen Vergleichsraum, ohne dies herzuleiten und zu begründen. Einer Analyse der Infrastruktur und hier insbesondere der verkehrstechnischen Verbundenheit im Sinne eines homogenen Lebens- und Wohnbereiches ermangele es.
Es erscheine im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen nicht schlechterdings unmöglich, für einen ländlich geprägten Raum einen Vergleichsraum zu definieren. Insoweit böte sich an, im ländlichen Raum eine kleinteiligere Untergliederung eines Vergleichsraumes vorzunehmen, um dem Kriterium der räumlichen Nähe im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu genügen. Zu denken sei hier etwa an Räume, die sich um Mittelzentren herum erstrecken, oder aber über die kommunalen Grenzen hinausreichende Vergleichsräume, wie es sich zum Beispiel für Gebiete anbieten könne, die in räumlicher Nähe zu einem Oberzentrum lägen. Diese Entscheidung zu treffen sei nicht Aufgabe des Gerichts. Insoweit sei deshalb von einem Erkenntnisausfall auszugehen.
Bei Ausfall der lokalen Erkenntnismöglichkeiten sei die umfassende Ermittlung der Daten sowie deren Auswertung im Sinne der Erstellung eines schlüssigen Konzepts Angelegenheit des Grundsicherungsträgers. Diese Ermittlungen seien bereits für die sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig. lm Rechtsstreit müsse der Grundsicherungsträger sein Konzept auf Anforderung durch das Gericht vorlegen. Entscheide er ohne ein solches schlüssiges Konzept, sei er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1 2. Halbsatz Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf. eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Lägen dennoch keine ausreichenden Daten vor, bräuchten insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen durchgeführt zu werden. So sei die Sachlage hier: Wie oben ausgeführt mangele es im vorliegenden Verfahren schon an einer zutreffenden Bestimmung des Vergleichsraumes, der erst die Grundlage für die Erstellung eines schlüssigen Konzeptes sei. Der Beklagte habe sich auch nicht in der Lage gesehen, für den streitgegenständlichen Zeitraum "nachzubessern". Dies habe er in der mündlichen Verhandlung auch zu Protokoll erklärt.
Dieser Erkenntnisausfall hinsichtlich der angemessenen Referenzmiete mache den Rückgriff auf die Tabellenwerte des § 12 Wohngeldgesetzes (WoGG) zuzüglich eines ,,Sicherheitszuschlages" nach generell-abstrakten Kriterien im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze erforderlich. Es sei aufgrund der Gegebenheiten vor Ort von der Mietstufe I auszugehen. Hieraus ergebe sich eine Angemessenheitsobergrenze für die Bruttokaltmiete für den 5-Personen-Haushalt der Kläger von 617,10 EUR (561,00 EUR zuzüglich eines 10prozentigen Sicherheitszuschlages). Der Beklagte habe deshalb die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, da die tatsächlich gezahlte Miete von 500,00 EUR zuzüglich der kalten Nebenkosten mit 74,00 EUR unter der durch die Mietstufen des WoGG bestimmten Angemessenheitsobergrenze gelegen habe. Die tatsächlichen Kosten der Heizung habe der Beklagte ohnehin bewilligt.
Gegen das am 9. März 2018 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 27. März 2018 Berufung erhoben. Der Beklagte stützt sich zur Begründung auf das "Konzept zur Feststellung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Werra-Meißner-Kreis – Endbericht vom März 2014" der Firma G. Beratungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien, Stadtentwicklung mbH, Hamburg. Ausgangspunkt dieses Konzepts sei eine eigenständige Datenerhebung, die sogenannte Mietwerterhebung, die über den gesamten Vergleichsraum, den Werra-Meißner-Kreis, erfolgt sei. Die Mietwerterhebung bilde den relevanten Wohnungsmarkt repräsentativ und empirisch valide ab. Der so gewonnene Datensatz sei unter Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze ausgewertet worden. Dies beinhalte u. a. eine nachvollziehbare Definition des Gegenstandes der Beobachtung, Angaben über den Beobachtungszeitraum, Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung und Angaben über die gezogenen Schlüsse (z. B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).
G. habe vor diesem Hintergrund ein Untersuchungskonzept entwickelt, das diese speziellen Anforderungen und Rahmenbedingungen für die Ermittlung von Mieten zur Festlegung von lokalen Angemessenheitswerten berücksichtige. Dieses basiere in seinen Grundzügen auf der allgemein anerkannten Vorgehensweise zur Erstellung von qualifizierten Mietspiegeln. Ziel des vorliegenden Konzeptes sei es, mithilfe einer Erhebung auf einer breiten empirischen Grundlage für den Werra-Meißner-Kreis eine Definition für die angemessenen Wohnkosten für Leistungsberechtigte vorzunehmen und rechtskonforme Mietpreisrichtwerte transparent und realitätsgerecht zu ermitteln. Des Weiteren würden mit dem Konzept die methodischen Grundlagen, der Ablauf der Untersuchung sowie die Ergebnisse der Mietwerterhebung zur Ermittlung von Mietpreisrichtwerten detailliert und nachvollziehbar dargestellt.
Der Beklagte beschreibt das Vorgehen zur Konzepterstellung methodisch wie folgt: In einem ersten Schritt sei das Verhältnis der verschiedenen räumlichen Ebenen - Landkreis, Gemeinden, Vergleichsraum, homogener Lebens- und Wohnbereich - zu definieren. Hieraus ergebe sich der sog. Vergleichsraum. Um möglichst repräsentative und marktgerechte Mieten zu ermitteln, habe G. ein Verfahren entwickelt, die räumlichen Unterschiede von Mietpreisstrukturen innerhalb eines Kreises richtig zu erfassen. Hieraus würden die sog. Wohnungsmarkttypen abgeleitet. Im Vorfeld der Datenerhebung seien die angemessene Wohnungsgröße und der angemessene Wohnungsstandard zu definieren. Des Weiteren sei die Grundgesamtheit der einzubeziehenden Wohnungen sowie die erforderliche Stichprobengröße - bereinigt um verzerrende Extremwerte - zu bestimmen, um so einen repräsentativen Datensatz zu ermöglichen.
Entsprechend der Anforderungen des BSG seien für die Ermittlung der Richtwerte sowohl Bestands- als auch Angebotsmieten heranzuziehen, um somit einerseits die bereits bestehende Wohnsituation von Bedarfsgemeinschaften und andererseits die erforderliche Neuversorgung richtig abzubilden. Hierbei seien sowohl der abstrakte Richtwert als auch die konkrete Verfügbarkeit zu überprüfen. Um hierbei sowohl zu niedrige Richtwerte - und damit ein zu geringes Wohnungsangebot – als auch zu hohe Richtwerte - und damit eine Fehlsubventionierung und Fehlsteuerung des Wohnungsmarktes - zu vermeiden, habe G. ein interaktives Verfahren entwickelt, mit dem der Richtwert nachfrageorientiert und passgenau abgeleitet werde.
Zur Festlegung eines Vergleichsraums trägt der Beklagte vor, dass er das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R – umsetze. Da es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen gehe, seien die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere nach folgenden Kriterien abzustecken: Es gehe darum zu beschreiben, welche ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildeten. Entsprechend halte das BSG es für möglich, die Stadt München als einen Vergleichsraum zu betrachten. Was diese Aussage für inhomogene Kreise bedeute, wie die erforderlichen Referenzmieten empirisch gewonnen werden könnten und wie im konkreten Einzelfall der homogene Lebens- und Wohnbereich definiert werde, erfordere aber eine komplexe Betrachtungs- und Vorgehensweise.
Ausgangspunkt sei die Festlegung des BSG, dass ein maßgeblicher räumlicher Vergleichsmaßstab festgelegt werden müsse, innerhalb dessen das Mietpreisniveau angemessener Wohnungen ermittelt werden solle. In dem Konzept von G. stelle der Werra-Meißner-Kreis (insgesamt) den Vergleichsraum dar. In diesem würden die Referenzmieten erhoben. Durch die Bildung von Wohnungsmarkttypen würden für den Vergleichsraum entsprechend den methodisch-empirischen Standards repräsentative Werte ermittelt. Das BSG orientiere sich bei seiner theoretischen Ableitung des Wohnortes u. a. an Distanzen bzw. zeitlichen Erreichbarkeitsmaßstäben, wie sie auch arbeitsuchenden Personen zugemutet werden könnten. Dies erfordere, dass das Aufrechterhalten des sozialen Umfeldes möglich sei. Es bedeute andererseits nicht, dass keinerlei Veränderungen der Wohnraumsituation stattfinden dürften. Vielmehr seien vom Hilfeempfänger auch Anfahrtswege mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinzunehmen, wie sie etwa erwerbstätigen Pendlern als selbstverständlich zugemutet würden. Generell könne es einer Bedarfsgemeinschaft im Rahmen der abstrakten Prüfung zugemutet werden, innerhalb des Wohnortes bzw. Vergleichsraumes Entfernungen von bis zu 1,5 Stunden in Kauf zu nehmen. Für den Werra-Meißner-Kreis bedeute dies, dass das Kreisgebiet einen einzigen Vergleichsraum bilden könne, der im Vergleich zu Berlin als einem gerichtlich bestätigten Vergleichsgebiet noch immer relativ klein sei. Ob Umzüge im Einzelfall zumutbar seien, sei hingegen nicht auf der Ebene des Vergleichsraums zu überprüfen, sondern im Rahmen einer nachgelagerten Einzelfallprüfung, die dann bspw. das Vorhandensein von Schulen etc. berücksichtigen könne.
Die Wohnungsmarkttypen seien nach dem Konzept des Beklagten dagegen nicht mit dem homogenen Lebens- und Wohnbereich gleichzusetzen, der den Vergleichsraum präge. Der Leistungsberechtigte sei daher auch über die Wohnungsmarkttypen hinaus auf Wohnraum verweisbar. Die Wohnungsmarkttypen stellten vielmehr eine empirische Differenzierung der Angebotsstruktur innerhalb des Vergleichsraums, also hier innerhalb des Werra-Meißner-Kreises, dar.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 19. Februar 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten, der Gegenstand des Verfahrens gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den vorliegenden Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erteilt haben.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 19. Februar 2018 ist nicht zu beanstanden. Die Bescheide des Beklagten vom 19. November 2014, 1. Dezember 2014 und 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. März 2015 waren abzuändern. Sie sind teilweise rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Die Kläger haben für den Zeitraum vom 1. Dezember 2014 bis 31. Mai 2015 Anspruch auf Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Bedarfe der Unterkunft.
Gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nur so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
Die Angemessenheit der Wohnungsbedarfe ist in mehreren Schritten zu prüfen: Bei der Wohnungsgröße ist die für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zu Grunde zu legen. Dazu ist auf die Werte zurückzugreifen, welche die Länder auf Grund von § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254; Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14/7b AS 44/06 R; BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R). Nach § 10 WoFG können die Länder im geförderten Wohnungsbau Grenzen für Wohnungsgrößen festlegen, bis zu denen eine Förderung in Betracht kommt. Unter Zugrundelegung der in Hessen geltenden Richtlinien (Nr. 11 i. V. m. Anlage 1 des Erlasses über die Ausstellung von Bescheinigungen über die Wohnungsberechtigung nach § 5 des Hessischen Wohnungsbindungsgesetzes bzw. nach § 17 des Hessischen Wohnraumförderungsgesetzes sowie von Berechtigungsscheinen zum Bezug von Wohnungen der Vereinbarten Förderung - §§ 88d und 88e des Zweiten Wohnungsbaugesetzes vom 22. Juli 2014 - Staatsanzeiger für das Land Hessen - StAnz - Nr. 32 vom 4. August 2014, S. 645 f. - Wohnraumfördererlass -), ist eine Wohnungsgröße für eine Person bis 50 m², für zwei Personen bis 60 m², für drei Personen bis 75 m² und für jede weitere Person max. 12 m² angemessen (vgl. Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 15. Dezember 2015 - L 9 AS 424/15 B ER und vom 13. Februar 2017 – L 9 AS 766/16 B ER). Wohnraumförderungsrechtliche Sonderregelungen, die auf persönliche Lebensverhältnisse des Hilfebedürftigen Bezug nehmen, sind bei der Bestimmung der Wohnflächen als Teil der Ermittlung einer abstrakt angemessenen Referenzmiete im Vergleichsraum nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 2012 - B 14 AS 13/12 R und Urteil vom 11. Dezember 2012 - B 4 AS 44/12 R).
Nach Feststellung der Wohnraumgröße ist als weiterer Faktor der Wohnungsstandard zu berücksichtigen. Angemessen sind die Aufwendungen für eine Wohnung nur dann, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R – juris Rn. 20). Sie muss dem Hilfebedürftigen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 4 AS 1/08 R – juris Rn. 15). Die Wohnung muss deshalb hinsichtlich der aufgeführten Kriterien, die als Mietpreis bildende Faktoren regelmäßig im Quadratmeterpreis ihren Niederschlag finden, im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen in dem räumlichen Bezirk liegen, der den Vergleichsmaßstab bildet. Dadurch ergibt sich einerseits ein Mindestanspruch, gleichzeitig aber im Rahmen des Begriffs der Angemessenheit auch ein Maximalanspruch, der sich aus dem Schutz (nur) des soziokulturellen Existenzminimums herleitet, dem die Ansprüche aus dem SGB II dienen. Da es im Ergebnis allein auf die Kostenbelastung des Grundsicherungsträgers ankommt, kann dahinstehen, ob einzelne Faktoren wie Ausstattung, Lage etc. isoliert als angemessen anzusehen sind, solange der Grundsicherungsträger nicht mit unangemessen hohen Kosten belastet wird (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R – juris Rn. 20).
Der sogenannten Produkttheorie (vgl. Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 32 m.w.N.) folgend, ist im Ergebnis alleine auf das Produkt aus angemessener Wohnfläche und dem Quadratmetermietpreis, der sich letztlich aus dem Wohnstandard ergibt, abzustellen. Es kommt weder isoliert auf die Wohnungsgröße noch auf den Quadratmetermietpreis an. Eine unangemessen große Wohnung kann bei einem geringen Quadratmetermietpreis also im Ergebnis angemessen sein, ebenso wie eine besonders kleine Wohnung gehobenen Standards.
Grundlage für die Ermittlung der Mietobergrenze bildet dabei ein schlüssiges Konzept, welches grundsätzlich von dem Grundsicherungsträger vorzulegen ist, der im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflichten dem Gericht eine Entscheidungsgrundlage zu verschaffen hat (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 27/09 R; Müller, in: Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl. 2014, § 103 Rn. 42). Kommt der Grundsicherungsträger dieser Verpflichtung nicht nach bzw. erfüllt das vorgelegte Konzept die an es zu stellenden Anforderungen nicht, ist es zunächst im Sinne der Amtsermittlung Aufgabe der Gerichte, den angemessenen Mietwert zu ermitteln. Erst im Falle eines Ermittlungsausfalls kann hilfsweise auf die Werte des § 12 Wohngeldgesetz zurückgegriffen werden.
Das dem Grundsicherungsträger im Rahmen der gestuften Angemessenheitsprüfung abzuverlangende (vgl. nur BSG, Urteil vom 22. März 2012 – B 4 AS 16/11 R; BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012 – B 4 AS 44/12 R; Wiemer NZS 2012, 9) Konzept der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum ist nur dann auch schlüssig, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt (BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14/7&8198;b AS 44/06 R; BSG, Urteil vom 22. September 2009 – B 4 AS 18/09 R; BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 – B 4 AS 44/14 R; Münder, Sozialgesetzbuch II, SGB II § 22 Rn. 82-99):
• Datenerhebung ausschließlich in dem genau eingegrenzten, dann aber über den gesamten, Vergleichsraum,
• nachvollziehbare Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen – Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße – einbezogen sind,
• Angaben über den Beobachtungszeitraum,
• Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
• Repräsentativität des Umfangs der einbezogenen Daten,
• Validität der Datenerhebung,
• Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
• Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).
Für die Erstellung eines schlüssigen Konzeptes ist nach der Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße demnach zunächst der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2017 - B 4 AS 33/16 R; BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 77/12 R). Überlegungen zur Bestimmung eines maßgeblichen örtlichen Vergleichsraums – insbesondere in Bezug auf die Datenerhebung – sind eine logische Voraussetzung zur Entwicklung eines schlüssigen Konzepts (vgl. BSG, Urteil vom 16. April 2013 - B 14 AS 28/12 R). Dabei geht es um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Leistungsberechtigten (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 10. September 2013 - B 4 AS 77/12 R).
Ein Vergleichsraum, in dem die Mietobergrenze ermittelt wird, ist dann zulässig bestimmt, wenn es sich um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handelt, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 27/09 R). Damit soll sichergestellt werden, dass die ortsüblichen Gegebenheiten bzw. mietpreisbeeinflussenden Faktoren in der Referenzmiete berücksichtigt werden.
Der Begriff Vergleichsraum zielt in erster Linie auf den Wohnort des Leistungsberechtigten ab; insbesondere ist er so zu wählen, dass Hilfesuchende im Regelfall ihr soziales Umfeld beibehalten können (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 2/10 R). Generalisierungen hinsichtlich des Vergleichsraums verbieten sich aufgrund dieser geographisch und infrastrukturell geprägten Anforderungen. Je nach örtlichen Gegebenheiten kann es sein, dass die Heterogenität des Vergleichsraums nicht unzulässig groß ist, wenn im Gebiet eines Landkreises mehrere Gemeinden zu einem Vergleichsraum zusammengefasst werden. Insbesondere im ländlichen Raum kann es geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammenzufassen (Hessisches LSG, Beschluss vom 23. Juli 2007 - L 9 AS 91/06 ER). Gibt es – insbesondere in Kleinst-Gemeinden – keinen Wohnungsmarkt, muss auf größere räumliche Bereiche abgestellt werden. Diese sind so zu wählen, dass dem grundsätzlich zu respektierenden Recht des Leistungsempfängers auf Verbleib in seinem sozialen Umfeld ausreichend Rechnung getragen wird (Theesfeld, jurisPR-MietR 13/2018 Anm. 4), sachliche Gesichtspunkte die Zusammenfassung erfordern, die kreisangehörigen Gemeinden keine erheblichen strukturellen Unterschiede (etwa in Bezug auf Topografie, Siedlungsdichte und Infrastruktur) aufweisen und die Daseinsvorsorge der Gemeinden des Vergleichsraums durch ein öffentliches Verkehrsnetz gewährleistet ist, diese also gleichmäßig gut angebunden sind (Berlit, info also 2017, 195, 197).
Letztlich ist der Vergleichsraum also aufgrund des abstrakt-generellen Charakters des Rechtsbegriffs der Raum, in dem ausgehend von rein objektiven Kriterien dem Leistungsberechtigten ein Umzug zumutbar ist, ohne dass zur Ausfüllung dieses Begriffs individuell in der Person des Leistungsberechtigten vorliegende oder fehlende Bindungen an ein Umfeld oder dessen Mobilität zu berücksichtigten wären.
Für den Werra-Meißner-Kreis folgt daraus, dass ein Vergleichsraum, der sich über den gesamten Landkreis erstreckt, zulässigerweise nicht angenommen werden darf. Der Werra-Meißner-Kreis als 1.024,7 km² großer Landkreis ohne Oberzentren und mit vier Mittelzentren mit rund 100.000 Einwohner insgesamt bildet nach Auffassung des Senats gerade keinen homogenen Lebens- und Wohnbereich. Seine Infrastruktur und insbesondere seine verkehrstechnischen Verbundenheit sind vielmehr durch eine erhebliche Heterogenität geprägt. Der Senat zieht insoweit den "Regionalplan Nordhessen 2009" heran.
Hieraus ergibt sich, dass der Werra-Meißner-Kreis hinsichtlich seiner Gemeinden C Stadt, Helsa und dem Gutsbezirk Kaufunger Wald dem Ordnungsraum Kassel zuzuordnen ist. Dieser Ordnungsraum ist geprägt durch seine Verbindungsfunktion zwischen dem Verdichtungsraum Kassel und dem ländlichen Raum (S. 21 des Regionalplans). Seine Entwicklungsachsen orientieren sich entsprechend an den Hauptlinien des an Kassel angebundenen ÖPNVs. Hierdurch wird der Zweck verfolgt, den motorisierten Individualverkehr zu begrenzen.
Im Übrigen ist der Werra-Meißner-Kreis nach dem Regionalplan dem ländlichen Raum zuzuordnen. Dieser bildet im Gegensatz zum Ordnungsraum einen eigenständigen Lebens- und Wirtschaftsraum unter Bewahrung vielfältiger teilregionaler Ausprägungen (S. 22 des Regionalplans). Dementsprechend unterschiedlich ist hier auch die infrastrukturelle Ausrichtung: Im ländlichen Raum sollen nach dem Regionalplan die Mittelzentren als Standorte für Versorgungseinrichtungen, Gewerbe, Arbeitsplatz- und Wohnstandorte und insbesondere auch für Einrichtungen der öffentlichen Hand gestärkt werden. Eine Bindung an den Verdichtungsraum ist hier explizit nicht vorgesehen. Die Verkehrsinfrastruktur setzt hierfür vermehrt auf zentrale Orte mit großräumigen Fernverkehrsachsen von Schiene und Straße.
Die Einschätzung, dass der Werra-Meißner-Kreis insgesamt nicht als Vergleichsraum im Sinne eines räumlichen Bereichs mit homogenem Lebens- und Wohnbereich in Betracht kommt, teilt letztlich auch die Firma G. als Konzeptersteller. Sie führt auf Seite 15 des Konzepts an, der Werra-Meißner-Kreis verfüge über keinen einheitlichen Wohnungsmarkt und weise größere regionale Unterschiede auf (vgl. hinsichtlich weiterer von der Fa. G. erarbeitete Konzepte für den Landkreis Harz LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 31. Januar 2018 – L 5 AS 201/17; für den Landkreis Börde LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24. April 2018 – L 5 AS 408/17; für den Salzlandkreis LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 7. März 2018 – L 5 AS 376/16; dagegen für die Kreis Pinneberg Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 31. Januar 2017 – L 6 AS 135/15; siehe auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. November 2016 – L 3 AS 137/14; Thüringer LSG, Urteil vom 8. Juli 2015 – L 4 AS 718/14). Diese Erkenntnis wird aber nicht bei der Bildung des abstrakt-generellen Vergleichsraums in das Konzept eingearbeitet, sondern soll erst bei der konkret-individuellen Betrachtung Berücksichtigung finden.
Zur Überzeugung des Senats steht damit fest, dass der Werra-Meißner-Kreis nicht geeignet ist, in seiner Gesamtheit als einheitlicher Vergleichsraum zu dienen. Er ist vielmehr in mindestens zwei getrennte Vergleichsräume aufzuteilen.
Vorliegend können auch durch den Senat selbst im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht keine hinreichenden Feststellungen zur Bestimmung des Vergleichsraumes getroffen werden (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 61/12 R Rn. 22). Es kann damit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, ob die Aufteilung des Werra-Meißner-Kreises in (nur) zwei Vergleichsräume ausreichend wäre oder ob es sachgerechterweise angezeigt wäre, eine feinere Gliederung des Werra-Meißner-Kreises orientiert an den politischen Gemeinden oder an Zusammenfassungen mehrerer politischer Gemeinden mit homogener Infrastruktur vorzunehmen.
Zunächst ist es im Wesentlichen Sache des Grundsicherungsträgers, für seinen Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, auf dessen Grundlage die erforderlichen Daten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zu erheben und auszuwerten. Die anhand eines solchen Konzeptes erzielbaren Erkenntnisse sind vom Grundsicherungsträger daher grundsätzlich schon für eine sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig und in einem Rechtsstreit vom Grundsicherungsträger vorzulegen. Entscheidet er ohne eine hinreichende Datengrundlage, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1, 2. Halbsatz SGG gehalten, dem Gericht eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf. eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Die dem Beklagten vorliegenden "Rohdaten" betreffend die Mietwerterhebung aus dem Jahr 2013 genügen hierfür nicht (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 21. November 2018 – L 6 AS 429/16 und die dortigen Ausführungen zu den in diesem Verfahren übermittelten und vom Senat ausgewerteten "Rohdaten").
Die Rohdaten in tabellarischer Form sind überschrieben mit "Bestandsmieten", "Angebotsmieten" sowie "kalte Betriebskosten" und enthalten Datenerhebungen zu einer Vielzahl von Unterkünften im Werra-Meißner-Kreis, wobei jeweils der Ort der Wohnung, die Wohnfläche, die Nettokaltmiete, Mietvertragsbeginn, ggf. die letzte Mietänderung und die Betriebskosten je Quadratmeter erhoben wurden. Insoweit ist allerdings bereits zweifelhaft, ob die Rohdaten tauglich für eine valide Datenerhebung sind. Einer großen Anzahl von Bestandsmieten (insgesamt 18 Tabellenseiten) steht nur eine vergleichsweise kleine Anzahl von Angebotsmieten gegenüber (insgesamt 5 Tabellenseiten). Hinzu kommt, dass für die Orte C-Stadt und Hessisch Lichtenau, also den unmittelbaren Einzugsbereich der Kläger, gerade einmal 23 aufgeführte Angebotsmieten den Wohnungsgrößenbereich, der für die Kläger von Relevanz wäre, beträfen. Es liegt nahe, dass bei einer so geringen Menge an betrachteten Angebotsmieten eine statistische Signifikanz nicht erreicht ist. Alleine die übersandten Rohdaten lassen daher keinen Schluss zu, ob die Daten einen tatsächlichen Schluss auf einen statistisch valide hergeleiteten Durchschnittswert zulassen oder ob Zufallsergebnisse zu Verzerrungen führen. Dies wäre statistisch-mathematisch durch einen Signifikanztest nachzuweisen. Hierfür genügt die primär durchgeführte Extremwertkappung (vgl. S. 28 ff. des Konzepts des Beklagten) bei einer derart geringen Wohnungsanzahl nicht. Eine weitere wertende Validierung, die aber dem Konzept nicht zu entnehmen ist, wäre erforderlich und darzustellen gewesen.
Diese Rohdaten betreffen allein die "Mietwerterhebung" und beziehen sich deshalb nicht auf die Vergleichsraumbildung, sondern auf die Frage, wie viel für eine abstrakt angemessene Wohnung aufzuwenden gewesen ist. Daten zur Vergleichsraumbestimmung wurden vom Beklagten nicht übermittelt und sind auch sonst für das Gericht nicht verfügbar. Nicht tauglich hierfür sind insbesondere die dem Konzept zugrundeliegenden Rohdaten bzw. deren Auswertung im Rahmen der Wohnungsmarkttypen, da diese keine Rückschlüsse auf die räumliche Zuordnung homogener Wohn- und Lebensverhältnisse im Werra-Meißner-Kreis zulassen. Sie sind vielmehr nur geeignet, die rein monetäre Verteilung von Bestands- und Angebotsmieten im Werra-Meißner-Kreis räumlich zu betrachten. Ob aber zwischen den einzelnen Wohnungsmarkttypen unter sozialen oder persönlichen Gesichtspunkten ein Umzug zumutbar wäre, lässt sich aus diesen Daten nicht ableiten. Hierfür wäre eine ausführlichere, nicht nur preisliche Analyse der Wohn- und Lebensverhältnisse einschließlich der infrastrukturellen Gegebenheiten des Werra-Meißner-Kreises zum streitgegenständlichen Zeitraum erforderlich.
Dem Gericht liegen damit keinerlei Daten vor, auf deren Grundlage sich Feststellungen zur Bildung des Vergleichsraumes treffen lassen bzw. die als Anknüpfungstatsachen für ein Sachverständigengutachten (vgl. Luik in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 22 Rn. 105) herangezogen werden könnten.
Hinsichtlich der Tatsachen, die für die Bildung eines Vergleichsraums erforderlich wären, liegt damit ein vollständiger Erkenntnisausfall vor. Die vorliegenden Daten genügen nicht, damit das Gericht selbst in die Lage versetzt wäre, hieraus ein schlüssiges Konzept im o.g. Sinne zu errichten. Dazu müssten nähere, über den vorliegenden Regionalplan hinausgehende Daten ermittelbar sein, die die Bildung von Vergleichsräumen zuließen. Hierfür müsste das Gericht in die Lage versetzt werden, Daten zur Infrastruktur, zu verkehrstechnischen Verbindungen und zur Homogenität des Lebens- und Wohnbereichs insgesamt in eine Gesamtbetrachtung der räumlichen Gegebenheiten einzustellen. Erkenntnisquellen hierfür sind weder vorgetragen noch für das Gericht ersichtlich (so auch Bl. 11 der Gerichtsakte; Protokollerklärung). Die hierfür erforderlichen Ermittlungen wären unverhältnismäßig aufwändig (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 61/12 R Rn. 23). Dies gilt umso mehr, als die Betrachtung retrospektiv zu erfolgen hätte. Insbesondere die zwei im Konzept angelegten Wohnungsmarktypen sind nicht geeignet, als Vergleichsraum zu dienen. Sie sind bereits vom Konzeptersteller aufgrund anderer Kriterien zusammengestellt worden und sollen nur eine empirische Differenzierung der Angebotsstruktur abbilden; sie bilden die Wohnungen also kostenseitig und nicht örtlich ab. Auch sie sind zudem in ihrer räumlichen Aufteilung (vgl. Bl. 20 des Konzepts) zu heterogen aufgeteilt, um einen einheitlichen Wohn- und Lebensraum bilden zu können. Die Amtsermittlungspflicht der Tatsacheninstanzen ist aber in diesen Fällen begrenzt (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 87/12 R Rn. 24).
Es fehlt mithin im Ergebnis mangels feststellbaren Vergleichsraums an einem schlüssigen Konzept für die Ermittlung der Mietobergrenze. Insoweit liegt deshalb ein Erkenntnisausfall vor.
Der Erkenntnisausfall hinsichtlich der angemessenen Referenzmiete macht den Rückgriff auf die Tabellenwerte des § 12 WoGG zuzüglich eines "Sicherheitszuschlags" nach generell-abstrakten Kriterien im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze erforderlich (BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 – B 4 AS 44/14 R Rn. 25).
Für die Gemeinde C-Stadt ist die Mietstufe I heranzuziehen. Die Berücksichtigung der Mietstufe I beruht auf dem Verfahren zur Festlegung der Mietstufen nach dem WoGG und den zugrunde zu legenden regionalen Gegebenheiten. § 12 Abs. 1 WoGG sieht monatliche Höchstbeträge für Miete und Belastung nach der Anzahl der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder und der jeweiligen Mietstufe vor. Gem. § 38 Nr. 2 WoGG sind Mietstufen festgelegt, die sich der Anlage zu § 1 Abs. 3 Wohngeldverordnung (WoGV) entnehmen lassen. Danach ist der Wohnort der Kläger der Mietstufe I zugeordnet. Wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen losgelösten Begrenzung der angemessenen Bruttokaltmiete im Wohngeldrecht, § 9 Abs. 1 WoGG, ist auf den jeweiligen Höchstbetrag der rechten Spalte der Tabelle zurückzugreifen und ein ,,Sicherheitszuschlag" unter Berücksichtigung genereller, abstrakter Kriterien in Höhe von 10 Prozent zu addieren (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 87/12 R Rn 25 f.). Unter Berücksichtigung der Mietstufe I ergibt sich eine Angemessenheitsobergrenze für die Bruttokaltmiete für den 5-Personen-Haushalt der Kläger von 617,10 EUR (561,00 EUR zuzüglich eines 10prozentigen Sicherheitszuschlages).
Es war daher auch nicht zu überprüfen, ob die sich aus dem WoGG ergebende Mietstufe für den jeweiligen Wohnort im Fall der Kläger nochmals aufgrund lokaler Besonderheiten des Vergleichsraums und seiner Umlandgemeinden anzupassen gewesen wäre (BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 – B 4 AS 45/14 R Rn. 25 ff.)
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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